Jubiläumsheft 25 jahre Berliner Freunde der Völker Russlands e.V.

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25 Jahre Berliner Freunde der Vรถlker Russlands e.V.

Geschichte und Gegenwart Geschichten der Freundschaft

Berlin 2017

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Inhalt Zum Geleit

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Grußwort der Botschaft der Russischen Föderation Botschafter Wladimir M. Grinin

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Grußwort des Russischen Hauses der Wissenschaft und Kultur (RHWK) Kommissarischer Leiter A. Anisimov

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Grußwort des Bundesverbandes Deutscher West-Ost-Gesellschaften Peter Franke, Vorsitzender

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Grußwort der Stiftung West-Östliche Begegnungen Dr. Helmut Domke „Mehr als ein Studium ...“ Zur Gründung und zum Wirken der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion und der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft Horst Schützler

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Mein Blick als “Kulturoffizier” und Historiker auf Deutschland und die Deutschen Gespräch mit Prof. Dr. Jakow S. Drabkin am 10. März 2008 in Berlin

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Nicht vergessen! Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Westberlin Fritz-Albert Kuske

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Verständigung, Freundschaft, Frieden – gestern und heute Eugen Neubert

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Was bleibt von der deutsch-sowjetischen Freundschaft in der DDR? Überlegungen zur eigenen Prägung Elke Scherstjanoi

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25 Jahre “Berliner Freunde der Völker Russlands e. V.. Rückschau. Ein- und Ausblicke Horst Schützler

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Mein Engagement für Verständigung und Freundschaft zwischen den Völkern 51 Interview mit Dr. Franz von Hammerstein, Ehrenvorsitzender der Stiftung WestÖstliche Begegnungen und des Vereins Berliner Freunde der Völker Russlands Der neue Name für den Verein Ferdinand Thun-Hohenstein

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Ein Leben für die Freundschaft – Tamara Günther Anna Kähne

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Humanitäre Hilfe – ein Grundanliegen unseres Vereins

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Ronald Pagel Schülerbegegnungen Horst Herrmann

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Senioren geben nicht auf. Zur Arbeit der Basisgruppe Plänterwald Anneliese Klostermann und Horst Thurau

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Kampf um Bersarin. Wirken für ein würdevolles Gedenken an Nikolai E. Bersarin Lutz Prieß

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Meine Annäherung an Person und Wirken Nikolaj E. Bersarins Gerd Porsche

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Über Helga Köpstein und sowjetische Ehrenmale Sonja Striegnitz

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Ein verpflichtendes Erbe Lutz Prieß

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Friedensreisen, gute Freunde und liebe Gäste Horst Herrmann

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Hier lebte und wirkte Erich Baron Erhard Römer

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Ein unvergessliches Erlebnis Ferdinand Thun-Hohenstein

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April 1945: Kaulsdorf in jenen Tagen. Aus Tagebuchaufzeichnungen.

Die ersten Tage des Friedens Vera Feyerherd

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Befreiung und Freundschaft Horst Herrmann

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Aus jüngeren Jahren Helga Köpstein

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Begegnungen mit Sowjetmenschen Ronald Pagel

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Freunde zum Anfassen Brigitte Großmann

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1957 Als Studentin im Kaukasus Cilly Keller

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“Worte sind der Taten Widerschein”. Aus Erinnerungen an Schriftstellerfreunde

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Leonhard Kossuth Mein Wirken in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Peter Hoffmann

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Freundschaftsgeschichten aus dem Universitätsleben Günter Rosenfeld, Horst Schützler, Sonja Striegnitz

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Begegnungen in Belarus Marga Voigt

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Freundschaftliche Begegnungen Eugen Neuber

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Der Sprössling Cilly Keller

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Wenn einer eine Reise tut…

Hermann Sachse

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8./9. Mai 2013 – Tag der Befreiung und des Sieges Knut Danicke

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Exkursion nach Neuruppin – Mai 2015 Elke Krüger

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Erklärung zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus Mitgliederversammlung, 14. März 2015

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Freundschaftsbande nicht abreißen lassen – Wortmeldungen zum Vereinsjubiläum

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TROIKA Infoblatt der Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. Januar 2017. 25 Jahre Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. 70 Jahre Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion

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Zum Geleit Die anlässlich des Jubiläums des Vereins vorgelegte Publikation bietet als Neuauflage bzw. Nachdruck (mit einigen Veränderungen, Kürzungen, Erweiterungen und neuen Anmerkungen) mehrere Beiträge aus drei Publikationen1, die der Verein in vergangenen Jahren herausgegeben hat und die nicht mehr zur Verfügung stehen, jedoch seinen Mitgliedern und Freunden neuerlich zugänglich gemacht werden sollen. Außerdem wird weiteres Material unterbreitet, das von den Aktivitäten der Vereinsmitglieder und des Vorstands berichtet.

Geschichte und Gegenwart unseres Vereins möglichst authentisch zu bewahren, für uns und unser heutiges Wirken, für Freunde und Interessierte ist das Anliegen, das mit dieser Publikation verfolgt wird. Aus Platzgründen haben wir uns entschieden, vor allem unsere Mitglieder, auch die, von denen wir uns schon für immer verabschieden mussten, mit dem zu Wort kommen zu lassen, was sie uns und der Nachwelt über erkämpfte und gelebte Freundschaft zu sagen haben.

Der Blick auf die Geschichte unseres Vereins schließt die Rückschau auf die Geschichte der vor siebzig Jahren gegründeten „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ und die Geschichte der „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ ein. Entsprechende Beiträge findet der Leser in dieser Publikation, wo eine ausgewogene Würdigung der konkret historischen gesellschaftlichen Wirkungsbedingungen und der Leistungen unserer „Vorläufer“ mit einer Darstellung von Schwierigkeiten, Grenzen und Defiziten ihrer Freundschaftsarbeit verknüpft wird. Das vielseitige Wirken unseres Vereins und seiner unermüdlichen Akteure widerspiegeln in beeindruckender Weise namentlich die zahlreichen Erinnerungsskizzen. Leonhard Kossuth hat mit “Soll ich eine Geschichte erzählen?” für sie gleichsam das Geleitwort geprägt. Wie er Episoden aus jahrzehntelanger Tätigkeit als hervorragender Mittler zwischen einer ganzen sowjetischen Schriftsteller- und Dichtergeneration und den Lesern in der einstigen DDR – Freundschaftsarbeit im besten Sinne – berichtet, erzählen andere über ihren Weg zu gegenseitigem Verstehen zwischen Deutschen und Russen, zwischen Menschen der Sowjetunion/Russlands, der DDR und dem heutigen Deutschland, halten berührende, ernste, besinnliche und heitere “Geschichten der Freundschaft” für das historische Gedächtnis fest.

Die Jubiläumspublikation möge deutlich machen: Unsere Vereinsarbeit war und ist stets politische Stellungnahme für Verständigung und Freundschaft mit den Menschen Russlands. Dies wird sie auch in heutiger, komplizierter gewordener Zeit bleiben.

Die Redaktion

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“Mehr als ein Studium...” Gründung und Wirken der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion - Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft - Ostdeutsche Freundschaftsgesellschaften. Was war – was bleibt – wie weiter? Beiträge und Materialien zum 60. Jahrestag der Gründung der “Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion” am 30. Juni 1947 in Berlin. Hrsg.: Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. (in Kooperation mit den anderen fünf ostdeutschen Freundschaftsgesellschaften). Berlin 2008. (Im Weiteren „Mehr als ein Studium…“); 15 Jahre Verständigung, Freundschaft, Frieden. Hrsg.: Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. Berlin 2007. (Im Weiteren 15 Jahre); Befreier – Befreite – Freunde. Geschichten der Freundschaft. Hrsg. Berliner Freunde der Völker Russlands e.

V. Berlin 2010. (Im Weiteren Geschichten der Freundschaft).

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Grußwort anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Vereines der „Berliner Freunde der Völker Russlands" e.V. Es bereitet mir eine aufrichtige Freude, allen Mitgliedern des Vereins „Berliner Freunde der Völker Russlands“ meine herzlichsten Glückwünsche zum 25-jährigen Jubiläum der Gründung dieser hochangesehenen gesellschaftlichen Organisation zu überbringen.

Ihr Verein, wie auch viele ähnliche Strukturen auf der regionalen Ebene, sind aufs tiefste mit der Geschichte der ersten Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft verbunden, die in den Nachkriegsjahren entstand. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands ist es den Trägern der Traditionen dieser Freundschaft erfolgreich gelungen, sich neu zu formieren und unter neuen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten freundschaftliche Beziehungen zu alten und neuen Partnern in unserem Land fortzusetzen.

Unter der Leitung der Gründerväter und des jetzigen Vorstandes Ihres Vereins, durch persönliches Engagement und zielstrebige Tätigkeit zahlreicher Mitstreiter hierzulande. genießt Ihre Organisation einen hohen Ruf und hat sich durch zahlreiche Veranstaltungen, Begegnungen und Informationsreisen zu einem wichtigen Leuchtturm im Berliner gesellschaftlichen Leben etabliert. In den vergangenen 25 Jahren ist es dem Verein gelungen, zu einer der wichtigsten Drehscheiben für den kulturellen und gesellschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Russland zu werden.

Heute vereinen die „Berliner Freunde der Völker Russlands“ deutsche Bürgerinnen und Bürger, die sich mit offenen Herzen für die Vertiefung der deutsch-russischen Zusammenarbeit auf der zivilen Ebene tatkräftig einsetzen. Gerade in den gegenwärtigen komplizierten Zeiten der abgekühlten politischen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern, der Sanktionen und Informationskriege, spielen solche menschlichen Kontakte eine erstrangige Rolle bei der Aufrechterhaltung des beiderseitigen Dialogs.

Diese Volksdiplomatie und auf Dauer angelegte Partnerschaften verpflichten gegenseitig und sind auch dazu berufen, manche Differenzen auf der öffentlichen Ebene zu überbrücken und so zum gegenseitigen Vertrauen beizutragen.

Ich wünsche dem Verein „Berliner Freunde der Völker Russlands“ und seinen Mitgliedern weitere Schaffenskraft und viel Erfolg bei der Umsetzung gemeinsamer Projekte mit russischen Partnern für die Stärkung der Freundschaft zwischen den Völkern Russlands und Deutschlands.

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GruĂ&#x;wort des Russischen Hauses der Wissenschaft und Kultur

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Grußwort des Bundesverbandes Deutscher West-Ost-Gesellschaften Vor 25 Jahren entstand der Verein der „Berliner Freunde der Völker Russlands“, und in Zeiten, in denen die Bundesregierung Russland nicht mehr als Partner, sondern wie im neuen Weißbuch, dem Grundlagendokument der Bundesregierung zur sicherheitspolitische Lage formuliert, als „Herausforderung für die Sicherheit auf unserem Kontinent“ sieht, manifestiert sich schon im Namen des Vereins ein grundsätzlich anderes Herangehen an die Partner im Osten Europas.

Denn wenn man sich seit zweieinhalb Jahrzehnten in einem Verein mit dem Namen „Freunde der Völker Russlands“ engagiert, hat man wohl einen anderen Blick auf unseren Nachbarn im Osten. Dann stehen die Suche nach Gemeinsamkeiten und nach gemeinsamen Lösungen für Probleme im Kleinen wie im Großen sowie der Austausch in vielen Bereichen und die Partnerschaft auf Augenhöhe im Vordergrund. Dann will man die Menschen in einem Europa, das nun einmal größer ist als das „EU-Europa“, einander näher bringen.

Dabei haben geholfen und helfen die langjährigen Kontakte und Erfahrungen vor Ort und dass man sich dem Gedanken der Völkerverständigung sowie dem interkulturellen Dialog verschrieben hat.

Heute gilt es, den Herausforderungen der praktischen Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft erfolgreich zu begegnen, und dabei sollte man stets auch die gemeinsame Vergangenheit mit ihren negativen wie positiven Seiten im Blick halten. Denn partnerschaftliche Beziehungen gedeihen, wenn sie auf einer aus einer gemeinsamen Erinnerung beruhenden Verständigung und Versöhnung, die nichts beschönigt, nichts verdrängt, erwachsen.

Auch vor den „Berliner Freunden der Völker Russlands“ steht die Aufgabe, die Partnerschaft mit Russland und seinen Völkern in den nächsten Jahre durch konkrete Partnerschaftsprojekte im politischen, kulturellen wie im Fach-, Schüler- und Jugendaustausch zu bewahren, auch um im interkulturellen Dialog der latenten wie offenen Fremdenfeindlichkeit im Westen wie im Osten entgegenzuwirken.

Peter Franke Vorsitzender

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Grußwort der Stiftung West-Östliche Begegnungen Freundschaft ist für sie nicht nur ein Wort – 25 Jahre „Berliner Freunde der Völker Russlands e.V.“ Die Gründung des Vereins der „Berliner Freunde der Völker Russland“ vor 25 Jahren war ein Glücksfall.

Wir erinnern uns: Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in der DDR, der Erlangung der Deutschen Einheit 1989/90 und dem Zerfall der Sowjetunion hatten sich auch die Rahmenbedingungen für die Beziehungen zu Partnern und Freunden in Russland, Belarus, in der Ukraine, im Kaukasus oder in Mittelasien radikal verändert. Für ihre Rolle bei der Wiedererlangung der Einheit Deutschlands wurde seinerzeit in Deutschland der Sowjetunion viel Dank und Anerkennung zuteil. Ein „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“, unterzeichnet am 9. November 1990 mit der Sowjetunion, gehörte zum Gesamtpaket der Verträge zur Deutschen Einheit ebenso wie der Vertrag über den Aufenthalt und den vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland bis zum Jahre 1994. Trotzdem drohten nun viele seit Jahrzehnten gewachsene und gepflegte Kontakte und Verbindungen verloren zu gehen.

Nach der Auflösung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft als Massenorganisation hatten sich in den ostdeutschen Bundesländern regionale gesellschaftliche Organisationen gebildet. Sie bemühten sich nun unter den neuen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten um freundschaftliche Beziehungen zu alten und neuen Partnern in den Neuen Unabhängigen Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Der Verein der “Berliner Freunde der Völker Russlands e.V.“ steht beispielhaft für diesen Neuanfang. Mit Leidenschaft, Herz und Sachverstand widmeten sich seine Mitglieder dieser Aufgabe und entwickelten dabei ein eigenes und einzigartiges Profil.

Sie nahmen insbesondere die Motivationen der 1947 von Kulturschaffenden und Wissenschaftlern gegründeten „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ auf, die damals unter dem Motto stand „Durch Studium zur Wahrheit, durch Wahrheit zur Freundschaft“. Damals galt es, nach der Naziherrschaft und dem Ende des Zweiten Weltkriegs einer in Deutschland weit verbreiteten Russophobie eine kulturelle und humanitäre Sicht auf Russland und die Sowjetunion entgegen zu setzen. Heute ist diese Aufgabe in neuer Weise leider immer noch oder wieder aktuell.

Mit einer erstaunlichen Fülle von Veranstaltungen, Vorträgen, Seminaren und Bildungsreisen haben sich die Berliner Freunde der Völker Russlands anerkannten Platz in der deutschen Hauptstadt erworben. Hochrangige Experten, Historiker, Diplomaten und Politiker gehören zu ihren Referenten und Gästen. Ihre Themen betreffen sowohl Fragen der aktuellen Politik als auch Gedenkjahre und historische Daten gemeinsamer deutschrussischer Geschichte.

Für uns als Stiftung West-Östliche Begegnungen sind die Berliner Freunde der Völker Russlands ein Leuchtturm in der Berliner Landschaft politisch engagierter NGO (Nichtregierungsorganisationen) mit Blick zum Osten Europas. Von Beginn an haben sie

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in den Gremien der Stiftung unsere Arbeit begleitet, stets zuverlässig und konstruktiv, gelegentlich aber auch kritisch. Ihnen verdanken wir unter anderem eine wertvolle und umfangreiche Dokumentation über die Vorgeschichte der Stiftung West-Östliche Begegnungen und die nicht ganz einfache Geschichte ihrer Gründung.

Freundschaft ist für die Berliner Freunde der Völker Russlands nicht nur ein Wort. Für sie ist die Freundschaft konkrete Tat, für die wir auch weiterhin viel Erfolg und wertvolle Ergebnisse wünschen.

Dr. Helmut Domke Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung West-Östliche Begegnungen

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Mehr als ein Studium ... Zur Gründung und zum Wirken der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Horst Schützler

Vorbemerkung Am 13. Juni, nachmittags, war der Glinka-Musiksalon im Russischen Haus der Wissenschaften und Kultur in Berlin übervoll. 86 Mitglieder und Gäste der sechs ostdeutschen Freundschaftsgesellschaften, die aus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft hervorgegangen sind, fanden sich dort zusammen, um unter der Fragestellung „Was war, was bleibt, wie weiter?“ der Gründung der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion in Würde zu gedenken, das vielseitige Wirken der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft zu erörtern und die Problematik heutiger Freundschaftsarbeit zu diskutieren.

Es war ein beeindruckender, selbstbewusst- besinnlich-kritischer Gedanken- und Meinungsaustausch. Er wurde in einer Publikation “Mehr als ein Studium...” 2 zusammengefasst und gab auch Antwort auf die oft gestellte, ungläubige Frage: Gibt es denn noch Nachfolgeorganisationen der DSF, wo und wie wirken sie? Es sind dies (mit dem Gründungsnamen): Berliner Freunde der Völker Rußlands, Brandenburgische Freundschaftsgesellschaft, Thüringische Freundschaftsgesellschaft, Freundschaftsgesellschaft Sachsen-Anhalt mit den Völkern des Ostens, Gesellschaft Sachsen - Osteuropa, Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zu den Völkern Osteuropas Mecklenburg-Vorpommern.

Gestatten Sie mir als Historiker, DSF-Mitglied seit 1950, ehrenamtlichen Kreisvorsitzenden an der Humboldt-Universität in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und nun schon lange Zeit Vorstandsmitglied der Berliner Freunde der Völker Russlands - mit Anteil an der Vorbereitung dieses Symposiums - einleitende Darlegungen zur Gründung und zum Wirken der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.3

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Siehe „Mehr als ein Studium…“ Erweiterte Fassung des Einleitungsvortrages zum Symposium. Eine erweiterte Darlegung der Thematik siehe in: Deutsch-sowjetische Freundschaft – im Spiegel widerstreitender Erinnerung und Darstellung. In: Detlef Nakath (Hrsg.): DDR-Geschichte: Bilder und Zerrbilder. Siegfried Prokop zum 70. Geburtstag. Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg. Berlin 2010. S. 236 ff.

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Ich sehe unser Symposium nicht als Festveranstaltung mit verklärendem Festvortrag zum 60. Jahresstag der Gründung der Studien- und Freundschaftsgesellschaft.

Ich verstehe es als Zusammenkunft, als Treffen jener, die die Freundschaft zu den Völkern und Menschen der ehemaligen Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten, insbesondere Russlands, und die Mitwirkung in entsprechenden Organisationen als einen unverzichtbaren Bestandteil ihres Lebens betrachten und sich gemeinsam in Würde erinnern wollen.

Dazu gehört, kritisch Gedanken und Meinungen auszutauschen, aber sich auch gegen Unterstellungen zu wehren, und dabei auch bittere und positive Erfahrungen und Überlegungen zur Gestaltung des heutigen Wirkens von Freundschaftsgesellschaften in den Beziehungen zu den Völkern Osteuropas anzubieten.

In dieses Treffen sind auch jene mit ihren Meinungen eingeschlossen, die der Einladung gefolgt sind, ohne in der Traditionslinie - Studien- und Freundschaftsgesellschaft zu stehen.

Wie sehe ich diese Traditionslinie?

Heute, vor 60 Jahren am 13. Juni 1947, breitete sich im Haus der Kultur der Sowjetunion in Berlin, das am 28. Februar 1947 feierlich eröffnet worden war, eine gewisse Unruhe und Neugier aus.

Oberst Sergej Tjulpanow, der Chef der Informations-Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), hatte für den folgenden Tag einen Mittagstisch bestellen lassen.

Hier hatte er den dänischen Schriftsteller Martin Andersen-Nexö, den Schauspieler und Sänger Ernst Busch mit ihren Frauen sowie den Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Kuczynski zu Gast.

Tjulpanow hatte eine Idee, ein Anliegen. „Wieder irgendeine Kultursache“, meinte zunächst Kuczynski. Es war weit mehr. Es ging um die Gründung einer Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion für die Sowjetische Besatzungszone. „Als Präsident haben wir an Sie gedacht, Genosse Kuczynski“, eröffnete der Oberst dem Wissenschaftler, Widerspruch nicht akzeptierend.

Tjulpanow hatte es eilig. Im Frühsommer 1947 zeichnete sich die Konstellation des Kalten Krieges deutlich ab, der wesentlich auch um Deutschland und dessen künftige Entwicklung, um seine nach Niederlage und Befreiung 1945 in Orientierungsnot und Entscheidungszwang befindliche, neue Wege suchende Bevölkerung ausgetragen wurde.

Das ambivalente Verhältnis zwischen „russischer“ Besatzungsmacht und Deutschen - stark belastet durch Ausschreitungen sowjetischer Militärangehöriger bei Kriegsende, durch Demontagen, Reparationen und Bevorzugung der KPD bzw. der SED, gekennzeichnet aber auch durch Ermunterung und Unterstützung der aufbaubereiten, sich neu orientierenden Kräfte und Hilfeleistung für die Bevölkerung - musste aus sowjetischer Sicht schnell entkrampft und die deutsche Bevölkerung zu einer anderen, positiven Einstellung zur Sowjetunion geführt werden.

Die sowjetischen Intentionen trafen sich mit denen einzelner Personen und kleiner Interessengruppen. Sie hatten schon im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands oder gesondert in Zirkeln, Arbeitsgemeinschaften und Klubs begonnen, sich mit der Sowjetunion und ihrer Kultur zu beschäftigen. Sie erinnerten sich dabei auch der 1923 gebildeten „Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland“ und des 1928 gegründeten „Bundes der Freunde der Sowjetunion“. „Im Frühjahr 1947 ersuchte eine Gruppe fortschrittlicher Vertreter der deutschen demokratischen Intelligenz die Informations-Verwaltung der SMA um die Genehmigung, in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands eine Gesellschaft zum Studium der

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Kultur der Sowjetunion zu organisieren“, so heißt es in einem ersten großen Bericht Tjulpanows an die Leitung der Allunionsgesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland (WOKS) von Anfang Dezember 1947 über diese Gesellschaft.4 Über deren Wirken und über die Einflussnahme der sowjetischen Seite lässt sich heutzutage schwerlich berichten und urteilen ohne den im Jahre 2006 in Moskau erschienenen umfangreichen Dokumentenband „Die Politik der SMAD auf dem Gebiete der Kultur, Wissenschaft und Bildung: Ziele, Methoden, Ergebnisse 1945 - 1949“ auszuwerten, von dem auch eine deutsche Teilausgabe herausgegeben wurde. 5 Am 16. Mai 1947 wurde mit internem Befehl Nr. 0134 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Marschall W. D. Sokolowski, die Tätigkeit einer Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion für die gesamte Sowjetische Besatzungszone Deutschlands erlaubt.

Am 30. Juni 1947 kamen auf Einladung der SMAD im Haus der Kultur der Sowjetunion in Berlin Vertreter von vorher proklamierten Landesgesellschaften - in Thüringen geschah dies am 13. Juni, in Mecklenburg-Vorpommern am 14. Juni, in Sachsen am 17. Juni und in Sachsen-Anhalt am 21. Juni - und Vertreter von Ortsgruppen sowie ein Berliner Gründungsausschuss zusammen. Sie gründeten die „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ mit zunächst ca. 2200 Mitgliedern. 6 Kuczynski wurde zum Präsidenten, die Schriftstellerin Anna Seghers zur Vizepräsidentin gewählt. Beide waren aus der Westemigration nach Berlin zurückgekehrt. Generalsekretär wurde Hans Mark, der als Siebzehnjähriger 1917 in Petrograd an der Oktoberrevolution teilgenommen hatte.

Im Nachklang wurden am 12. September die Landesgesellschaft Brandenburg mit dem bekannten Schriftsteller Bernhard Kellermann an der Spitze und am 5. September die Landesgesellschaft Berlin unter Vorsitz des Ethnologen Prof. Dr. Wolfgang Steinitz, der vor dem Krieg einige Jahre (1934 -1937) in der Sowjetunion gelebt und wissenschaftlich gearbeitet hatte, gebildet. Sie erhielt ihre Zulassung für ganz Berlin am 29. November von der Alliierten Kommandantur und wirkte unter den besonderen Bedingungen der Vier-Sektoren-Stadt, die 1948/49 in der „Berlin-Blockade“ mit der westalliierten „Luftbrücke“ Zentrum des „Kalten Krieges“ und zugespitzter Auseinandersetzungen war, in denen in der Bevölkerung mehr die Abwendung als die Hinwendung zur Sowjetunion dominierte 7 Neugierig und zugleich skeptisch, zufällig und systematisch, hastig und zögernd, aber aufrichtig und ehrlich begannen sich in wachsender Zahl Mitglieder der 4

Siehe Die Politik der SMAD in Kultur, Wissenschaft und Bildung: Ziele, Methoden, Ergebnisse 1945 - 1949. Dokumentenband (Serie: Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945 - 1949. Dokumente, Materialien, Forschungen), Moskau 2006, (russ.) S. 715.

5 Siehe Die Politik der der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD): Kultur, Wissenschaft und Bildung 1945 - 1949. Ziele, Methoden, Ergebnisse. Dokumente aus russischen Archiven. Im Auftrage der Gemeinsamen Kommission zur Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen herausgegeben von Horst Möller (Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin) und Alexander O. Tschubarjan (Institut für Allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften Moskau) in Zusammenarbeit mit Wladimir P. Koslow (Föderale Archivagentur Russlands) Sergei W. Mironenko (Staatsarchiv der Russischen Föderation) und Hartmut Weber (Bundesarchiv). Verantwortlicher Bearbeiter: Jan Foitzik und Natascha A. Timofejewa. München 2005. Hier das Zitat (in geringfügiger Abweichung von meiner Ü.) aus Tjulpanows Bericht. S. 365.

6 Siehe Joachim Mai: Die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion 1947 - 1949. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG). 1987. H. 10. S. 859 ff. Es gibt weitere Arbeiten zur Studiengesellschaft sowie Erinnerungsberichte, auf deren Nennung hier verzichtet wird.

7 Siehe Gerhard Keiderling: „Rosinenbomber“ über Berlin. Währungsreform, Blockade, Luftbrücke, Teilung. Die schicksalsvollen Jahre 1948/49. Berlin 1998.

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Studiengesellschaft mit der Kultur Russlands und der Sowjetunion zu beschäftigen - mit Puschkin, Tolstoi, Tschechow, Gorki, Majakowski, Fedin, Ostrowski, Scholochow u. a., mit klassischer Musik und Folklore, mit Malerei und Filmen sowie zunehmend auch mit politischen Fragen. Sie erwarben sich Kenntnis und Verständnis und öffneten sich diesem Land und seinen Menschen bis hin zum freundschaftlichen Verhalten.

Die Studiengesellschaft bemühte sich unter großen Schwierigkeiten und Anfeindungen um die Vermittlung der Sowjetkultur im weitesten Sinne.

Dabei halfen sowjetische „Kulturoffiziere“, die vielfach durch ihre gute Kenntnis der deutschen Sprache und Kultur beeindruckten. Zwei sind heute unter uns - Prof. Dr. Jakow Samoilowitsch Drabkin und Prof. Dr. Stefan Doernberg. Wir danken ihnen für ihre damalige Arbeit ganz herzlich.

Die Studiengesellschaft suchte, die Distanz zur Besatzungsmacht abzubauen, Vorurteile aufzubrechen, altem und neu geschürtem Antisowjetismus und Antikommunismus entgegenzuwirken. Sie wollte immer breitere Bevölkerungsschichten zur Mitgliedschaft und für ein neues, schließlich freundschaftliches Verhältnis zur Sowjetunion und ihren Bürgern, deren furchtbare Kriegserfahrung dem zunächst entgegenstand, gewinnen. Dem diente eine vielfach interessante Bildungsarbeit; eine oft vordergründige Propaganda stand dem entgegen.

Die Gesellschaft hatte kenntnisreiche, angesehene Fachleute und Persönlichkeiten in ihren Reihen - ich nannte schon einige, verweise auf die Schriftsteller Bernhard Kellermann, Willi Bredel, Adam Scharrer, Bruno Bürgel und Ludwig Renn, den Theaterregisseur Maxim Vallentin, die Maler Heinrich Ehmsen und Otto Nagel, den Geographen Hermann Haack, den Slawisten Eugen Häusler, den Philosophen Georg Mende, den Zoologen Georg Schneider, den Architekten Hermann Henselmann, die Minister in Landesregierungen Johannes Dieckmann, Hans Gotthilf Strasser, Maria Torhorst und Gottfried Grünberg und, ich denke an meinen Lehrer, den Osteuropahistoriker Eduard Winter, Rektor der Hallenser Universität und 1948/1949 Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt. Doch auch die Zahl unerfahrener Mitarbeiter mit sehr geringen Kenntnissen über die Sowjetunion war groß. Deren Schulung ermöglichte die SMAD durch den Besuch ihrer Antifa-Schule in Königs Wusterhausen; zudem kam oft der Ersatz durch heimkehrende Kriegsgefangene, die in Antifa-Lehrgängen und -Schulen sich politische Kenntnisse angeeignet und zur Sowjetunion bekannt hatten. Manche werten dieses Bekenntnis diskriminierend als „Opportunismus“.

Die Gesellschaft initiierte und organisierte in eigenen, von der SMAD zur Verfügung gestellten Klubhäusern und Klubräumen Ausstellungen, Aufführungen sowjetischer Filme und Theaterstücke, Auftritte sowjetischer Künstler und Ensembles mit großer emotionaler Wirkung, wie das Alexandrow-Ensemble Juli/August 1948, politische Festveranstaltungen zu Jahrestagen und Geburtstagen - Oktoberrevolution, Lenin, Stalin u. a. -, die bürgerlich geprägte Mitglieder oft nicht annahmen. Dazu kamen viele politische Vorträge über die Sowjetunion, ihr Gesellschaftssystem und die marxistisch-leninistische Theorie, die oft von sowjetischen Lektoren - bei der SMAD gab es zentral und in den Ländern Lektorengruppen als „Konterpropaganda“ gegen westliche Auffassungen gehalten wurden.

In vielen Diskussionsveranstaltungen „Über ‚die Russen’ und über uns“, initiiert durch einen Artikel von Rudolf Herrnstadt in der Zeitung Neues Deutschland vom 19. November 1948 - Herrnstadt war, 1945 als erfahrener Journalist aus der Sowjetunion zurückgekehrt, deren Chefredakteur - wurde Ende 1948/Anfang 1949 ein zentrales, viele bewegendes und erregendes Thema öffentlich heiß diskutiert.

All das wurde ermöglicht durch die Unterstützung und Mitwirkung der InformationsVerwaltung der SMAD und ihrer Mitarbeiter bis zur unteren Ebene der Kommandanturen.

Sie berichtete nach Moskau über die Arbeit der Studiengesellschaft, über deren

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Schwierigkeiten, Mängel und Erfolge, gab Einschätzungen und erbat Unterstützung, insbesondere bei der WOKS, die diese auch gab, aber im gewünschten Maße nicht immer gewährleisten konnte. In einem Bericht des Stellvertretenden Oberkommandierenden der SMAD für politische Fragen, Generalleutnant A. G. Russkich, vom 12. Februar 1949 an den Sekretär des ZK der KPdSU(B), Michail A. Suslow, wurden das „Haus der Kultur der UdSSR“ in Berlin und die „Gesellschaft zum Studium der Kultur der UdSSR“ als die wichtigsten Zentren der Propaganda der Sowjetunion in Deutschland bezeichnet und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Tätigkeit angeregt, zumal „wir gegenwärtig vor der Aufgabe stehen, die Gesellschaft zum Studium der Kultur der UdSSR in eine Massenorganisation umzuwandeln, die breite Schichten der Arbeiter und der progressiven Intelligenz erfasst, womit sich im Weiteren die Umwandlung der Gesellschaft zum Studium der Kultur der UdSSR in eine Gesellschaft der Freundschaft mit der UdSSR verbindet“.8 Die Studiengesellschaft hatte Studiengruppen, Sektionen und „Russisch-Zirkel“ vor Ort, die sich mit Literatur, Musik, Theater, Film, Bildende Kunst und Wissenschaften sowie dem Erlernen der russischen Sprache beschäftigten und entsprechende Anleitung von zentralen Sektionen erhielten. Sie besaß seit Ende 1947 den Verlag „Kultur und Fortschritt“. Er gab die Zeitschriften „Die Neue Gesellschaft“ und „Sowjetwissenschaft“, viele Werke der weitgehend unbekannten Sowjetliteratur sowie Propaganda-Material heraus.

Die Studiengesellschaft hatte so wesentlichen Anteil an einer in der Geschichte des deutschen Volkes bis dahin einmaligen Rezeption der Kultur der Völker Russlands bzw. der Sowjetunion - auch im Vergleich mit der anderer Länder -, wie sie in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands erfolgte und sich dann in der DDR fortsetzte. 9 Hunderttausende, dann Millionen Menschen mehrerer Generationen wurden erfasst, Millionen wurden aber auch kaum tiefwirkend eingebunden.

Im April/Mai 1948 weilte auf Einladung des sowjetischen Schriftstellerverbandes eine erste repräsentative Delegation deutscher Kulturschaffender in der Sowjetunion 10 - Anna Seghers, ihre Kollegen Bernhard Kellermann und Frau, Eduard Claudius, Günther Weisenborn, Stephan Hermlin, Michael Tschesno-Hell, der Publizist Wolfgang Harich, der Maler Heinrich Ehmsen, der Schauspieler und Intendant des Deutschen Theaters Berlin, Wolfgang Langhoff, und Jürgen Kuczynski, der als Präsident die ersten offiziellen Kontakte der Studiengesellschaft mit der Allunionsgesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland (WOKS) knüpfte. Major Alexander Dymschitz, Leiter der Kulturabteilung in der Informations-Verwaltung der SMAD, begleitete die Delegation.

Dreißig Tage hatten die Eingeladenen Gelegenheit, sich ein eigenes Bild von der UdSSR und ihren Menschen zu machen und Verbindungen zu ihren Kollegen aufzunehmen.

Die Gäste waren sehr beeindruckt. Wieder zuhause, berichteten sie in zahlreichen, oftmals für sie auch anstrengenden Veranstaltungen, in der Tages- und Fachpresse sowie im Rundfunk - oft sehr überschwänglich - über ihre positiven Eindrücke vom „Land des Sozialismus“. Anna Seghers schrieb Ende Juni 1948 an Georg Lukaćs: „Ich bin kaputt,

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Siehe Die Politik der SMAD. S. 820 f.

Siehe Horst Schützler: Kultur und Wissenschaft im Freundschaftsbündnis. Kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen der DDR und der UdSSR Mai 1945 - Oktober 1964. Diss. B, Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin 1978. S. 90 ff.; Tabellen: Tab. Nr. 1.

10 Siehe ders.: Deutsche sehen die Sowjetunion. In: 40 Jahre DDR. Mit der UdSSR in Freundschaft verbunden. Propagandistische Veranstaltungsreihe zur Geschichte der deutschsowjetischen Freundschaft. Hrsg. Zentralvorstand der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Berlin. Heft 3/ 1989. S. 17 ff.

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wenn ich jeden Tag einen anderen Artikel oder Vortrag machen muss”. 11 Die InformationsVerwaltung der SMAD wertete in einem ausführlichen Bericht von Ende Mai an die Leitung der WOKS das Auftreten der Delegationsmitglieder als „umfassende Propaganda der Wahrheit über das Leben des Sowjetvolkes“, besonders wirkungsvoll, da dies deutsche Kulturschaffende taten. Dies habe der Verbreitung einer objektiven Information über die Sowjetunion gewaltigen Nutzen gebracht und sei ein effektiver Schlag gegen die Verbreiter von Lügen und Verleumdungen in der deutschen Presse, die unter amerikanischer, englischer und französischer Lizenz erscheint.12 Die Studiengesellschaft gab eine entsprechende Broschürenreihe „Deutsche sehen die Sowjetunion“ heraus. Eduard Claudius - er sei als Beispiel genannt - sprach, wie er in seinen Erinnerungen „Ruhelose Jahre“ schrieb, in über hundert Versammlungen, in „abgelegenen Dörfern, in Kleinstädten, in vielen Betrieben“ und erinnerte sich: „Ich sah in bösartige, ungläubige, in zweifelnde Augen, aber ich bemerkte auch Blicke, in denen eine, wenn auch skeptische Hoffnung aufblühte. Ich hörte Zwischenrufe, ironische und drohende, und ich war mir bewußt, daß zuweilen nur die Anwesenheit der Volkspolizei größere Zwischenfälle verhinderte“13. „Durch Studium zur Wahrheit, durch Wahrheit zur Freundschaft“ - lautete die verkündete Leitlinie der Studiengesellschaft. Sie entsprach nach der Erfahrung der entsetzlichen Völkerkonfrontation des Krieges durchaus gesellschaftlichen Bedürfnissen.

Sie fand zwiespältige Aufnahme und Verwirklichung.

Verbreitet wurden viele richtige Tatsachen und Erkenntnisse über die UdSSR, ihre Kultur und Geschichte, über Leben, Leid und Aufbauleistungen ihrer durch den Krieg schwer geprüften, dezimierten Bevölkerung. (Genaue Angaben zu den Menschenverlusten gab es nicht.) Dies ließ verständnis- und achtungsvolle, positive und auch freundschaftliche Einstellungen und Verhaltensweisen entstehen.

Aber die „Wahrheitsfindung“ war begrenzt - ich wage auch das Reizwort -„manipuliert“.

Sie ging einher mit der Verbreitung eines geschönten Gesamtbildes über die UdSSR; die rauhe Wirklichkeit des „ersten sozialistischen Landes“ als stalinistische Diktatur kam nicht in den Blick – auch später nicht. Eine solche "Wahrheit" musste Auswirkungen auf die eilig angestrebte "Freundschaft" haben, zu der es auch in der leidgeprüften Bevölkerung in der UdSSR zunächst kaum Resonanz gab. Den neuen Freunden der Sowjetunion wurde dies zumeist nicht bewusst. Sie machten mit, und viele engagierten sich aus Überzeugung.

Zweifelnde und sich gegen eine Parteinahme und voreilige Freundschaftsbekundung Wehrende, wie der Berliner Bürgermeister Ferdinand Friedensburg (CDU), verließen die Gesellschaft, wurden aus ihr gedrängt. Mehrwissende, wie ehemalige Sowjetemigranten, hielten sich zurück, redeten und handelten oft wider anderes Wissen.

