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Mehr als Golf
Drei Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung erzählen von ihren Erfahrungen mit Golf und von der Rolle, die der Sport für sie spielt. Lassen Sie sich dreifach inspirieren.
JÉRÔME REYNARD
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Aus Freude Am Gef Hl
Auf dem Putting Green des Golfparks Moossee geht Doris Stalder von ihrem Ball bis zum Loch, das sie anvisiert, und dann zurück zum Ausgangspunkt. Dort wartet ihr Begleiter Willi auf sie. «Ich sehe nur etwa drei Prozent, aber die Fahne erkenne ich dank ihrer Farbe und meinen Ball sehe ich als weissen Punkt», erklärt sie. Das Ziel dieser Routine auf dem Green? «Das Gespür dafür zu bekommen, wie weit ich gehen muss und wie sich das Gelände unter meinen Füssen verändert.»
Zurück bei ihrem Ball, hilft Willi Doris beim Ausrichten der Schlagfläche. «Danach ist es eine Sache des Gefühls und des Gedächtnisses», sagt sie. Ihr Begleiter gibt ihr auch ein Feedback zum Ergebnis. «Der war einen Meter zu lang», sagt er. Einige Versuche später gelingt ihr ein Putt. Das erkennt die Bernerin am Geräusch des Balls, der ins Loch fällt. Ist dieses Geräusch ihr Heiliger Gral? «Ganz und gar nicht», entgegnet sie. «Mir geht es um das Gefühl, das mir das Spielen gibt, nicht um das Ergebnis. Es ist mir wichtiger, eine bestimmte Distanz zu schaffen, als den Ball ins Loch zu bringen.»
Dasselbe gilt auf der Driving Range. Auch dort hilft ihr Willi, sich auf das Ziel auszurichten, und kommentiert ihren Schlag. Doris dabei zuzusehen, wie sie einen Ball nach dem anderen schlägt, ist verblüffend und faszinierend zugleich. «Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich den Ball nicht wegfliegen, also versuche ich vor allem, einen schönen Schwung hinzubekommen», erzählt Doris. «Wenn mein Schlag gut ist, dann spüre ich das. Wegen dieses Gefühls spiele ich Golf.»
«ES IST WIE TANZEN»
Die 63-jährige medizinische Masseurin, deren Sehvermögen sich vor zehn Jahren erheblich verschlechterte, entdeckte den Golfsport erst vor drei Jahren, während eines Multisport-Kurses in Tenero. «Die Bewegung hat mich sofort fasziniert», sagt sie. «Ich habe das Gefühl, mit meinem Körper zu spielen. Es ist wie tanzen. Ausserdem ist es für mich ein ungefährlicher Sport, und ich kann Putten oder Chippen alleine üben. Und ich kann draussen und mit anderen Leuten zusammen sein. In Gesellschaft anderer fühle ich mich wohl.»
Doris Stalder ist Besitzerin einer Migros GolfCard und hat ihre Platzreife 2022 erlangt. Dieses Jahr ist sie seit Anfang Mai wieder auf dem Platz, «nach einer ausgiebigen Wintersaison auf der Piste», lächelt sie. «Ja, ich fahre Ski und betreibe auch andere Sportarten. Das liegt einfach in meiner Natur. Das Einzige, was ich immer brauche, ist jemand, der mich begleitet. Ich sehe durch die Augen dieser Person. Das setzt Vertrauen voraus und braucht gewisse Automatismen. Im Golf ist die Bernerin noch dabei, sich ihr Netzwerk zu knüpfen. «Langsam entdecke ich, wie dieser Sport funktioniert und welche Möglichkeiten eine sehbehinderte oder blinde Person hat. Noch bin ich leider nicht genug organisiert, um mehrmals pro Woche spielen zu können. Aber ich hatte das Glück, auf Golflehrerinnen und -lehrer zu treffen, die mir geholfen haben, und auf blinde Spielerinnen, die mir wertvolle Tipps gegeben haben, wie zum Beispiel Karin Becker.» Die Österreicherin ist Weltmeisterin im Blindengolf. Aber diese Tatsache ist für Doris Stalder nicht ausschlaggebend. •