Die Gesellschaft war offiziell „überparteilich“. Doch ihre Propagandafunktion für die Sowjetunion war deutlich. Das Odium einer „Russenorganisation“, dominiert von der SED, wurde sie letztlich nicht los.

Zunächst Studiengesellschaft vorwiegend von Intellektuellen und Angestellten, gelang ihr der „Durchbruch“ zur Massenorganisation nachdem Anfang 1949 die Erste Parteikonferenz der SED ein „absolut positives Verhältnis zur Sowjetunion“ und die Entwicklung der Gesellschaft zu einer Massenorganisation gefordert hatte, in die auch die Parteimitglieder gehörten.

11 12 13

Anna Seghers in ihren frühen Briefen. In: Neues Deutschland. 23./24.02. 2008.

Siehe Die Politik der SMAD. S. 744 ff.

Eduard Claudius: Ruhelose Jahre. Erinnerungen. Halle (Saale) 1968. S. 340.

18

Die Informations-Verwaltung der SMAD hatte vorher wiederholt auf eine unzureichende Unterstützung der Studiengesellschaft durch Leitungen der SED und deren Mitglieder aufmerksam gemacht. Selbst unter Mitarbeitern des Parteivorstandes sei bis in die jüngste Zeit die Meinung sehr verbreitet gewesen, dass die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion „vor allem eine Angelegenheit der Organe der SMAD“ sei,14 berichtete Tjulpanow am 13. Juli 1949 nach Moskau.

Auf ihrem 2. Kongress Anfang Juli 1949 verbuchte die Gesellschaft über hunderttausend Mitglieder. Sie wurde nun in „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ umbenannt - vielfach danach einfach DSF genannt.

Ihre Devise: „Freundschaft für immer“. Sie wurde in der DDR Vertrags- und Verfassungsgrundsatz, der der Missdeutung von „verordneter Freundschaft“ unterliegt.

In der BRD konnte die Gesellschaft nicht richtig Fuß fassen. Sie wurde in ihrer Arbeit behindert, zunächst in einigen Ländern und dann 1956 generell verboten.

Wenige Wochen nach dem Kongress, am 13. August 1949, erklärte es der Oberste Chef der SMAD, Armeegeneral W. I. Tschuikow, in der Direktive Nr. 1/081 an alle ihm unterstehenden Befehlshaber und Leiter zur „Pflicht aller sowjetischen Bürger, die sich in Deutschland befinden, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft allseitige Hilfe und Unterstützung zu erweisen“. Er wertete die Umbenennung der Gesellschaft als Ergebnis tiefgreifender Veränderungen in der inhaltlichen Tätigkeit der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion, die große politische Bedeutung habe. Die deutsche demokratische Öffentlichkeit deute diese Umbenennung als „Beginn einer neuen Etappe wechselseitiger Beziehungen zwischen dem deutschen Volk und der Sowjetunion“. Unter Berücksichtigung der außerordentlich großen Bedeutung, die der allseitigen Stärkung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und der Erweiterung ihrer Tätigkeit zukommt, ordnete er mit dem Ziel der Aktivierung der Hilfe für die Gesellschaft seitens der sowjetischen Bürger, die in Deutschland arbeiten, an: 1. Den Kommandanten der Städte und Kreise, ihren Stellvertretern für politische Angelegenheiten und den Leitern der Informations-Abteilungen sowie den sowjetischen Direktoren und Ingenieuren der Betriebe der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) zu gestatten, als Mitglieder in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft einzutreten und sich aktiv an ihrer Arbeit zu beteiligen.

2. Systematisch in den Klubs der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Absprache mit den Politorganen und Organen für Information der SMAD vorbereitete kollektive Treffen von Sowjetbürgern mit Mitgliedern der Gesellschaft (sowjetische Frauen mit deutschen, sowjetische Jugendliche mit deutschen, sowjetische Spezialisten mit deutschen usw.) durchzuführen, zu Feiertags - und massenkulturellen Maßnahmen für sowjetische Bürger Vertreter der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft einzuladen und diese Treffen für die Popularisierung der Idee einer dauerhaften Freundschaft zwischen dem deutschen Volk und der Sowjetunion sowie für die Propaganda der Politik und der Errungenschaften der UdSSR zu nutzen.

3. Die leitenden Mitarbeiter der SMA der Länder und Kreise zu verpflichten, an allen wichtigen gesellschaftlichen Maßnahmen, die die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft durchführt, teilzunehmen.

Zudem sollten der DSF in den volkseigenen Industriebetrieben und den Kulturhäusern der Maschinen-Ausleih-Stationen auf dem Lande Hilfe geleistet sowie den Klubs und Bibliotheken der Gesellschaft durch den Verlag der SMAD alle Publikationen zur Verfügung gestellt werden. „Sowexportfilm“ sollte der DSF sowjetische Filme zu Vorzugsbedingungen überlassen. Den lokalen Organisationen und Klubs der Gesellschaft 14

Siehe Die Politik der Sowjetischen Militäradministration. S. 422.

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sollte besondere Aufmerksamkeit mit entsprechender ideologischer und materieller Unterstützung zuteil werden. Last not least wurde der Chef der Informations-Verwaltung angehalten, die Tätigkeit der Gesellschaft unter besondere Kontrolle zu nehmen und eine verstärkte Hilfe für die Gesellschaft seitens der Organe der SED und anderer deutscher demokratischer Organisationen zu gewährleisten.15 Wahrlich ein ganzes Programm der Unterstützung und Fürsorge für die Freundschaftsgesellschaft, des besseren individuellen Umgangs der Beteiligten, dessen Verwirklichung der Freundschaft zugute kam.

An die Spitze der Freundschaftsgesellschaft wurde im Juni 1950 das SED-PolitbüroMitglied Friedrich Ebert beordert. Er - ehemals führend in der SPD tätig - stammte aus einem politischen Lager, „das allem, was aus der Sowjetunion kam, skeptisch und ablehnend gegenüber stand“,16 und nun gewonnen werden sollte. Kuczynski hatte als „linientreuer Dissident“ (oft unbequem, dazu Westemigrant und Jude - in der Sowjetunion lief eine antijüdische Kampagne -), wie er später schrieb, seine „wundervolle Aufgabe“ und „schönste Funktion“ ungewollt hinter sich. 17 Doch er blieb bis ins hohe Alter der Gesellschaft und ihrer Nachfolgeorganisation verbunden.

15

Siehe Die Politik der SMAD. S. 847 f.; Die Politik der Sowjetischen Militäradministration. S. 424.

16 Siehe Von der Sowjetunion lernen - heißt siegen lernen. 3. Kongress der Gesellschaft für Deutsch -Sowjetische Freundschaft Berlin, vom 20. Januar bis 22. Januar 1951. Hg. vom Sekretariat des Zentralvorstandes. o. O., o. J. (Berlin. 1951). S. 21.

17 Siehe Jürgen Kuczynski: Dialog mit meinem Urenkel. Neunzehn Briefe und ein Tagebuch.

Berlin/Weimar 1983. 6. Aufl. S. 51; ders.: „Ein linientreuer Dissident“. Memoiren 1945 - 1989.

Berlin/Weimar 1992. S. 21.

20

Auf Ebert folgten in der Reihe der sechs Präsidenten der DSF, die auf 13 Kongressen gewählt wurden, Georg Handke (SED), Johannes Dieckmann (LDPD), Lothar Bolz (NDPD) und Erich Mückenberger (SED). Der Outsider Pfarrer Cyrill Pech (parteilos), als Vorsitzender gewählt auf dem Außerordentlichen Kongress Ende Januar 1990 in Schwerin, war der letzte Repräsentant einer sehr geschrumpften, sich erneuern wollenden Gesellschaft.

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13. Kongress der DSF. 15. Mai 1988

Zum 3. Kongress Ende Januar 1951 zählte die Gesellschaft annähernd zwei Millionen Mitglieder - nun mit hohem Arbeiter- und Bauern-Anteil. Viele waren in Kampagnen, oft ohne die innere Einstellung, formal, in diese eingetreten.

Das war auch später der Fall.

Fast überall in den Betrieben, Verwaltungen, Institutionen, Universitäten und Schulen wurden DSF-Grundeinheiten gebildet. Ich wurde damals, 16-jährig, zum Vorsitzenden einer solchen Grundeinheit bestimmt, die von FDJ-Mitgliedern an einer Oberschule in Mecklenburg ins Leben gerufen wurde.

Seit dem 3. Kongress galt im Zusammenhang mit dem Übergang zur Planwirtschaft und zum Aufbau der Grundlagen des Sozialismus die Losung: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“. Es ging um den Aufbau und den Sieg des Sozialismus, zu verwirklichen nur mit der Unterstützung des "ersten sozialistischen Landes", unter Nutzung seiner Erfahrungen. Lernen und Siegen war nun in gesamtgesellschaftlicher Dimension eindeutig angesagt. Die Gesellschaft wurde "treuer Helfer" der Partei, der SED, wie bald apostrophiert wurde. Sie konzentrierte sich jetzt auf die Vermittlung sowjetischer Arbeitserfahrungen aus Industrie und Landwirtschaft. Sie machte mit zahlreichen Namen und Methoden bekannt wie: Pawel Bykow, Alexander Tschutkich, Nina Nasarowa, Kowaljow-Methode, Nikolai Mamai, Walentina Gaganowa, MitrofanowMethode und Saratower System der fehlerfreien Arbeit. Damit waren Arbeitsverfahren und Verhaltensweisen verbunden, mit deren Anwendung und Aneignung eine höhere Arbeitsproduktivität, größere Produktionsergebnisse und eine bessere und neue Einstellung zur Arbeit erwartet wurde. Sie organisierte dazu den persönlichen und brieflichen Erfahrungsaustausch, Delegationsreisen, den "Tag des sowjetischen Neuerers", "Mitschurin-Zirkel" auf dem Lande, "Brigaden der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft", die Herausgabe einer Flut von Anleitungsbroschüren und -materialien und vieles, vieles mehr. Arbeitsabkommen wurden mit dem FDGB und der FDJ abgeschlossen. Im Übereifer wurde des öfteren übersehen, dass auch deutsche Werktätige über hervorragende, verbreitungswürdige Arbeitserfahrungen und -methoden - über die Aktivisten- und Hennecke- Bewegung hinaus - verfügten; es wurden Neuerer und Methoden angepriesen, die in der Sowjetunion kaum bekannt bzw. bereits wieder vergessen waren. Es gab Widerstand: Vom "Russen" lernen, was gab es da, wo sollte das hinführen! Manche der Methoden und Verfahren - groß propagiert - gerieten bald in Vergessenheit, andere wurden dauerhaft angenommen, mit den Namen deutscher Werktätiger und Arbeitskollektive wie Erich Wirth, Luise Ermisch, Sepp Wenig, Frieda Hockauf, Irmgard Richter, Jugendbrigade "Nikolai Mamai", Brigaden der "sozialistischen Arbeit" verbunden und produktiv verwertet. Angaben über den ökonomischen Nutzen erscheinen zu vordergründig, als dass man sie heute verwenden sollte; sie bedürfen der Überprüfung und Neubewertung.

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Die Losung „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“, ging weit über die Propagierung und Vermittlung von Arbeitserfahrungen und über die DSF hinaus. Sie zielte gesamtgesellschaftlich auf die Übernahme des sowjetischen Sozialismus-Modells, in dem sich angeblich allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten manifestierten. Und dies geschah unter Mitwirkung der DSF als „treuer Helfer“ der Partei. Sie fand dabei Unterstützung bei ihrer Schwesterorganisation, der Anfang 1958 gebildeten Gesellschaft für SowjetischDeutsche Freundschaft und kulturelle Beziehungen, die 1962 entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten in „Gesellschaft für Freundschaft mit der DDR“ umbenannt wurde. Sie hatte ihre Basis in Kollektivmitgliedschaften von Betrieben, Institutionen und Verwaltungen und war weniger umfassend tätig als die DSF. Die DDR wurde in ein weit gefächertes Netz „freundschaftlicher“ Beziehungen und Zusammenarbeit eingebunden, in denen das Lernen am Modell auf allen Gebieten geboten, vielfach - auch wechselseitig - hilfreich, aber auch problematisch war und nicht widerstandslos verlief. Beteiligte haben durchaus unterschiedliche Erfahrungen.

Zahlreiche Studiendelegationen fuhren in das "erste sozialistische Land" und kamen mit vielen Anregungen zurück. "Unsere Wissenschaftler lernen russisch" titelte 1951 eine Broschüre des Staatssekretariats für Hochschulwesen und der DSF mit entsprechenden Stellungnahmen aus Hochschulen, weil "Russisch" als "moderne Weltsprache" die "Sprache des fortschrittlichen Landes" ist, die "Wissenschaft der Sowjetunion zur führenden Wissenschaft, zum Bahnbrecher des Fortschritts der Wissenschaft schlechthin geworden" ist, die sich "zur höchsten Blüte entfaltet" hat, weshalb es heute "keine echte fortschrittliche wissenschaftliche Arbeit ohne Beherrschung der russischen Sprache" gibt.18 Doch gegen das "Russischlernen" gab es vielfach Obstruktion; Studenten blieben dem Unterricht einfach fern. Beträchtliche Auseinandersetzungen wurden um die Sowjetwissenschaft als "fortschrittlichste Wissenschaft" a priori und die "Unfehlbarkeit" ihrer Repräsentanten geführt. "Bürgerliche" Gelehrte fühlten sich in ihrer "nationalen Würde" getroffen. Viele Wissenschaftler und Techniker akzeptierten nicht von vornherein die Ergebnisse sowjetischer Spezialisten als "letztes Wort der Wissenschaft und Technik".

Wolfgang Steinitz - Kenner und Freund der Sowjetunion, wie kaum ein anderer brachte die Problematik des Lernens von der Sowjetunion auf der 24. Tagung des ZK der SED am 2. Juni 1955 kritisch und konstruktiv zum Ausdruck. Er verwies dabei auf eine Aussage des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, A. N. Nesmejanow, ihm gegenüber: „Wir sind nicht daran interessiert, Deklarationen über die führende Stellung der Sowjetwissenschaften zu hören, sondern mit den deutschen Wissenschaftlern, die eine große Tradition und einen hohen Wissensstand vertreten, in ein konkretes wissenschaftliches Gespräch zu kommen. Wir sind an ihrer Kritik interessiert. Nur dadurch, durch gegenseitige Kritik, werden wir beide schneller vorankommen.“ Und Steinitz sagte seinen ZK-Genossen: „Indem bei uns wissenschaftliche Resultate sowjetischer Gelehrter, die in der Sowjetunion noch diskutiert werden und keineswegs als entschieden anzusehen sind, gewöhnlich als letztes Wort der sowjetischen Wissenschaft dargestellt werden, leisten wir meiner Ansicht nach der Sowjetwissenschaft und der Sowjetunion keinen guten Dienst, und außerdem schädigen wir uns dadurch selbst politisch und wirtschaftlich.“ Er fand bei den „führenden Genossen“ - gelinde gesagt - wenig Resonanz.19 18

Siehe Unsere Wissenschaftler lernen russisch. Hg. vom Staatssekretariat für Hochschulwesen in Verbindung mit der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

(Berlin) 1951. S. 5, 45, 51 f.

19 Siehe Helmut Steiner: Ein Intellektueller im Widerstreit mit der Macht? In: Klaus Steinitz, Wolfgang Kaschube (Hrsg.): Wolfgang Steinitz. Ich hatte unwahrscheinlich Glück. Ein Leben zwischen Wissenschaft und Politik. Berlin 2006. S. 92 ff., insbesondere Anlage 3: Wolfgang Steinitz, Rede vor dem ZK der SED am 2. Juni 1955. S. 332 ff.

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Überhaupt traf dieses Lernen und Siegen auf viel Widersprüchliches. Es galt von einem bis vor kurzem feindlichen Land zu lernen, das sich als Sieger über den deutschen Faschismus im Zweiten Weltkrieg im patriotischen Überschwang, doch politisch gewollt die Rolle des "ersten" überall zuschrieb, sich aber zugleich im Kampf gegen "Kosmopolitismus" und "Dekadenz" gegen die westliche Welt zunächst ängstlich abschottete und seine "neuen Freunde" anhielt, dem nachzueifern, sich gewissermaßen zugleich an- und abzukoppeln. So wies der Vorsitzende des Komponistenverbandes der UdSSR, Tichon Chrennikow, auf dem schon genannten 3. Kongress darauf hin, dass die sowjetischen Komponisten den "entschlossenen Kampf gegen die Einflüsse der bürgerlichen Dekadenz, gegen Formalismus und Kosmopolitismus" aufgenommen haben. Er empfahl "Hanns Eisler ebenso wie den anderen deutschen Komponisten ..., daß sie sich möglichst rasch von den formalistischen dekadenten Einflüssen, die in ihrem Schaffen noch vorhanden sind, befreien mögen. Ich möchte ihnen wünschen, daß sie eine Musik schaffen, die dem deutschen Volk vertraut und verständlich ist und die mitten in der deutschen Volksmusik wurzelt. (Starker Beifall)"20.

Es galt von einem Land zu lernen, das auf vielen Gebieten technisch nicht auf der Höhe der Zeit war, aber zugleich Spitzenleistungen erreichte, die, wie der Sputnik-Start 1957, den Eindruck hervorriefen, als habe die UdSSR insgesamt die technologische Führung in der Welt übernommen.

Es galt in einem Land zu lernen, in dem nationalistischer Hochmut auf eigene frühere Leistungen in Wissenschaft und Technik und auf die "eigene Lebensweise" zwar gedämpft, aber nicht selten war; der negative Blick auf die Sowjetunion noch wucherte, doch die feste Bindung an sie seine Lebensgrundlage bildete und entsprechend umkämpft wurde.

Die Losung „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“ erfuhr mehrere Variationen und Modifizierungen - "Von der Sowjetunion lernen, heißt den Sozialismus zum Siege führen" (1953), "Wer mit der Sowjetunion geht, gehört zu den Siegern der Geschichte" (1969) u a. Sie kam außer Mode als in der internationalen kommunistischen Bewegung in den siebziger Jahren die Vorbildwirkung der Sowjetunion als "Pionier des Menschheitsfortschritts" strittig wurde und nach einem "Sozialismus in den Landesfarben" gesucht wurde.21 Nun war zumeist vom "gleichberechtigten Zusammenwirken im Bruderbund", von "brüderlicher Verbundenheit", von "unverbrüchlicher Freundschaft" als dem "Herzschlag unseres Lebens" (Erich Honecker 1973) die Rede.

Mit der Perestroika im Bruderland, dem erwartungsvollen, doch bald scheiternden Versuch zur "Erneuerung des Sozialismus", war für die konservativen DDR-Offiziellen mit Erich Honecker an der Spitze der Gedanke des Lernens von der Sowjetunion, die nun den Sozialismus in Gefahr brachte, verpönt. Ein faktisches Verbot der sowjetischen, deutschsprachigen Monatszeitschrift "Sputnik" im November 1988 war ein offener, in der DSF umstrittener, von der Masse der Bevölkerung abgelehnter Affront. Im Dezember des gleichen Jahres ließ Erich Honecker die Partei wissen, für die SED sei es doch nichts Neues, "daß es kein für alle sozialistischen Länder geltendes Modell gibt", ... und "daß das Antlitz des Sozialismus, man kann es heute so sagen, in den Farben der DDR" gestaltet werde.22 20

Von der Sowjetunion lernen. S. 86 f.

Siehe Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas. Berlin 29. und 30. Juni 1976. Dokumente und Reden. Berlin 1976. S. 25, 228 f., 250.

22 Siehe Mit dem Blick auf den XII. Parteitag die Aufgaben der Gegenwart lösen. Aus dem Bericht des Politbüros an die 7. Tagung des ZK der SED. Berichterstatter: Erich Honecker.

Berlin 1988.

S. 9 f., 91.

21

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Viele, die meinten, von der Sowjetunion nun wirklich lernen zu können, sahen sich bald enttäuscht als dieser „Umbau“ zum Zerfall des Landes und in den Kapitalismus führte.

Als die DDR unterging, „delegitimiert“ wurde und in der BRD verschwand und auch die UdSSR zugrunde ging, zerfiel die Millionenorganisation, die im Juni 1987, zum 40.

Jahrestag ihrer Gründung, 6,3 Millionen Mitglieder, darunter ca. 600 000 in Ostberlin und einige Hundert in Westberlin, registrierte. Sie hatte Partner und Gegenstand ihrer Tätigkeit verloren.

Viele hatten Freundschaft bewusst mit Sozialismus verbunden und sich entsprechend eingesetzt. Viele hatten dies als Normalität eines DDR-Bürgers hingenommen. Manchen hatte die politische Zweckbindung missfallen, Freundschaft an Sozialismus, Staat und Ideologie zu knüpfen.

Jene, die in der DSF aktiv waren und die vielen „organisierten“ Möglichkeiten der heute in der Öffentlichkeit zumeist nur negativ gesehenen „verordneten und organisierten Freundschaft“ - mit ihren zweifellos vorhandenen Kampagnen, dem Zahlenfetischismus und der Schönfärberei - nutzten, leben mit bleibendem Gewinn an unvergesslichen Erlebnissen, persönlichen Bekanntschaften und Freundschaften. Sie haben zumeist ein weiterwirkendes Verständnis für Land und Leute, insbesondere auch für Russland und seine Menschen in den Anfechtungen, denen dieses Land, insbesondere auch in den hiesigen Medien, ausgesetzt ist.

Ich bin sicher, die Mehrheit der heute Anwesenden gehört zu den Letzteren, könnte über erlebte und gelebte Freundschaft berichten und auch manches beichten, was dem abträglich war.

Während Hunderttausende, in der Wendezeit erdrückt von persönlichen Sorgen, desillusioniert von Sozialismus und oft abstrakt gebliebener Freundschaft zur Sowjetunion, deren Führung das „Bruderland“ auf- und abgab, die Gesellschaft vergaßen und sie verließen, bemühten sich einige Tausend um ihren Erhalt, ihre Erneuerung und Weiterführung. Einige - manche sehen sie als Exoten - sind heute unter uns, denen wir Anerkennung und Dankbarkeit für ihr Verhalten wider den Strom schulden.

Das führte schließlich zu den Freundschaftsgesellschaften, die unser heutiges Symposium mit Unterstützung der Stiftung West-Östliche Begegnungen, ausgestattet mit dem vor begehrlichem Zugriff geretteten Vermögen der DSF, gestalten.

Nach diesem eigenen Einblick in Studien- und Freundschaftsgesellschaft gestatten Sie mir noch wenige generelle Bemerkungen.

Deutsch-sowjetische Freundschaft muss kein Nostalgie-Objekt, aber auch nicht Gegenstand der Diskriminierung als „erfunden“ und „verordnet“ sein.23 Ihr lag politischer Wille und der durchaus individuelle menschliche Wunsch nach Verstehen, Verständigung und Freundschaft zugrunde.

Gemessen an der überdimensionalen Mitgliederzahl blieben intensive persönliche Begegnungen und feste Freundschaften zwischen Deutschen in der DDR und Sowjetbürgern, deren „Freundschafsbedürfnis“ auch zu thematisieren wäre, begrenzt.

Doch die DSF und überhaupt die DDR - auch als Stationierungsgebiet von mehreren Millionen Sowjetsoldaten - hatten großen Anteil daran, dass sich in der Bevölkerung der Sowjetunion eine andere, bis heute weiterwirkende Einstellung gegenüber den Deutschen ausprägte als sie der Krieg hinterließ - eine positive, und das ist hoch zu werten.

23

Siehe als Beispiel Lothar Dralle: Von der Sowjetunion lernen ... Zur Geschichte der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Berlin 1993; Jan C. Behrends: Die erfundene Freundschaft. Propaganda für die Sowjetunion in Polen und in der DDR. (Zeithistorische Studien; 32). Köln 2006.

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Ein Kernsatz Außenstehender „deutsch-sowjetische Freundschaft war verordnet, hat es im Alltag der DDR nicht gegeben“ dürfte nicht nur auf berechtigte Ablehnung stoßen, sondern argumentative Widerlegung erfordern.

Ich meine auch, die These von „verordneter Freundschaft“ hat vieles gemein mit der These vom „verordneten Antifaschismus“ in ihrer die DDR delegitimierenden politischen Ausdeutung. Verordnungen zur Freundschaft sind allemal besser als Unterlassungen und gar als Anordnungen zu ihrer Unterbindung und als Propagierung von Feindschaft, ließe sich als Erfahrungswert polemisch zugespitzt feststellen.

Bei der Behandlung des Themas „deutsch-sowjetische Freundschaft“ tauchen Fragen und Probleme auf, die des Nachdenkens und der Diskussion bedürfen: So ist die objektive Notwendigkeit eines neuen Verhältnisses zur Sowjetunion nach 1945 kaum umstritten, doch die Wege und die Schwierigkeiten, die insbesondere im Verhältnis zwischen Befreiern und Befreiten lagen, sehr wohl.

Die Notwendigkeiten und Bedingungen der Gründung und forcierten Entwicklung einer Studien- und Freundschaftsgesellschaft als Massenorganisation, ihre Initiatoren und treibenden Kräfte, deren Beweggründe, sollten tiefer ausgelotet werden. „Durch Studium zur Wahrheit, durch Wahrheit zur Freundschaft“ - so die Leitlinie der DSF. Die Schwierigkeiten der „Wahrheitsfindung“ über die Sowjetunion - kein oder ein zeitweiliges oder ständiges Problem, so ist zu fragen. Ich sage: ein ständiges.

Die DSF hat sich als „treuer Helfer“ der Partei verstanden - was bedeutete das?

Freundschaft ist doch personengebunden, wird gesagt. Welche Möglichkeiten, Realitäten, Schwierigkeiten und Grenzen der persönlichen „Freundschaftsfindung“ gab es im Rahmen der Massenorganisation, der sogenannten „organisierten Freundschaft“? Für mich ist evident, dass eine Freundschaftsbewegung der Organisation und Führung bedarf, aber keiner Unterordnung unter eine Partei.

Der Niedergang und die Auflösung der DSF dürfen nicht außerhalb der Betrachtung bleiben und dem Entstehen und Wirken neuer Freundschaftsgesellschaften ist Beachtung zu schenken.

Deutsch-sowjetische Freundschaft und das Wirken entsprechender Organisationen verbindet sich mit der übergreifenden Frage nach der generell notwendigen Verständigung und Freundschaft zwischen Staaten, Völkern und Menschen unseres von Hass, Feindschaft und Krieg heimgesuchten Planeten.

Im Rahmen dieser Freundschaft war - bei aller Einengung und Überfrachtung - der völkerverbindende Gedanke der Verständigung und des friedlichen, freundschaftlichen Zusammenlebens der Menschen immer lebendig. Er sollte weiter gelebt werden. „Mehr als ein Studium... “ Mit Pünktchen haben wir im Thema unseres Symposiums die gedankliche Weiterführung offengelassen.

Ich habe sie versucht und freue mich auf die Überlegungen Mitdenkender.

Aus: “Mehr als ein Studium…”. S. 16 ff. Horst Schützler, Jahrgang 1935. Prof. Dr. sc. phil., Studium der Geschichte von 1954 bis 1958 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Danach bis 1992 Tätigkeit im Fachgebiet Geschichte der UdSSR. 1980 bis 1990 ebenda Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

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Erstes wissenschaftliches Symposium des Vereins am 6. Mai 1995

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Mein Blick als „Kulturoffizier“ und Historiker auf Deutschland und die Deutschen.

Jakow S. Drabkin Gespräch am 10. März 2008 in Berlin Das Gespräch führten Bernd Muck und Prof. Dr. Horst Schützler Prof. Dr. Drabkin, Sie waren als „Kulturoffizier“ und hervorragender Kenner der deutschen Geschichte der neuesten Zeit herzlich begrüßter ältester Gast unseres Symposiums im Juni des vergangenen Jahres und haben sich dort an Ihr Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen erinnert. Leider fehlte die Technik zur Aufzeichnung. Wenn wir diese Erinnerung als das Thema unseres Gesprächs wählen dürfen, so ergibt sich die Frage: Wie war Ihr Verhältnis zu Deutschland und Deutschen bevor die Armee dieses Aggressors Ihr Land, Ihre Heimat, überfiel und dort brandschatzte und mordete?

Prof. Drabkin: Ich will zuerst sagen, dass ich das Symposium in guter Erinnerung habe. Solche Treffen sind wichtig, um das richtige Verständnis für die Tradition der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren Völkern zu bewahren. Sie sind für mich auch immer wieder herzliche Begegnungen mit Bekannten, Freunden und Kollegen, die ich hier im Lande so viele habe.

Wenn ich auf mein Leben bis zum Einschnitt des Krieges 1941 knapp zurückblicke, so ist deutlich: Ich wurde 1918 in Kiew/Ukraine in den Auseinandersetzungen der Revolutionszeit in einer jüdischen Familie geboren. Das genaue Datum ist kurios, denn nach dem damals noch in der Ukraine geltenden Julianischen Kalender bin ich am 25.

April geboren, doch nach dem in Sowjetrussland ab 1. Februar 1918 geltenden Gregorianische Kalender am 8. Mai. So werde ich, wenn ich gesund bleibe, in Moskau meinen 90. Geburtstag zweimal feiern - am 25. April und am 8. Mai. (Prof. Drabkin lacht.)

In Kiew bin ich auf Wunsch der Mutter, sie arbeitete im Buchhandel, in eine deutschsprachige Schule mit überwiegend deutschen Lehrern gegangen. Der Direktor hieß, so meine ich, Friedrich Fiebig. Hier wurden, gemäß den Möglichkeiten, fast alle Fächer auf Deutsch unterrichtet. Das half bei der Aneignung der deutschen Sprache. Hier lernte ich die deutsche Kultur kennen und schätzen. Das Hebräische erlernte ich nicht, und die jüdische Religion übte ich zeitlebens nicht aus.

1936 bis 1941 studierte ich Geschichte an der Lomonossow-Universität in Moskau.

Das geschah noch im Zentrum der Stadt, vor allem im alten Gebäude in der Uliza Gerzena. In diesen Jahren beunruhigte uns zunehmend der Faschismus in Deutschland und die von ihm ausgehenden Gefahren, doch an einen Krieg mit unserem Land dachten wir weniger.

Die letzte Prüfung legte ich nach Kriegsbeginn, am 25. Juni 1941, ab; meine Diplomarbeit hatte ich zu einem Thema der deutschen Geschichte geschrieben. Während des Studiums lernte ich meine Ehefrau Irina Rachmanowa, eine Historikerin, kennen. Mit ihr habe ich bis zu ihrem Tod über 60 Jahre zusammen gelebt. Wir hatten zwei Söhne, einen haben wir verloren. Meine Ehefrau übersiedelte noch im Juli 1941 nach Stalingrad.

Dort gab es Verwandte im Arztberuf. Hier wurde im August unser erster Sohn geboren.

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Später erfolgte ihre Evakuierung wolgaaufwärts in ein Dorf. Dort habe ich sie 1943, nach der Stalingrader Schlacht, kurz besuchen dürfen.

Frage: Prof. Drabkin oder Jakow Samoilowitsch, wenn wir Sie mit Hochachtung und Vertrauen ganz persönlich so nennen dürfen, wir sind bereits mit dem Gesagten im Krieg, der für die sowjetischen Bürger zum „Großen Vaterländischen“ wurde.

Welche Aufgaben hatten Sie während des Krieges als Offizier der Roten Armee und welche Begegnungen hatten Sie mit den faschistischen Eroberern, welche Eindrücke gewannen Sie von diesen „Deutschen“, kannten Sie auch „andere“ Deutsche?

Antwort Ja, Sie dürfen, wie bei uns im vertrauensvolllen Umgang üblich, mich mit Vornamen und Vatersnamen ganz selbstverständlich anreden.

Ich war bereits im Juli 1941 im Einsatz beim Kommando der Nord-West-Front und arbeitete dort in der Politischen Verwaltung, zunächst als „mladschi politruk“, unterer Politischer Leiter, als Redakteur der Zeitung „Soldatenfreund“, die für deutsche Soldaten gedacht war. Hier lernte ich im August auch Lew Kopelew kennen. Wir gaben Flugblätter heraus, die die deutschen Soldaten zur Waffenniederlegung und zum Übertritt in sowjetische Gefangenschaft aufriefen, was zunächst wenig Erfolg hatte. Bei dieser politischen Arbeit, die ich bis Kriegsende in verschiedenen Funktionen, zuletzt als Major, fortsetzte, lernten wir Deutsche kennen, die uns gegenüber hasserfüllt und uneinsichtig hinsichtlich ihrer schlimmen Taten waren und nun voller Angst in die Gefangenschaft gingen. Manche wurden auch nachdenklich und mit einigen arbeiteten wir auch zusammen, so mit Frontbeauftragten des Nationalkomitees „Freies Deutschland “Bernhard Bechtler u.a..

Unsere schlimmste, ständige Begegnung mit den faschistischen Eroberern hatten wir bei unserem Vormarsch als wir auf deren fürchterliche Hinterlassenschaft trafen - die zerstörten Städte und Dörfer, Industriebetriebe, Sowchosen und Kolchosen und vor allem die gequälten und gemordeten Menschen. Da glühte der Hass und kamen Rachegefühle auf.

Frage: Jakow Samoilowitsch, wie und wohin kamen Sie 1945 nach Deutschland, welche Gefühle bewegten Sie in „Feindesland“, welche Aufgaben wurden Ihnen als „Kulturoffizier“ mit Ihren besonderen Deutschkenntnissen übertragen?

Waren Sie an der Gründung und Unterstützung der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion und dann der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft beteiligt, haben Sie Freundschaft „verordnet“?

Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu den Deutschen in diesen Jahren?

Antwort.

Das sind viele Fragen, die im Detail hier kaum zu beantworten sind. Doch Einiges sei gesagt.

Ich kam als Angehöriger der 49. Armee der 2. Belorussischen Front, die unter dem Befehl Marschall Rokossowskis stand, in schweren Kämpfen in Ost- und Westpreußen sowie Hinterpommern im April 1945 in das Gebiet der späteren Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Am 25. April, an meinem 27. Geburtstag, überquerten die Soldaten unserer Armee die Oder bei Stettin. Das ist nicht etwa nur gewollter Fixpunkt meiner Erinnerung, sondern in der Chronik des Großen Vaterländischen Krieges nachzulesen.

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Mit einem Lautsprecherwagen kam ich zunächst nach Fürstenberg- Ravensbrück und sah die Schrecken der Konzentrationslager. Hier hatte ich eine kurze Begegnung mit Rosa Thälmann.

Einige Monate war ich in Dresden in der entstehenden Sowjetischen Militärverwaltung tätig, dann erfolgte meine Rückberufung in die Armee und die Versetzung nach Magdeburg zur 3. Stoßarmee. Damals herrschten in der deutschen Bevölkerung viele falsche Vorstellungen über die Sowjetunion bzw. fehlte es an einfachem Wissen über unser Land und seine Bevölkerung. Dem wollten wir, Anweisungen von höchster Stelle befolgend, u. a. durch eine entsprechende Vortragstätigkeit begegnen, um Wissen zu vermitteln und Verständnis und Zuneigung zu wecken. So wurde auch ich mit meinen Deutschkenntnissen und gewissen politischen Erfahrungen im Umgang mit den Deutschen zu dieser Arbeit herangezogen und war ich Ende 1945 und besonders 1946 als „Wanderredner“ in Sachsen-Anhalt und Sachsen unterwegs.

Prof. Schützler: Ich darf Sie hier unterbrechen und aus meinen DSF-Unterlagen folgendes anführen: Die propagandistische Tätigkeit der sowjetischen Kultur- und Bildungsoffiziere setzte schon frühzeitig ein, offensichtlich bald nach dem Beschluss des Rates der Volkskommissare vom 5. Oktober 1945 über die politisch-ideologische Arbeit der Roten Armee in den befreiten Ländern und nach der darauf folgenden Schaffung einer Verwaltung für Propaganda in der SMAD mit ihr unterstellten Abteilungen für Propaganda der SMA der Länder und Provinzen. So war Major Dragin von der SMA Sachsen-Anhalt vom 10. bis 20. Dezember 1945 zu Vorträgen über die Volksbildung und das Kulturleben in der UdSSR in Wernigerode, Blankenburg, Halberstadt, Quedlinburg, Oschersleben, Wanzleben und Genthin, an denen vor allem Lehrer teilnahmen. Ein Bericht über den Vortrag zur Volksbildung in der UdSSR in Wanzleben vermerkt: „Die Zuhörer bekamen zum ersten Mal einen wirklichen Eindruck über die Sowjetunion. In der Diskussion wurden alle Zweifelsfragen durch Herrn Major beantwortet. Dieser Vortrag trug wirklich zur Aufklärung und zum Verständnis für die Völker der Sowjetunion bei“.

Schon frühzeitig sprachen sowjetische Bildungsoffiziere vor Universitätsangehörigen über die Sowjetunion und Themen des Marxismus-Leninismus. So hielt der 28jährige Major Dragin – Mitglied der Lektorengruppe bei der SMA Sachsen-Anhalt – vom 15. bis 17. Mai 1946 an der Universität Halle – sie war am 1. Februar wiedereröffnet worden – drei Vorträge über die sowjetische Staats- und Gesellschaftsordnung, den vierten Fünfjahrplan der Sowjetunion und die Kultur der Völker der UdSSR. Und in einer Chronik ist für März 1948 vermerkt: Major Dragin spricht im Haus der Kultur der Sowjetunion in Berlin über „Warum gibt es in der UdSSR nur eine Partei?“ Ich weiß, Major Dragin…

Prof. Drabkin: Ja, Major Dragin war ich. Ich hatte den Namen als Pseudonym gewählt. Es ist angenehm, auf diese Weise etwas über meine Arbeit zu erfahren. Ich war damals viel unterwegs und nutzte dazu ein Auto, das ich mir gekauft hatte.

Die Vorträge, die wir Lektoren hielten, trafen auf großes Interesse. Sie waren oft mit Nachfragen und lebhaften Diskussionen verbunden. Dabei ging es um das Leben in der Sowjetunion, die Verhältnisse in der Sowjetischen Besatzungszone, den Alltag der Soldaten und auch um die Reparationen und um das Fehlverhalten von Angehörigen der Roten Armee bei Kriegsende. Ich bemühte mich, die Fragen offen und ehrlich zu beantworten und wies dabei auf die Verbrechen hin, die der Faschismus verschuldet und seine Anhänger begangen hatten, insbesondere auch in meinem Heimatland. Ich glaube, dass wir mit dieser Aufklärungsarbeit dazu beigetragen haben, dass die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion 1947 entstehen und sich hin zu einer Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft entwickeln konnte. Wir haben dabei nicht „verordnet“,

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sondern Wissen vermittelt, Verständnis geweckt, immer freundschaftlicher mit Deutschen unterschiedlicher Herkunft und Parteizugehörigkeit zusammengearbeitet und ihnen geholfen, eine neue Einstellung zu unserem Land in der Bevölkerung durchzusetzen. Das lag sowohl in unserem als auch im deutschen Interesse. Dabei haben wir nicht vergessen, dass wir als Sieger- und Besatzungsmacht auch Verantwortung für die Ausmerzung von Faschismus und Antikommunismus und die Durchsetzung friedenserhaltender demokratischer Verhältnisse in Deutschland trugen. Unser Land war uns dabei Vorbild, aber nicht Schablone.

In diese Verantwortung war ich intensiver eingebunden als ich Anfang 1947 in den Stab des Stellvertretenden Oberbefehlshabers für politische Fragen der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland, der gleichzeitig auch der Chef für politische Fragen der SMAD war, berufen wurde und damit in Berlin-Karlshorst und Potsdam zu tun hatte.

Mein Vorgesetzter war zunächst Generalleutnant Makarow, dann sein Nachfolger Generalleutnant Russkich. Ich hatte vorher eine Broschüre über die Situation in Deutschland für unsere Truppen geschrieben. Vielleicht war man dadurch auf mich aufmerksam geworden? Wir waren eine kleine Gruppe, verfassten Zeitungsbeiträge, prüften von deutscher und unserer Seite eingereichte Unterlagen und Projekte hinsichtlich der Übereinstimmung mit unserer Besatzungspolitik, hielten, wie schon genannt, Vorträge, schrieben Berichte für Moskau zur Situation in der Sowjetischen Besatzungszone und unterhielten Verbindungen zu vielen deutschen Persönlichkeiten Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht, Anton Ackermann, Fred Oelßner, Paul Merker, Friedrich Ebert, Jürgen Kuczynski u. a. Besonders beeindruckte mich Otto Grotewohl 1948 mit seiner Rede zum 30. Jahrestag der deutschen Novemberrevolution und seinem Buch „Dreißig Jahre später. Die Novemberrevolution und die Lehren der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“. Das Buch hat er mir mit Widmung geschenkt. Das wurde für mich zu einer wesentlichen Anregung, mich nach der Rückkehr in die Heimat und der Hinwendung zur historischen Forschung intensiv und ausdauernd mit der Geschichte der deutschen Novemberrevolution und ihren Persönlichkeiten zu beschäftigen.

Prof. Schützler: Mir steht sofort Ihr Buch „Die Aufrechten Karl Liebknecht Rosa Luxemburg Franz Mehring Clara Zetkin“, 1985 in Moskau, 1988 in Berlin erschienen, vor Augen. Jakow Samoilowitsch, wie gestaltete sich Ihr Leben nach 1949? Wie sehen Sie heute das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen? Stehen die Freundschaftsgesellschaften auf verlorenem Posten?

Antwort: Zunächst blieb ich in der Sowjetarmee und lehrte als Dozent an der Militärakademie in Kalinin. Nach meinem Ausscheiden 1957 ging ich nach Moskau, wurde Redakteur der neu gegründeten historischen Zeitschrift „Neue und neueste Geschichte“, wechselte 1964 in das Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften und gehöre nach dessen Aufgliederung 1968 bis heute dem Institut für Allgemeine Geschichte der Akademie der Wissenschaften der Russischen Föderation (früher der UdSSR) an. 1953 habe ich mit einer Dissertation über die deutsche Novemberrevolution 1918 promoviert. Seitdem ist die deutsche Geschichte für mich eine ganz wesentliche Arbeits- und Lebensrichtung gewesen und geblieben. Arbeitsrichtung - ich habe viel geforscht, publiziert, gestritten, Arbeitsgruppen mit ihren Projekten geleitet, ich will und kann das im Einzelnen nicht anführen. Lebensrichtung - ich habe bei dieser Arbeit viele deutsche Kolleginnen und Kollegen (darüber hinaus viele andere) kennen gelernt, habe mit ihnen zusammengearbeitet, Freundschaften geschlossen, war oft in der DDR und einige Male in der Bundesrepublik und bin jetzt oft im vereinten Deutschland. Ich schätze dies Land

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und seine Menschen. Viele stehen Russland und seinen Menschen aufgeschlossen gegenüber. Das freut.

Prof. Schützler: Jakow Samoilowitsch, ich habe Sie selbst oft in dieser Lebensrichtung und Zusammenarbeit mit bleibender Erinnerung erlebt - in der Historikerkommission UdSSR - DDR, auf Konferenzen in der DDR und Sowjetunion, bei Veranstaltungen unseres Vereins und bei meiner Verteidigung der Dissertation B im November 1978 an der Humboldt-Universität – unvergesslich auch für meine Frau und meinen Sohn.

Prof. Drabkin: Ja, Vieles bleibt unvergesslich und könnte auch in Erinnerungen mitgeteilt werden. Wer sich mit Lew Kopelews großartigem „Wuppertaler Projekt“ „West-östliche Spiegelungen. Deutsche und Deutschland aus russischer Sicht/ Russen und Rußland aus deutscher Sicht“ (zehn Bände) beschäftigt - viele sollten das tun - dem wird aus 1000 Jahren deutscher und russischer Geschichte klar, dass es beiden Völkern immer dann gut ging, wenn sie befreundet waren und nicht ausgegrenzt wurden. Auch heute kann man das wieder zu Kräften kommende Russland nicht aus Europa ausgrenzen, gilt es vielmehr zusammenzuarbeiten.

Freundschaftsgesellschaften stehen keinesfalls auf verlorenen Posten, auch wenn sie nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung getragen werden. Freundschaft zwischen Menschen und Völkern kann es nie genug geben.

Ich wünsche den Freundschaftsgesellschaften Erfolg.

Jakow Samoilowitsch, wir danken Ihnen für das interessante, aufschlussreiche Gespräch.

Wir wünschen Ihnen am Vorabend Ihres 90. Geburtstages feste Gesundheit, ein freundliches und friedliches Umfeld, gute Lebens- und Schaffenskraft.

Aus: “Mehr als ein Studium…”. S. 54 ff. -- Prof. Dr. Jakow Samoilowitsch Drabkin starb 97-jährig am 10. Oktober 2015 in Moskau.

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Nicht vergessen! Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Westberlin Fritz-Albert Kuske Als Westberliner Arzt war ich seit 1963 Mitglied der DSF ohne haupt- oder ehrenamtliche Funktionen und gehöre jetzt zu den „Berliner Freunden der Völker Russlands e. V.“. Wegen fehlender Unterlagen kann ich nur aus meiner Erinnerung berichten. Ich bin jetzt 87 Jahre alt.

Vielfältig waren die Aktionen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Westberlin, die sich nach dem Mauerbau 1961 aus einer schwierigen Situation herausarbeiten musste. Sie gingen zu meiner Zeit (seit 1968) von einem repräsentativen Zentrum am Kurfürstendamm 72 mit der Majakowski Galerie, dem Club DSF und einer umfangreichen Bibliothek mit reger Ausleihe aus und fanden vor allem ihren Ausdruck in regelmäßigen Veranstaltungen mit politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Themen, in Konzerten mit Künstlern und Ensembles aus der Sowjetunion, in Filmvorführungen, Buchvorstellungen und Ausstellungen in der Galerie. Die Unterstützung durch die DSF der DDR und die sowjetische Botschaft in Ostberlin waren dabei hilfreich und offensichtlich. Der Zuspruch vor allem auch jüngerer Westberliner war erfreulich - die Majakowski-Galerie in erster Linie war eine gute Adresse. Während das inoffizielle Westberlin die Angebote ohne Schwellenangst annahm, war das offizielle eher zurückhaltend und baute Berührungsängste nur allmählich ab.

1970 erregte und bewegte eine Briefmarkenausstellung zum 100. Geburtstag Lenins mit einer Sonderbriefmarke und einem Ersttagsstempel in einem eigens zu diesem Zweck in den Räumen der DSF eingerichteten Sonderpostamt die Gemüter. Ein damals maßgeblicher CDU-Politiker gab seinen Unwillen - gelinde ausgedrückt - zu diesem „Missgriff“ lauthals vor Ort Ausdruck. Das haben wir als Salz in unserer Suppe empfunden! Diese Ausstellung war sehr gut besucht, u. a. fanden sich Exponate zum Thema „Lenin und das Gesundheitswesen“.

Zu diesem Thema habe ich auch unter dem Hauptaspekt „Im Mittelpunkt steht der Mensch“ am 30.

September 1970 in einer gut besuchten Veranstaltung im Club DSF gesprochen. Zu medizinischen Themen gab es des Öfteren Veranstaltungen und Gespräche mit sowjetischen Wissenschaftlern, an denen sich auch im beträchtlichen Maße Medizinstudenten beteiligten. In Erinnerung ist auch der Besuch eines Professors für Kinderheilkunde mit interessanten Gesprächen in der Kinderklinik der Freien Universität, Charlottenburg Heubnerweg, und in der Kinderklinik in der Rüsternallee – auch Charlottenburg.

Sehr wichtig für mein Freundschaftsverständnis waren die Aneignung einiger Russisch-Kenntnisse und Besuche im Freundesland. Im Rahmen des von der DSF angebotenen Russischsprachunterrichts war ich für vier Wochen Teilnehmer einer „Sommerschule“ in Moskau. Es wurde nur russisch gesprochen - anfangs war das problematisch, doch schließlich war ein Verstehen einigermaßen möglich. Beeindruckend war das kulturelle Begleitprogramm. Die Teilnahme an DSF-Reisegruppen nach Moskau mit Jolkafest, Roter Platz, Lenin-Mausoleum, Arbeits- und Privaträume Lenins im Kreml u. a. und nach Duschambe in Tadshikistan bestärkten mich in meiner Freundschaft zur

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Sowjetunion und ihren Menschen. Die mittelasiatische Republik hatte durch die Sowjetmacht einen enormen Aufschwung erlebt. Freund Rachmatalajew mit seinen sachlichen Informationen wird mir auch weiterhin in lebhafter Erinnerung bleiben.

Beeindruckend waren die Baumwollfelder und das im Bau befindliche Wasserkraftwerk “Nurek” mit kilometerlangem Stausee und mächtigen Tunnelbohrungen für die Aufnahme der Turbinen. „Nurek“ bedeutet in der Landessprache „Flämmchen“ – im übertragenen Sinn: Welche Riesenflamme ist aus diesem Flämmchen geworden!

Ein sehr wichtiges Arbeitsinstrument der Westberliner DSF war ihr Mitteilungsorgan, das Franz Rump redigierte, zunächst die „DSF - Zeitung“ und dann das „DSF - Journal“.

Hier wurde über die Sowjetunion, über ihre tatsächlichen und vorgegebenen Errungenschaften berichtet, und über die Gesellschaft informiert.

Ein lebhaftes Leserbriefecho zeigte, die Themen wurden von fortschrittlich denkenden Westberlinern angenommen. Hier fanden sich auch interessante Berichte von Privaturlaubern, die mit dem „rollenden Hotel“ und mit vielen guten Kontakten auf den Campingplätzen durch die Sowjetunion gereist waren.

Als langjähriger Vorsitzender muss neben Dr. Franz von Hammerstein Rolf Elias genannt werden, der mit nie erlahmender Energie und viel Geduld das Bild der DSF im nicht immer dieser Organisation wohlwollenden Westberlin mit prägte. 24 Nach der Wende hat Franz Rump als Geschäftsführer noch die DSF in kleineren Räumen in Friedenau weitergeführt. Gutbesuchte Veranstaltungen sind mir gegenwärtig.

Russische Offiziere der Gruppe West berichteten über die Umstellung in der Armee.

Ein mich noch jetzt bewegendes Ereignis konnten wir in den Friedenauer Räumen miterleben. Viele, sehr viele Westberliner waren unserem Aufruf, mit Sach- und Geldspenden Moskauer Kindern zu helfen, spontan gefolgt. Die Päckchen und Pakete stapelten sich zu ansehnlichen Haufen im Hof der DSF-Räume. Die Franzosen in Reinickendorf sagten auf unsere Bitte sofort ihre Hilfe zu, die Spenden mit LKWs zum russischen Feldflughafen zu transportieren. Vielleicht ist diese Spendenflut als ein durch uns mitbewegtes Umdenken unserer Mitbürger in Richtung russischer Nachbar zu werten? Wunschdenken oder Realität? Mein Wunsch - die Freundschaft mit den Völkern Russlands muss Bestand haben.

Aus. “Mehr als ein Studium…“. S. 136 ff. – Dr. med. Fritz-Albert Kuske starb am 28.10.2011.

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Anm. der Redaktion: Rolf Elias schrieb eine „Chronik der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft Westberlin (1947 bis 1986)“, die er 1987/1988 fertig stellte. Sie ist als Manuskriptdruck (155 Seiten, mit vielen Illustrationen) vorhanden und gibt einen faktenreichen Überblick über die Tätigkeit dieser Gesellschaft.

Die Chronik kann im Büro der Berliner Freunde der Völker Russlands eingesehen werden. „Streiflichter“ zu dieser Gesellschaft hat später Ulrich Roeske verfasst: Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) in West-Berlin Aktivitäten und Probleme. In: Steglitzer Heimat. Mitteilungsblatt des Heimatvereins Steglitz e. V. Heft 1/2013. S. 19 ff. und Heft 2014.

S. 74 ff.

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Verständigung, Freundschaft, Frieden – gestern und heute Eugen Neuber Eine lediglich nostalgische Beschreibung der Entwicklung freundschaftlicher deutschrussischer Beziehungen an sich hätte wenig Sinn ohne ihre Bewertung mit Blick auf heutige drängende Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Gewiss hat Deutschland, von dem zwei Weltkriege ihren Ausgang nahmen, eine besondere Verpflichtung gegenüber den Völkern Russlands und der anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die in diesen Kriegen die größten Verluste an Menschenleben und an materiellen Werten erlitten. Es besteht heute die Chance, nach Ende des Kalten Krieges vorurteilsfrei die Beweggründe von Millionen Menschen in der DDR zu erörtern, die in mannigfachen Formen freundschaftliche Zuwendung und Begegnungen mit den Menschen in der Sowjetunion gestalteten.

Der Beginn der Tätigkeit der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion im Jahre 1947 war schwer. 1945 brachte die Befreiung vom Hitlerfaschismus. Millionen deutsche Menschen verloren ihren Glauben an ihr bisheriges Weltbild. Die unvergleichlichen Verbrechen der Nazidiktatur, die gewaltigen Verluste an Menschenleben und die materiellen Zerstörungen zwangen darüber nachzudenken, wie das alles geschehen konnte. Das weitgehend unterdrückte, schlafende und auch verlorengegangene Gewissen in Deutschland begann aufzuwachen. Wie sollte es weitergehen mit Deutschland? „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus und Feindschaft mit anderen Völkern!“ – dachten und riefen damals die am Leben gebliebenen Antifaschisten und immer mehr aufrechte Patrioten Deutschlands.

Wie in vielen Schulen in der Sowjetischen Besatzungszone sprach zu meiner Einschulung 1945 der sowjetische Kommandant davon, dass wir Goethe und Schiller, aber auch Heinrich Heine, Gorki, Tolstoi, Zola – kurz - Vertreter der Weltkultur kennenlernen werden. Die Veränderungen im Denken brauchten aber Zeit. Groß waren die Auswirkungen des Rassismus, Chauvinismus sowie der weitverbreiteten Überheblichkeit gegenüber den anderen Völkern, vor allem Osteuropas. Die schrecklichen Positionen des „Herrenmenschentums“ gegenüber allen „Nichtariern“ konnten allein durch strenge Verbote jeglicher faschistischer Propaganda nicht überwunden werden, obwohl die internationale Verurteilung der Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit durchaus tiefe Betroffenheit über die Mitschuld des deutschen Volkes auslöste. Bekannte deutsche und sowjetische Kulturschaffende, Wissenschaftler, Schriftsteller traten in dieser Zeit in Vorträgen und Artikeln mit Gedanken über Völkerverständigung, Humanismus und Friedenssicherung an die Öffentlichkeit. „Und nicht über und nicht unter andern Völker woll´n wir sein…“ wurde damals oft gesungen. Besonders wichtig war die Gewinnung der Jugend für den Aufbau eines neuen Lebens. Die Angehörigen der Roten Armee hatten die brutale Kriegsführung und die „Politik der verbrannten Erde“, die Leichenberge in den faschistischen Konzentrationslagern noch in schrecklicher Erinnerung. Die Worte Stalins: „Die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk bleibt!“ waren für Deutsche und Russen ein Appell an die Vernunft. Die Überwindung emotionaler Barrieren in der Frage „Die Russen und wir“ war aber vor allem für die Älteren mit ihren Kriegserlebnissen nicht leicht. Aus diesem Grunde wurden die Auftritte großer sowjetischer Ensembles für Gesang und Tanz mit aufrichtiger Zustimmung begeistert aufgenommen. Es zeigte sich auch bei den großen Jugendtreffen, wie wichtig Verständigung und Freundschaft zwischen allen Völkern für die Erhaltung des Friedens und die Zukunft der Menschheit ist. Diese Erkenntnis ist auch heute aktuell! Die besondere Förderung der Freundschaft zur Sowjetunion wird heute häufig als „verordnete Freundschaft“ in Veröffentlichungen bezeichnet, die damit einen

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Gegensatz zu „echter Freundschaft“ konstruieren wollen. Ich war seit 1951 Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und habe über Jahrzehnte auf allen Ebenen die Entwicklung der deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit und der Freundschaft miterlebt. Zweifellos war die Gründung der „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ 1947 von der realistischen Absicht bestimmt, zunächst die Vorurteile in großen Teilen der Bevölkerung gegenüber den Völkern des Ostens abzubauen. Deshalb erschienen in großen Auflagen Übersetzungen bedeutender Werke russischer und sowjetischer schöngeistiger Literatur. Die Verbreitung dieser Literatur wurde gefördert: in den Schulen und Universitäten, in Lesezirkeln, durch Treffen mit bedeutenden sowjetischen Schriftstellern. Die Freundschaftsgesellschaft veröffentlichte in speziellen Materialien Rezensionen sowjetischer Bücher. Später erschien alle vierzehn Tage eine Sammlung von Artikeln in der Edition „Presse der Sowjetunion. Gern gelesen wurde die Zeitschrift „Freie Welt“ mit Reportagen und Bildern aus der UdSSR. Aber auch insgesamt wurde die Rezeption wertvoller schöngeistiger Literatur durch niedrige Bücherpreise, Leihbüchereien im ganzen Land und Einbeziehung der Jugend zum Erwerb kultureller Kenntnisse gefördert. Man kann das als „verordnete Freundschaft“ und „verordnete Bildungsarbeit“ bezeichnen. Die „Verordnung“ von Humanismus und Völkerverständigung anstelle von Völkerhass und Fremdenfeindlichkeit war übrigens völkerrechtlich bestimmt durch die Forderung des „Potsdamer Abkommens“ der Alliierten von 1945, den Faschismus mit seinen Wurzeln in Deutschland zu beseitigen. Die „Erklärung der Menschenrechte“ der UN von 1947 verweist in Artikel 26 darauf, dass die Bildung „… zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Wahrung des Friedens förderlich sein (soll)“. Staatlich gefördert wurde auch das Erlernen der russischen Sprache. Zweifellos war das für viele Bürger der DDR in ihrem Entwicklungsweg eine anspruchsvolle und häufig schwierige Aufgabe. Das Erlernen jeder Fremdsprache erfordert viel Fleiß und Selbststudium. In Anbetracht der weitgehenden Internationalisierung des Wirtschaftslebens gehören heute Fremdsprachenund vor allem Englischkenntnisse einfach zu den Grundvoraussetzungen einer anspruchsvollen Berufstätigkeit. Nach der Gründung der DDR bis zu ihrem Ende waren aber die wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion die Grundvoraussetzungen für ihre Existenz. Mit Zunahme der heutigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird auch die Bedeutung der russischen Sprachkenntnisse wieder zunehmen.

Aus der Entwicklung des Charakters der Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR ergab sich folgerichtig auch eine Weitergestaltung der Tätigkeit der „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ seit 1949. Das Studium der Kultur der Völker der Sowjetunion wurde dabei weiter ausgebaut. In ihren Erinnerungen schildern Mitglieder der DSF bewegende Treffen mit Schriftstellern, Künstlern, Musikern und Wissenschaftlern der Sowjetunion Es gab gemeinsame Auftritte großer deutscher und sowjetischer Gesangs- und Tanzensembles, Gastspiele weltberühmter sowjetischer Ballett- und Theaterensembles, Ausstellungen russischer und sowjetischer Kunst. Immer mehr Veranstaltungen fanden auf gegenseitiger Grundlage statt. Die Bezirke unseres Landes veranstalteten in ihren Partnerregionen in der Sowjetunion in Zusammenarbeit mit der „Sowjetischen Gesellschaft für Freundschaft mit der DDR“ „Freundschaftstage“ und „Festivals“. Schriftsteller, Journalisten, Wissenschaftler, Sportler, Laienkünstler, Schüler und Studenten unserer Länder lernten voneinander und schlossen Freundschaft bei Treffen und Leistungsvergleichen. Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft unterstützte mit ihren Mitteln diese Arbeit. Tausende Treffen fanden in jedem Jahr in den 23 „Häusern der DSF“, dem „Haus der sowjetischen Wissenschaft und Kultur“ in Berlin, in Industriebetrieben, Landwirtschaftlichen

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Produktionsgenossenschaften, Hochschulen und Schulen statt. Die Freundschaft zur Sowjetunion war Verfassungsgrundsatz. Alle staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen waren an der Verwirklichung dieser Zielstellung beteiligt. Über 260000 Bürger unseres Landes arbeiteten und studierten in der Sowjetunion im Rahmen der vielfältigen Zusammenarbeit über längere Zeit. In der Praxis hatte die DSF umfangreiche Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Pflege der Kontakte zu sowjetischen Partnern, bei der Vorbereitung und Durchführung von Treffen zu lösen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Freundschaftskontakte war die ehrenamtliche Arbeit von vielen Tausenden RussischlehrerInnen, Slawisten, Russisten und Sprachmittlern, die die Verständigung ermöglichten und in den Russischzirkeln und „Klubs der Internationalen Freundschaft“ eine große uneigennützige Arbeit leisteten. Tatsächlich waren die „Samowarabende“, „Freundschaftsreisen in die SU“, „Freundschaftstreffen mit sowjetischen Touristen“, „Direktbeziehungen zu sowjetischen Betrieben mit Spezialistenund Arbeiteraustausch“, „Internationalen Jugend- und Schülerolympiaden“, Internationale Leistungsvergleiche, die „Messen der Meister von Morgen“ für junge Leute häufig der Beginn einer langjährigen Freundschaft.

Leider gab es durchaus auch formales Herangehen, das Streben nach künstlich angehobenen Mitglieder- und Teilnehmerzahlen. Zweifellos bedauern viele ehemalige Mitglieder der DSF die mannigfaltigen Beschränkungen und komplizierten Genehmigungsverfahren für individuelle Freundschaften und Besuche vor allem von Militärangehörigen der Sowjetarmee. In meinem Verständnis war das nicht nur durch Auswirkungen des Kalten Krieges bedingt, sondern auch durch Rücksicht auf die großen Unterschiede im materiellen Lebensniveau in der DDR und in der UdSSR. Dennoch sahen viele Mitglieder der DSF als Ziel ihrer Tätigkeit die realistische Vermittlung des Lebens der Menschen in der Sowjetunion. Je enger die Arbeits- und Freundschaftsbeziehungen der Teilnehmer an der direkten Zusammenarbeit von zunächst 265 Kombinaten der DDR mit Betrieben und Einrichtungen der Sowjetunion wurden, je mehr Studenten ihr Studium in der UdSSR absolviert hatten, desto mehr wurde erwartet, das Leben in der Sowjetunion realistisch, mit kritischer Sympathie zu diskutieren. Hohe Anerkennung fanden bei den Aktivisten der DSF die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Freunde in der Sowjetunion, die hohen Leistungen in Wissenschaft, Kultur und Technik, die Erfolge in der Weltraumerforschung, die fortwährenden Bemühungen der Sowjetunion um atomare und konventionelle Abrüstung, um die Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten entsprechend dem Statut der Vereinten Nationen. Aufrichtige Anerkennung fanden die guten naturwissenschaftlichen Kenntnisse und die hohe Verehrung für Literatur und Kunst in allen Schichten der Bevölkerung. Gleichzeitig blieben durch die engen Beziehungen auch Probleme und Konflikte in dem großen Land nicht mehr verborgen. Vor allem in den 80er Jahren wuchs das Streben nach Informationen über „Perestroika“ und „Glasnost“ in der Sowjetunion. Gemeinsam mit Schriftstellern, Publizisten und Wissenschaftlern wollten engagierte Freunde der Völker der Sowjetunion diese inneren Widersprüche offen aussprechen und erörtern. Neue Probleme ergaben die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der UdSSR, die auch die Zusammenarbeit mit der DDR erschwerten.

Das faktische Verbot des „Sputnik“ wurde von vielen Mitgliedern der DSF mit Protesten und Eingaben als lebensfremde Maßnahme abgelehnt. Der Zusammenbruch der DDR ließ aber die Traditionen der Freundschaft trotz massenhafter Austritte aus der DSF nicht untergehen. So habe ich während meiner Arbeit auf der von der Bundesrepublik übernommenen Baustelle des „Bergbau- und Aufbereitungskombinates Kriwoi Rog“ sowie einer Baustelle zur Errichtung von Wohn- und Gesellschaftsbauten für heimkehrende Militärangehörige in Belorussland erlebt, mit wieviel Bereitschaft meine Kolleginnen und Kollegen materielle humanitäre Hilfe für unsere Partner leisteten und

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auch dringend notwendige medizinische Hilfe für erkrankte Kinder in Deutschland organisierten.

Mit Genugtuung kann ich heute feststellen, dass in Russland in den letzten Jahren gute Erfolge in der ökonomischen und politischen Stabilisierung und auch in der zuverlässigen Gewährleistung der Löhne und Gehälter, wenn auch verbreitet auf sehr niedrigem Niveau, erreicht wurden. Mit Hilfe des soliden finanziellen Stabilisierungsfonds werden jetzt große soziale Projekte, und auch eine umfassende Modernisierung in Industrie und Bauwesen in Angriff genommen, die für die Verarbeitungsindustrie und den Maschinenbau in Deutschland gute Auftragschancen bieten. Leider werden in deutschen Massenmedien in den Berichten über Russland vor allem negative Erscheinungen dargestellt, ohne die positiven Tendenzen in der Entwicklung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sowie in der Außenpolitik Russlands in angemessener Weise zu berücksichtigen.

In meinem Verständnis besteht eine wichtige Schlussfolgerung aus der Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen darin, im Geiste guter Nachbarschaft ohne Anspruch auf eigene „unfehlbare Belehrungen“ der russischen Partner einen offenen Gedankenaustausch bei Begegnungen mit den Vertretern des anderen Landes zu pflegen, wahrheitsgetreu über das Leben in Russland mit Verständnis für das riesige Land mit eigener Geschichte und eigenen Traditionen, die man häufig nicht mit deutschen Erfahrungen und unseren Maßen messen kann, zu berichten. Dafür setzt sich mein Verein „Berliner Freunde der Völker Russlands e. V.“ beharrlich ein. Verständnis und gegenseitige Wertschätzung sind wichtige Voraussetzungen für vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit.

Aus: “Mehr als ein Studium…“. S.146 ff. -- Eugen Neuber, Jahrgang 1939. Diplomsprachmittler.

Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig von 1958 bis 1962. Langjähriger Mitarbeiter des Zentralvorstandes der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

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Was bleibt von der deutsch-sowjetischen Freundschaft in der DDR? Überlegungen zur eigenen Prägung Elke Scherstjanoi Schon zu einem Zeitpunkt, da öffentlich noch heftig umstritten war, was denn von der DDR-Gesellschaft bleiben würde, da es für ein verbreitetes Selbstbewusstsein mit eigenen, ostdeutschen Identitätsmerkmalen schon beachtenswerte Anzeichen gab, die manche Politiker im Westen verunsicherten, stellte sich die Frage nach Ursprung und Wert ostdeutschen Eigensinns und damit auch nach besatzungsund blockgeschichtlich bedingten Elementen fremder Kultur. Manche sahen gewaltige Probleme auf das geeinte Deutschland zukommen.

Der Berliner Historiker Arnulf Baring etwa warnte vor der Gefahr einer „Verostung“, die er bereits 1991 in Westberlin wahrgenommen haben wollte und als Argument zum Rundumschlag gegen ostdeutsche Eliten nutzte. Ob nun Geistes- oder Wirtschaftswissenschaftler, Arzt, Jurist oder Ingenieur - sie wären alle fachlich untauglich, weil... nicht weil sie ideologisch infiziert waren, nein, weil sie angeblich ihr Handwerk in russischer Sprache erlernt hätten, und man wisse ja: Russisch ist eine primitive Sprache!25 Dies sei angeführt, nicht weil es in seiner Borniertheit schon wieder lächerlich ist, sondern weil es das andere Extrem zeigt: eine traditionelle, demokratisch verbrämte Russland- und Sowjetunionphobie, die eingedämmt zu haben, meines Erachtens zu den besten Leistungen der DDR zählt.

Nicht selten wird beschwichtigt - mit manchmal ebenso seltsamen Urteilen - , als gelte es, das „Zusammenwachsen“ nicht durch falsche Annahmen zu erschweren: Ach was, so vieles haben die Ostdeutschen von den Russen gar nicht übernommen, Ossis sind sogar deutscher als Wessis! Interessanterweise wurden auch Ostdeutsche zur Entwarnung zitiert. Dabei hat es hat nach 1989 kaum Neubundesbürger gegeben, die sich selbst als „sowjetisch beeinflusst“ präsentierten: Denn wer sich tatsächlich „sowjetisch beeinflusst“ sah, fand das wohl auch nicht anstößig. Er entdeckt heute im öffentlichen Raum aber kaum eine Möglichkeit, das zu thematisieren, es sei denn, er war, wie Markus Wolf, aus anderen Gründen von den Medien gefragt.

Die wenigen einschlägigen Projekte der Zeitgeschichtsforschung blieben thematisch recht einseitig ausgerichtet. Wiederholt wurden und werden vor allem Propaganda und Teile des öffentlichen Raums der DDR untersucht und zur Diskussion gestellt, neuerdings gern auch in diskurstheoretische Vokabeln gekleidet. So begutachtete Jan C. Behrends die DDR-Gesellschaft als „Erziehungsanstalt“, als „autoritäre, repräsentative Öffentlichkeit, die sich nach außen mit Schauspielen der Partizipation schmückte“, auch und besonders mit Inszenierungen der Freundschaft zur Sowjetunion.26 Der interessantere und Erkenntnisse fördernde Terminus heißt aber ERFAHRUNG und erschöpft sich nicht im öffentlichen Sowjetuniondiskurs der DDR. Erfahrung mit fremden Lebensformen, Erfahrung auch als Teil von Handeln nach teils länger tradierten, teils neu 25

Arnulf Baring: Deutschland was nun? Ein Gespräch mit Dirk Rumberg und Wolf Jobst Siedler.

Berlin 1991. S.59.

26 Jan C. Behrends: Die erfundene Freundschaft. Propaganda für die Sowjetunion in Polen und in der DDR. Köln/ Weimar/ Wien 2006.

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erworbenen Mustern für die Verarbeitung solcher Begegnungen mit FREMDEM, als soziale und politische Erfahrung im Umgang mit Deutungsangeboten und Anleitungen zum Erkennen.

Was darunter in Bezug auf sowjetische Einflüsse zu verstehen ist, ist mit einem altbundesdeutschen Erfahrungshorizont allein nicht zu erschließen. Und ohne vergleichenden Blick auf das europäische Umfeld bleibt es schlecht zu bewerten.

Zu dem, was einem angemessenen Verständnis außerdem im Wege steht, zählt ein Defekt in den Ausgangsüberlegungen, für den es gewiss eine Tradition gibt: Die Suche nach speziell „russischen Realien“ (gemeint sind Vorbilder und Implantate), deren Nutzwert und Symbolgehalt zu ermitteln wichtig sei.27 Selbst der Osteuropaexperte Dietrich Geyer, der die „russozentrische Fixierung der osteuropäischen Geschichte“ keineswegs noch einmal festschreiben wollte, fragte nach genuin russischen Leistungen in der DDR.28 Der Irrtum liegt in der Annahme begründet, die UdSSR hätte im Ostblock einen spezifisch russischen Kulturleistungstransfer zwecks Übernahme und Aufbewahrung betrieben.

Ein weiteres Übel resultiert daraus, dass Staatssozialismus und Ostblock noch nicht allzu lange zurückliegen und ihre Bewertung noch stark außerwissenschaftlichen Interessen unterliegt. Stärker als in den 70er und 80er Jahren übergeht die Forschung heute im überzogenen Streben nach Systematisierung wesentliche Strukturunterschiede in den östlichen Gesellschaften, ignoriert anerkannte Differenzierungen und greift Vereinfachungen aus den 50er Jahren wieder auf (Das Beispiel „Kollektivierung“). Man meint, vor allem bei der Bewertung struktureller Kernelemente von Politik und Wirtschaft der DDR von vornherein von einem sowjetischen Modell ausgehen zu können, ohne den Variantenreichtum seiner Umsetzung zu kennen.

Nehmen wir das Beispiel FDJ - KOMSOMOL. Nun kann zwar heute ein vormaliger KOMSOMOLZE russländischer Präsident und eine vormalige FDJ-lerin Bundeskanzlerin sein, aber in der Sowjetunion machte ein religiöses Glaubensbekenntnis seinerzeit die Mitgliedschaft im sowjetischen kommunistischen Jugendverband völlig unmöglich, in der FDJ der DDR galt das nicht.

Bedauerlicherweise hat auch die kritische Insidersicht bislang vor allem zu oberflächlichen Vergleichen und Gleichsetzungen geführt, die vermutlich dem Bedürfnis geschuldet sind, sich loszusagen. Da suchte man nach der „fröhlichsten Baracke“ im östlichen Lager, nach den devotesten Stalinisten unter den Staatsführern und nach den mutigsten Dissidenten. Aus polnischer und ungarischer Sicht lebte der DDR-Bürger in Unterschied zur Bevölkerung anderer Ostblockländer trist, in Nischen zurückgezogen und fremdenfeindlich, die politische Führung der DDR sei im Unterschied zu anderen immer nur moskauhörig, duckmäuserisch, reformunwillig und arrogant belehrend gewesen. Hier wirkt, wie mir scheint, ein altes Unbehagen fort, das die „Bruderländer“ allesamt – in historischer Erfahrung sowie aus neuerlichen Gründen – im Umgang miteinander pflegten. Nach wie vor werden diesbezüglich oft Klischees kolportiert statt Haltungen ergründet.

Und was bleibt nun wirklich von der ostdeutschen „Freundschaft zur Sowjetunion“?

Wie und was sollte man ergründen?

Nach Dietrich Geyers Beobachtung von 1997 blieb „von der fast fünfzigjährigen Präsenz der UdSSR im östlichen Mitteleuropa [...] außer ökologischen Schäden, Soldatenfriedhöfen und Ehrenmälern nichts zurück“. Jan Behrends entdeckte zumindest 27

Christoph Berger: Das russische Deutschland. Eine Bearbeitung der sowjetischen Besetzung Ostdeutschlands. Berlin 2001. Internetversion der Einleitung.

28 Dietrich Geyer: Rußland in den Epochen des zwanzigsten Jahrhunderts. Eine geschichtliche Problemskizze. In: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997). S. 258.

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noch architektonische Zeugnisse, die zwar nicht er, wohl aber andere Zeitgenossen als (eben nicht rein sowjetische, sondern sowjetisch inspirierte) Wohnkonzepte heute anziehend finden. Materialisierte Überbleibsel im öffentlichen Raum sind hier aber nicht gemeint, wenn von Nachhaltigkeit sowjetischen Einflusses die Rede ist. Ich frage nach geistiger und mentaler Prägung. Was also sind das für Erfahrungen, die bleiben?

Peter Bender resümierte 1992 in seinem Buch zum DDR-Erbe: „Nie zuvor war ein so großer Teil Deutschlands so fest mit dem Osten verflochten, doch die Bindung war eine Zwangsbindung, die wenig Chancen bot, sich zu einer dauerhaften Interessengemeinschaft oder gar Freundschaft zu entwickeln.“29 Richtig: Zwangsbindung, wenig Chancen! Aber konkret wie wenig? Und welche Chancen wurden genutzt?

Was von Besatzerwillkür, rechtverletzenden Verurteilungen und unmenschlichen Haftbedingungen blieb, von nächtlichen Manövern sowjetischer Truppen, Straßensperrungen und gelegentlichen Geschosseinschlägen, ist heute glaubhaft nachzulesen in Zeitzeugenberichten und in einigen Untersuchungen. Was aber blieb von späteren Jahren? Von Freundschaftstreffen, Konzerten und Ensembleauftritten? Was blieb von Freundschaftszügen, von Brigadeaustausch und Garnisonsbesuchen, jährlichen Freundschaftswochen und Kulturtagen, von Tausenden Briefpartnerschaften, von jährlich bis zu zweihunderttausend (in den 70er Jahren) Sowjetuniontouristen, von den jährlich rund tausend (70er und 80er Jahre) Immatrikulationen an sowjetischen Hochschulen? Von sowjetischen Filmen und Büchern, von kulinarischen Anleitungen, sportlichen Wettbewerben und Erdgastrasse-Romantik? Sollte Russischunterricht nur Aversionen erzeugt, sollten die zigtausend Familienangehörigen von sowjetischen Offizieren und Ingenieuren nur Konsumängste bedient haben? Fühlte man sich tatsächlich auf „Buratino“ verpflichtet und hätte doch lieber „Pinocchio“ gesagt?

Ostdeutschland hat nach 1989 den radikalsten Struktur- und Elitenwechsel des Ostblocks erlebt. Mit ihm verschwand vieles, was tatsächlich Haltung und Verhalten geprägt hatte. Oder besser: Es ist kaum noch öffentlich virulent. So hatten sich in der SED, im Staatsapparat, in Polizei, Justiz und Staatssicherheitsbehörde bolschewistischstalinistische Arbeitsweisen, Wirkungsmechanismen und Umgangsformen stark verfestigt. In der politischen Praxis zeichnete sich das SED-Regime vor den anderen durch anhaltende „Geschlossenheit“ politischer Kräfte aus, die weder Fehlerdiskussion und noch ideologische Koexistenz zuließ. Die Geschlossenheit war mit undemokratischen Mitteln und Verfolgung innerparteilicher Opposition durchgesetzt worden. Dies alles wurde 1989/90 bis in die Wurzeln erschüttert.

Bierut, Ochab, Gomulka und Gierek, Gottwald, Novotny, Dubček und Husak hatten je „ihre“ Genossen nicht so streng zusammen gehalten, sie hatten Gruppierungen und Reformdebatten vergleichsweise breiter zugelassen. Aus der Sicht der SED-Führung geschah dies allerdings um den Preis blutiger innerer Querelen und folgenschwerer Herausforderungen der östlichen Hegemonialmacht. Ein idealisiertes Sowjetunionbild wurde freilich auch in Polen und der ČSSR propagiert, die außen- und sicherheitspolitische Einbindung waren dort nicht minder stark und es gab eine weitgehende Strukturangleichung im politischen System. Hatte die Hegemonialmacht dort weniger geprägt?

Dies bleibt mit vergleichendem Ansatz konkret zu untersuchen. Unbestritten ist, dass der DDR-spezifische politische Gleichschritt mit Moskau seinerzeit nicht nur den SEDFührern Ulbricht und Honecker den Ruf besonders sowjetuniontreuer stalinistischer Gefolgsleute einbrachte, sondern auch Parteiselbstverständnis allgemein stark prägte.

Die entsprechende Geisteshaltung ist heute eingedämmt und einflusslos oder aber ehrlich abgelegt. Denn, die radikale Entmachtung der SED 1989/90 und die Konfrontation mit der 29

Peter Bender: Unsere Erbschaft. Was war die DDR – was bleibt von ihr? Marburg 1992. S. 91.

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Bundesrepublik hat als eine Art Schocktherapie auf einen Großteil der SED-Klientel „befreiender“ gewirkt, als die vergleichsweise behutsame Entlassung der politischen Eliten in Polen, Tschechien, Ungarn und Bulgarien in die Markwirtschaft, von den sowjetischen „Kadern“ ganz zu schweigen.

Viele jener vormals durch die SED erzogenen „Freunde der Sowjetunion“, der zuletzt über sechs Millionen Mitglieder der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, der Gewerkschafts- und FDJ-Mitglieder bestehen heute auf ihr Recht, sich von den alten Losungen zu distanzieren. Wer die Echtheit und Dauerhaftigkeit jener alten, SEDkonformen Bekenntnisse prüfen und latente Freund- und Feindbilder heute ermitteln will, wird allerdings feststellen, dass diese aus dem bunten Gemisch von Erfahrungen und Weltsichten kaum herauszufiltern sind. Schon als DDR-Bürger wussten die Ostdeutschen gar nicht immer so genau, welches Stück DDR-Realität nun tatsächlich auf „Sowjetisierung“ zurückgeht. In einigen Fällen war die Herkunft der Bezeichnung eindeutig: „Brigade“, „Dispatcher“, „Produktionswettbewerb“, „Aktivist“. Aber war man damit in allen Details auf das Vorbild verpflichtet? Manchmal war die Übernahme des Vorbildes über die Generationen hinweg immer wieder gepriesen worden: „Kontrollziffern“, „MTS“; aber warum nicht den Begriff übernehmen, wenn die Sache an sich vernünftig schien? Das zu debattieren war in der DDR seinerzeit unerheblich, ebenso das Wissen darum, dass es „Kulturbund“, „Bitterfelder Weg“, „halbstaatliche Betriebe“ und „Kirche im Sozialismus“ anderswo im Ostblock so nicht gab. Wenn Ostdeutsche heute das eine verdammen (z. B. geheuchelte Planabrechungen) und das andere vermissen (z.

B. preiswerte Kinderferienlager), so spricht daraus eine Erfahrung im DDR-Sozialismus, aber keine dezidierte Einstellung pro oder contra sowjetisches Vorbild.

In Ermangelung eindeutiger Kriterien für Sowjetisierung in den Köpfen wandten sich Historiker und Kulturwissenschaftler daher dem Fremdempfinden der DDR-Bürger zu, sowie den trotz propagierten Internationalismus fortbestehenden und reanimierten Vorurteilen gegenüber anderen Völkern.30 Welche sowjetischen Vorbilder für die DDRBürger nicht annehmbar waren und warum, lässt aber nicht immer über den Ansatz „Fremdenfeindlichkeit“ ermitteln. Journalistische Effekthascherei wirkt heute nicht selten meinungsbildend, etwa, wenn bewitzelt wird, wie die Praxis - dem „einfältigen“ Ulbricht zum Trotz - recht bald die Rinderoffenställe als unbrauchbare Anleihe bloßstellte. Solche Pannen schadeten dem Propagandabild jedoch letztlich wenig.

Folgenschwerer war die Bekanntschaft mit Alltagskultur und Wohlstandsdefiziten in der UdSSR. Ab Ende der fünfziger Jahre auch offiziell auf westliche Fortschritts- und Wohlstandskriterien festgelegt, konnten DDR-Bürger den östlichen Lebensstandards immer weniger abgewinnen, zumal der tägliche Blick auf den Westen per Bildschirm möglich war. Sowjetische Lebensweise war nicht sehr attraktiv. Gleichwohl fanden vor allem jüngere DDR-Bürger von den siebziger Jahren an immer mehr Zugang zu östlichen (auch polnischen, ungarischen usw.) Lebensräumen und waren bereit, fremde Lebensinhalte und -äußerungen ohne Überheblichkeit zu akzeptieren. Das schloss nicht unbedingt ein, dass man diese fremde Lebensweise so teilen wollte, bleibt als Zivilisationsleistung aber dennoch zu würdigen. Ich erinnere mich an Kritik junger DDRStudenten gegenüber ihren sowjetischen Dozenten, den Begriff „sowjetische Lebensweise“ nicht fortwährend idealtypisch für „sozialistische Lebensweise“ zu benutzen, denn diesen Begriff wollte man gleichberechtigt auch aufs partiell andersartige (!) EIGENE beziehen.

30

Siehe Jan Behrends/ Thomas Lindenberger/ Patrice G. Poutrus: Fremde und Fremdsein in der DDR. Zu historischen Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland. Berlin 2003.

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Auf die Formel „Viele Verbindungen - wenig Verbundenheit“ brachte Peter Bender das DDR-Erbe einer Hinwendung zum Osten. Für das künftige Verhältnis zum europäischen Osten gebe die Erbschaft der DDR nur geringe Hilfe und speziell auf Polen bezogen sei sie eher Erblast, erklärte er.31 Ich sehe das Erbe nicht so. Wenngleich die „in die DDRGeschichte verweisende(n) Spuren“ ostdeutscher Fremdenfeindlichkeit, Provinzialität und Arroganz32 keinesfalls unterschätzt werden sollten, der heutige Rechtsextremismus im Osten erklärt sich in seinen krassen Ausmaßen und Artikulationsformen nur vor dem Hintergrund tiefer sozialer Erschütterung. Die DDR-Gesellschaft war in punkto alltäglichkultureller Offenheit keine unmoderne oder vormoderne Gesellschaft. Nun ist der Osten rascher noch moderner geworden, und 15 Jahre nach der Wende hat sich der Vorsprung des Westens in seiner Weltoffenheit und Multikultur erheblich reduziert. Angleichung fand statt. Bester Beweis dafür ist, wie gleichmäßig in Ost und West sich heute der neue deutsche Patriotismus ausbreitet. Vor dem Hintergrund einer „Rückbesinnung auf nationale deutsche Identität“ als sogenannte „Normalität“ nimmt im zusammenwachsenden Deutschland ein rückwärtsgewandter Überfremdungsdiskurs Gestalt an. Diesen ausschließlich auf Erblasten aus der DDR-Zeit zurückzuführen, wäre nicht nur verleumderisch, sondern blind und naiv.

Das heißt aber auch: Die Verarbeitung der „östlichen Fremdherrschaft“ sowie der verordneten und der angenommenen „Freundschaft zur Sowjetunion und den anderen Brudervölkern“ ist keineswegs abgeschlossen. Die bisherige Verarbeitung wird als Erfahrung in neuen Konfliktkonstellationen weiterhin geprüft, verworfen oder als tauglich erkannt, ergänzt und genutzt. Die zehn Jahre alte Forderung Evemarie Badstübners nach einem generationen- und schichtenspezifischen Herangehen an die Verarbeitung des Konflikts zwischen individuellen Lebensentwürfen und diversen sowjetischen Vorbildern in der DDR sowie nach umfänglicher empirischer Forschung mit subjektbezogenen Erhebungen,33 ist noch immer aktuell. Und zwar nicht nur für die Forschung, wie es das nachhaltige Interesse ostdeutscher Agrarproduzenten an genossenschaftlichen Großbetrieben beweist. So etwas wurzelt in einer stets vor dem Hintergrund sowjetischer Vorbilder abgelaufenen DDR-spezifischen realsozialistischen Erfahrung, die das Vorbild seinerzeit durchaus hinterfragte (inoffiziell stärker und kritischer als offiziell gewünscht) und damit Grundlagen für auch heute nötige rationale Vergleiche schuf.

Aus: “Mehr als ein Studium…”. S. 152 ff. -- Elke Scherstjanoi, Dr. phil., Historikerin. Studium in der Sowjetunion. Arbeit in der Akademie der Wissenschaften der DDR. Jetzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin.

31

Siehe Peter Bender: Unsere Erbschaft. S. 99.

Jürgen Danyel: Spätfolgen? Der ostdeutsche Rechtextremismus als Hypothek der DDR Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur. In: Behrends/ Lindenberger/ Poutrus. S. 31.

33 Evemarie Badstübner: Über die „Russen“ und über uns. Das Eigene und das Fremde in der ostdeutschen Kulturgeschichte. In: Mitteilungen aus der kulturwissenschaftlichen Forschung.

1995. 35. S. 268, 274.

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25 Jahre „Berliner Freunde der Völker Rußlands e. V.“ Rückschau – Ein- und Ausblicke Horst Schützler Am 14. März 1992 fand in der Mohrenstraße 63/64, dem Sitz der ehemaligen Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in der DDR, ein Außerordentlicher Verbandstag der „Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft Berlin“ statt. An ihm nahmen 124 Mitglieder teil.

Sie beschlossen die Umbenennung der Gesellschaft in „Berliner Freunde der Völker Rußlands e. V.“ sowie ein neues Programm und Satzungsänderungen.

Es wurde festgelegt: „Der Verein wirkt als eine unabhängige Vereinigung für Kulturaustausch, Information und humanitäre Hilfe. Er ist allen Bürgern offen, ungeachtet ihrer parteipolitischen und weltanschaulichen Bindungen. Er führt die humanistischen und völkerverbindenden Traditionen deutsch-russischer und deutsch-sowjetischer Freundschaft weiter, fördert die Wünsche und Bemühungen nach freundschaftlichen Kontakten und Begegnungen mit den Menschen und Völkern Russlands und unterstützt

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die Bestrebungen nach kultureller, humanitärer, touristischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Zusammenarbeit.“ Damit hatte sich unser heutiger Verein neu konstituiert und profiliert.

Es begann seine Geschichte. Sie ist eng verbunden mit dem langjährigen Wirken der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Ost- und Westberlin, mit der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft Berlin und sie ergab sich aus dem Zusammenbruch der DDR, aus ihrem Aufgehen in die BRD sowie aus dem Zerfall der Sowjetunion.

Der deutliche Niedergang der DDR gegen Ende der achtziger Jahre erfasste auch die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Sie zählte zu dieser Zeit mehr als sechs Millionen Mitglieder, davon etwa 600000 in Ostberlin. Sie war auch in Westberlin zugelassen und dort trotz vieler Behinderungen sehr aktiv. Während Hunderttausende, erdrückt von persönlichen Sorgen, desillusioniert von Sozialismus und Freundschaft zur Sowjetunion, die Gesellschaft vergaßen und sie verließen, bemühten sich einige Tausend um ihren Erhalt und ihre Erneuerung.

Dem diente auch der Außerordentliche DSFKongress in Schwerin am 27. Januar 1990. Er wählte einen Zentralausschuss und dieser den Pfarrer Cyrill Pech aus Berlin zum Vorsitzenden.

Der Präsident Erich Mückenberger sowie das Präsidium und Sekretariat des Zentralvorstandes hatten bereits im November 1989 angesichts ihrer verfehlten Politik und des Unmuts vieler Mitglieder ihren Rücktritt erklärt.

Noch im Jahre 1990 entstanden im Ergebnis des Kongresses und im Einklang mit dem Ländereinführungsgesetz der DDR vom 22. Juli 1990 aus den fünfzehn Bezirksorganisationen sechs selbständige Landesgesellschaften als Kollektivmitglieder der DSF. Ein Föderativer Vorstand bildete das gemeinsame Dach.

Eine Deutsch-Sowjetische Gesellschaft Berlin wurde am 3. November 1990 von einer Delegiertenversammlung der DSF Berlin (Ost) gegründet. Am 28. Mai 1991 vereinigten sich die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Berlin West, an deren Spitze der Pfarrer i. R. Dr. Franz von Hammerstein seit 1988 als Vorsitzender und Franz Rump als Geschäftsführer standen, und die Deutsch-Sowjetische Gesellschaft Berlin unter diesem Namen. Dieser Wiedervereinigung nach 30 Jahren der Trennung waren mancherlei Bedenken und auch Ablehnung in der Westberliner Organisation vorausgegangen.

Vorsitzender der vereinten Gesellschaft war der Diplom-Geologe Klaus Hrabowski.

Als er im September 1991 starb, übernahm Franz von Hammerstein den Vorsitz.

Ende März 1992 beschloss, angesichts des Zerfalls der UdSSR und der Bildung fünfzehn selbständiger Republiken, ein Außerordentlicher Verbandstag der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft die Umbenennung der DSF in „Brücken nach Osten“ – Föderation von Gesellschaften für Völkerverständigung e. V. Ihr gehörte auch der schon umbenannte Berliner Verein an.

Am 12. Dezember 1992 beschloss der Föderative Vorstand des Vereins „Brücken nach Osten“ dessen Auflösung zum Jahresende.

Vorher war in langwierigen, oft diskriminierenden Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit der Treuhandanstalt und der Unabhängigen Kommission zur

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Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR ein Vergleich über die Bewahrung des von den Mitgliedern der DSF nachweislich durch Beitragszahlung erbrachten beträchtlichen Vermögens erreicht worden. Es ging in die „Stiftung West-Östliche Begegnungen“ ein. Sie nahm am 1. Juni 1994 in Berlin ihre Tätigkeit unter Vorsitz Dr. Franz von Hammersteins und seines Stellvertreters Cyrill Pech auf. Zur Überbrückung wurde auch den sechs ostdeutschen Landesgesellschaften einmalige Finanzhilfe zugestanden.

Der Verein „Berliner Freunde der Völker Rußlands e. V.“ sah sich in ein Umfeld gestellt, in dem sich bisher unbekannte Schwierigkeiten, Probleme und Grenzen auftaten, aber sich auch neue Chancen ergaben und ein dauerhaftes, seinen begrenzten Mitteln und Kräften angepasstes Wirken möglich wurde.

Schon die notwendige neue Namensgebung nach dem Ende der Sowjetunion war umstritten; aber sie gelang. Ich interpretiere sie so: Wir „Berliner“ bekennen uns als Freunde der Völker Russlands, nicht zu einem System und Staat, sondern zur Freundschaft mit den Menschen in Russland, unabhängig von ihrer Nationalität. Dies schließt Differenzierung, das Ringen um Verständnis für die Gesellschaft, in der sie leben, und Loyalität gegenüber dem Staat, dessen Bürger sie sind, ein. Dies braucht auch Anerkennung unserer Haltung bei denjenigen in der deutschen Hauptstadt und in Russland, die Verantwortung für gute Beziehungen zwischen Deutschland und Russland tragen.

Die Einengung im Namen auf Russland verdeutlicht den Schwerpunkt unseres Wirkens. Das bedeutet nicht, die anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und die Lebensverhältnisse der dort wohnenden Menschen zu ignorieren. Unsere Veranstaltungen zur Ukraine, zu Belarus, Georgien und zu zentralasiatischen Republiken sowie unsere humanitäre Hilfe zeigen das. Der Verein musste sich finanziell und in seinen Strukturen neu finden und organisieren. Er durfte zunächst über vorhandene finanzielle Mittel nicht frei verfügen, sondern musste diese für bestimmte materielle Aufwendungen und Projekte bei der Treuhandanstalt in einem oft kleinlichen, unwürdigen Bittstellerverfahren beantragen und sich von ihr genehmigen lassen. Im Juni 1993 lief die letzte hauptamtlich bezahlte Stelle eines Geschäftsführers aus, die von Klaus Fischer, unterstützt durch Ingeburg Leuteritz als Stellvertreterin, verdienstvoll wahrgenommen worden war. Auch eine Aufwandsentschädigung für den Nachfolger Horst Herrmann konnte nach einiger Zeit nicht mehr gezahlt werden.

Der Verein wechselte Ende 1992 sein Domizil und zog von der Mohrenstraße in das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur in der Friedrichsstraße 176/179, und dort vom Appartement im 4. Stock in ein bescheidenes Büro in der 7. Etage, mit dem Vorteil, weitere Räume des Hauses für Veranstaltungen kostenlos nutzen zu dürfen.

Die Mitgliederzahl ging trotz vieler Bemühungen auf heute (2017 ) 115 zurück. Damit reduzierten sich auch die Einnahmen.

Dieser Rückgang hatte die Auflösung der Basisgruppen in den Ostberliner Stadtbezirken zur Folge, was wiederum die Bedeutung der zentralen Veranstaltungen für den Zusammenhalt des Vereins erhöhte.

Der Verein musste sich voll auf ein ehrenamtliches Wirken seiner Mitglieder umstellen.

Und dies geschieht bis heute durch aktive Vereinsmitglieder und einen stabilen Vorstand.

Dieser konnte unter der Leitung seiner Vorsitzenden Dr. Franz von Hammerstein (bis 1993, danach Ehrenvorsitzender), Detlef Kuschel (bis 2001) und Cyrill Pech eine kontinuierliche Arbeit gewährleisten.

Er hatte dabei immer das Vertrauen der Mitglieder, wie die satzungsgemäßen Mitglieder- und Wahlversammlungen, einschließlich der Berichte der langjährig sorgsam

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tätigen Rechnungsprüfer Eva Mehnert, Gerhard Hütter, Hermann Sachse, Christiane Jeltsch und Elke Krüger bezeugen.

Der Verein war, anders als seine Vorgängerin, die DSF, in Berlin nicht mehr der „Alleinvertreter“ hinsichtlich der Verständigung und Freundschaft mit den Menschen und Völkern der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere Russlands. Er fühlte sich keiner „verordneten“, sondern gelebter Freundschaft verbunden.

Er musste im Ensemble mit anderen Vereinen und Einrichtungen, in Kooperation mit ihnen, seine Möglichkeiten, Aufgaben und Grenzen finden und wahrnehmen.

Und er erschloss sich ein vielseitiges Wirkungsfeld und erreichte unter beträchtlichen Schwierigkeiten in beharrlicher Arbeit beachtliche Ergebnisse.

Das sei hier knapp umrissen.

Wesentlicher Bestandteil im Leben und Wirken des Vereins in Berlin sind seine Informations-, Diskussions- und Bildungsveranstaltungen. Jährlich werden acht bis zehn öffentliche interessante Veranstaltungen – Vorträge, Podiumsgespräche, Symposien, Seminare, Buchvorstellungen, Ausstellungsbesuche und Exkursionen – über Russland und andere Länder der ehemaligen Sowjetunion zu aktuellen Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft und Geschichte sowie zu den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland durchgeführt. Sie dienen der Information, Aussprache und Meinungsbildung.

Nicht selten sind dabei kompetente Referenten und Gesprächspartner aus Russland willkommene Gäste, darunter immer wieder Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion zu den Jahrestagen der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus.

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Botschafter bzw. ihre Mitarbeiter kamen wiederholt zu Wort.

Andrei Giro, Botschafter der Republik Belarus, im Verein am 21. April 2010

Ashot Smbatyan, Geschäftsträger der Botschaft der Republik Armenien, am 15.Januar 2014

Botschaftsrat Bolat Nussupov, Kasachische Russische Botschaft. 18. April 2012

Botschaftsrat Dr. W. I. Wassiljew, Botschaft. 19. November 2008

In den 24 Jahren von Anfang 1993 bis Ende 2016, zu denen Unterlagen vorliegen, wurden unter der Regie, Moderation und wesentlicher Mitwirkung von Prof. Dr. Horst Schützler (ab 1993), Franz Rump (1993 bis 1999) und Eugen Neuber (ab 2000) 230 Veranstaltungen – öffentliche Foren der Bildung und des achtungsvollen Meinungsaustausches – mit 9200 Teilnehmern, durchschnittlich 40 pro Veranstaltung, durchgeführt. Eine beachtenswerte Leistung!

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Sehr beliebt sind die seit 1996 traditionellen, besinnlichen Zusammenkünfte bei Tee und Gebäck zum Jahresausklang, die auch Laienkünstler aus Russland mitgestalteten.

In Fortführung früherer Veranstaltungen im Russischen Haus erörterten Mitglieder und andere Interessierte – zumeist Frauen – regelmäßig im „Klub der Freunde der russischen Sprache“ mit kompetenten Referenten/innen und mit Gästen aus Russland „po russki“ kulturgeschichtliche und aktuelle kulturelle Themen. Tamara Günther inspirierte und organisierte jahrelang mit Elan und Sachkunde diesen Klub. Nach ihrem krankheitsbedingten Aufhören übernahmen Dr. Anna Kähne und Dr. Irina Sergejewna Burkhardt diese Aufgabe. Der Klub wird jetzt durch den Russisch-Gesprächskreis unter Leitung von Horst Aden weitergeführt.

Das in Berlin konzentrierte intellektuelle und künstlerische Potential, darunter auch das in unserem Verein, die Kooperation mit anderen Berliner Vereinen, die Verbindungen zu Partnern und Freunden in Russland und zu Botschaften sowie nicht zuletzt die Unterstützung der Stiftung West-Östliche Begegnungen und des Russischen Hauses ermöglichten und erleichterten die Arbeit. All das führte dazu, dass gut besuchte, interessante, niveauvolle, anregende Zusammenkünfte mit regem Meinungsaustausch – oft noch lange nach Schluss der Veranstaltung – stattfanden.

Ende November 2002 forderte der damalige Bundespräsident Johannes Rau anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Bundeszentrale für politische Bildung die Bürger auf, politische Bildung als Anregung zur Einmischung in die Politik zu verstehen.

Demokratie ohne politische Bildung würde dazu führen, dass „aus Bürgern Untertanen werden“. Wir verstehen unsere Veranstaltungen als politische Bildungsarbeit in diesem Sinne und werden sie entsprechend weiterführen.

Zur energischen „Einmischung in die Politik“ sah sich unser an keine Partei gebundener Verein verpflichtet und gezwungen, als der Erhalt und die Pflege sowjetischer Gräberstätten und Ehrenmale angesichts von Denkmalschändungen und vernachlässigter Obhutpflicht staatlicher Stellen in Gefahr geriet, als das Andenken an den ersten sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin, Generaloberst Nikolai E. Bersarin, der der Bevölkerung im Mai/Juni 1945 lebensrettende Hilfe zuteil werden ließ, getilgt werden sollte, und als um die Bewahrung des 8. Mai als „Tag der Befreiung“ gerungen wurde.

Es wurde im Februar 1995 ein „Freundeskreis sowjetische Ehrenmale“ und danach eine „Interessengemeinschaft Bersarin“ gebildet. In ihnen waren bzw. sind unsere Freunde und Sympathisanten Horst Herrmann, Dr. Lutz Prieß, Dr. Sonja Striegnitz, Prof.

Dr. Helga Köpstein, Rudolf Wünschmann, Gerd Porsche u. a. aktiv für den Erhalt und die Pflege dieser Gedenkstätten und die Würdigung Bersarins tätig. Der Verein hatte dabei die Unterstützung sowjetischer Kriegsveteranen und der Familie Bersarin sowie des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst und nicht zuletzt der Bundestagsabgeordneten Dr. Gesine Loetzsch.

Der Verein sah sich angesichts weltpolitischer Krisen und westlicher Konfrontationspolitik gegenüber Russland als “Einmischung in die Politk” verpflichtet, in öffentlichen Erklärungen seine Besorgnis über das Wiederaufleben antirussischer Ressentiments in der deutschen Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen, sich entschieden gegen staatliche Sanktionen gegen Russland zu wenden und zu bekunden: ”Wir sind und

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bleiben Russland und seinen Menschen in Verständnis und Freundschaft verbunden. Wir treten ein für ein friedliches, kooperatives, gutnachbarliches Verhältnis zwischen Deutschland und Russland”.

Dem Gedenken an den furchtbaren Zweiten Weltkrieg und der Menschen, die in ihm umkamen, diente die „Aktion Versöhnung“. Im Zusammenwirken mit der „Liga der Russisch-Deutschen Freundschaft“ in Moskau vermittelte der Verein Informationen für die Suche nach Unterlagen in russischen Archiven über in der Sowjetunion verstorbene bzw. vermisste deutsche Kriegsgefangene. Seit Beginn dieser Arbeit im Jahre 1995, die besonders Horst Herrmann wahrnahm, konnte über 1300 deutschen Familien bei der Erlangung von entsprechenden Auskünften geholfen werden.

Der Verein begreift Verständigung und Freundschaft nicht als Deklaration, sondern vor allem als persönliche deutsch-russische Begegnung.

Angehörige der 1994 in die Heimat zurückkehrenden Gruppe der russischen Streitkräfte wurden ganz persönlich in Familien und mit Geschenken verabschiedet.

Sechs Gruppenreisen von Vereinsmitgliedern nach Wolgograd, St. Petersburg und Moskau anlässlich der Jahrestage der Stalingrader Schlacht, der Beendigung der faschistischen Blockade Leningrads und der Befreiung Deutschlands vom Nazi-Regime waren mit freundschaftlichen Begegnungen, vor allem mit Kriegsveteranen, verbunden.

Der Austausch mehrerer Schülergruppen Moskauer und Berliner Schulen wurde mit finanzieller Unterstützung der Stiftung West-Östliche Begegnungen erlebnisreich gestaltet. Er konnte leider in den letzten Jahren nicht weitergeführt werden.

Viele Vereinsangehörige haben ganz persönliche freundschaftliche und familiäre Beziehungen nach Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und bringen entsprechende Erfahrungen und Lebenshaltungen in die Arbeit des Vereins ein. Dazu gehört Verständnis für die Sorgen und Nöte anderer, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.

Ein Schwerpunkt des Wirkens der „Berliner Freunde“ war und ist die humanitäre Hilfe, besonders für notleidende und kranke Kinder sowie Veteranen, – ein großer Aufgabenbereich, der erst in den letzten Jahren der DDR und UdSSR relevant wurde.

Dabei standen Sach- und Kleiderspenden über viele Jahre an erster Stelle. Unsere Hilfe ging nach St. Petersburg und Moskau, nach Smolensk und Kaliningrad, nach Belarus und in die Ukraine - in Kinder- und Altenheime, Schulinternate und Krankenhäuser, an das Rote Kreuz, an Wohltätigkeitsfonds und an kirchliche Einrichtungen. Hinzu kamen beträchtliche Geldspenden. Seit 2007 helfen wir Kindern im Schulinternat in Seljony im Gebiet Twer der Russischen Föderation. In diesem Internat leben und lernen Waisenkinder und Kinder aus zerrütteten Familien, die nicht in der Lage sind, dem Unterricht einer allgemeinen Schule zu folgen. Die 8- bis 18-Jährigen erfahren hier von den Lehrern und Erziehern neben der Schulbildung viel menschliche Wärme und Geborgenheit.

Viele Vereinsmitglieder und Freunde des Vereins halfen im Verlaufe der Jahre bei dieser Arbeit, alle können nicht genannt werden, doch ohne den Einsatz von Roland Pagel, Tamara Günther, Heidi Scheffler, Richildis Schnitter, Helga Rogga, Inga Großmann, Peter Zschiesche, Oleg Wurch und Cilly Keller wäre sie nicht so erfolgreich gewesen.

Die „Berliner Freunde“ , zumeist ältere Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die Krieg und Umbrüche erlebten, oft Bekannte, Freunde und Verwandte in Russland haben, leisten diese Hilfe aus vollem Herzen und hoffen dabei, dass sich die sozialen Verhältnisse dort für die Masse der Bevölkerung wesentlich bessern.

Zum Leben des Vereins gehört sein Informationsblatt. Es hat sich vom dürftigen InfoBlatt/Info-Brief in wechselnder Größe der ersten Jahre zur mehrseitigen, gut lesbaren „TROIKA“ mit dem Motto „Frieden – Freundschaft – Verständigung“ (seit der August-

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Ausgabe 2002) entwickelt, das allen Mitgliedern und vielen Interessenten Einblick in das Wirken des Vereins gewährt.

Eine CHRONIK des Vereins berichtete von 2009 bis 2015 mit vielen Fotos über das Vereinsleben.

Der Verein ist Gründungsmitglied des 1996 entstandenen Bundesverbandes Deutscher West-Ost-Gesellschaften (BDWO) und bringt seine Arbeit in den Bundesverband ein. Einige Mitglieder gehörten dem Vorstand an – Prof. Dr. Horst Schützler; Günter Marsch; Peter Franke und Cyrill Pech sind derzeit Vorsitzender bzw. Stellv. Vorsitzender.

25 Jahre vielseitigen, öffentlichen Wirkens eines kleinen Vereins in einer großen Stadt waren möglich und erfolgreich. Damit das auch weiterhin so sein wird, ist die Mitarbeit der Mitglieder gefragt und ist jeder willkommen, der zur deutsch-russischen Verständigung und Freundschaft beitragen möchte.

Aus: “Mehr als ein Studium…”. S. 82 ff. – Der Rückblick wurde auf 25 Jahre erweitert. – Eine thematische Aufstellung aller Informations-, Diskussions- und Bildungsveranstaltungen des Vereins in den Jahren 1993 bis 2016, auf die im Text kurz verwiesen wurde, steht im VereinsBüro zur Einsichtnahme zur Verfügung.

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Mein Engagement für Verständigung und Freundschaft zwischen den Völkern.

Interview mit Dr. Franz von Hammerstein, Ehrenvorsitzender der Stiftung WestÖstliche Begegnungen und der Berliner Freunde der Völker Russlands Zur Biographie: Dr. Franz von Hammerstein wurde am 6. Juni 1921 geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, verhaftete ihn, wie andere Mitglieder der Familie, die Gestapo. Er kam in das KZ Buchenwald, dann nach Dachau. Nach seiner Befreiung studierte er Theologie, u.a. in den USA, wo er auch als Pfarrer tätig war. Er promovierte über den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Später erhielt er die Ehrendoktorwürde der Howard-Universität in Washington.

1959 wurde er Leiter des Amtes für Evangelische Industrie- und Sozialarbeit, danach Generalsekretär der Aktion Sühnezeichen. Seit 1975 war er im Weltkirchenrat in Genf tätig. Anschließend arbeitete er als Studienleiter und dann als Direktor der Evangelischen Akademie Berlin (bis 1986), danach als Mitglied des Vorstandes und des Kuratoriums der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.

Dr. Franz von Hammerstein hat drei Söhne und fünf Enkelkinder.

Von 1988 bis Mai 1991 war er Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Berlin West, von November 1991 bis März 1992 der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft Berlin, danach bis 1993 Vorsitzender der „Berliner Freunde der Völker Russlands e. V.“, deren Ehrenvorsitzender er wurde.

Von 1994 bis 2005 wirkte er als Vorsitzender der Stiftung West-Östliche Begegnungen, deren Ehrenvorsitz er jetzt innehat.

Prof. Schützler: Herr von Hammerstein, wenn man in Ihre Biographie Einblick nimmt, dann drängt sich die Frage auf: Was hat Sie, den Theologen, Sohn eines hohen Offiziers, bewogen, in die in Westberlin wirkende, stark angefeindete Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft einzutreten und 1988 deren Vorsitz zu übernehmen?

Antwort: Ich bin immer, gerade auch als Theologe, für Achtung und Toleranz zwischen den Menschen unabhängig von ihrer Religion, Rasse und Weltanschauung eingetreten. Und Verständigung und Freundschaft zwischen den Völkern ergab sich für mich aus den eigenen, bitteren Erfahrungen des mörderischen Krieges. Ich habe dies in meiner Arbeit in der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. zu praktizieren versucht. So fand ich auch Zugang zur Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, die ja in Westberlin trotz vieler Anfeindungen und starker Gängelei aus Ostberlin eine aktive menschen- und völkerverbindende Arbeit leistete. Zu dem kam, dass in unserer Familie Zusammenarbeit mit den „Russen“ nichts Ungewöhnliches war, wenn ich an meinen Vater denke. Als mir der Vorsitz 1988 angetragen wurde, sah ich keinen Grund zur Ablehnung, zumal zu dieser Zeit sich in der Sowjetunion viele positive Veränderungen abzeichneten.

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Warum sind Sie nach dem Ende der DDR, dem Zerfall der UdSSR und der faktischen Auflösung der DSF bei den „Berliner Freunden der Völker Rußlands“ geblieben?

Antwort: Warum sollte ich nicht bleiben? Achtung und Toleranz zwischen den Menschen zu pflegen und Verständigung und Freundschaft zwischen den Völkern zu gestalten, sind Staaten und Gesellschaftsordnungen überdauernde, humane Aufgaben, denen sich die „Berliner Freunde“ zuwenden. Dabei knüpfen sie auch an positive Traditionen der DSF an, an das Solidaritätsgefühl und die Hilfsbereitschaft vieler Menschen. Das ermöglicht die große humanitäre Hilfe für notleidende Menschen in Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die der Verein leistet.

Ich sah meine Aufgabe auch darin, in den schweren Übergangsjahren dem Verein als Vorsitzender zur Seite zu stehen, und ich will auch jetzt – bei nachlassenden Kräften – seine Arbeit unterstützen.

Als langjähriger Vorsitzender der Stiftung West-Östliche Begegnungen überblicken Sie die Problematik deutsch-russischer Verständigung und Freundschaft.

Was ist im Großen und im Kleinen zu tun?

Antwort: Das ist ein weites Feld. Der Gedanke der deutsch-russischen Verständigung und Freundschaft darf nicht abstrakt bleiben, sondern muss die Menschen erfassen, von ihnen getragen und konkret gestaltet werden. Dem dienten und dienen die vielen von der Stiftung geförderten großen und kleinen Projekte. Menschliche Begegnung und menschliches Verstehen hat Vorrang vor politischem Kalkül.

Verständigung und Freundschaft sollten den deutsch-russischen Rahmen verlassen und auch andere Völker, besonders Osteuropas, erfassen.

Wie sehen Sie die Zukunft unseres Vereins?

Antwort: Ich sehe sie positiv hinsichtlich der bleibenden großen Aufgaben, über die wir gesprochen haben, mag auch das politische Verhältnis zwischen den Staaten Schwankungen und Schwierigkeiten unterliegen. Ich sehe sie positiv, wenn viele Mitglieder, wie in den vergangenen Jahren, engagiert an der Verwirklichung dieser Aufgaben mitarbeiten, und wenn wir dazu junge Menschen gewinnen.

Ich wünsche dem Verein Erfolg.

Herr von Hammerstein, ich blicke mit großer Hochachtung auf Ihr Leben und Ihr Wirken für unseren Verein und für die Verständigung und Freundschaft zwischen den Menschen Deutschlands und Russlands. Ich wünsche Ihnen im Namen aller unserer Mitglieder gute Lebens- und Schaffenskraft.

Aus: “Mehr als ein Studium…”. S. 159 ff. -- Das Interview führte Prof. Dr. Horst Schützler im März 2007. Franz von Hammerstein starb am 15.08.2011.

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Der neue Name für den Berliner Verein Ferdinand Thun-Hohenstein Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten musste die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft nach den nun geltenden Vereinsregeln neu organisiert werden und einen neuen Namen erhalten, denn seit Dezember 1991 gab es die Sowjetunion als Staat nicht mehr. Es entstand die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). In den neuen Bundesländern sollten Landesverbände entstehen, jeder mit neuem Programm und Namen. In Berlin gab es früher den Bezirksverband der DSF und die Westberliner Gesellschaft für DSF. Beide Organisationen sollten nun zusammengeschlossen werden. Das stellte sich jedoch als ein komplizierter Prozess dar, aber nach längeren intensiven Diskussionen gelang schließlich erfolgreich die Vereinigung beider Organisationen.

In den Beratungen musste zuerst das Programm erörtert werden. Dabei stellte sich heraus, dass eine Berliner Organisation nicht die Kraft und die Möglichkeiten haben würde, mit allen Völkern der nunmehr unabhängigen Nachfolgestaaten der UdSSR nützliche Kontakte herzustellen, so eng wir auch mit den Menschen im gesamten Gebiet der Sowjetunion verbunden waren. Ich hatte zunächst den Gedanken, die Arbeit auf die Partnerschaft mit Moskau zu konzentrieren, trug ihn aber nicht vor, da ich erkannt hatte, dass dadurch die Arbeit stark eingeschränkt würde. Nicht nur mit Moskauer Partnern hatten die beiden bisherigen Berliner Organisationen bereits Kontakte, die nach Möglichkeit nicht abgebrochen werden sollten.

Im Verlaufe der Beratungen schlug ich dann vor, die neue Organisation einfach: „Die Freunde Rußlands“ zu nennen. Dem stimmten manche zu. Soweit ich mich noch erinnere, griff dann eine Teilnehmerin den Gedanken auf, verbesserte ihn jedoch, indem sie eine Erweiterung vorschlug: „Berliner Freunde“, weil es sich doch um eine Berliner Organisation handele, und – das erschien ihr besonders wichtig – „Berliner Freunde der Völker Rußlands“. Sie begründete ihren Vorschlag damit, dass auf dem Gebiet des Staates Russland nicht nur Russen wohnen, sondern viele Völker. Das müsse in der Arbeit und folglich auch im Namen zum Ausdruck kommen. Der Vorschlag wurde von der Mitgliederversammlung am 14. März 1992 angenommen.

So wurde aus den beiden Berliner Gesellschaften für Deutsch-Sowjetische Freundschaft der Verein „Berliner Freunde der Völker Rußlands e.V.“.

Aus: 15 Jahre. S. 8. -- Ferdinand Thun-Hohenstein, Jahrgang 1921. Botschafter a. D. 1943 – 1948 Kriegsgefangener in der Sowjetunion. 1949 – 1987 im diplomatischen Dienst der DDR, u. a. Botschaftsrat in Moskau, Botschafter in Iran und Afghanistan.

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Ein Leben für die Freundschaft – Tamara Günther Anna Kähne In diesem Jubiläumsheft möchte ich die Gelegenheit nutzen, eine hervorragende Frau aus unserer Mitte zu würdigen, was schon viel früher notwendig gewesen wäre. Denn Tamara Günther stand an den Anfängen des „Klubs der Freunde der russischen Sprache“ und hat ihn ein Vierteljahrhundert geleitet. Leider ist sie seit vier Jahren krank und nicht mehr in der Lage, den Klub weiter zu führen. Da sich aber ihre Verdienste nicht nur auf die Klubarbeit beschränken, möchte ich auch kurz über ihr Leben berichten.

Tamara Günther wurde am 14.10.1931 geboren. Ihr Vater, Helmut Schinkel, ein Reformpädagoge, war maßgeblich an der Organisierung und Leitung der kommunistischen Kinderund Jugendbewegung beteiligt. Ende der 20er und in den 30er Jahren war er Lehrer in verschiedenen Schulen der Sowjetunion; er war sogar einige Zeit Direktor der deutschen Karl-Liebknecht-Schule in Moskau. Helmut Schinkel steht für den Teil der kommunistischen Bewegung, dessen Schicksal am tragischsten war: Schinkel wurde 1937 in der Sowjetunion verhaftet und starb 1946 im Lager.

Tamaras Mutter, geb. Lena Adler, stand bei allen seinen Unternehmungen ihm immer zur Seite. Nachdem auch die Mutter abgeführt wurde, blieb Tamara buchstäblich ganz allein auf der Dorfstraße stehen. Und dann hat sie auf ihrem Dornenweg aber so viel Liebe, Hilfsbereitschaft, seelische Wärme, Mitgefühl seitens der sogenannten „einfachen Leute“ getroffen und so eine große Portion Menschlichkeit in der barbarischen Zeit erfahren. Diese Tatsache hat ihr ganzes Leben geprägt.

Die Liebe zu Russland und seinen Völkern ist eben damals entsprungen und hat sie zu einem echten Freund dieses Landes gemacht. Noch in der Sowjetunion hat sie eine pädagogische Berufsschule beendet. Dann, 1951, machte sie ihr Abitur in Berlin an der Maxim-Gorki-Schule in Pankow.

In diesem Jahr begann in den deutsch-sowjetischen Wissenschafts- und Kulturbeziehungen etwas grundlegend Neues: deutsche Studenten nahmen ein systematisches Auslandsstudium in der Sowjetunion auf. In der Mehrzahl waren das junge Leute aus der DDR, aber auch aus Berlin (West) und aus der Bundesrepublik.

Dieser Austausch von Studenten und Nachwuchswissenschaftlern dauerte fast 50 Jahre.

Tamara Günther war unter denen, die als erste nach Moskau kamen. Sie wollte Lehrerin werden, um in die Fußstapfen des Vaters zu treten. In Moskau absolvierte sie 1955 das Pädagogische Institut. Nun öffnete sich vor ihr ein weites Feld der Arbeit in Schulen (ab 1968 in der Humboldt-Universität), wo sie sich zur Aufgabe gestellt hat, nicht nur die russische Sprache zu vermitteln, sondern den jungen Leuten den Horizont zu erweitern und damit zur Völkerverständigung beizutragen und zur Solidarität anzuregen.

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Sie strebte nach ihrem Ideal und diente unentwegt der Sache. Sie folgte den Ideen des Vaters.

Neben ihrer beruflichen Tätigkeit und familiären Pflichten hat sie sich intensiv im Rahmen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft mit der Betreuung der Umsiedler aus der UdSSR und ihrer Integration befasst, hat sie in das kulturelle Leben ihrer Heimat eingeführt. Dabei wurde sie von ihrer Freundin, Jewgenija Adrian, tatkräftig unterstützt.

Tamara Günther ist das Entstehen des „Klubs der Freunde der russischen Sprache“ im Jahr 1978 zu verdanken. Damit hat sie ihre Idee verwirklicht in Berlin eine Einrichtung zu schaffen, wo regelmäßig Vorträge in russischer Sprache gehalten wurden. Vor 1990 haben die Treffen des Klubs einmal monatlich in den Räumen des Hauses der DeutschSowjetischen Freundschaft am Kastanienwäldchen stattgefunden. Danach musste der Klub ausziehen, da die Gesellschaft liquidiert wurde, und fand Zuflucht im Haus der Russischen Wissenschaft und Kultur. Von Beginn an hat sich der Klub zur Aufgabe gemacht, über die Geschichte und Kultur Russlands und der Sowjetunion aufzuklären.

In den nun fast 29 Jahren seines Bestehens haben fast 290 Veranstaltungen stattgefunden. Das Spektrum der Vorträge reicht von Darlegungen über Leben und Werk russischsprachiger Dichter und Schriftsteller, über Komponisten, Maler, Film- und Theaterschaffende, Musen und Mäzene, über bedeutende Aspekte und Tendenzen in der Entwicklung der russischen Sprache, in der russischen Mentalität und vieles mehr.

Besonders hervorzuheben ist, dass sich bei der Vielfalt der Themen sich keines wiederholte.

Besonderer Beliebtheit erfreuten sich Vorträge von Frau Prof. Mirowa-Florin. Andere Referenten waren und sind sowohl Angehörige des Lehrkörpers der HumboldtUniversität, als auch kurzfristig in Berlin weilende Spezialisten, z.B. aus dem Puschkinhaus in St. Petersburg.

Alle Themen zu nennen würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Hier jedoch einige Beispiele: „Dostojewski in Deutschland“, „Leben und Werk Alexander Blocks“, „Die Liebe in der Poesie und im Leben der Marina Zwetajewa“, „Maxim Gorki in Bad Saarow“, „Johann Sebastian Bach in Russland“, „Skrjabin in Deutschland“, „Die Geschichte der Firma Fabergé“, „Das Leben und Schaffen der Dichterin Anna Achmatowa“.

Obwohl zum allgemeinen Bedauern Tamara Günther wegen Krankheit den Klub nicht mehr leiten kann, besteht er unter anderer Leitung weiter und die Veranstaltungen finden wie üblich jeden zweiten Dienstag eines Monats statt.

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Dr. Anna Kähne und Dr. Irina Sergejewna Burkhardt.

Sie haben den Klub jahrelang weitergeführt.

Parallel zur Leitung des Klubs hat Tamara in den für Russland schweren neunziger Jahren sehr viel Kraft für die Betreuung der nach Deutschland eingeladenen Kinder aus der geschädigten Tschernobyl-Zone aufgebracht.

Sie war sehr aktiv in der humanitären Hilfe.

Neben unzähligen Lieferungen von Kleidung konnten auch Medikamente und ausrangierte Krankenhausbetten dank der einbezogenen Westberlinerinnen für ein Altersheim in Moskau beschafft werden. Es sind Sendungen auch nach Smolensk und Sankt Petersburg gegangen.

Tamara stand oft unter Stress wegen ständiger Schwierigkeiten mit dem russischen Zoll. Das alles zehrte an ihrer Gesundheit. Und dann kam der Schlaganfall. Für sie ist die Krankheit besonders tragisch, da sie ihr Bedürfnis nach Tätigkeit nicht mehr befriedigen kann.

Ihr Leben und Handeln entsprach stets dem Vermächtnis des russischen Dichters Nekrassow: „Säet das Geistvolle, das Gute, das Ewigliche.“ Aus: 15 Jahre. S. 9 f. -- Tamara Günther starb 2009.

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Humanitäre Hilfe – ein Grundanliegen unseres Vereins Ronald Pagel Humanitäre Hilfe zu organisieren und zu praktizieren ist ein Herzensbedürfnis der Mitglieder unseres Vereins. Wir sind dabei stolz auf die Fortsetzung langjähriger Tradition.

1990, noch zu DDR-Zeiten, unterstützten wir drei Erholungslager für vom Erdbeben geschädigte armenische Kinder.

Jeweils zum Jahresende organisierten wir die Geschenkaktion „Väterchen Frost“.

Fast 65000 Päckchen – zum Teil von Berliner Kinderhänden liebevoll verpackt – wurden mit Flugzeugen der damals noch in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte nach Moskau gebracht. Einige unserer Freunde verteilten einen Teil der Sendung direkt in Kinderheimen und Schulhorten. Strahlende Kinderaugen waren für uns das beste Dankeschön.

Ab 1992 ermöglichten wir Mitgliedern und Sympathisanten, an ihre langjährigen Freunde und an uns von der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft genannte Hilfebedürftige in Moskau zwei- bis dreimal jährlich Hilfssendungen zu schicken.

Initiatoren dieser Aktion waren Tamara Günther und Horst Herrmann. Pädagogen und Schüler des Musikschulinternats Nr. 61 verteilten zügig die jeweils fast 900 Pakete an die Empfänger. Durch verschärfte Zollbestimmungen in Russland war diese Art der Hilfe ab 1997 nicht mehr möglich.

Für weitere Hilfssendungen mussten wir uns offizielle und verlässliche Empfänger suchen, das waren u.a. Krankenheime im Leningrader Gebiet, die Betreuungseinrichtung „Weißer Rabe“ für Straßenkinder in St. Petersburg, das Rote Kreuz in Smolensk, eine kirchliche Hilfsorganisation und ein Internationaler Kinderhilfsfonds in Moskau. Die humanitäre Transportorganisation HCC führte unsere Sendungen über viele Jahre zuverlässig und auch kostengünstig durch.

Ein Gewinn für uns war der Kontakt zu „Quartett - Z“, einer Gruppe fleißiger Frauen in Zehlendorf. Mehrere Jahre haben wir erfolgreich mit ihnen zusammengearbeitet, kostenlos konnten wir ihr Lager in der Seestraße nutzen. Frau Scheffler war einige Jahre Mitglied unseres Vorstandes.

Noch im Jahr 2000 haben wir gemeinsam zwei Hilfssendungen verschicken können.

Die erste ging im Februar nach Moskau an den Internationalen Hilfsfonds zu Gunsten von Kindern und Hinterbliebenen von Bergarbeiterfamilien. Der Lkw konnte nicht alle Spenden – Krankenhausbetten und Nachtschränke, Bekleidung und Schuhe für Kinder und Erwachsene sowie Spielzeug und Medikamente von Hausärzten und von der Berliner Ärztegemeinschaft – fassen und bei der Zollabfertigung in Moskau gab es erhebliche Komplikationen.

Nicht weniger kompliziert gestaltete sich die zweite Hilfssendung im Dezember 2000 nach Kaliningrad. Die rund 4000 DM Transportkosten trugen etwa zur Hälfte „Quartett - Z“ und unser Verein. Eine 18-stündige Zollabfertigung mit vielen Widrigkeiten bei minus 13°C war mehr als strapaziös. Die Verteilung der 438 Pakete, Säcke und Koffer und weiterer Hilfsgüter an Krankenhäuser, Altenheime und Hilfebedürftige im Kaliningrader Gebiet ging

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sehr zügig vonstatten. Durch die immer komplizierter werdenden Zollbestimmungen kam auch dieser Kontakt 2002 zum Erliegen.

Unsere Spendensammlung vom Mai 2002 – ursprünglich für Kaliningrad gedacht – hatte über 200 Pakete mit Bekleidung und Schuhen und weitere Hilfsgüter erbracht.

Freund Peter Zschiesche fand durch seine Kontakte in die Ukraine neue Wege.

Gemeinsam mit Vereinen im Raum Dresden organisierten wir eine Hilfssendung an den ukrainischen Wohltätigkeitsfonds „Blago –Z“, der selbst den Transporter bereitstellte, der eine Rückladung nach Kiew suchte. Mit solchen Fahrzeugen hatten wir noch wenig Erfahrung, die insgesamt 280 Pakete, eine umfangreiche Kindergartenausstattung, Behindertenhilfsgeräte und diverses Mobiliar für Pflegestätten füllten noch nicht mal die Hälfte des Ladevolumens. Die Empfänger hatten einige Probleme, weil nur komplette Lkw-Ladungen als humanitäre Hilfe kostenlos in die Ukraine eingeführt werden dürfen.

Im März 2005 ging unser letzter großer Hilfstransport nach Kiew. Im Krankenhaus „Am Urban“ waren von vielen engagierten Helfern rund 20300 Stück Wäsche und Bekleidung verpackt und anschließend verladen worden.

Freundin Helga Rogga hatte in ihrem Wohnblock Keller- und Packraum für uns gewonnen, wo 272 Pakete zwischengelagert werden konnten. Rund 100 dieser Pakete und Gegenstände hatte die Hausgemeinschaft der Spandauer Straße 2 auf Initiative von Ursula Mattern im Zusammenwirken mit der Volkssolidarität gesammelt und verpackt. Der Transport kostete uns nur 316 Euro. Umgehend informierten uns die Freunde von „Blago – Z“ über die Verteilung der Spenden und übermittelten uns das Dankeschön von vielen, denen geholfen werden konnte….

Unsere Spendensammlung Ende Juni 2006 erbrachte wieder über 300 Pakete mit Bekleidung, Textilien und Spielzeug, davon erneut über 100 von der fleißigen Hausgemeinschaft in der Spandauer Straße 2.... Diese Sendung konnte leider nicht realisiert werden. Dank Peter Zschiesches Kontakten zu einem Hilfsverein in Marzahn konnten alle Spenden einem humanitären Zweck in Deutschland zugeführt werden.

Eine andere Art unserer humanitären Hilfe war die Betreuung strahlengeschädigter Kinder aus Belarus. Gemeinsam mit anderen Gruppen in Friedrichshain hat Alexandra Berger über viele Jahre eine aufopferungsvolle Arbeit geleistet. Anfangs wurden Kinder zu einem Erholungsaufenthalt nach Deutschland eingeladen. Da für das gleiche Geld drei- bis viermal mehr Kinder unmittelbar vor Ort betreut werden können, fuhr sie mit Sach- und Geldspenden wiederholt nach Belarus, um den Erholungsaufenthalt der Kinder dort zu finanzieren, Nahrungsmittel und Süßigkeiten in Belarus zu kaufen und persönlich an die Kinder zu verteilen.

An unterschiedlichsten Hilfsprojekten und -aktionen haben wir uns immer wieder mit Geldspenden beteiligt, die von Mitgliedern und Sympathisanten aufgebracht werden. Aus der Vielzahl seien hier nur einige genannt: - 500 Euro und sechs Kartons mit Kindersachen für die Spendenaktion des Russischen Hauses für Kindereinrichtungen in Sagorsk - mehrmalige Spenden zwischen 50 und 200 Euro für Projekte des Vereins für Humanitäre Hilfe, z.B. für Straßenkinder in St. Petersburg

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- 500 Euro für eine Hilfsaktion der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft für Kriegsveteranen - 150 Euro als Hilfe in der Not für ein an den Rollstuhl gefesseltes Mädchen in Wolgograd - 200 Euro für einen von einem Brandenburger Verein für humanitäre Hilfe organisierten Erholungsaufenthalts für strahlengeschädigte Kinder aus Belarus - 4000 Euro für notleidende Kinder in Russland von Freunden Markus Wolfs anlässlich seiner Beisetzung

Über den Verein „Kontakte“ hatten wir eine Partnerschaft zur Onkologischen Abteilung eines Moskauer Kinderkrankenhauses aufgenommen. Einen Aufenthalt in Moskau im November 2004 nutzend, übergab Horst Herrmann dem Leiter dieser Abteilung, Dr. Litwinow, unsere erste Spende von 500 Euro, mit denen sofort die Untersuchung und Behandlung von vier vierjährigen Mädchen finanziert wurde. Im Januar 2005 wurden 2500 Euro an Dr. Litwinow übergeben, die zum Kauf einer dringend benötigten Waschmaschine und eines Trockner eingesetzt wurden. Unsere Reisegruppe, die anlässlich des 60.

Jahrestages des Sieges in Moskau weilte, besuchte das Krankenhaus und übergab 3000 Euro zur Unterstützung einer besseren Untersuchung und Behandlung der kleinen Patienten.

Allen Helfern und Spendern, allen Unterstützern unserer humanitären Hilfe sei hier herzlich für ihr großartiges Engagement, für ihre Einsatzbereitschaft und Aufopferung gedankt.

Da wir für Sachspenden weder die erforderlichen Transportmittel noch Partner fanden, die die komplizierte Abwicklung mit den Zollorganen realisieren können, konzentrierten wir uns auf das Sammeln von Geldspenden, die seit 2007 an das Schulinternat – Einrichtung für Waisenkinder und Kinder ohne elterliche Fürsorge – in Seljony im Gebiet Twer gingen. Mehr als 10000 Euro verbunden mit kleinen Geschenken wurden seit 2007 übergeben, darunter ca. 6000 Euro für die Anschaffung eines Kleinbusses. Die Kinder erwiderten mit selbst gebastelten Dankesgeschenken unsere Hilfe. Zwischen dem

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Internat und unserem Verein entwickelten sich feste freundschaftliche herzliche Verbindungen, die immer wieder mit vollem Herzen Cilly Keller knüpft.

Festveranstaltung im Schulinternat zum Tag des Sieges. Mai 2015

Aus: 15 Jahre. S. 11 ff. – Ronald Pagel, Jahrgang 1936. Diplom-Warenkundler. Studium an der Hochschule für Sowjethandel in Leningrad von 1957 bis 1961. Vorwiegend im Groß- und Einzelhandel der DDR tätig gewesen.

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Schülerbegegnungen Horst Herrmann Besondere Aufmerksamkeit der Jugend widmen, lautet eine der wichtigsten Aufgaben, die der Außerordentliche Kongress der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft 1990 stellte. Wir konnten dabei, wie bei der humanitären Hilfe, an bewährte Freundschaften anknüpfen und bereits 1991 die ersten Begegnungen organisieren.

Der Zentralrat der Föderation der Kinderorganisationen der Sowjetunion ermöglichte in den Sommerferien für 21 Berliner Schüler und zwei Betreuer einen Aufenthalt im Ferienlager „Raketa“ der Moskauer Kattundruckerei sowie eine Reise nach Moskau und Umgebung für neunzehn Studenten der Humboldt-Universität. Berliner Familien nahmen zur gleichen Zeit bedürftige Kinder aus Moskau auf.

Weihnachten 1991 waren Schüler aus Moskau zu Gast in Berliner Familien.

Anschließend reisten Berliner Schüler im gleichen Zug mit ihnen zum Neujahrsfest nach Moskau.

Im Juli 1992 fuhren vierzehn Berliner Schüler und zwei Betreuer über Moskau nach Pskow in das Pionierlager „Baltika“. In Moskau waren wir Gäste unserer Freunde vom Musikschulinternat Nr. 61.

Zum Jahreswechsel 1992/93 betreuten Berliner Familien noch einmal für zwei Wochen 26 Schüler aus Pskow, Tjumen und Moskau. Im Februar 1993 unterstützten wir einen Besuch von Pädagogen und Schülern des Moskauer Musikschulinternates Nr. 61 in Königs Wusterhausen durch kurzfristige Hilfe mit Privatquartieren.

Im April 1994 folgten zwanzig Schüler und fünf Pädagogen des Internates einer Einladung unseres Vereins anlässlich des Tages der Begegnung im Russischen Haus im Rahmen der Verabschiedung der russischen Soldaten aus Berlin.

Erst zehn Jahre später gelang uns noch einmal ein Jugendaustausch. Zum 100.Geburtstag Nikolaj Bersarins trafen sich Schüler und Pädagogen des Erich-FriedGymnasiums Friedrichshain mit Gästen aus der Moskauer Schule Nr. 531. Den Gegenbesuch übernahmen dann Schüler der Wieland-Herzfelde-Oberschule Weißensee.

Soweit die Fakten. Zu würdigen ist der uneigennützige Einsatz aller Beteiligten und die herzliche Gastfreundschaft. Unsere Schülerbegegnungen waren ein wertvoller Beitrag zur Freundschaft zwischen unseren Völkern auf bürgerschaftlicher Ebene.

Zu bedenken bleibt, wie wir der Forderung, der Jugend besondere Aufmerksamkeit zu widmen, gerecht werden können. Das geht nach meiner Meinung nur durch persönliche Kontakte mit Jugendlichen und Pädagogen, insbesondere mit denen, die die russische Sprache lehren und lernen.

Diese Forderung bleibt aktuell, denn derzeit ist der Verein nicht mehr am Schüler- und Jugendaustausch beteiligt Aus: 15 Jahre. S.13. – Horst Herrmann, Jahrgang 1928. 1957 bis 1960 Studium am Institut für Lehrerweiterbildung Berlin. Lehrer und Freizeitpädagoge.

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Senioren geben nicht auf Zur Arbeit der Basisgruppe Plänterwald Anneliese Klostermann und Horst Thurau Unsere Basisgruppe ging 1992 mit 29 Mitgliedern aus der Gruppe der „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ hervor, die Hilde Glaser schon 15 Jahre leitete. Sie tat dies auch weiterhin und wurde dabei insbesondere von Tamara Günther, die dem Vereinsvorstand angehörte, tatkräftig unterstützt.

Gemeinsam organisierten sie ein vielfältiges Gruppenleben.

Tamara brachte uns russische Volkskunst, Literatur und Musik aus eigenem Erleben nahe. Zu russischer und sowjetischer Literatur und Malerei wurden als kompetente Referentinnen Dr. Ilse Stauche und Dr. Gertraude Sumpf gewonnen.

Sehr beliebt waren die Zusammenkünfte am Jahresende bei Tee aus dem Samowar und russischem Gebäck. Weihnachten 1993 hatten wir sechs russische Soldaten aus der Garnison Karlshorst zu Gast, mit denen wir uns über russische und deutsche Weihnachtsbräuche unterhielten.

Ein besonderer Schwerpunkt waren die Kleidersammlungen im Rahmen der humanitären Hilfe für Bedürftige in Russland, für die sich Tamara Günther unermüdlich einsetzte. Ihre Wohnung war Sammelstelle, ihr Keller Packstation und Zwischenlager. Die Geldspenden, die sie und andere Gruppenmitglieder immer wieder sammelten, waren beträchtlich. Tamara und wir waren glücklich und bewegt, wenn sie Dankesbriefe aus Russland erhielt. Im Jahre 2000 mussten Hilde Glaser und Tamara Günther aus altersund krankheitsbedingten Gründen die Leitung der Gruppe abgeben. Wir waren uns einig, am Freundschaftsgedanken und der Hilfe für Menschen in Russland und anderen GUSStaaten festhalten zu wollen. Nach eingehender Diskussion und Unterstützungszusage durch den Vorstand wurde im November 2002 die Weiterarbeit der Gruppe beschlossen, nunmehr mit siebzehn Mitgliedern und geleitet von Anneliese Klostermann und Horst Thurau. Wir führten die Arbeit weiter und erweiterten den Themenkreis um Beiträge zum gesellschaftlichen Leben und zur politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung in Russland und den GUS-Staaten. Mitglieder, die Reisen in die GUS unternahmen, erzählten interessant – in Wort und Bild – über ihre Eindrücke. Vom Vorstand konnten wir zu entsprechenden Themen Horst Herrmann, Prof. Dr. Horst Schützler, Helga Rogga und Eugen Neuber begrüßen. Weiterhin sprachen zu uns Venera Guerassimov-Vaguizova über Tatarstan, Wolfgang Grabowski über „Russland heute“ und Manfred Schünemann über die „heutige Ukraine“.

Um einen größeren Zuhörerkreis zu gewinnen, arbeiteten wir seit 2004 mit dem Bürgerkomitee unseres Wohngebietes zusammen, wodurch jeweils über 25 Bürger erreicht werden konnten. Auch die Gruppe der PDS- die Linke unterstützte uns. So referierte Dr. Helmut Ettinger über die Tschetschenienfrage.

Neben der Weiterführung der Sammlungen für die humanitären Hilfsprojekte des Vereins standen bis 2005 noch gemeinsame Besuche in Ausstellungen über Russland auf dem Programm.

Leider können die meisten Mitglieder unserer Gruppe – alters- und krankheitsbedingt – nicht mehr an diesen und anderen Veranstaltungen teilnehmen. Doch nach wie vor sind wir zur Feier des Tages der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow zur Stelle – das ist für uns Ehrensache.

Höhepunkte im Leben unserer Gruppe sind seit 2003 die Gartenfeste in den Monaten Juli/August bei unserer Freundin Ruth Santos. Dort werden bei selbst zubereiteten

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russischen Speisen und Getränken in gelöster Atmosphäre Tagesthemen und auch persönliche Fragen erörtert und die Themen der weiteren Arbeit besprochen.

Die Gruppenveranstaltungen finden jetzt in einer im Parterre gelegenen Wohnung statt, wohin auch die behinderten Mitglieder kommen können. Für den relativ kleinen Kreis von Freunden, die zusammenkommen, fällt es schwer, geeignete, alle interessierende Themen zu finden. Gegenwärtig (2007) sind wir noch fünfzehn Mitglieder. Wir versuchen, den Freundschaftsgedanken durch Artikel über unsere Aktivitäten im „Waldblatt“ des Bürgerkomitees und in Veranstaltungen, in denen unsere Mitglieder auftreten, zu verbreiten. Von 2002 bis 2007 haben wir in eigener Regie 53 Veranstaltungen mit 305 Teilnehmern durchgeführt.

Wir sind ständig auf der Suche nach interessanten neuen Themen, die uns helfen, die Lage der Menschen in Russland und den anderen GUS-Staaten und die dortige Entwicklung besser zu verstehen und die uns befähigen, Fragen von interessierten Bürgern kompetent zu diskutieren.

Die Unterstützung der humanitären Hilfe des Vereins bleibt nach wie vor unser herzliches Anliegen.

Wir sind inzwischen durch unsere Gruppe auch freundschaftlich miteinander verbunden und helfen uns gegenseitig, wenn es notwendig ist.

Die Basisgruppe Plänterwald in Treptow-Köpenick will auch weiterhin ein zuverlässiger Teil unseres Vereins bleiben.

Die Basisgruppe Plänterwald musste nach Fortführung ihrer Arbeit nach 2007 im Jahre 2011 ihr nimmermüdes Wirken beenden, doch die verbliebenen Mitglieder nehmen weiterhin in anderer Weise am Leben des Vereins teil.

Aus: 15 Jahre. S. 14 f. – Anneliese Klostermann. Dolmetscherin. Horst Thurau starb 2015.

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Kampf um Bersarin Wirken für ein würdevolles Gedenken an Nikolai E. Bersarin Lutz Prieß Unvergessen bleibt vielen Berlinerinnen und Berlinern das unerwartete Engagement des ersten sowjetischen Stadtkommandanten für die rasche Wiederherstellung des friedlichen Lebens nach dem Kriegsende in Berlin. Der Zeitzeuge Ernst Lemmer (CDUPolitiker und späterer Bundesminister) erinnerte sich noch nach Jahrzehnten: „Generaloberst Bersarin schien nichts wichtiger zu sein, als Berlin lebensfähig zu machen.

Er nahm seine Aufgabe so ernst und hielt sie für so selbstverständlich, als hätte er sie in seinem eigenen Land durchzuführen.“ Bis zu seinem tragischen Unfalltod am 16. Juni 1945 verblieben Bersarin nur 50 Tage in seinem Amt. In dieser kurzen Zeit schafften es sowjetische und deutsche Fachkräfte unter seiner Leitung, das zivile Leben in der Stadt, vor allem die Versorgung der Berliner Bevölkerung mit Lebensmitteln, den Wiederaufbau der Infrastruktur der zerstörten Stadt, den Aufbau einer von Nationalsozialisten freien deutschen Verwaltung zu organisieren sowie das geistige und kulturellen Leben neu zu beleben. Der erste Berliner Nachkriegs-Oberbürgermeister Dr. Werner brachte die Verdienste von Bersarin im Umgang mit dem einstigen Feind auf den Punkt: „Er hat uns durch sein edles menschliches Wesen mit vollem Vertrauen zur Zusammenarbeit mit der russischen Besatzungsmacht erfüllt.“ Das Andenken an Bersarin wurde nach seinem Tod in Berlin und in seiner Heimat unterschiedlich gepflegt. Aber niemals hätten die Kampfgefährten Bersarins daran gedacht, dass dieses Andenken einmal in der Stadt, in der er als Sieger seine ganze Kraft für das Überleben der Besiegten widmete, in Frage gestellt würde. Doch im Jahr 1992 überraschte der CDU-geführte Senat die Öffentlichkeit mit der Mitteilung, dass die vom (Ost-) Magistrat 1975 posthum verliehene Ehrenbürgerwürde der Stadt im vereinigten Berlin für Nikolaj Bersarin nun nicht mehr anerkannt werde. Gegen diesen und weitere Schritte, das Andenken Bersarins und anderer ehemaligen Sowjetbürger aus dem öffentlichen Gedenken der Stadt Berlin auszulöschen, wendete sich eine von Jahr zu Jahr breiter werdende demokratische Öffentlichkeit. Zu den ersten, die gegen die Streichung Bersarins aus der Gesamtliste der Berliner Ehrenbürger protestierten, gehörte der Verein „Berliner Freunde der Völker Russlands e. V.“. Auf eine Anfrage des Vorsitzenden Dr. Franz von Hammerstein, über den Umgang mit dem Ehrenbürger Bersarin teilte Volker Kähne, Chef der Senatskanzlei, mit, diesbezügliche DDREntscheidungen beruhten nicht „auf Entscheidungen demokratisch legitimierter Gremien.

Hingegen sind jene Ernennungen in die Gesamtliste integriert worden, die auf Verdiensten auf kulturellem oder wissenschaftlichem Gebiet basieren und jenseits politischer Systeme

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Gültigkeit behalten.“ Die Diskussion um den Namen Bersarin, um die Verdienste oder Versäumnisse dieses Mannes auf dem Posten des Berliner Stadtkommandanten bewegten die Mitglieder unseres Vereins ebenso wie viele andere Berliner Bürger. Der pensionierte Westberliner Ingenieur für Versorgungstechnik Gert Porsche wandte sich 1995 als Zeitzeuge an verschiedene Gremien mit der Bitte, die Leistungen Bersarins, die er auf Grund seines Berufes und seiner jahrzehntelangen Berufserfahrungen bestens beurteilen konnte, angemessen zu dokumentieren und zu würdigen. Angeregt durch das Eintreten vieler Bürger Berlins für die Wiederaufnahme Bersarins in die Berliner Ehrenbürgerliste fanden sich Herr Porsche und die Freunde unseres Vereins Horst Herrmann, Dr. Sonja Striegnitz und Dr. Lutz Prieß über viele eigene und gemeinsame Aktivitäten zur „Interessengemeinschaft N. E. Bersarin“ (kurz „IG Bersarin“) zusammen.

Sie unterstützten dabei Bemühungen aller Menschen, Organisationen, Parteien und Institutionen, die dafür wirkten, das Gedenken an Bersarin und seine Leistungen dauerhaft lebendig zu halten. Dabei blieben Erfolge nicht aus: die Umbenennung des Bersarinplatzes in Berlin-Friedrichshain wurde 1995 verhindert, das Museum Karlshorst zeigte 1999 erstmals eine Ausstellung, in der die ganze Widersprüchlichkeit der Person Bersarin und seiner Lebensumstände deutlich wurde. Offensichtlich gefälschte Verleumdungen über angebliche Gräueltaten Bersarins wurden eindeutig widerlegt.

Die „IG Bersarin“ knüpfte enge Kontakte zu den Töchtern des Generals und seinen Enkeln. Wir organisierten zahlreiche Treffen mit sowjetischen Kriegsveteranen der von Bersarin befehligten 5.Stoßarmee, in Berlin und Moskau mit Mitgliedern unseres Vereins und interessierten Bürgern, darunter zahlreiche Jugendliche. Alle Veranstaltungen, Treffen und Diskussionen sowie Presseartikel und Broschüren in deutscher und russischer Sprache rund um den „Ehrenbürgerstreit“ waren ein Beitrag dazu, das Klischee vom „guten“ und vom „bösen“ Russen überwinden zu helfen.

Am 11. Februar 2003 fand der demokratische Mehrheitswille der Berliner im Senatsbeschluss auf Vorlage des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit seine Erfüllung - der ehemalige sowjetische Stadtkommandant Nikolai Erastowitsch Bersarin wurde in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um Berlin in die Liste der Ehrenbürger des Landes und der Stadt Berlin übernommen.

Sein Porträt hat seit dem 30. Januar 2004 in der Ehrenbürgergalerie des Abgeordnetenhauses von Berlin einen würdevollen Platz gefunden.

Zum 60. Jahrestag der Befreiung unterstützte unser Verein die Namensgebung der Nikolai-E.-BersarinBrücke im Bezirk Marzahn-Hellersdorf in der Landsberger Allee, an der Stelle, an der am 21. April 1945 die ersten sowjetischen Soldaten der von Bersarin kommandierten 5. Stoßarmee die Stadtgrenze Berlins erreichten.

Am 60. Todestag von Nikolai E. Bersarin pflanzten die Mitglieder der IG Bersarin gemeinsam mit der Bürgermeisterin des Bezirks Lichtenberg, Frau Christina Emmrich, unter großer öffentlicher Anteilnahme in der Nähe des Ortes, an dem er verunglückte eine Bersarin-Gedächtnis-Birke.

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Die „IG Bersarin“ und unser Verein streben weiter an, dass die Persönlichkeit und das Wirken N. E. Bersarins für die Bevölkerung Berlins im Deutsch-Russischen Museum, dem ehemaligem Dienstsitz Bersarins, angemessen dargestellt werden. Wir treten dafür ein, unter Nutzung bestehender Kontakte, namentlich über die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Berlin und Moskau, weiteres Material über N. E. Bersarin und sein Wirken zu beschaffen und es in geeigneter Weise zu nutzen.

Aus: 15 Jahre. S. 15 f. – Lutz Prieß, Jahrgang 1951. Dr. phil., Historiker.

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Meine Annäherung an Person und Wirken Nikolai E. Bersarins Gert Porsche Aus dem Mitgliederkreis des Vereins „Berliner Freunde der Völker Russlands" wurde mir die Frage gestellt, weshalb ich mich als (Westberliner) Bürger so nachdrücklich für die dauerhafte Ehrung des ersten sowjetischen Stadtkommandanten Berlins Nikolai E. Bersarin eingesetzt habe und dann sogar in der Interessengemeinschaft seines Namens beim Verein aktiv wurde.

Dafür gibt es viele Gründe. Denkanstöße, Eindrücke und Erlebnisse in meinem Leben in Kriegs- und früher Nachkriegszeit, Erkenntnisse und Erfahrungen meines späteren Berufslebens haben mich gewissermaßen auf dieses Engagement hingeführt. ....

Meine erste bewusste politische Beobachtung fiel auf den Morgen nach dem 9. November 1938, also etwa fünf Jahre nach Hitlers „Auftauchen", als ich die eingeschlagenen Fenster und Türen im Ladengeschäft eines jüdischen Friseurs erblickte.

Damals konnte ich allerdings mit dem Wort „Jude" noch nichts anfangen. Das Gefühl, Unrecht erlebt, gesehen zu haben, prägte sich dennoch ein.

Mein erster Schultag fiel mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 zusammen. Das Erlernen von Lesen und Schreiben fiel mir leicht, später interessierte ich mich auch besonders für die Kriegsereignisse und die sie auslösende Politik. Ich lernte rasch, wurde zu einem interessierten Bücher- und Zeitungsleser (was ich bis heute bin!).

Meine frühe Schulzeit war indes auch überschattet vom Verhalten „lieber Mitschüler" mir gegenüber. Sie wollten es mir, dem Rotkopf, so richtig zeigen, indem sie mich mit „Rote Haare, Sommersprossen sind des Teufels Volksgenossen!" und vielen anderen Schmähungen auszugrenzen suchten. Wenn schließlich einer brüllte: „Alle auf den Rotkopp!", war körperliche Gewalt angesagt. Das und manches andere traf einen Sechsjährigen und älter Werdenden tief in der Seele. Recht, Gerechtigkeit, Mitleidsfähigkeit wurden folglich für mich frühzeitig und für mein ganzes Leben stets anzustrebende Ideale. Ein Vorgriff auf Späteres: Als das Andenken an Nikolai E. Bersarin, den ersten Nachkriegsstadtkommandanten, in jüngerer Vergangenheit von einer Westberliner Politikerclique in niederträchtiger Art und Weise geschmäht und beschmutzt wurde, hat mich dies aufgrund meiner Geisteshaltung zutiefst empört.

Bekanntlich brachte der Kriegsverlauf für Hitler und seine Wehrmacht nach anfänglichen Siegen Niederlage auf Niederlage. Auch Berlin wurde seit 1943 Zielort der ständig massiver werdenden Bombenangriffe, die namentlich die Zivilbevölkerung trafen.

Meine Kindheit spielte sich mehr und mehr im Luftschutzkeller ab. ...

Mir persönlich bescherte der Jahresbeginn 1943 eine ernsthafte Bedrohung: Am 30. Januar erhielt ich mein bestes Schulzeugnis, für die Schulleitung prompt Anlass, mich für die NAPOLA, die Jugend-Kaderschmiede der Nazis, vorzuschlagen – zum Entsetzen meiner sonst so für mich ehrgeizig tätigen Mutter. Sie wusste ja auch um die Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad; Berichte über die Schandtaten der Nazis in der Sowjetunion, über die Verbrechen in den Konzentrationslagern waren mehr und mehr zur Bevölkerung durchgesickert. Durch geschicktes Ausnutzen der Engpässe bei der Beschaffung der unbedingt notwendigen Wäsche und Bekleidung verhinderte meine Mutter meine Entsendung zur NAPOLA. So blieb ich in Berlin, später konnte ich die traurige Tatsache verbuchen, dass ich als Kriegskind keinen der über 400 Luftangriffe „versäumt" habe.

Diese Zeit ständiger Lebensgefahr, diese grauenvollen Erlebnisse machten mich frühzeitig älter als mein Geburtsschein auswies. Deutlich und tief prägte sich in meinem Gedächtnis der Höhepunkt dieses „Feuerzaubers" ein, einer der schwersten Luftangriffe auf die Stadt am 3. Februar 1945. Über eintausend amerikanische „Fliegende Festungen"

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rasten in niedriger Flughöhe unter infernalischem Lärm über unsere Köpfe hinweg und legten wiederum weite Teile der Stadt in Schutt und Asche ...

Nach dem 3. Februar 1945 tauchten in den Wehrmachtsberichten immer öfter Passagen über Kämpfe um Brückenköpfe an der Oder auf; das Geschrei von Goebbels „Siegen oder untergehen!" wurde schriller und bedrohlicher. Obwohl dieser Mann eigentlich längst jede Glaubwürdigkeit verloren hatte, musste man doch besorgt sein, was die Sieger wohl mit den Besiegten machen würden. Zumal nach all den von Deutschen in der Sowjetunion, in vielen Ländern Europas, in den KZ, in Kriegsgefangenenlagern u. a. angerichteten Grausamkeiten.

Wahrlich: Es kam keine „Heilsarmee" (ich benutze hier einen Ausdruck des russischen Diplomaten und Historikers Fjodor Maximytschew). Es gab Vergewaltigungen, auch Morde, Rachegefühle hatte mancher Sowjetsoldat. Wie sollte es auch anders sein, nach all dem, was sie auf ihrem Kampfesweg nach Berlin erlebt und gesehen hatten!

Zu keiner Zeit jedoch konnte behauptet werden, die sowjetische Armeeführung wollte die deutsche Bevölkerung untergehen lassen! Im Gegenteil: Nach Berlins Kapitulation am 2. Mai 1945 war Generaloberst Nikolai Bersarin als erster sowjetischer Stadtkommandant mit höchstem persönlichen Einsatz um die Wiederherstellung von Gesetzlichkeit, um die Lebensmittelversorgung der Berliner, kurz – um deren Überleben bemüht. Er organisierte mit seinen eigenen und deutschen Fachleuten die Wiederingangsetzung der städtischen Infrastruktur (Elektrizität, Wasser, Abwasser, Gas, Post, Telefon u. a.) und konnte in diesem riesigen rauchenden Trümmerfeld Berlin beeindruckend rasche Erfolge erzielen.

Am 15. Juni 1945 bilanzierte er das Erreichte vor der internationalen Presse. Als es um Tod oder Leben für die Riesenstadt ging, hat er wie kein anderer den Einwohnern von Berlin Hilfe geleistet und ihnen Zuversicht gegeben.

Nur tragisch kann man es nennen, dass dieser humanistisch denkende und handelnde hohe sowjetische Offizier am folgenden Tag, dem 16. Juni 1945, an den Folgen eines Motorradunfalls ums Leben kam. Bekannte Persönlichkeiten der damaligen Zeit wie Bischof Dibelius (ansonsten ein ausgewiesener Gegner des Kommunismus!) oder Probst Grüber haben in ihren Memoiren Worte der Anerkennung für Bersarins Wirken gefunden. Ernst Lemmer, zweimaliger Minister in Adenauer-Kabinetten, schrieb in seinen Erinnerungen: „Bersarin nahm seine Aufgabe so ernst und hielt sie für so selbstverständlich, als hätte er sie in seinem eigenen Land durchzuführen."

Als Zeitzeuge dieser Vorgänge und späterer Ingenieur für Versorgungstechnik kann ich die Leistungen Bersarins und seiner sowjetischen und deutschen Helfer auch aus der Sicht beruflicher Erfahrung beurteilen und persönlich nur bewundern. Daher war für mich aus Gründen der Gerechtigkeit Widerstand geboten, als sich im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag des Kriegsendes 1995 eine Politikerclique auf Kosten des einstigen Stadtkommandanten mit wiedergekäutem Antikommunismus profilieren wollte.

Ich konnte dem Direktor des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst Dr. Peter Jahn das von mir bis dahin gesammelte Material über Bersarin übergeben und damit seine Idee einer ihm gewidmeten Ausstellung befördern und vertiefen. In diesem Zusammenhang nahm ich auch Kontakt zu den Berliner Freunden der Völker Russlands auf, deren Vorstandsmitglieder ich manchmal wohl nervte (bei denen ich mich aber hier ausdrücklich für ihre Geduld mit mir bedanken möchte!). Mein Anliegen - historische Gerechtigkeit für Nikolai E. Bersarin - fand ich hier schließlich bestens aufgehoben.

Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Bersarin und vielen an der historischen Wahrheit interessierten Berlinern, im Abgeordnetenhaus und in anderen Gremien und Organisationen, erzielten wir trotz mancher, mitunter auch vehementer, Widerstände Beachtenswertes, woran ich hier kurz erinnern möchte: eine Bersarin-Ausstellung fand

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1999 statt; der Bersarinplatz behielt seinen Namen; in Berlin-Marzahn gibt es eine nach Bersarin benannte Brücke; am Ort des tragischen Unfalls wurde eine Trauerbirke gepflanzt; die Töchter und Enkel des Generalobersten konnten nach Berlin eingeladen werden; die Bersarin-Enkelin, die Augenärztin Dr. Alexandra Lasuk, erhielt die Möglichkeit, drei Monate in Berliner Kliniken zu hospitieren; Nikolai E. Bersarin wurde 2003 endlich wieder Ehrenbürger der Stadt Berlin und sein Porträt hängt in der Galerie der Ehrenbürger im Abgeordnetenhaus – eine besondere, verdiente Ehre!

Für mich war das Mitwirken an diesen Erfolgen stets eine Sache meiner tiefen Überzeugung von der Gerechtigkeit, von der Wahrheit.

Bereichert fühlte ich mich – wie auch meine Frau, die mein Engagement für Bersarin stets wohlwollend und helfend begleitet hat – durch die persönliche Begegnung mit den Bersarin-Töchtern Larissa und Irina, die anlässlich der ihrem Vater gewidmeten Ausstellung im Deutsch-Russischen Museum 1999 nach Berlin kamen. Gemeinsam mit Enkelin Alexandra, der Tochter Irinas, und anderen deutschen Freunden erlebten wir viele interessante und frohe Stunden auf den Spuren des berühmten Generals. Für mich, der ich noch die schändlichen Nazi-Plakate über die östlichen „Untermenschen" in den Straßen Berlins vor Augen habe, war die erstmalige Begegnung mit russischen Menschen außerordentlich wichtig. Besonders beeindruckten mich Auftreten und Rede der älteren Bersarin-Tochter Larissa (sie war ja in seiner Armee Krankenschwester gewesen) im Kapitulationssaal des Deutsch-Russischen Museums. Scheinbar ganz von selbst entwickelten sich zwischen uns freundschaftliche Beziehungen, sprang der Funke des gegenseitigen Verstehens über.

Ich bemühte mich, für die Enkelin Alexandra, die Augenärztin, in Berliner Kliniken ein dreimonatiges Hospitationspraktikum zu erwirken, das – wie sie selbst einmal sagte – zu einem wichtigen Bestandteil ihrer erfolgreichen Habilitation wurde. In dieser Zeit konnten die entstandenen freundschaftlichen Kontakte natürlich weiter gefestigt werden. Sie haben bis heute Bestand, obwohl es Alexandra leider inzwischen an die portugiesische Atlantikküste verschlagen hat. Das damalige Versprechen neuerlicher Besuche in Berlin, bei uns, den neu gewonnenen Berliner Freunden, hat sich unlängst (August 2010) erfüllen lassen, wenn auch nur für wenige Tage.

Im Mai des Jahres 2000 hatten meine Frau und ich mit einer Gruppe der “ Berliner Freunde der Völker Russlands” anlässlich des 55. Jahrestags des Sieges der Sowjetunion über Nazideutschland die Reise nach Moskau angetreten. Es gab damals natürlich ein freudiges Wiedersehen mit Alexandra, die uns gemeinsam mit ihrem Bruder Pjotr auf dem Flughafen in Empfang nahm. Auf der Fahrt in die Stadt machten wir Halt an der symbolischen Panzersperre, errichtet an der Stelle, wo Hitlers Angriffsarmeen 1941 wenige Kilometer vor dem Stadtzentrum zum Stehen gebracht worden waren. …

In Moskau erscheint uns alles riesig: Die Stadt selbst, die Straßen, die Häuser, die Hotels, das U-Bahnnetz und natürlich auch der Fernsehturm, auf dem wir sodann auf Einladung unserer Freunde zu Mittag essen.

In Alexandra und Pjotr haben wir sehr kundige, zuvorkommende „Stadtführer", sie erleichtern uns die Einordnung all der neuen Eindrücke, die auf uns einstürmen, geduldig und mit großem Feingefühl. Moskau wird von uns als eine internationale Capitale von imperialem Gestus wahrgenommen, als ein durchaus wichtiger Bezugspunkt für die vielen Völker Russlands.

Am Abend lernen wir Viktor Lasuk kennen, den Vater von Alexandra und Pjotr, ebenfalls Augenarzt wie die beiden. In seiner Wohnung heißt er uns auf das Herzlichste willkommen.

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Gert Porsche, Dr. A. Lasuk und P. Lasuk, Enkelkinder Bersarins, am Grabmal des Generals in Moskau

In den folgenden Tagen spulen wir, geführt von Alexandra und Pjotr sowie begleitet von unserem „Chef de Mission" Horst Herrmann, ein umfangreiches Besichtigungsprogramm ab. Wir besuchen u. a. eine wunderschöne Gemäldeausstellung und erleben die großartige Ballettaufführung „Die Pharaonin". Der Jubelsturm und Blumenregen am Schluss der Vorstellung lässt das, was wir früher einmal in der Mailänder Scala erlebt hatten, als eine blasse Veranstaltung erscheinen.

Ein Höhepunkt unserer Reise ist der Besuch der Grabstätte Nikolai Bersarins auf dem Nowodjewitsche-Friedhof, wo viele andere bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft bestattet sind. Am Grabe des Generals geht mir die Frage nach der Motivation seines Wirkens in Berlin wiederum durch den Kopf und ich glaube die Antwort für mich gefunden zu haben: Endlich Schluss mit Kampf, mit Töten, endlich konstruktive, friedliche Arbeit, endlich Beweis großartigen, organisatorischen menschlichen Talents und humanistischen Handelns!

Nachhaltigen Eindruck hinterlässt bei uns auch der Besuch auf dem Poklonnaja Gora mit dem Museumskomplex und insbesondere dem „Saal der Tränen", der in bestürzender Traurigkeit die Leiden der Sowjetvölker im Krieg symbolisiert. Den 9. Mai, den Tag des Sieges, nach wie vor der höchste Feiertag in Russland, erleben wir als einen Tag, den die Menschen in Konzentration und Würde begehen. Überall an den Denkmälern ein Meer von Blumen, überall nachdenkliche, ergriffene Menschen. Diese Eindrücke korrespondieren auch mit dem, was wir während eines Treffens mit den Veteranen der 5.

Stoßarmee, der Bersarin-Armee, beobachten können.

Am Denkmal für Bersarin

Die Bersarinstraße und das dort für den General errichtete respektable Denkmal, gleichfalls Ziele unserer "Annäherung" an die Person des ersten Stadtkommandanten Berlins, erfüllen mich angesichts übler Berliner Gerüchte, wonach es in Moskau keine Erinnerungszeichen an ihn gäbe, mit besonderer Genugtuung. ...

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Schließlich weilen wir auch am Grabe der viel zu früh verstorbenen jüngsten Tochter Bersarins Irina, der Mutter von Alexandra und Pjotr. Das Grab befindet sich weit außerhalb Moskaus auf einem einstigen Schlachtfeld am Ostufer des Moskwa-Wolga-Kanals in der Nähe einer Kirche, während der Kämpfe um die Hauptstadt Ende 1941 ein sowjetischer Kommandostützpunkt. Auch hier ein Denkmal, das an die blutigen Winterkämpfe erinnert, in denen deutsche Angriffsspitzen vor Moskau aufgehalten wurden und deren zahlreiche Opfer erst mit Beginn der Tauperiode hier in Massengräbern ihre letzte Ruhe finden konnten.

Unser Abschied von Moskau steht nach dieser bemerkenswerten, interessanten Reise ganz im Zeichen freudiger Erwartung: Wir wissen, dass wir Alexandra im Herbst des gleichen Jahres in Berlin zu ihrer (bereits oben genannten) Hospitation erwarten dürfen….

Als 2003 der langersehnte Erfolg – die endliche Wiederherstellung der Ehrenbürgerschaft Nikolai E. Bersarins – kam und schließlich auch sein Porträt in der Galerie der Ehrenbürger Berlins einen würdigen Platz erhielt, der seinen Verdiensten entspricht, vertrat Alexandra bei diesem offiziellen Anlass mit viel Würde und Charme ihr Heimatland Russland und den General, ihren Großvater.

Für mich waren die Veranstaltungen mit den einfühlsamen, fairen Reden des Museumsdirektors Dr. Peter Jahn und des Parlamentspräsidenten Walter Momper Grund zur Rückbesinnung. Immerhin waren fast acht Jahre vergangen, seit ich die ersten Schritte in der „Angelegenheit Bersarin" unternommen hatte!

Mit großer Genugtuung (von Stolz möchte ich nicht sprechen) genoss ich diese Ereignisse, deren Zeuge ich nun gemeinsam mit allen Mitstreitern auf diesem schier endlosen, viel Zähigkeit und Durchhaltevermögen erfordernden Weg geworden war.

Der Berlin-Aufenthalt von Natascha (Natalja) und Kolja (Nikolai), der Kinder der ältesten Bersarin-Tochter Larissa, im Jahr 2006, organisiert vom Verein Berliner Freunde der Völker Russlands und durchgeführt von der Interessengemeinschaft Bersarin, also auch mit meiner Mitwirkung, bildete – so meine ich – das noch fehlende Glied in der Kette unserer Bemühungen um die Erinnerung an den Stadtkommandanten und die Einbeziehung aller seiner Nachkommen.

Bezüge dazu gab es schon allein deshalb, weil Kolja als Offizier der Sowjetarmee gleichsam die Spuren seines Großvaters nachzog: Er versah, freilich in den Jahren des Kalten Krieges, zeitweilig in der DDR seinen Dienst und hatte 1994 zusammen mit anderen hohen Militärs den nicht leichten, verantwortungsvollen Auftrag, die Rückführung der Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte in ihre Heimat zu vollziehen.

Beide – Natascha weilte zum ersten Mal in Deutschland – nahmen dankbar die heutige vielfältige Ehrung und Würdigung Nikolai Bersarins in der Stadt und in ihrem Parlament zur Kenntnis und kommen gesprächsweise immer wieder darauf zurück. Die Kontakte erfolgen seither leider nur telefonisch. Auf diesem Wege mussten wir in den ersten Augusttagen dieses Jahres (2010) auch vom Tode ihrer Mutter Larissa erfahren.

Was mich betrifft, so bin ich seit Ende des Zweiten Weltkriegs und insbesondere nach Vereinigung der beiden deutschen Staaten der festen Überzeugung, dass gute, besser sehr gute deutsch-russische Beziehungen den Frieden in Europa garantieren. Noch immer sind diese Beziehungen allerdings nicht so gut, wie sie sein könnten. Weitere Bemühungen auch der Menschen außerhalb der großen Politik, ihr Druck und Nachdruck werden ständig gebraucht. Ich hoffe, mit meinem Engagement für die gerechte Sache des Stadtkommandanten von Berlin dazu beigetragen zu haben und stehe auch künftig zu meinen diesbezüglichen Motivationen und Überzeugungen Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 70 ff. – Gert Porsche, Jahrgang 1933. Ingenieur für Versorgungstechnik. Studium an der Ingenieurschule für Bauwesen von 1953 bis 1956 in Berlin (West). Tätigkeit als Ingenieur für Fernheizungsbau. – Ohne die Unterstützung von Herrn Gert

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Porsche, die auch die großzügige materielle Förderung aller Aktivitäten des Vereins Berliner Freunde der Völker Russlands zur Wiederherstellung der Ehrenbürgerwürde Bersarins sowie des Studienaufenthalts von Dr. Alexandra Lasuk einschloss, wäre manches nicht machbar gewesen.

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Über Helga Köpstein und sowjetische Ehrenmale Sonja Striegnitz Sie gehört zu unserem Verein seit seiner Entstehung: Prof. Dr. Helga Köpstein. Wir kennen uns schon viele Jahre. Die Mitgliedschaft im Verein hat uns jedoch viel näher gebracht als dies seinerzeit bei Kolleginnen von Akademie der Wissenschaften und Humboldt-Universität der Fall war. Dem Wunsch des Vorstands, über H.K. anlässlich unseres „Jubiläums“ hier zu berichten, entspreche ich gern, trägt sie doch auf vielfältige Weise dazu bei, dass unsere selbst gestellten Ziele Wirklichkeit werden.

Helga Köpstein (Jahrgang 1926) hat in entbehrungsreicher Nachkriegszeit von 1946 bis 1951 an der Humboldt-Universität ein Studium der Klassischen Philologie (Latein und Griechisch) absolviert und seit Anfang der 50er Jahre bis zum Eintritt in das Rentenalter als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Geschichtsinstitut der Akademie der Wissenschaft der DDR auf dem Gebiet der Byzantinistik geforscht und publiziert. Frühzeitig und mit mehrfachen, den Zeitumständen geschuldeten „Neuanläufen“ hat sie sich auch mit der russischen Sprache beschäftigt. Dabei ist wohl besonders bemerkenswert, weil ziemlich einmalig, dass sie die ersten Schritte beim Erlernen des Russischen als Dreizehnjährige zusammen mit zwei Schulfreundinnen in einer Gruppe mit wesentlich älteren Teilnehmern in den Jahren 1939 bis 1941 in Kursen an der Volkshochschule Moabit tat! Das waren Wirkungen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages, die selbst einem Historiker kaum geläufig sind. Später, in der beruflichen Tätigkeit an der Akademie, ergab sich aus dem Wissenschaftsgebiet die zwingende Notwendigkeit, sich dieser Sprache immer neu zuzuwenden: Einerseits regten die historischen Bezüge von Byzanz und Kiewer Rus dazu an, andererseits eben auch die umfangreichen Forschungen sowjetischer Byzantinisten, mit denen sich H.K. vertraut machen wollte. Hinzu kamen Erfordernisse, sich der Sprache auch aktiv zu bedienen: bei Dienstreisen, auf Konferenzen, für den ganz konkreten Erfahrungsaustausch und für persönliche Freundschaften mit Fachkollegen.

Zusammen mit unserem Verein kann H.K. ein eigenes Jubiläum begehen: Seit nunmehr zehn Jahren kann man sie alljährlich am „Tag des offenen Denkmals“ an markanten Punkten im weiten Oval des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park interessierten Bürgern engagiert und kenntnisreich Fakten und Zusammenhänge von Entstehung und Geschichte dieses Berliner Gedenkkomplexes erklären sehen.

Unlängst hat sie nun eine fundierte Gesamtschau über die drei sowjetischen Ehrenmale in Berlin vorgelegt (Sowjetische Ehrenmale in Berlin. R.O.S.S.I. Berlin 2006.

284 S. 93 Abb.) In seiner Entstehung ist dieses Buch nicht alltäglich. H.K. knüpft an Forschungen ihres verstorbenen Ehemannes, des Historikers Horst Köpstein an, der seinerzeit Treptower Schüler in einer Arbeitsgemeinschaft „Junge Historiker“ an die Geschichte des Ehrenmals in Treptow herangeführt und das zusammengetragene Material veröffentlicht hat. Nachdem H.K. dieses Material, erweitert und ergänzt, 1987 neuerlich herausbrachte, hat sie das Thema nie mehr losgelassen. Zahlreiche Dokumente aus deutschen und sowjetischen/russischen Archiven und Privatbesitz, Berichte von Zeitzeugen, Zeitungen, Fotos und eine umfangreiche Literatur hat H.K. herangezogen, um ein detailliertes Bild über die Geschichte des Ehrenmals im Tiergarten (eingeweiht am 11.November 1945), im Treptower Park (eingeweiht am 8. Mai 1949) und in der Schönholzer Heide (eingeweiht am 7. November 1949) zu zeichnen. Gemäß dem von seinen Schöpfern konzipierten inhaltlichen und künstlerischen Anspruch als zentraler Ort

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für die Würdigung der sowjetischen Befreiungstat für die eigene Heimat und auch für das deutsche Volk hat H.K. dem Treptower Ehrenmal ihre Hauptaufmerksamkeit geschenkt.

Hier kommen in besonderer Weise auch die sowjetischen Akteure, Verantwortliche der SMAD, Architekten und Bildhauer, zu Worte. Immer wieder hat H.K. die nachgelassene Erinnerung von Jakow Belopolski, Lew Kerbel, Konstantin Solowjow, Jewgeni Wutschetitsch, Wladimir Zigal „durchforstet“ (und dabei geradezu verbissen die russischen Sprachkenntnisse aktiviert und erweitert). Wo möglich, hat sie sie noch selbst oder deren Angehörige befragt, um auch das kleinste Detail künstlerischer Absicht und baulicher Ausführung, Kontroversen und Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung oder Bereitstellung von ausführenden Künstlern und Arbeitern akribisch auszuleuchten und auch mit historisch gewachsenen Legenden (wie z.B. ein aus Trümmern gerettetes deutsches Kind sei das Modell für das Kind auf dem Arm des Sowjetsoldaten in Treptow gewesen) wissenschaftlich überzeugend aufzuräumen.

Auch die Rahmenbedingungen für die Anlage der Gedenkkomplexe in der Viersektoren- und schließlich gespaltenen Stadt Berlin werden nicht ausgespart und somit bislang kaum beachtete Momente der Berliner Nachkriegsgeschichte in die Erinnerung zurückgeholt.

Während für das in unmittelbarer Nähe der einstigen Zentren faschistischer Macht im Tiergarten (britischer Sektor) geplante und errichtete Ehrenmal die Zustimmung der britischen Militärbehörden problemlos erfolgte und diese sogar Gebäude für die Unterbringung der am Bau beteiligten Sowjetsoldaten bereit stellten, legte sich über die nur wenig später beginnende Anlage der beiden anderen Ehrenmale schon der Hauch des Kalten Krieges. Gravierende Auswirkungen hatte – wie H.K. berichtet – die Spaltung der Stadt durch die Währungsreform und die Einführung der D-Mark in den Westsektoren: Wichtige Betriebe und Werkstätten wie die Bildgießerei Noack und die Glas- und Mosaikwerkstatt August Wagner – beide in den Westsektoren ansässig – waren wiederholt mit Verzögerungen bei der Bezahlung der für die Anlagen auftragsgemäß erbrachten Leistungen konfrontiert, weil es Engpässe in den Westmarkbeständen bei der SMAD gab. Äquivalenzzahlungen, die heute kurios anmuten, wie die (von den Firmen selbst vorgeschlagene) Bereitstellung von Braunkohle wurden erwogen.

H.K. hat ein Buch vorgelegt, das unsere Kenntnisse über die in Berlin errichteten Ehrenmale für die im Kampf gegen den deutschen Faschismus gefallenen Sowjetsoldaten entschieden erweitert. Sie vermittelt uns nicht nur eine große Fülle sorgfältig recherchierter Tatsachen über die Geschichte ihrer Entstehung, sondern berichtet auch über den Platz der Ehrenmale im gesellschaftlichen Geschehen zu DDR-Zeiten und heute, einschließlich der Probleme ihrer Instandhaltung.

Sachlichkeit und Objektivität der Darstellung gehen mit dem inneren Engagement für den Gegenstand langjähriger Forschungen eine überzeugende Verbindung ein.

Namentlich in Zeiten fortgesetzter Bilderund Denkmalsstürmerei im Osten Berlins und den neuen Bundesländern sollte dieses Buch jeder in die Hand nehmen, der sich unvoreingenommen über die Geschichte der drei sowjetischen Ehrenmale informieren möchte.

Für Mitglieder unseres Vereins hat Helga Köpstein. ein Exemplar ihres Buches an den Vorstand übergeben, das selbstverständlich jedem Interessenten zur Verfügung steht.

Aus: 15 Jahre. S. 19 f. – Das genannte Buch ist in russischer Sprache 2010 in Moskau erschienen. – Sonja Striegnitz, Jahrgang 1936. Dr. sc. phil., PD. Historikerin. Studium der

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Geschichte und Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1956 bis 1961. Von 1961 bis 1963 Zusatzstudium an der Universität Leningrad. Von 1963 bis 1996 Tätigkeit auf dem Fachgebiet Geschichte Russlands/der UdSSR an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Helga Köpstein mit Sonja Striegnitz und Kurt Sonnenberg. Mai 2010

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Ein verpflichtendes Erbe Lutz Prieß Solange noch russische Truppen in Deutschland waren, widmeten sie in ihren Garnisonsbereichen ihre Aufmerksamkeit auch den Gräbern und Gedenkstätten ihrer im Kampf für Freiheit und Frieden gefallenen Kameraden. Bei ihrem Abzug hinterließen sie etwa 850 militärhistorische Gedenkstätten und Friedhöfe, in denen rund 420.000 Bürger der ehemaligen UdSSR ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Bereits 1990 wurde in einem Staatsvertrag festgelegt „... dass die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den sowjetischen Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind, geachtet werden und unter dem Schutz deutscher Gesetze stehen. Das Gleiche gilt für die sowjetischen Kriegsgräber, sie werden erhalten und gepflegt.“ Doch es gab erhebliche Versäumnisse bei der Erfüllung dieser Verpflichtung. Der unwürdige Streit um die Finanzierung notwendiger Erhaltungsmaßnamen der drei Ehrenmale in Berlin zwischen der Bundesregierung und dem Senat von Berlin und andere Versäumnisse, erforderten unser bürgerschaftliches Engagement. Am 23. Februar 1995 gründeten wir den „Freundeskreis sowjetische Ehrenmale“. Wir beteiligten uns an mehreren Dokumentationen im Rundfunk und im Fernsehen. Hartnäckiger Einsatz unserer Pankower Freunde, allen voran Rudolf Wünschmann und Ronald Pagel, führte dazu, dass das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Buch vor dem Verfall gerettet und wieder hergestellt werden konnte. Auf Initiative von Franz Rump wurden auf dem Russischen Friedhof in Tegel acht Grabtafeln für 1945 gefallene Rotarmisten erneuert.

Bald erfuhren wir von ähnlichen Bemühungen in den anderen ostdeutschen Bundesländern. Zunächst gestalteten wir gemeinsame Fotoausstellungen in Berlin, Dresden, Potsdam und Frankfurt/Oder zum Thema „Ehrenmale mahnen – Sowjetische Gedenkstätten und Kriegsgräber heute“. Die erste fand am 5. November 1998 in der Russischen Botschaft Unter den Linden statt, die unser Vorhaben über die Jahre hinweg wohlwollend begleitete. Mit der Zeit wuchs die Zahl der Fotos und Dokumente so an, dass wir, um unsere Kräfte zu bündeln, am 15. September 2001 die überregionale „Arbeitsgemeinschaft Sowjetische Gräber und Ehrenmale in Deutschland“ (AG SGE) gründeten. Daran beteiligt sind Mitglieder der Freundschaftsgesellschaften in Brandenburg, Sachsen und Berlin.

In gemeinsamer Arbeit, unter Beteiligung auch von Freunden aus Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sowie mit hohem fachlichem und persönlichem Einsatz unserer Freunde vom Wostok Verlag schafften wir es, unser Buch „Sowjetische Gräberstätten und Ehrenmale in Ostdeutschland heute“ fertigzustellen.

Es erschien, unterstützt vom Bundesverband Deutscher West-Ost-Gesellschaften, 2005 zum 60. Jahrestag des Sieges und der Befreiung. Mit freundlicher Hilfe von Oksana Kogan-Pech wurde unser Buch ins Russische übertragen und unsere Freunde vom Russische Gesellschaftspolitischen Zentrum in Moskau wollen den Druck übernehmen.

Wir erfüllen das verpflichtende Erbe zur Bewahrung des Andenkens an unsere Befreier auch durch unser Gedenken am Tag der Befreiung

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sowie durch Führungen zu Gedenkstätten. Zum Tag des Offenen Denkmals im September und auch auf Anforderung erklärt Dr. Helga Köpstein das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park. Rudolf Wünschmann führte viele Jahre Besucher durch das Ehrenmal in Schönholz. Franz Rump gab bis zu seinem Tod jahrelang Erläuterungen zum Russischen Friedhof in Tegel, die Horst Herrmann danach übernahm. Ihm folgte Irina Berger. Eine wichtige Aufgabe sehen wir darin, junge Menschen in diese Arbeit einzubeziehen.

Mit Genugtuung stellen wir fest, dass der Tag der Befreiung in den letzten Jahren zunehmend seiner historischen Bedeutung entsprechend beachtet wird. Besorgnis erregt andererseits, dass nicht nur rechte Kräfte versuchen ihn zu verfälschen oder abzuwerten.

Deshalb bleibt unser 1999 vom Bundestag abgewiesenes Begehren weiter aktuell, den 8. Mai zum nationalen Gedenktag an die Befreiung vom Nationalsozialismus zu erklären.

Unser Leitspruch bleibt der Schwur der im April 1945 befreiten Häftlinge von Buchenwald: Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus.

Aus: 15 Jahre. S. 18. – Das genannte Buch ist 2008 in Moskau erschienen.

Dr. Lutz Prieß bei einem Vortrag am 12. November 2014 über „Sowjetische Ehrenmale und Gräberstätten in Deutschland“

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Über Friedensreisen, gute Freunde und liebe Gäste Horst Herrmann Die 50. Jahrestage des Endes der Schlacht um Stalingrad 1993, der Zerschlagung der faschistischen Blockade Leningrads 1994, des Sieges der Sowjetunion und der Befreiung Deutschlands vom Faschismus 1995 waren für unseren Verein wichtige Gründe für Begegnungen mit russischen Bürgern und vor allem Kriegveteranen. Die Reise nach Moskau wiederholten wir zum 55. und zum 60. Jahrestag des Sieges und der Befreiung.

In Wolgograd waren wir mit 61 Teilnehmern aus Ost und West die größte ausländische Gruppe. Mit uns reisten auch ehemalige Soldaten der Wehrmacht. Zwei von ihnen gerieten in Stalingrad in Gefangenschaft und trafen sich erstmals nach 50 Jahren wieder. Alle waren beeindruckt vom Wiederaufbau der völlig zerstörten Stadt, den imposanten Gedenkstätten mit der alles überragenden Mutter Heimat auf dem MamajewHügel und der Offenheit und Herzlichkeit unserer Gastgeber.

Niemand ist vergessen – Nichts ist vergessen! Diese in Granit gemeißelten Worte von Olga Bergholz auf dem Piskarjow - Gedenkfriedhof für die Opfer der Leningrader Blockade waren auch das Leitmotiv für unsere Friedensreise nach St. Petersburg. Mit den stärksten Eindruck dieser Reise hinterließ ein Treffen im Blockade-Museum mit Überlebenden der Blockade. „Die vom Schicksal getroffenen und gezeichneten Menschen reichen uns die Hand und bieten uns Freundschaft“, erinnerte sich Christa von Krüchten und setzte fort: „Wer in all den Jahren brüderlicher Verbundenheit auch persönliche Freundschaften ... hatte, konnte in St. Petersburg seine alten Freunde wiedersehen ... und die Begegnung war wie gestern, obwohl wir uns zehn Jahre nicht gehen hatten, ...der Tisch aus diesem Anlass wie früher gedeckt – so als hätten nie Tage der Not und des Darbens dazwischen gelegen. Freundschaft ist etwas Wunderbares! Sie sollte für uns auch Verpflichtung sein, sie zu bewahren und uns ihrer würdig zu erweisen.“ Den 50. Jahrestag des Sieges und der Befreiung in der Hauptstadt Moskau zu erleben, war erlebnisreich und anstrengend zugleich. Zwei Mitglieder unserer Gruppe durften der Parade auf der Ehrentribüne beiwohnen. Zu den 41 Teilnehmern gehörten erstmalig 22 Schüler und zwei Lehrerinnen von der Bölsche-Oberschule, die die Reise nutzten, um ihre Moskauer Partnerschule zu besuchen. Höhepunkte waren die Kranzniederlegungen am Grabmal des Unbekannten Soldaten und am Obelisk im neuen Park des Sieges auf dem Poklonnaja Gora. Hier und besonders im Gorki-Kulturpark erlebten wir mit, wie sich Kriegsveteranen trafen. Buntes Treiben herrschte am 9. Mai, dem Tag des Sieges, bei unzähligen Veranstaltungen auf den Strassen und Plätzen der Stadt, die auch nach dem großen Höhenfeuerwerk kein Ende fanden.

Der 55. Jahrestag des Sieges im Mai 2000 in Moskau war für unsere Reisegruppe geprägt durch die Bewahrung des Andenkens an den ersten sowjetischen Stadtkommandanten Berlins, Generaloberst Nikolai E. Bersarin. Seine Enkelin, Dr. Alexandra Lazuk, half aktiv mit bei der Programmgestaltung. Wir besuchten die BersarinGedenkstätte in der Bersarinstraße und erlebten eine Führung über den berühmten Nowodewitschje-Friedhof mit einem Besuch des Grabes von Bersarin und seiner Frau.

Alexandra gestaltete für uns eine Führung durch die Tretjakow-Galerie und hatte Karten beschafft für eine Ballettaufführung im Bolschoi-Theater. Würdiger Höhepunkt war ein Treffen mit Veteranen der Bersarin-Armee im Hotel „Rossija“, an dem auch Bersarins Tochter Larissa Nikolajewna (1945 Krankenschwester) und ihr Mann Pjotr Alexandrowitsch Kurzew (Leiter eines Lazarettbereiches) teilnahmen.

Zum 60. Jahrestag des Sieges erlebten wir Moskau ganz im Zeichen dieses großen Feiertages. Gemeinsam mit Familienangehörigen Bersarins besuchten wir seine letzte

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Ruhestätte. Bei einem Freundschaftstreffen mit Befreiern Berlins aus der 5. Stoßarmee Bersarins wurde in beeindruckender Weise die Erinnerung an den Krieg von 1941 bis 1945 und die gewaltige Aufgabe, den Frieden und die Freundschaft unserer Völker zu erhalten, deutlich. Helga Rogga schrieb: „Am 9. Mai verfolgten wir die Parade im Fernsehen und erlebten bei großen Veranstaltungen, wie die Moskauer und ihre Gäste diesen Tag feierten. Gemeinsam mit ihnen lauschten wir im Park des Sieges den wunderschönen Konzerten. An dem riesigen Obelisk inmitten des Parks, dessen Höhe die Anzahl der Tage des Krieges symbolisiert, legten wir Blumen nieder. Stark beeindruckte uns im Museum des Krieges die Darstellung der heroischen Leistungen der Sowjetvölker in diesem Krieg und des Gedenkens an die großen Opfer, die der Saal der Tränen erahnen lässt. Im Gorki-Park erlebten wir die Begegnungen der Veteranen des Krieges mit, die sich hier jedes Jahr in ihren früheren Einheiten treffen. Herzliche, oft nur kurze Begegnungen, gab es zwischen jungen Menschen, vor allem Kindern und den Veteranen. Den ordensgeschmückten, verdienstvollen Kämpfern wurden dabei Blumen überreicht, und so begegneten wir vielen, die inzwischen große Blumensträuße trugen.

An der Ewigen Flamme im Alexandergarten gedachte unsere Gruppe der Opfer mit einem Blumenkorb“.

Zum Abschluss unserer Reise besuchten einige Freunde unserer Gruppe die Abteilung Onkologie-Hämatologie im Russischen Republiks-Kinderkrankenhaus. Wir lernten die Station kennen, in der die kleinen, schwerkranken Patienten liebevoll mit großem persönlichem Engagement der Ärzte und des Pflegepersonals behandelt und betreut werden und überzeugten uns davon, wie unsere Spenden verwendet werden. Zur großen Freude der Mitarbeiter überreichten wir eine weitere Spende zur Verbesserung der medizinischen und hygienischen Versorgung der Kinder.

Auf allen Reisen wurden Geldspenden zur humanitären Hilfe gesammelt und vor Ort vor allem für Kinder und Kriegsveteranen übergeben. Die Reisekosten bezahlten die Teilnehmer selbst. Unterstützt wurden die Vorhaben zuerst von unserem damals noch amtierenden Föderativen Vorstand und später dann von der Stiftung West-Östliche Begegnungen, vom Reisebüro „tuk-international“, der Russischen Botschaft, unseren Partnern in Russland, der Gesellschaft Russland-Deutschland und der Liga für RussischDeutsche Freundschaft. Besonders danken wir den Kriegsveteranen für die erwiesene Hilfe und vor allem für die herzliche Gastfreundschaft.

Im Herbst 1994 erhielt unser Verein von der Russischen Botschaft (damals noch Außenstelle Berlin) einen Aufruf von der in Moskau neu gegründeten Liga für RussischDeutsche Freundschaft, den bevorstehenden 50. Jahrestag des Sieges und der Befreiung gemeinsam zu begehen. Vorgeschlagen wurden Treffen mit Kriegsveteranen und Bürgern unserer Länder in Moskau und in Berlin. Mit großer Freude nahmen wir den Vorschlag an und luden Kriegsveteranen und Mitglieder der Liga nach Berlin ein. Damit begann eine Reihe von gegenseitigen Besuchen.

Im Mai 1995 kamen 25 Veteranen und zwölf Begleiter mit einem Bus (!) nach Berlin.

Bei der Anreise zeigten wir Ihnen zuerst die Gedenkstätte auf den Seelower Höhen. Die Veteranen – alle über 70 –fanden freundliche Aufnahme in Berliner Familien. Gemeinsam gedachten wir ihrer, noch kurz vor dem Sieg gefallenen Kameraden. Danach folgten die Veteranen zusammen mit ihren Gastgebern einer Einladung zum Empfang in der Russischen Botschaft. Erstmalig nach dem Krieg waren sie mit gemischten Gefühlen nach Deutschland gekommen. Nun fuhren sie voller Dankbarkeit für die erlebte Freundschaft zurück in ihre Heimat.

Im Mai 2000 weilten erneut russische Kriegsveteranen als Gäste unseres Vereins in Berlin. Sie wurden liebevoll in Familien betreut und nahmen an Ehrungen der Gefallenen teil, besuchten Gedenkstätten in Berlin, Seelow und Potsdam. Gemeinsam folgten die Veteranen und ihre Gastgeber der Einladung der Russischen Botschaft zur

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Festveranstaltung zum Tag des Sieges. Unvergessliche Erlebnisse waren für alle Beteiligten spontane Treffen und Gespräche mit einem Veteranenchor und jungen Leuten am 8. Mai am Denkmal „Mutter Heimat“ im Treptower Park.

Im Juni 2001 besuchten uns die Kriegsveteranen und Historiker, die Professoren Abdulhan Achtamsjan, Dr. Viktor Anfilow, Dr. Ilja Kremer, Dr. Anatoly Protopopow, Dr. Robert Iwanow sowie Maia Magid, Höhepunkt war eine Veranstaltung im Russischen Haus anlässlich des Beginns des Großen Vaterländischen Krieges vor 60 Jahren zum Thema „Was für ein Krieg? Sichten und Einsichten“. In einem Grußwort schrieb Prof.

Kremer: „Heute ist es sehr wichtig, dass wir, Menschen aus Russland und Deutschland, nicht nur die Jugend daran erinnern, was der Krieg für ein Grauen war, sondern auch gemeinsam darüber nachdenken, welchen Frieden wir ihnen bieten, dass wir freundschaftlich und konstruktiv über die Gegenwart und Zukunft diskutieren“.

Unsere Gäste zum Tag des Sieges und der Befreiung im Jahr 2002 waren Tschulpan Salilowa, Tochter von Musa Dshalil, Dr. Alexandra Lazuk, Enkelin von N. E. Bersarin, die Veteranen der von Bersarin kommandierten 5. Stoßarmee Oberst a. D. Andrei Poltorak und Oberst a. D. Alexander Penschin sowie Alexei Machlai, Stellv. Direktor der Stiftung „Russisches Gesellschaftspolitisches Zentrum“ und als Leiter der Gruppe unser Freund Prof. Achtamsjan.

Im Mai 2003 gewährte Aeroflot Kriegsveteranen kostenlose Flüge. So erfüllten wir den Wunsch des Russischen Komitees der Veteranen des Krieges und des Wehrdienstes und luden Oberst Boris Otschkin, Oberst Nikolai Uwaiski, Generalmajor Michail Borissow und Oberst Iwan Moltschanow für vier Tage nach Berlin ein. Nach einem Gespräch in unserem Verein über unsere gemeinsame Verantwortung, das Andenken an die Leistungen beim Kampf gegen die Naziherrschaft würdig zu bewahren, stand die Teilnahme an Veranstaltungen zum Tag der Befreiung und zum Tag des Sieges am 8. und 9. Mai im Mittelpunkt: Kundgebung am Denkmal der Mutter Heimat im Treptower Park, Begegnungen im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst, Kranzniederlegung am Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten mit anschließendem Empfang in der Russischen Botschaft. Die Botschaft ermöglichte auch einen Besuch der Gedenkstätte auf den Seelower Höhen sowie eine Stadtrundfahrt.

Auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau besichtigten die Gäste das Reichtagsgebäude.

Wir danken der Russischen Botschaft für die sehr gute Zusammenarbeit bei allen Besuchen von Kriegsveteranen in Berlin und der Stiftung West-Östliche Begegnungen für die bereitgestellten Fördermittel. Die Treffen und Begegnungen, die in der gleichen Zeit auch bei unseren Reisen nach Moskau stattfanden, führten zu bleibenden Kontakten und persönlichen Freundschaften. Sie werden wir weiter pflegen, so lange unsere Freunde und wir am Leben sind.

Aus: 15 Jahre. S. 20 ff.

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Hier lebte und wirkte Erich Baron Erhard Römer In dem Haus Kavalierstraße 22 in Pankow wohnte Erich Baron mit seiner Familie, hier war sein Büro als Generalsekretär der „Gesellschaft der Freunde des neuen Russland“ und hier redigierte er die Zeitung „Das neue Russland. Am 17. Juni 2005 erinnerten Pfarrer i. R. Cyrill Pech und die Bezirksstadträtin Nehring-Venus aus Anlass der Einweihung einer neuen Gedenktafel an das Leben und Wirken des Mannes, den Freunde und Zeitgenossen als einen erfahrenen politischen Publizisten und glänzenden Organisator, einen Menschen von natürlicher Liebenswürdigkeit schätzten. Baron pflegte rege Kontakte zu bekannten bürgerlichen Humanisten aus Wissenschaft und Kunst, so erklärt sich, dass ihn die Kulturund Geistesschaffenden der Weimarer Republik, Pädagogen, Juristen und Wirtschaftsexperten, die am 1.

Juni 1923 die „Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland“ gegründet hatten, ein Jahr später als Generalsekretär anerkannten. Zu den Zielen der Gesellschaft heißt es in einem Aufruf aus dem Jahre 1923: „Um dem wirtschaftlichen und geistigen Aufstieg beider Länder den Weg zu ebenen, um die verheerenden Wirkungen des Weltkrieges zu beseitigen, die Höherentwicklung menschlicher Kultur zu ermöglichen, müssen sich die kulturell Arbeitenden der beiden Länder zu einer Kulturgemeinschaft zusammenschließen. Zu diesem Zweck hat sich die “Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland” gebildet, die ein planmäßig organisiertes Sichkennenlernen und eine hierauf begründete Zusammenarbeit beider Länder anstrebt.“ In den Jahren 1923 bis 1932 lud die Gesellschaft in Berlin zu 44 Vortrags- und Diskussionsabenden mit prominenten sowjetischen Politikern, Wissenschaftlern und Künstlern ein, unter ihnen der Dichter Wladimir Majakowski, der Intendant des Moskauer Staatstheaters Wsewolod Meyerhold, und der Volkskommissar für Bildungswesen Anatoli Lunatscharski.

In der Nacht des Reichstagsbrandes am 27. Februar 1933 holten die Nazis Erich Baron aus seiner Wohnung und schleppten ihn ins Untersuchungsgefängnis. Seine Tochter Marianne besuchte ihren Vater während der Haft. Entsetzt vom seelischen und physischen Zustand ihres Vaters bat sie die Nazis um seine Entlassung und bot sich selbst als Geisel an. Am 26. April 1933 schrieb der zuständige Staatsanwalt an Marianne Baron: „Ein Grund zur Entlassung infolge eingetretener Haftunfähigkeit ist nicht gegeben.“ An diesem Tag nahm sich Erich Baron das Leben.

Heute, 2005, lehnt es der Hausbesitzer ab, die neue Gedenktafel an der Hauswand, an dem Platz der vorherigen, um 1990 gestohlenen oder bewusst abmontierten Gedenktafel, anzubringen. Nur dank des jahrelangen, geduldigen und zielstrebigen Wirkens einiger Mitarbeiter des Bezirksamtes Pankow, besonders der Frau Goldstein bei der „Chronik Pankow“, und dank des Engagements unseres Vereins, bleibt Erich Baron

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mit einer Gedenktafel am Lichtmast vor dem Haus auch künftig in der Öffentlichkeit unvergessen.

Aus: 15 Jahre. S. 26. – Erhard Römer. Journalist. Lange Jahre Pressereferent im Zentralvorstand der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

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Ein unvergessliches Erlebnis Ferdinand Thun-Hohenstein In sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet ich als junger Leutnant Ende September 1943. Schon bald kam noch ein Kriegsgefangener hinzu, ein Student, der auch Russisch gelernt hatte, was für uns beide von Vorteil war. Gemeinsam wurden wir zu einer höheren Stabseinheit gebracht, die der nach Westen vorrückenden Front der Roten Armee folgte.

Wir beide blieben etwa drei oder vier Tage bei dieser Einheit und wurden auch zur Versorgung der Einheit herangezogen, Holz holen und hacken, Wasser tragen u. a.

Eines Abends kamen wir nach einer längeren LKW-Fahrt immer weiter in Richtung Westen in ein fast völlig zerstörtes Dorf. Nur am Dorfrand standen noch einige verschont gebliebene Holzhäuser. Die deutschen Truppen hatten das Dorf offenbar erst kürzlich verlassen. Die Offiziere gingen in eines dieser Häuser mit zwei großen Räumen. Im ersten stand der traditionelle russische Ofen, der auch den zweiten Raum beheizte. Ein Hauptmann wies uns in den vorderen Raum ein und begab sich mit den beiden anderen Offizieren in den hinteren.

Im ersten Raum befanden sich eine ältere Frau und ein älterer Mann, sicher ein Ehepaar, dem dieses Haus gehörte. Sie waren erst einmal sehr erschrocken, als plötzlich zwei Deutsche auftauchten, wurden aber schnell von den Offizieren beruhigt. Wir seien ungefährlich, da Gefangene. Nachdem wir beide eine Weile still auf einer Holzbank gesessen hatten, fing die alte Frau plötzlich zu weinen an und hörte nicht auf. Sie konnte sich nicht beruhigen. Sie schaute uns an und weinte, weinte. Ich war verunsichert, erregt, verängstigt. Was war Schreckliches passiert? Was war der Grund ihres großen Schmerzes? Zerstörtes Eigentum? Weggetriebenes Vieh? Oder war Kindern, Verwandten Schlimmes widerfahren? Als ihr Weinen schließlich etwas nachließ, bat ich den Kameraden, er könne vielleicht mit seinen Russischkenntnissen herausbekommen, was der Grund ihres Kummers sei. Er kam mit ihr ins Gespräch und erzählte mir dann, was für mich eine der bewegendsten Erfahrungen in all den fünf Jahren meiner Gefangenschaft geblieben und bis auf den heutigen Tag unvergessen ist.

Die alte Frau sagte, sie weine über „unser“ Schicksal. So jung seien wir, und nun säßen wir hier. Zu Hause wüssten unsere Mütter nicht, was mit uns geschehen ist. Sie selbst habe auch einen Sohn an der Front. Sie wisse auch nicht, wo er ist, wie es ihm geht, ob er noch am Leben ist. Sie fragte: Warum können die Menschen nicht in Frieden miteinander leben? Warum dieser schreckliche Krieg? Warum nur seid ihr nach Russland gekommen? Von diesen einfachen Worten war ich tief betroffen. Es ist schwer, sich die beschriebene Szene genau vorzustellen. Da sitzen zwei deutsche Soldaten, jetzt Kriegsgefangene, in einem Dorf, das erst kurz vorher fast völlig durch die zurückweichende deutsche Armee zerstört worden war. Ich selbst bin mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt am Leben bleiben werde. Und in dieser Situation erschüttert mich die ganz einfache menschliche Regung dieser russischen Mutter, die ihren Kummer und ihre Angst um den eigenen Sohn mit dem Kummer unserer Mütter daheim teilt! Mir fehlen die Worte, dieses unvergessliche Erlebnis in seiner ganzen Tiefe zu beschreiben. Ich fürchte, dass es beim Lesen fast banal oder gar erfunden klingen könnte. Ich kann es nie ohne innere Bewegung schildern.

Die schlichten Worte der russischen Bäuerin haben mein Nachdenken über den Krieg stark beeinflusst, obwohl ich den tiefen Sinn ihrer Äußerung sicher nicht sofort erfasst hatte. Aber im weiteren Verlauf meiner Gefangenschaft begann ich nachzudenken: Warum sind wir hier, warum sind wir gegen die Sowjetunion? Was wird nach dem Rückzug der deutschen Armee geschehen, was kommt dann? Hinzu kam eine innere Verzweiflung. Ich war in meiner Familie sehr umsorgt aufgewachsen und kannte keine

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Alltagssorgen. Ich wollte freiwillig, noch vor dem Abitur, zur Wehrmacht, doch mein Vater hatte erklärt: Mach Du erst Dein Abitur! Du kommst zu diesem Krieg noch früh genug! Im Verlauf meiner Gefangenschaft schloss ich mich nach langen schwierigen Gesprächen mit Vertretern des Nationalkomitees Freies Deutschland (Zusammenschluss kriegsgefangener deutscher Soldaten und Offiziere sowie kommunistischer deutscher Emigranten in der Sowjetunion – die Red.) im Frühjahr 1944 dem „Bund deutscher Offiziere“ in der Bewegung „Freies Deutschland“ an. Eins war klar, darum kreisten meine Gedanken: Etwas grundsätzlich Anderes musste es auch in Deutschland nach diesem Krieg geben, denn das Alte hatte einen Hitler möglich gemacht.

Ferdinand Thun-Hohenstein. 1949

Erinnere ich mich an meine Gedanken zu Kriegsende, so waren es vor allem weitgehende Fragen, die mich bedrängten. Ich befand mich in einem kleineren Lager bei Moskau. Eigentlich dachten in den letzten Monaten und Wochen des Krieges viele Gefangene ähnlich wie ich: Die Angst, wie wird meine Familie die letzten Kämpfe überstehen? Die bohrende Frage, wann hört dieser Krieg endlich auf? Das Sterben, das Zerstören? Wie viele Opfer müssen denn die Sowjetunion und ihre zu Verbündeten noch bringen, um Hitler zu besiegen? Und die Deutschen, wie lange wollen sie dieses Hitlerregime noch ertragen? Manchmal war ich fast verzweifelt, dass die Bemühungen der Bewegung „Freies Deutschland“ nicht den erhofften Erfolg hatten, dass unsere Aufrufe an Wehrmacht und Bevölkerung, Hitler selbst beseitigen, nichts bewirkt hatten.

Endlich kam der Tag des Sieges. Ich empfand den Tag als den Sieg über Hitlerdeutschland, als Sieg, der den Alliierten ungeheure Opfer gekostet hatte. Aber ich dachte auch daran, wie viele deutsche Soldaten gefallen waren, dachte an die zivilen Opfer der deutschen Bevölkerung, an all das Leid, das Hitler verursacht hatte. Die vollständige Kapitulation Deutschlands war der ersehnte Sieg, aber für mich war das kein Freudentag. Die Opfer waren zu hoch. Der Krieg hatte über die Menschen daheim wie in der Welt zu viel Elend gebracht. Ich gedachte auch der vielen Opfer der antifaschistischen Kämpfer in Deutschland und in den vielen anderen Ländern.

Mich belastete sehr die Frage, warum wir Deutschen das alles nicht verhindert hatten.

Warum hatten wir Hitler handeln lassen und seine Aggressionskriege gegen die Völker Europas mitgemacht – ich selbst ja auch. Und: Was wird aus Deutschland, das sich nicht selber von der Hitlerdiktatur befreit hat, sondern erst von anderen Völkern befreit werden musste? Wie werden die Siegermächte mit uns umgehen? Welchen Preis werden wir Deutschen zu bezahlen haben, also auch wir Kriegsgefangenen, unter ihnen auch ich?

Fragen über Fragen ...

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Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 3 f. – Die Erzählung beruht auf Veröffentlichungen von Ferdinand Thun-Hohenstein in der TROIKA April/2005 und „Bob, du musst rennen, der Krieg ist vorbei!“ Zeitzeugen erinnern sich an den 8. Mai 1945, den Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Hrsg. von DRAFD e. V. Berlin 2010. S.48.

Ferdinand Thun-Hohenstein mit Cyrill Pech und Horst Schützler auf der Jahresabschlussveranstaltung. 10. Dezember 2011

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April 1945: Kaulsdorf in jenen Tagen. Aus Tagebuchaufzeichnungen.

Die ersten Tage des Friedens Vera Feyerherd Freitag, 20. April Ich pflanzte Kartoffeln. Wie gefährliche Insekten brummten russische Tiefflieger über mir in der Luft. Hin und wieder flog ein von Jagdfliegern abgeschirmter Bomberpulk der Reichshauptstadt entgegen... Niemand fürchtet die russischen Kampfflugzeuge. Sie greifen in die Schlacht um Berlin ein. Einzelne Zivilisten unter ihnen interessieren sie nicht.

Die Kampfflugzeuge flogen so tief über uns hinweg, dass man die Piloten fast sehen konnte.

Das Wetter war herrlich. Es ließ Gedanken an drohende Gefahr kaum aufkommen. Die Bäume begannen zu blühen.

Es wurde Nachmittag und es wurde Abend. Der Strom war den ganzen Tag abgeschaltet, so dass wir weder Nachrichten hören, noch die Luftlage verfolgen konnten. Ich verweilte etwas zu lange im Garten. Erst in der Dämmerung ging ich ins Haus, um mich zu waschen und mich für den täglichen Gang zum Luftschutzbunker fertig zu machen. Es wurde zu spät.

Als ich mit Luftschutzgepäck und Stühlchen aus der Tür trat, standen weit im Westen die „Weihnachtsbäume" schon taghell am Himmel. Längst waren die Jäger über uns hinweggebraust. Jeden Augenblick konnten die Bomber folgen. Ich verlor den Kopf.

Zunächst wollte ich loslaufen. Vielleicht schaffte ich es noch vor dem Angriff zum Bunker, doch Mama hielt mich zurück. Eng zusammengepfercht saßen wir alle in einem kleinen Kellerloch unter der Treppe. Fieberhitze stieg in mir hoch, als ein Geschwader nach dem anderen ganz tief über unser Haus hinwegbrauste. Eine Bombe nach der anderen detonierte. Die Einschläge kamen immer näher, und lange vorher hörte man es rauschen und brausen, unheilvoll. Ich meinte, das alles nicht ertragen zu können. Wir saßen in tiefster Finsternis. Mama zog meinen kleinen Bruder an sich heran und versuchte, mit ihm zu scherzen, ich aber wollte nichts mehr hören und verbarg meinen Kopf tief in meinem Mantel. Das Blut hämmerte mir in den Schläfen. Gegen drei Uhr war alles vorbei. Lange konnte ich keinen Schlaf finden. In der Ferne fielen noch immer Bomben.

Sonnabend, 21. April Mama hatte von der Klatten (einer Nachbarin) ein Rad geborgt. Damit fuhr Vater nach Berlin. Nach anderthalb Stunden kehrte er zurück. Die Russen seien bereits in Mahlsdorf, hätten Flüchtlinge berichtet. Eine Frau ging eilig an unserem Haus vorbei. „Panzerspitzen sind schon im Wald!", rief sie uns zu. Gewehrschüsse und Maschinengewehrsalven fegten durch die Straßen. Irgendwo in der Umgebung barsten Panzerfäuste. Das Kriegsgeschehen hatte Kaulsdorf-Süd erreicht, so schien es. Danach ging der Tag verhältnismäßig ruhig vorüber, aber gegen Abend hatte uns die feindliche Artillerie im Visier. Granaten wirbelten Staubwolken auf. Am frühen Morgen eilten wir in den Bunker und hielten uns dort bis zum Mittag auf. Auf dem Heimweg erfuhren wir, dass sich Pankow und Weißensee schon in russischer Hand befanden. Im Norden war der Himmel blutrot.

Dumpfe Artillerieschüsse krepierten in der Stadt.

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Sonntag, 22. April Straßenkämpfe versetzten uns in Angst und Schrecken. Maschinengewehrgarben russischer Tiefflieger peitschten durch die Straßen und jagten deckungslose deutsche Soldaten hin und her. Ein blutjunger Bursche in Uniform kam zu mir in den Garten und bat um einen Spaten. Er wollte sich mit seinem Maschinengewehr eingraben. Gegen Abend sammelten sich die versprengten Truppenteile in der Ulmenstraße.

In der Nacht krepierten wieder Granaten, Flieger brummten, das Haus bebte, von der Decke fiel der Kalk. Eine große Gleichgültigkeit überkam mich. Wir hatten die beiden letzten Nächte alle nicht geschlafen, zumal mein Vater, der „Schutzhäftling 11063"*, beschlossen hatte, seinem Arbeitseinsatz in der Stadt fernzubleiben. Mit dem Gedanken, dass ich es am Morgen ja merken würde, ob ich noch am Leben sei, schlief ich ein, erwachte aber schon um zwei Uhr nachts. Es war ruhiger geworden. Nur noch wenige Schüsse und Einschläge in der Ferne waren zu hören. Der Morgen dämmerte herauf. Ich trat ans Fenster. Hinter dem Wald ging die Sonne rot auf. Vater und Mutter schliefen noch.

Vor der Tür waren in der Nacht die Kirschbäume aufgeblüht, während wir im Keller um unser Leben gebangt hatten. Die kühle Morgenluft ließ mich den Krieg für einen Augenblick vergessen.

Die schielende Klatten kam aufgeregt gelaufen: „Bei Rassau, unserem Bäcker, hat eine Granate eingeschlagen und Zubkes Haus hat auf der Straßenseite ein großes Loch, und ich habe geschlafen und nichts gehört." Die Klatten ist auf einem Ohr fast taub.

Wahrscheinlich hat sie auf dem gesunden Ohr gelegen.

Montag, 23. April Eiliger Durchmarsch der Russen. Es waren die ersten, die wir zu Gesicht bekamen.

Ungeordnet zog eine lehmfarbene Kampfeinheit an unserem Haus vorbei. Auf den sonnengegerbten Gesichtern der Soldaten zeigte sich eine durch Kampf und Entbehrungen entstandene unberechenbare Wildheit. Erdfarbene Gestalten eilten in verschwitzten Hemdblusen und lehmverkrusteten schweren Stiefeln im Sturmschritt an uns vorbei. An ihren Gürteln klirrten die Feldgeschirre. Sie schienen von der Begierde vorwärts getrieben zu sein, den Feind in seiner Hauptstadt vernichtend zu schlagen, um endlich heimkehren zu können. Angesichts der letzten Kämpfe schien jede dieser wendigen, verwitterten kleinen Gestalten sein eigener Herr zu sein. Den Tod vor Augen, schien sie weder Befehl noch Verbot zu lenken und zu leiten, wohl aber eine zielgerichtete innere Kraft. Was links und rechts ihres Weges lag, beachteten sie kaum, was sich ihnen aber in den Weg stellte, wurde überrannt. Ich blickte ihnen nach, bis sie mir aus den Augen waren. Die Gewehrläufe der letzten Soldaten blitzten noch einmal in der Sonne auf, dann hing nur noch ein strenger Geruch in der Luft.

Wieder kam die Klatten gelaufen. „Habta sie jesehn?", stieß sie heiser hervor und fuchtelte aufgeregt mit den Armen. „Ick hab se mir aus'm Fensta jenau anjesehn. Ena hat beim Lofen wat aus de Tasche jezoren und wegjeworfen. Jeldscheine waren es. Übrigens liecht de janze Straße voll davon, unsere und alliierte Scheine." Meine Mutter bemerkte ärgerlich die nackten Arme und Beine der Klatten und fuhr sie an: „Wie läufst du nur in diesen bösen Zeiten herum und stellst dich noch am Fenster zur Schau!" Die Klatten schlug die Hände vor das Gesicht: „Aba ick reje mir doch so uff! Wat soll denn nu aus uns werden?" Die Klatten tut mir leid. Sie hat niemanden, der sie beschützen oder ihr helfen könnte. Seit Monaten hat sie keine Feldpost mehr bekommen. Sie weiß nicht, ob ihr Mann noch lebt. Kinder oder andere Angehörige hat sie nicht. Wenn der Krieg sein Ende gefunden hat, wird eine Welt des Misstrauens und der Verachtung uns alle umgeben.

An diesem sonnendurchtränkten Apriltag wurde in Kaulsdorf kaum noch geschossen.

Der Himmel war tiefblau. Noch in der vergangenen Nacht hatten Einheiten der WaffenSS Widerstand geleistet und sich dann im Schutz der Dunkelheit aufgelöst. Zwar brausten

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noch immer Tiefflieger über unsere Köpfe hinweg, den Ruinen der Reichshauptstadt entgegen, der dumpfe Beschuss der Stadt aber wurde kaum noch wahrgenommen.

„Kriegsflüchtlinge“. Aquarell Vera Feyerherd. 1993 DIE ERSTEN TAGE DES FRIEDENS Und die Tage des Krieges entwichen, entflohen gleich dunkelen Wolken.

Besseren Stunde hob sich die Sonne entgegen und Frühling ward es, und Mai. Freundlicher glänzten die Sterne nachts am unendlichen Himmel, und zaghaft sangen schon wieder Nachtigallen im Strauch.

Mutwillig-scherzend und glückhaft-versonnen wie Kinder, gedankenvoll schritten die Sieger über vom Kriege verwüstetes Land.

Viel Elend dehnte sich rings, sie merkten es kaum in der Runde, zu viel hatten sie schon gesehn ...

Es rollte der Mond aus dem Walde hervor, da trieben buntscheckiges Vieh in der Dämmerung sie von der Weide, und mit ihnen schritt wohl die Hirtin, einen blühenden Zweig in der Hand, und trällert ein heimisches Lied.

In der Ferne sangen verhalten Soldaten, und der einfältig-schlichte Gesang ward in der Dämmerung leuchtend und groß.

Schwermut webte am Himmel einen Stern an den anderen.

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Es seufzte die Nacht und es nickten ganz leise die Bäume, sie nickten und raunten ein selig Geheimnis ins All. Durchflutend die Welt, drang es in Knospen und Blätter und ließ die Ruinen des Krieges vergessen.

Gelächter klang auf, dann wispert es leis’.

Eine Tür fiel ins Schloss. Es erklang der schwere Schritt von Soldaten und alles verhallt in der Zeit.

Ganz ruhig wurde es wieder, nur Grillen zirpten im Gras und die Stille lauschte bewegt dem Atem der schlafenden Nacht.

Mai 1945 Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 6 ff. – Vera Feyerherd, Jahrgang 1924. Dr. phil., Slawistin.

Studium der Slawistik und Germanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1946 bis 1951.

Dozentin für Russisch an der ABF Berlin von 1951 bis 1955. Von 1955 bis 1961 Aspirantur in Leningrad, Moskau, Berlin. Von 1971 bis 1984 Dozentin für klassische russische Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin. *Franz Feyerherd, Kommunist, Elektriker von Beruf. Als Häftling des KZ Sachsenhausen war er mit anderen in einem von bewaffneten Wachsoldaten geführten Arbeitskommando für die Behebung von Bombenschäden an Regierungsgebäuden eingesetzt. In den letzten Kriegstagen durfte er mit Erlaubnis der Bewacher die Nachtstunden zu Hause verbringen.

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Befreiung und Freundschaft Horst Herrmann Das Ende des Krieges 1945 haben die Menschen sehr unterschiedlich erlebt und viele nicht oder zumindest nicht gleich als Befreiung. Ich war sechzehn Jahre alt und gehörte der Hitlerjugend an. Im Februar erhielten wir den Auftrag, für den Fall der Besetzung Berlins uns auf einen illegalen Wehrwolfeinsatz vorzubereiten. Die Rote Armee war aber schneller. So nahmen wir als Volkssturm an der Verteidigung der Stadt teil.

Für mich blieb zweierlei in Erinnerung: eine große Erleichterung darüber, dass die Grausamkeiten des Krieges beendet waren und eine ebenso große Ungewissheit, wie das Leben nun weiter gehen würde.

Noch als Schüler und dann als Lehrling erlebte ich die Bombardierung Berlins. Sehr viel Schlimmes sah ich in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 1945. Der sinnlose Versuch von Einheiten der Wehrmacht, entlang der Schönhauser Allee die Front zu durchbrechen, wurde von der Roten Armee schon im Ansatz gestoppt.

Horst Herrmann im Lager.

Zeichnung von einem Mitgefangenen.

Rückseite einer Kriegsgefangenenpostkarte. 1948

Ich entging der Gefangennahme und kehrte zu meinen Eltern zurück. Das Leben normalisierte sich langsam. .... Eine abenteuerliche Fahrt durch das zerstörte Berlin zu meinem Lehrbetrieb in Berlin-Staaken brachte kein Ergebnis.

Am 5. Juni wurde ich von zu Hause zu einem Verhör in der sowjetischen Kommandantur in Prenzlauer Berg abgeholt und danach interniert. Später sogar von einem Militärtribunal zu zehn Jahren Lagerhaft wegen Zugehörigkeit zur Hitlerjugend, zum Volkssturm und zum Werwolf verurteilt. Im Frühjahr 1947 brachte man mich zusammen mit vielen anderen Internierten und Zivilverurteilten in ein Kriegsgefangenenlager nach Sibirien.

Schon vor dieser „Reise" kam mir allmählich die Erkenntnis, dass ich die schwierigen Lebensumstände, in die ich geraten war, nicht zuerst denen anlasten konnte, die mich nicht ganz unberechtigt in Gewahrsam genommen hatten. Die Worte „Wir danken unserem Führer" bekamen für mich eine neue Bedeutung. Neben der oft schweren Arbeit z. B. unter Tage, im Steinbruch, beim Entladen von Eisenbahnwaggons oder als Bauarbeiter nutzte ich jede Gelegenheit zu geistigem Ausgleich. Ich las Bücher deutscher und russischer Klassiker sowie bekannter sowjetischer Autoren, besuchte Zirkel für Politik und Geschichte. Es gab Filmveranstaltungen, und die Kriegsgefangenen hatten eine Theatertruppe. Unschätzbar wichtig für mein weiteres Leben waren Begegnungen mit russischen Menschen, natürlich vor allem bei der Arbeit. Ich lernte sie achten und ihre Sprache Wort für Wort verstehen, lesen, sprechen. Erst später begriff ich, dass diese Zeit – insgesamt achteinhalb Jahre bis zu meiner Heimkehr im Herbst 1953 – für mich eine wichtige Lebensschule war. Mein Lehrer, den ich besonders schätzte, war Eduard R., ein lettischer Kommunist, den ein widriges Schicksal zu einem deutschen Kriegsgefangenen gemacht hatte. Er war Leiter des Antifa-Aktivs im Lager. Ihm verdanke ich vor allem, dass ich die Welt realistischer zu betrachten begann, dass für mich humanistische Ideale und internationalistisches Denken und Handeln bestimmend wurden.

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Die Erkenntnis, dass der 8. Mai 1945 unabhängig von subjektiven Erlebnissen und Ansichten objektiv ein Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg ist, gehört für mich unstrittig dazu. Menschen, die sich auch heute noch schwer tun, dies zu begreifen, bewusst oder unbewusst dem anhängen, was diesem Tag voranging, haben – so meine ich – die mahnenden Worte von Richard von Weizsäcker nicht begriffen: "Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen."

Meine keinesfalls vollkommenen Kenntnisse der russischen Sprache haben mir in mehr als 50 Jahren ungezählte herzliche Begegnungen mit Menschen aus der einstigen Sowjetunion ermöglicht, vielfach erwuchsen daraus persönliche und zum Teil familiäre Verbindungen.

So war und ist für mich und meine Frau – sie möchte ich hier ebenfalls nennen – der 8. Mai immer auch ein Tag der Freundschaft. Besonders war er es dann, wenn wir ihn zusammen mit dem 9. Mai, dem Tag des Sieges, mit guten Freunden in Moskau oder Berlin begehen konnten.

Horst Herrmann mit seiner Mutter 1953 auf dem Berliner Weihnachtsmarkt

So war und ist für mich und meine Frau der 8. Mai immer auch ein Tag der Freundschaft.

Besonders war er es dann, wenn wir ihn zusammen mit dem 9. Mai, dem Tag des Sieges, mit guten Freunden in Moskau oder Berlin begehen konnten.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 11 ff.

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Aus jüngeren Jahren Helga Köpstein Die russischen Zahlen von eins bis zehn habe ich von meiner Schulfreundin A. gelernt, die zweisprachig aufgewachsen ist. Als zum Winter 1939/40 in Berlin-Moabit an der Volkshochschule ein Russischkurs angeboten wurde, gab uns der Vater meiner Schulfreundin G. den weitsichtigen Rat: „Lernt Russisch. Russisch hat Zukunft." So trabten wir zu dritt (befreundet sind wir bis heute) zweimal wöchentlich in das Schulgebäude in der Turmstraße neben dem nicht mehr vorhandenen Stadtbad Moabit.

Dort unterrichtete Herr Pommer nach dem kleinen grünen Lehrbuch von Nicolai von Bubnoff, 8. Auflage, Heidelberg 1937 (Methode Gaspey-Otto-Sauer). Die ersten Leseübungen galten dem spannenden Thema Nasch Kalendar Pogody (Unser Wetterkalender). Immerhin blieben wir bei der Stange. W ir waren die einzigen Schulkinder in diesem Kreis, alle anderen Erwachsene, meist ältere Männer, wenn ich mich richtig erinnere. Manche konnten in diesen Abendkursen nur mit Mühe die Augen offen halten. Was mag aus ihnen geworden sein? Im Frühjahr 1941 gab es dieses uns heute unwirklich anmutende Angebot in der Volkshochschule nicht mehr. Waffengang statt Sprachverständigung.

Das von Helga Köpstein benutzte Russisch-Lehrbuch

Die Monate April/Mai 1945 in Berlin brachten unterschiedliche Begegnungen. Am 2. Mai war der vorherrschende Gedanke: Endlich schweigen die Waffen. Es ist Frieden.

Damit verbunden bleibt für mich die Erinnerung an den blühenden Fliederbusch unter unserem Parterrefenster und an Ziehharmonikaklänge und teils schwermütige, teils fröhliche Gesänge von Rotarmisten vom gegenüber liegenden Krankenhausgelände.

Als Schulfreundin A. 1947/48 bei einer sowjetischen Pressestelle in Weißensee arbeitete, im Gebäude des einstigen und heutigen Amtsgerichts, vermittelte sie mir drei ihrer sowjetischen Kolleginnen als „Schülerinnen", Frauen im Offiziersrang, die ihr Deutsch reaktivieren wollten. Mit dem „Honorar" besserte ich mein Stipendium auf. Vor allem aber konnte ich mich an diesen Tagen richtig satt essen. Vor jeder „Unterrichtsstunde" wurde ich mit einem reichlichen Mittagessen bewirtet. Auch das erscheint mir heute im Rückblick etwas irreal. Zweimal in der Woche erschien ich in der dortigen Dienststelle, um entweder mit der einen nach Dienstschluss in ihrem Dienstzimmer „Konversation" zu betreiben oder eine andere von der Arbeit abzuholen und dann gemeinsam zu ihr nach Hause zu gehen. Vorher stattete ich natürlich meiner Schulfreundin einen kurzen Besuch ab. Einmal stürmte ich in ihr Zimmer, auf ihren

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Schreibtisch zu, um sie zu begrüßen – da saß aber ein junger Offizier; sie hatten das Zimmer getauscht. Blonde Haare waren die einzige Gemeinsamkeit. Es war mir schrecklich peinlich. Das kommt davon, wenn man die Brille nur in dunklen Kino- und Theatersälen aufsetzt!

An die drei sowjetischen Frauen erinnere ich mich noch sehr deutlich: Die Älteste, Tsch., war eine sehr freundliche und herzliche Frau – eine starke Raucherin. Sie erzählte mir einmal sehr anschaulich und gestenreich, wie sie in jungen Jahren vom Ritus des Rauchens, beginnend mit dem Griff zur Zigarettenschachtel und dem Anzünden der Zigarette, angezogen und verführt worden war. Sie lachte gern und steckte ihre Umgebung mit ihrem Lachen an. Ich mochte sie sehr. S. war im mittleren Alter. Sie und ihr Mann, beides höhere Offiziere, wohnten in einem Einfamilienhaus. Ich glaube, zu ihr ging ich direkt in die Wohnung, ohne den Umweg über die Dienststelle. Mir gegenüber war sie reserviert. Sie wollte Alexander Abuschs „Irrweg einer Nation" mit mir diskutieren, bemerkte aber schnell meine Ahnungslosigkeit und riet mir dringend, mich mit dieser Schrift vertraut zu machen. Mit der dritten, F., blieb ich am längsten im Lernen vereint. Wir machten bald zusammen Französisch. Ich erinnere mich, dass sie einmal eine Begegnung mit Erich Honecker erwähnte und meinte, ich müsste ihn auch kennen lernen.

Sie kam nicht darauf zurück. – Die erzieherische Absicht gegenüber der jungen Deutschen war unverkennbar, aber auch nur zu verständlich…

Das war noch zu Besatzungszeiten, es gab weder die DDR noch die Bundesrepublik, Berlin war frei passierbar.

Die ersten Sprachkurse bedurften mehrfacher Ergänzungen. Einmal wagte ich mich an der Uni in einen Sprachkurs für Slawisten: Puschkin. Begeisternd und allgemeinbildend, aber nicht gerade alltagstauglich. Eine gewisse Grundlage kam aber doch im Laufe der Jahre zustande. Sie half mir im Beruf. In der Erforschung des byzantinischen Mittelalters waren die sowjetischen Kollegen führend, man kam an ihren Publikationen nicht vorbei. Die russische Sprache war hilfreich auch im Briefwechsel und im Gespräch mit den sowjetischen Verantwortlichen für die Bauten der Ehrenmale. Sobald aber die Moskauer Ingenieur-Offiziere oder die Bildhauer des Ehrenmals Tiergarten über brisante Geschehnisses der Vergangenheit oder Gegenwart in heftige Diskussionen gerieten, also dann, wenn es am interessantesten wurde, musste ich passen. So sind mir sicher wichtige Detailinformationen entgangen; das habe ich sehr bedauert.

Lew Kerbel und Wladimir Zigal, beide Jahrgang 1917 und von Jugend an befreundet, wurden gleich nach Kriegsende, noch im Frühjahr 1945, mit der Skulptur für das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten betraut. Zigal hatte schon in seinem autobiographischen Buch von 1986 berichtet, dass sie sofort nach ihrer Ankunft in Berlin die Bronzegießerei Hermann Noack in Friedenau aufsuchten. Sehr lebendig beschreibt er, wie er sich beim Betreten der Gießerei gleich von der ihm bekannten Atmosphäre angezogen fühlte und dann höchst erstaunt war, als ihm in der Werkstatt Frau und Töchter des Firmenchefs, „eine anmutige Frau von etwa 40, 45 Jahren und zwei zauberhafte Mädchen entgegentraten, die eine 20, die jüngere nicht älter als 18 Jahre." (W. J. Zigal: Ne perestawaja udiwljatsja ... Sapiski skulptora / Nicht aufhören zu staunen. Aufzeichnungen eines Bildhauers/. Moskau 1986, S. 90.) Als ich Zigal 1998 das erste Mal persönlich begegnete, war es genau diese Situation, die er mir als erstes im Taxi auf dem Weg zu Kerbels Atelier in der Uliza Sorge 35 – nach mehr als 50 Jahren – mit größter Anschaulichkeit schilderte, so, als habe er sie eben erst erlebt. Dieses Kontrasterlebnis zu dem nur wenige Tage zurück liegenden Kriegsalltag muss sich ihm unauslöschlich ins Gedächtnis eingeprägt haben.

Kurz danach suchten Kerbel und Zigal den Bildhauer Georg Kolbe (1877-1947) in seinem Atelier in Westend auf (seit 1950 Georg-Kolbe-Museum) und verhehlten dem

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deutschen Künstler nicht ihre Verehrung. Kolbe war im Juni 1932 auf Einladung des deutschen Botschafters in der Sowjetunion gewesen; er war dort hoch angesehen. Als die jungen sowjetischen Künstler wenige Wochen nach dem Krieg den Altmeister besuchten, arbeitete Kolbe gerade an der Skulptur des "Befreiten". Das Thema bewegte den deutschen Künstler ebenso wie die sowjetischen Bildhauer. Und es bleibt ein aktuelles Thema, das uns mahnt – bis heute.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 13 ff. – Helga Köpstein, Jahrgang 1926. Prof. Dr. sc. phil., Historikerin. Studium der Altphilologie an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1946 bis 1951.

Danach Tätigkeit auf dem Gebiet der Byzantinistik an der Akademie der Wissenschaften der DDR.

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Begegnungen mit Sowjetmenschen Ronald Pagel Es war 1942, als mein Vater, beeinflusst von der tagtäglichen nazistischen Gräuelpropaganda, unsere Familie in die Ausstellung „Das Sowjetparadies" führte, die nach dem Brandanschlag durch die Widerstandsgruppe Herbert Baum inzwischen in Räume in der Behrenstraße verlegt worden war. Dort zeigte man uns die sowjetischen „Untermenschen", gegen die Deutschland Krieg führte. Natürlich gab es keine wirklichen Menschen, nicht einmal Ausstellungspuppen. Dafür mit Lumpen, Decken oder Soldatenmänteln umhängte Drahtgestelle, ohne Gesichter, Hände, Füße. Alles war recht grausig anzusehen und verfehlte bei den meisten Besuchern sicher nicht die gewünschte Wirkung. Auch auf mich, den damals Sechsjährigen: Ich war eingeschüchtert, mich beschlich ein Angstgefühl, das mich viele Jahre begleitete und immer dann besonders spürbar war, wenn ich nur hörte „Die Russen kommen!" Zu meinem Glück hat sich dieses Gefühl jedoch nicht so tief eingegraben, dass es etwa mein weiteres Leben geprägt hätte.

Im Herbst 1945 – wir wohnten im amerikanischen Sektor Berlins – hatte ich bei meiner Tante in Stahnsdorf die ersten Kontakte mit realen sowjetischen Menschen, Russen. Das waren sowjetische Soldaten, die, in den dortigen Kasernen untergebracht, recht enge Verbindungen zur deutschen Bevölkerung herstellten. Auf einer großen Freifläche nahe der Schleuse Machnow waren mehrere Feldküchen aufgestellt worden, Soldaten verteilten die schmackhafte Suppe auch an uns, die Deutschen. Soldaten spielten auf dem Akkordeon, der Gitarre oder Balalaika russische Lieder, manche tanzten dazu typische russische Volkstänze. Das war für mich begeisternd, mitreißend und einprägsam und weckte in mir eine tiefe Liebe zu diesen Melodien und Tänzen, eine Liebe, die unauslöschlich wurde und seither mein Leben begleitet. Tief beeindruckt war ich vom Soldaten Wolodja, der sich zu uns gesellte und offenbar an mir einen besonderen Gefallen gefunden hatte. Er war freundlich, trieb mit mir Späße, nahm mich auf seinen Arm (mit neun Jahren war ich noch ein Leichtgewicht!) und tanzte mit mir herum. Wolodja konnte sich auch einigermaßen mit uns verständigen und ließ durchblicken, dass sein kleiner Sohn bei einem deutschen Angriff umgekommen war. .... Noch mehrmals, als wir in Stahnsdorf waren, trafen wir Wolodja, der mich und meine vierjährige Cousine liebevoll mit Schwarzbrot, Armeezwieback, zuweilen auch mal mit gekochten Eiern verwöhnte damals für uns Kinder, die wir stets Hunger hatten, wahre Delikatessen. Eines Tages war Wolodja weg. ... So endete die erste Bekanntschaft mit einem Sowjetbürger. Mich indes prägten die damaligen Erlebnisse nachhaltig, ich wage zu behaupten, für mein Leben.

Als am 17. Juni 1953 die berechtigte Unzufriedenheit vieler Arbeiter in der noch jungen DDR zu tiefgreifenden Empörungen und aufstandsartigen Unruhen führte und dies namentlich von Westberlin aus gezielt für den Sturz der Arbeiter-und-Bauernmacht genutzt werden sollte, rollten sowjetische Panzer durch Berlin, um dies zu stoppen. Bei uns in der Prenzlauer Allee schlugen Sowjetsoldaten ihre Zelte auf. Am Abend des 18.

Juni improvisierten sie für die Bevölkerung ein Straßenkonzert. Da waren sie wieder, die mitreißenden, das Gemüt berührenden Lieder und Tänze ... Obwohl ich recht müde war, denn am Abend zuvor war ich mit dem Rad nach Adlershof gefahren, um in unserer Lehrwerkstatt Wache zu halten und möglichen Provokationen vorzubeugen, ließ ich mir das Konzert nicht entgehen. Junge Leute wie ich kamen anschließend mit den „Gastgebern" rasch ins Gespräch. Und manch einer hat sie vielleicht gleich mir wieder als unsere Befreier betrachtet.

Als ich an der Arbeiter-und-Bauernfakultät der Humboldt-Universität zu Berlin ein Vorstudium aufnahm, trat ich – für mich ganz folgerichtig – in die Gesellschaft für Deutsch-

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Sowjetische Freundschaft ein (November 1954). Ich war sehr glücklich, als ich nach erfolgreichem Abschluss des zweiten Studienjahres (1956) zu einer Jugendfreundschaftsreise in die Sowjetunion delegiert wurde. Die Reise führte uns von Brest über Minsk, nach Leningrad und Moskau. Das war zu einer Zeit, als der schrecklichste Krieg, der über Millionen Sowjetmenschen unsagbares Leid gebracht hatte, gerade erst elf Jahre vergangen war. Da war es nicht ungewöhnlich, dass uns junge Menschen die Frage bewegte, wie man uns Deutsche in der Sowjetunion aufnehmen, ob uns Hass entgegen schlagen würde. Doch wir fanden freundliche, aus ehrlichem Herzen kommende Aufnahme, was uns zutiefst bewegte. Nur ein einziges Mal – bei der Besichtigung der Festung Brest – war dies etwas anders: Auf der Straße sprach uns ein Mann auf Krücken an, wollte wissen, ob wir Deutsche seien und zeigte dann mit seiner Krücke auf seinen Beinstumpf und gab uns zu verstehen: „Deutsche!" Von diesem Zusammentreffen aufgewühlt und betroffen, gingen wir schweigend weiter. Im Verlauf der Reise trafen wir mit unterschiedlichsten Menschen zusammen – niemand hat uns als Nachkommen jener Deutschen, die dem Land unendliche Wunden geschlagen hatten, etwa feindseliges Entgegenkommen gezeigt. Auch nicht im belorussischen Chatyn, einem kleinen Dorf, dessen Einwohner von den Faschisten in einer Scheune zusammengetrieben und lebendig verbrannt wurden. Fast jedes vierte belorussische Dorf hat ein ähnliches leidvolles Schicksal erlebt. Das sollten wir nicht vergessen, ebenso wie die Güte und menschliche Größe, mit der Sowjetmenschen Bürgern des neuen deutschen Staates, der DDR, gegenüber traten.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S.15 ff.

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Freunde zum Anfassen Brigitte Großmann Ich wurde hineingeboren in die Zeit am Ende der größten Katastrophe der Weltgeschichte.

Ich gehöre zur Nachkriegsgeneration, habe den Krieg nicht erlebt, aber bin aufgewachsen mit den Bildern der Zerstörung meiner Heimatstadt Berlin, mit dem Schmerz meiner Großmütter, deren Söhne aus dem Krieg nicht zurückgekehrt waren, und mit der Reue und dem Schamgefühl für jene Deutschen, die für eine Rassenideologie und ein „Volk ohne Raum“ in einen verbrecherischen Völkermord gezogen waren.

Die Anwesenheit sowjetischer Soldaten im Osten Deutschlands hatte schon 1952, ein Jahr bevor ich eingeschult wurde, sichtbare und unsichtbare Spuren in mir hinterlassen.

Ging ich vom Schrebergarten meiner Berliner Großeltern durch die Laubenkolonie „Feldtmannsburg“, gelangte ich an die heutige Hansastraße. Dort befand sich ein großer Platz mit Rasen, Sträuchern, Kiefern und Birken. Dieser Ort wurde der „Faule See“ genannt. Hier begegneten wir, die sechsjährigen „Gartenkinder“, Männern mit ihren gelbbraunen Uniformen, die meist ölverschmiert waren, mit oft zu großen Stiefeln an den Füßen, die Hosen darin festgesteckt. Einige spielten Volleyball, andere kauten Sonnenblumenkerne und spuckten die Schalen im großen Bogen von sich, manche dösten in der Sonne. Meistens spielte einer von ihnen herzzerreißend Akkordeon. Die Melodien waren lustig, aber in meiner Erinnerung oft auch traurig.

Wir Kinder umzingelten die Soldaten ohne Scheu und lauschten den fremden Lauten.

Wir hatten es auf ein Stück ihrer Schokolade abgesehen, die sie gern mit uns teilten. Mein Blick allerdings blieb immer zuerst an den tellergroßen Mützen und ihren Käppis hängen.

Ich suchte den kleinen roten Stern daran, denn er war mir vertraut. Vertraut aus den Erzählungen eines Großonkels. Großonkel Fritz hatte als Soldat Anfang 1918 an der Verbrüderung russischer und deutscher Soldaten an der Ostfront teilgenommen.

Eindrucksvoll schilderte er uns auf den Familienfeiern, wie es war, als Russen und Deutsche einfach nicht mehr aufeinander schießen wollten. An der Seite der „Roten“ kämpfte er dann aber noch ein weiteres Jahr im russischen Bürgerkrieg gegen die „Weißen“. Geheimnisvoll fremd klangen für mich dabei immer die Erzählungen über die „Krasnaja Armija“, die Rote Armee. Sie und der kleine rote Stern waren mir seitdem vertraut. Nur wenig später lernte ich im Schulunterricht, warum sie hier waren.

Die von Deutschland angezettelten Weltkriege prägten sicher jede deutsche Familiengeschichte. Mich bewog auch diese belastende Vergangenheit, nach der Schule ein Studium für Körpererziehung und Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin aufzunehmen. Das war 1965.

16 Jahre später – ich war inzwischen Lehrerin für Sport und Geschichte – fuhr ich mit meinen Schülern auf Klassenfahrt nach Röbel an der Müritz. In der Jugendherberge trafen wir auf sowjetische Soldaten. Die – wie sich später herausstellte – jungen Wehrpflichtigen saßen in ungezwungener Runde in der warmen Nachmittagssonne und waren erst einmal nicht als „die Russen“ zu erkennen. Die Herbergsleiterin teilte uns aber bei der Begrüßung unaufgefordert mit, dass wir nicht die einzigen Besucher der Herberge „Zur Mühle“ sind.

Wir sollten auf die zur Kartoffelernte eingesetzten Soldaten der Sowjetarmee Rücksicht nehmen.

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Am späten Nachmittag desselben Tages ging ich mit meinen Schülern in das örtliche Kino. Gezeigt wurde „Der elektrische Reiter“ mit Robert Redford in der Hauptrolle. Wir waren die ersten Kinobesucher an diesem Nachmittag und meine fünfzehnjährigen Mädchen und Jungen belegten natürlich die letzten Reihen. Nach einiger Zeit erschien ein mittelgroßer, dunkelhaariger junger Mann in der Uniform eines sowjetischen Militärangehörigen. Allein. Er schaute sich in dem noch leeren Kino um und setzte sich einige Reihen vor uns. Nach und nach trödelten einige Ortsansässige ein, die aufdringliche Blicke in die Richtung des Uniformierten warfen und seine Anwesenheit mit „Iwan“ und „Russki“ kommentierten.

Nachdem weitere abwertende Bemerkungen fielen, erfasste mich Scham und Zorn über diese Herabwürdigung. Ich blickte mich nach meinen Schülern um, bemerkte, dass einige diese Situation ebenfalls aufmerksam verfolgten und bat sie, den sowjetischen Fähnrich zu „umzingeln“, um ihn vor den verbalen Angriffen zu schützen. Meine Schüler tauschten bereitwillig ihre Plätze, und so saß der Fähnrich geschützt von jungen Deutschen, die Fremdenfeindlichkeit und Hass gegenüber dem sowjetischen Soldaten nicht hinnehmen wollten….

Am Abend organisierten meine Schüler eine Disko und ich fragte den Fähnrich – sein Name war Nikolai Lyssenko – ob sich die Soldaten daran beteiligen könnten. Nach einem zweiminütigen Gespräch mit den Soldaten und seinem Befehl: „Blusen anziehen, Knöpfe schließen, Koppel holen!“ begann die Disko. Sie sollte sich auch an den folgenden Abenden wiederholen.

Mein Interesse, über die Truppe mehr zu erfahren, war nach diesen Erlebnissen geweckt. In den Gesprächen am Abend erfuhr ich zum ersten Mal etwas von den Orten Elstal und Krampnitz und über Nikolai aus Nowaja Kachowka (Ukraine).

Das Treffen in Röbel weckte das Bedürfnis nach weiteren Begegnungen und den Wunsch, Nikolai wiederzusehen.

Er hatte mit seiner umgänglichen Art zu den Soldaten und Schülern meine Neugier geweckt. Die Schüler kannten sowjetische Soldaten bislang aus Büchern, Filmen und dem Geschichtsunterricht.

Nach der Begegnung in Röbel bot sich den Jugendlichen und mir die Gelegenheit, mehr über die fremden Soldaten und ihren Alltag in der DDR zu erfahren. Und so hatten wir bald „Freunde zum Anfassen“.

Die Fotodokumentation „Freunde zum Anfassen“ aus dem Jahre 2014 ist im Büro des Vereins einsehbar.

Brigitte Großmann, Jahrgang 1946. Nach dem Studium Körpererziehung/Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1965 bis 2010 im Schuldienst in Berlin.

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1957 – Als Studentin im Kaukasus Cilly Keller Es waren keine leichten Prüfungen in jenem zweiten Studienjahr, am Ende des vierten Semesters 1974. Zwar hatte ich mich schon etwas an den Stress von jeweils fünf Examen nach jedem Semester gewöhnt, dennoch fiel es besonders in den Monaten Mai und Juni immer wieder schwer. Die Sonne wollte tagsüber zum Baden am Finnischen Meerbusen verführen, und nachts standen die weißen Nächte vor dem Fenster und luden zu einem Spaziergang an der Newa ein. Aber stattdessen büffelte man mit den Kommilitonen auf der Bude für die Prüfungen in Fächern wie Werkstoffkunde, Theorie der Übergangsprozesse in Hochspannungsfreileitungen, Relaisschutz in Energiesystemen usw.

Aber auch das war irgendwann geschafft, und der Mensch, das heißt ich, brauchte Abwechslung für Geist und Körper. Viele der DDR-Studenten des Leningrader Polytechnischen Instituts, das den Namen Kalinin trug, fuhren nach Hause. Ich nutzte meine Ferien oft um das Land Sowjetunion und seine Menschen kennen zu lernen.

Was lag nun näher als die Teilnahme an einem der internationalen Studentenlager.

Ljuba Semitschenkowa, mit der ich das Zimmer im Wohnheim teilte, organisierte im Auftrag der Komsomolleitung des Wyborger Stadtbezirks Leningrads Baubrigadeneinsätze. Sie verhalf mir zusammen mit Studenten des Leningrader Staatlichen Pädagogischen Instituts Alexander I. Herzen, mit angehenden Ärzten aus Vietnam und ungarischen Studenten des Radiotechnischen Instituts gen Süden zu fahren, in das Gebiet um Stawropol.

Ich erhielt eine kleine rote Klappkarte mit der Aufschrift „Komsomolskaja putjowka (Komsomolauftrag – die Red.) 1974 – Allrussische Studentenbaubrigade 17. Komsolmolkongress“.

Begrüßung der Teilnehmer

Unsere Studentenbrigade trug den wunderschönen Namen HELIOS – die Sonne, MALCHA in einer der Kaukasussprachen. Ein ganzer Zug mit Studenten fuhr Richtung Stawropol, einige stiegen bereits in Jessentuki aus, sie sollten beim Straßenbau helfen. Unser Zielort war das Dorf Gornosawodskoje, ungefähr 50 Kilometer von Naltschik, der Hauptstadt Kabardino-Balkarien und nur 90 Kilometer vom 5633 Meter hohen Elbrus entfernt.

Der Juli im Jahr 1974 war heiß, und es war ratsam, den Empfehlungen der Lagerleitung zu folgen und Beine und Arme in den ersten Tagen vor der Sonne zu schützen, indem man bei der Feldarbeit Jacke und Hose trug. Jeder hatte eine wetterfeste

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Jacke und eine Hose erhalten, khakigrün. Die Rückseite der Jacke zierte später das Logo unserer Baubrigade. Die Arbeit im Juli bestand im Gurkenernten. Die Truppe, die im August noch blieb, hatte etwas süßere Früchte – Melonen - von den Feldern zu holen.

Die Arbeit machte Spaß und schmutzige Hände, die wir aber mit Gurkensaft am besten reinigten.

Wir wohnten in der Dorfschule, die Kinder hatten ja den zweiten Monat Ferien.

Metallbetten mit super weicher Federung und zwei Bettlaken, eins um darauf zu liegen, das andere zum Zudecken gedacht, … aber es war viel zu warm …

Für die Essenzubereitung mussten wir selbst sorgen, daher gab es eine Küchenordnung, die vorsah, dass jeder einmal mit Kartoffelschälen an der Reihe war. Es gab sogenannte „Tage der Länder“, was bedeutete, dass ein ganzer Tag vom Frühstück über Mittagessen und Abendbrot, nebst Abendkulturveranstaltung von den vietnamesischen, den ungarischen, den russischen Studenten oder von der einzigen Studentin aus der DDR gestaltet werden musste. Aber das bekam ich mit Nudelsalat und Würstchen zum Mittag und am Abend mit Sologesang auf die Reihe, jedenfalls waren die Leute begeistert und satt.

Die Atmosphäre im Lager war prima, man lernte sich kennen und fand Freunde. Mein besonderes Interesse erweckte Kolja, Nikolai Schtschepin. Er war zuständig für Fotografie und Wandzeitungsgestaltung. Seine Fotos waren immer am Folgetag auf einer Tafel ausgehängt. Auch ich fotografierte gern und so erschienen auch meine Fotos am Brett. Koljas künstlerische Qualitäten zeigten sich jedoch auch in der Malerei. Er hat wunderschöne Ölbilder gemalt. Und so saßen wir eines Tages gemeinsam vor einem Sonnenblumenfeld und malten, er mit Farbe, ich mit Bleistift, und zwischendurch wurden Sonnenblumenkörner entspelzt - die Körner gegessen, die Spelzen so weit wie man konnte ausgespuckt. Eine Tätigkeit, die sich einprägte, und die auch heute noch Spaß macht, aber man sollte auf dem Lande sein, der ausgespuckten Spelzen wegen. Mein Kontakt zu Kolja sollte mir später helfen, als einzige ausländische Studentin zusammen mit sowjetischen Studenten an einer zweitägigen Exkursion teilnehmen zu dürfen. Wir fuhren direkt in die kaukasischen Berge, unser Ziel war der Elbrus. Die Kabardiner nennen ihn Oschchamacho - den Berg des Glücks.

Am Fuße des Elbrus

Das Kaukasusgebirge, das die Landenge zwischen Schwarzem und Asowschem Meer durchzieht, beeindruckt mit scharfkantigen Kämmen von bis zu viertausend Metern Höhe, tiefen felsigen Schluchten, schäumenden Gebirgsbächen und blumigen Hochlandwiesen. Ich hatte die Möglichkeit, mit einigen Menschen der über vierzig im Kaukasus lebenden Völker Bekanntschaft zu schließen. Aus den zahl-reichen Gesprächen erfuhr ich sehr viel Neues von ihrer sehr alten Kultur. So stellte ich fest, dass der an den Kaukasusfelsen gefesselte Prometheus der griechischen Sage in den mündlichen Überlieferungen der Kaukasuslegenden ebenso existiert, hier aber den Namen Pcharmat trägt. Meine Freunde erzählten mir, dass im Altertum in den Bergregionen ein Sonnenkult herrschte, ein heidnischer Glaube, der in Spuren bis heute im Glauben der Menschen, neben dem muslimischen Glauben erhalten geblieben ist.

Die Eindrücke von dieser Fahrt, von den steilen Schluchten links oder rechts der Straße, die Straße war teilweise direkt in den Fels gehauen, von den reißenden

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Bergflüssen und -bächen, von den schneebedeckten Gipfeln des Kaukasusmassivs und von dem Sonnenaufgang waren überwältigend. So etwas hatte ich noch nie gesehen, und das Bild prägte sich tief ins Gedächtnis ein.

Unser kleiner Bus fuhr auf der Hin- und Rückfahrt durch Naltschik, der Hauptstadt von Kabardino-Balkarien, kabardinisch: Kebertej-Balker. Im Jahr 1917 waren 98 Prozent der hiesigen Bevölkerung Analphabeten, im Jahr 1970 dagegen nur noch 0,3 Prozent.

Bei einer kurzen Fahrpause wurde ich mit drei netten Jungs, Chakim Temirschanow und Wladimir Zrawu aus dem Dorf Sowjetski und Suleiman Kabardonow aus dem Dorf Babugent, bekannt. Mit Interesse vernahmen sie, dass eine Studentin aus der DDR unter den Studenten war, und ich kam schnell mit ihnen ins Gespräch. Sie schenkten mir zum Abschied spontan das 1971 erschienene Buch „50 Jahre Kabardino-Balkarien“ mit der Widmung: „Zur Erinnerung für das Mädchen Zilli von den Gorzy (Bergbewohner – die Red.) Suleiman, Chakim und Wladimir“. Keiner dieser drei und auch ich konnten 1974 erahnen, dass rund 30 Jahre später Krieg sein würde im Kaukasus, Krieg auch in Kabardino-Balkarien.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 19 ff. – Cilly Keller, Jahrgang 1953. Diplom-Ingenieurin.

Studium an der Elektrotechnischen Fakultät des Leningrader Polytechnischen Instituts von 1972 bis 1978. Bis 1992 in Unternehmen der Energieversorgung tätig.

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Worte sind der Taten Widerschein.

Aus Erinnerungen an Schriftstellerfreunde Leonhard Kossuth Den Verlag Volk & Welt hat es nicht nur gegeben - er hinterlässt eine Erfahrung, deren Bewahrung unverzichtbar ist ... Alles in allem wurde Volk und Welt republikweit als kulturelles Zentrum wahrgenommen, Grüße von Charlotte und Leonhard Kossuth an Freunde

und in guten und schwierigen Zeiten trugen seine Publikationen aus der Literatur der UdSSR sowie deren deutsche Lektoren, Übersetzer, Redakteure dazu bei. Das kam sogar darin zum Ausdruck, dass er als die Institution begriffen wurde, bei der eher als in wissenschaftlichen Instituten Antwort auf Fragen zur neuesten Sowjetliteratur zu erhalten war. Übrigens holten sich da auch BRD-Verlage Informationen für die eigene Arbeit – einschließlich Lizenznahmen... „Nur" ein Spiegelbild der breiten Kommunikation vor allem mit Autoren aus der UdSSR ist Charlottes (Ch. ist die Ehefrau von L. K. - die Red.) und mein häusliches „Gästebuch in Bildern"; es wurde bei einem fröhlichen Beisammensein vom lettischen Krimi-Autor Gunars Cirulis unbeabsichtigt eröffnet, als er sich Mitte der 60er Jahre auf der Rückseite einer Degas-Frauenakt-Reproduktion übermütig „verewigte". Mittlerweile umfasst die „Galerie" zwei Repros und drei Originale, deren Rückseiten kreuz und quer mit verschiedenfarbigen Faserschreibern von 200 bis 250 Gästen beschriftet sind; sie hingen schon in einer Ausstellung, wurden Gegenstand eines Zeitungsartikels (BZ am Abend, 4.2.1982), und unversehens sind sie dank ihrer Autoren zu einem historischen Dokument geworden. Ich bringe ein paar Beispiele: Viktor Schklowski hat am 10. März 1970 mit folgenden Worten geradezu ein literaturund zeitgeschichtliches Statement hinterlassen: „Berlin ist für mich eine Stadt der Träume - eine ganz andere Stadt als jene, die ich mit den Augen wahrnehme. Lesen Sie, was Majakowski über Berlin schreibt. Er sah die Stadt mit nüchternen und traurigen Augen.

Am Tod des Dichters ist eine gute Zeit schuld, die noch nicht angebrochen war, sind gute Menschen, die noch nicht herangewachsen waren. Die Zeitschrift 'Ogonjok' hat mit Verleumdungen auf dem Grab eines Menschen der Zukunft ihre Geschäfte gemacht.

Möge die Erde für solche Leute zur Wahrheit werden und sie ausspucken." Jewtuschenko hinterließ unheilschwangere Verse in einer hieroglyphengleichen Schrift ...

Interessante Konstellationen ergaben sich über die Jahre hinweg. So schrieb der „Metropol-Herausgeber" und später ins Ausland ausgereiste Wassili Axjonow: „Wie schade, dass ich heute zu sehr betrunken bin, um eine Ode an Charlotte und Leo zu verfassen. Nächstes Mal werde ich nüchterner sein, dann wird sie nachgeliefert."

Daneben steht von Georgi Markows Hand – er war 1. Sekretär des Schriftstellerverbandes der UdSSR und ZK-Mitglied: „Absolut einverstanden", das bezog sich freilich auf eine darüber befindliche Eintragung von Lew Ginsburg. - Ein formvollendetes Stegreifgedicht, mit dem Rimma Kasakowa Degas' „lichtbogengleiche elektrisierende Schönheit" ironisierte, rief über die Jahre selbst einen Disput hervor: Boris Polewoi widersprach ihr,

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und Alexander Besymenski – zu der Zeit an die siebzig – pries in einem Zweizeiler seine Frau als hundertmal schöner denn das Streitobjekt. Da wir die armenischen, georgischen, kasachischen, litauischen usw. Gäste baten, in ihrer Landessprache zu schreiben, bräuchten wir mittlerweile ein multinationales Philologengremium, um alles zu entziffern ... Zu viele der Autoren, inzwischen verstorben, wecken nun auch traurige Gedanken schon gar, wenn wir als Widerhall einer Eintragung von Juri Trifonow („...Literatur ist unser Fluch") neun Monate später von Bulat Okudshawas Hand zwei Zeilen eines Trifonow gewidmeten Liedes finden, dessen Ende in deutscher Nachdichtung lautet: „Lasst uns nur Freunde sein, solange wie wir leben, / zumal uns auf der Welt so kurze Zeit gegeben" (seit fünfzehn bzw. fünf Jahren sind beide tot).

Nachdem wir, Charlotte und ich, 1973 nördlich von Berlin, in Prenden, ein Wochenendgrundstück erworben und einen Bungalow darauf errichtet hatten, waren viele Autoren auch dort zu Gast ... Dank Boris Moshajew aber ist Prenden sogar in die russische Literatur eingegangen: Einen ersten Artikel in der „Literaturnaja gaseta" vom 21. März 1979 („Zu Freunden, nach Prenden") hat er für sein 1982 erschienenes Buch „Geruch von Minze, unser täglich Brot" zu einer Skizze erweitert ... Bemerkenswert war, wie er äußerlich ein russischer Bauer, und unser Prendener, noch bäuerlicher Tradition verpflichteter Nachbar sich fast ohne Dolmetscher verständigten, sogar gemeinsam sangen. Ich zitiere ein paar Zeilen aus der Skizze: „Wieviel Land haben Sie", fragte ich Richard Seeger, einen gebürtigen Prendener. Er schaut mich an, die lebhaften, schalkhaften Augen zusammengekniffen – klein, aber kräftig von Gestalt, die Hände groß wie Holzschaufeln. „Sag ich nicht", entgegnet er mit spöttischem Lächeln. „Warum?" „Du wirst darüber schreiben, und von mir wird man Steuern verlangen..." (Auslassung im Or. - die Red.) Beispiel Kasachstan Was uns, das Lektorat, an der kasachischen Literatur bestach, war ihre Erkundung der weitgehend ungeschriebenen Geschichte der Kasachen als Grundlage nationalen Selbstbewusstseins; dabei beeindruckte uns die Vielfalt souverän beherrschter künstlerischer Mittel: von Nurpeissow, in dessen damals vom Aufbau-Verlag herausgegebener Trilogie „Blut und Schweiß" gewiss sein neuestes Romanmanuskript „Und es war ein Tag" wurzelt ...(fast ohne äußere Handlung, mit den Mitteln des Bewusstseinsstroms, entwirft er einen dramatischen Gesellschaftskonflikt um den sterbenden Aralsee) bis Abisch Kekilbajew mit seiner balladesk dramatischen Prosa ...

Kasachische Werke konnten wir damals noch nicht aus der Originalsprache übersetzen ...

Charlotte Kossuth mit kasachischer Patentochter

Soll ich eine Geschichte erzählen?

Die Daten vieler Reisen weiß ich nicht mehr, mit Sicherheit war ich aber 1973 in Kasachstan, als Abdishamil Nurpeissow Charlotte, die seine deutschen Ausgaben beim Aufbau-Verlag redigierte, für zwei Wochen privat einlud – und mich mit ihr. Mehrere Tage wohnten wir mit Nurpeissow, Achtanow, Kekilbajew in großen Jurten in der Steppe. Die Geburt einer Tochter von Birimkulow, der dort als Zootechniker Wirtschafts-Chef war, wurde genutzt, Charlotte als Namensgeberin für die Neugeborene praktisch zu deren Taufpatin zu

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machen. Wir waren uns dabei bewusst, in eine Tradition einzutreten, die uns aus dem kirgisischen Epos „Manas" bekannt war – der Wahl eines „glücklichen", sinngebenden Namens für den künftigen Recken. Erst später erfuhren wir, dass der glückliche Vater nachts Dutzende von Kilometern zu Pferd zurücklegte, um von seiner Mutter die Zustimmung zum Namen Charlotte einzuholen (einem Namen, der auch auf Geschichte in der deutschen Literatur verweisen sollte – Goethe). Sechzehn Jahre später war die kasachische Charlotte mit ihren Eltern bei uns in Berlin zu Gast, und die freundschaftliche Verbindung besteht bis heute (2002), da sie schon neunundzwanzig ist…

Aitmatow und Kirgisien Schon Aitmatows „Dshamila", 1958 russisch erschienen, ließ die literarische Welt aufhorchen. Bei Kultur und Fortschritt erschien sie 1960...; es folgten „Goldspur der Garben", „Abschied von Gülsary", „Der weiße Dampfer"... (Auslassung im Or. – die Red.) Mit Aitmatow trat Kirgisien ins Bewusstsein einer großen Öffentlichkeit - mit Handlungsorten, die zum Brennpunkt von Leidenschaften, Konflikten, Sehnsüchten der Leser in aller Welt wurden ...

Soll ich eine Geschichte erzählen?

Im Sommer 1969 besuchte ich Tschingis Aitmatow zum ersten Mal in Frunse (heute Bischkek). Er organisierte eine Exkursion in die umliegende Bergwelt. Unterwegs erlebte ich die Begrüßung an einer Rayongrenze, bekam als erster aus einem ledernen Schlauch eine große Schüssel Kumys (gegorene Stutenmilch) eingegossen. Verlangte nun der Brauch, dass ich alles austrinke, oder sollte ich die Schüssel nach einem Schluck weiterreichen? Tapfer trank ich die ganze Schüssel aus. Nachdem ich eingeregnet war, als ich für die gastfreundlichen Hirten Souvenirs aus dem Kofferraum holte, ließ ich während der Weiterfahrt mit dem Kleinbus – selbst in eine Decke gehüllt – die Hose im Fahrtwind trocknen. Beim Gastmahl in einer großen Jurte, wo vielleicht zwanzig Leute um einen Tisch saßen, trug ein Akyn (Stegreifsänger), natürlich kirgisisch, ein Lied vor, das alle zum Lachen brachte. Es stellte sich heraus, dass ich mit meinem Missgeschick in die kirgisische Folklore eingegangen war; Aitmatow hatte das Lied auch noch auf Tonband aufgenommen. Dafür ließ er mich später wissen, die Aksakale (...) hätten mich sehr gelobt: "Er hat alles gegessen und getrunken, ohne Magenleiden oder ähnliches vorzuschieben." Aber das Wichtigste bei diesem Besuch waren natürlich die Gespräche mit Aitmatow, der Beginn einer Freundschaft, die auch verlegerisch Früchte trug. ...

Viele Begegnungen mit Aitmatow hatte es gegeben, viele Gespräche des Schriftstellers mit seinen Lesern in der DDR, da lud er 1988 mich und seine Übersetzerin Charlotte (Übersetzerin auch dramatisierter Fassungen seiner Romane) offiziell über den Schriftstellerverband der UdSSR nach Frunse ein, wo kurz vor seinem 60. Geburtstag ein Festival „Aitmatow und das Theater" stattfand. Dort und - wegen zeitlicher Probleme – anschließend in Moskau führten wir mit ihm für die Illustrierte „Freie Welt" Nr. 25/1988 ein längeres Gespräch, das ich im Folgenden (gekürzt) zitiere ... L. K.: In der DDR hast du viele Leser, bist du als Schriftsteller sehr beliebt. Vielleicht möchtest du unseren Lesern etwas sagen?

Tsch. A.: Die DDR-Leser sind für mich besondere Leser. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber zwischen uns hat sich so ein gegenseitiges Einvernehmen herausgebildet. Ich erhalte auch Briefe, und gelegentlich, wenn DDR-Touristen hierher kommen, erscheinen sie direkt bei uns zu

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Hause. Ich gebe ihnen Autogramme, wir unterhalten uns, und sie spüren, dass ich ihr Autor, ihr Freund bin. Für mich ist das sehr wichtig, ich schätze das sehr ... Also, in seiner Einmaligkeit als Leseland ist mir dieses Land sehr teuer ... (Auslassung im Or. – die Red.) Überhaupt ist das für mich in gewisser Weise schon ein sehr vertrautes Land, ein Heimatland für meine Bücher. Meine Bücher leben da, als gehörten sie da hin. Ein solches Glück zu erfahren, ist etwas Großartiges, daher empfinde ich für die DDR-Leser natürlich tiefe Dankbarkeit.“ Beispiel Georgien ...

Natürlich strebten wir bei einem Land mit so alter Kulturtradition danach, seine Literatur original zu erschließen ... 1971 erschien schließlich die Anthologie „Georgische Poesie aus acht Jahrhunderten".

Damit die Auswahl-Probleme an Ort und Stelle gelöst werden konnten, Konsultation gewährleistet sei und die Nachdichter in Kenntnis des Landes arbeiten konnten, wurden Adolf Endler und Rainer Kirsch auf Kosten des Ministeriums für Kultur der Georgischen SSR nach Tbilissi eingeladen...

Soll ich eine Geschichte erzählen?

Um letzte Auswahl-Probleme zu klären, flog ich mit Elke-Uta Papendick, damals als Lektorin für Georgien zuständig und Betreuerin der Anthologie „Georgische Poesie aus acht Jahrhunderten" für vier Tage nach Tbilissi. In guter Kenntnis der georgischen Gastfreundschaft, bat ich unsere Gastgeber, die schon ihre Pläne hatten, wir sollten doch zuerst das sachliche Programm erledigen, damit uns am Ende nicht die Zeit zu kurz wird. „Das schaffen wir schon", meinten sie, zunächst aber lösten Exkursionen und Einladungen einander ab. Als wir am vorletzten Tag abends von einem Ausflug zurückkamen und der gastgebende Verlagsleiter uns am Rande von Tbilissi zu einem Umtrunk einlud, bat ich geradezu flehentlich: Bitte machen wir das kurz, morgen Vormittag ist die letzte Gelegenheit zum Sachgespräch, es steht doch die Anthologie auf dem Spiel.

Ja, er versprach es mir. Es saßen an die zwanzig Leute um den reich gedeckten Tisch.

Der Hausherr als Tamada (Tischmeister bei Festessen - die Red.) brachte die Toaste aus, auf die das Glas jeweils bis zum Grunde zu leeren ist, und zwar – eingedenk seines Versprechens – immer auf zwei Anwesende einmal. Als er fast zur Hälfte um die Runde herum war, schlug er sich plötzlich auf die Stirn: „Wann hat es das in Georgien je gegeben, dass auf zwei Gäste auf einmal getrunken wird. Alles Bisherige gilt nicht. Wir beginnen von vorn ..." (Auslassung im Or. – die Red.) Es war kaum zu erwarten, aber wir haben am letzten Vormittag unsere Probleme doch noch geklärt, und die Anthologie konnte erscheinen.

Autobiographische Fußnote Nun bin ich also Rentner – glücklich darüber, dass ich dank meiner Spezialität, meiner Erfahrung und natürlich gehöriger Engagiertheit als Übersetzer, Autor, Publizist, Herausgeber usw. weiterhin voll ausgelastet bin. Als „Ossi" und "systemnaher" Lektoratsleiter wurde ich im vereinigten Deutschland zum „Strafrentner"...

Der Krieg lag ... fast fünfzig Jahre zurück ... Einem Mädchen zuliebe gab ich die österreichische Staatsangehörigkeit auf. Ich unterrichtete Russisch, ohne je selbst eine russische Schule besucht zu haben, begann an der Martin-Luther-Universität in Halle Slawistik und Anglistik zu studieren, holte zwischenzeitlich – auch ein Abenteuer! – das fehlende Abitur nach ...(alle Auslassungen im Or. – die Red.).

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Soll ich eine Geschichte erzählen?

Der Liebe wegen aus amerikanischer Gefangenschaft in die Ostzone, nach Oranienbaum strebend, überquerte ich im April 1946 die Elbe, auf deren anderer Seite ein rotes Transparent über die Brücke gespannt war: "Die Kommunistische Partei Deutschlands begrüßt die Heimkehrer." Da war auch ein Fragebogen auszufüllen, eine Antwort lautete: Leutnant, und so landete ich in einem sowjetischen Auffanglager bei Erfurt. Perspektive: Sibirien. Dank Ostfront-Erfahrung begehrte ich auch innerlich nicht auf. Aber vorher wollte ich jenes Mädchen (Lilo) besucht haben. Zusammen mit einem Kameraden überwand ich den Stacheldraht, um aber das Lagerregime nicht zu gefährden, hatten wir auf einem hinterlegten Zettel das Ehrenwort gegeben, bis Ostermontag zurückzukehren. Ungeachtet aller Vorhaltungen in Oranienbaum, ich solle nicht so dumm sein, trat ich zum versprochenen Termin durch das Lagertor (mein Fluchtpartner natürlich nicht). Als wir Lagerinsassen einige Tage später antraten, um zum Bahnhof zu marschieren, ließ mich der sowjetische Lagerkommandant rufen: „Weil Sie Ihr Ehrenwort gehalten haben, sind Sie entlassen", sagte er nach einigen Fragen. Und ich verließ das Lager als freier Mann an den zum Transport Angetretenen vorbei durch das Tor. Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 29 ff. – Leonhard Kossuth, Jahrgang 1923. Dipl. phil., Studium der Slawistik und Anglistik an der Martin-Luther-Universität Halle/Saale und an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1946 bis 1951. Literaturwissenschaftler, Essayist, Übersetzer, Verleger. Von 1958 bis 1989 Leiter des Lektorats Sowjetliteratur im Verlag Volk & Welt Berlin.

Mit Genehmigung von Leonhard Kossuth wurde dieser hier gekürzte Beitrag aus seinem Buch „Volk & Welt. Autobiographisches Zeugnis von einem legendären Verlag". Berlin: NORA Verlagsgemeinschaft 2002, zusammengestellt.

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Mein Wirken in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Peter Hoffmann Zur Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, der ich 1949 beigetreten war und in der ich als Mitglied bis zu ihrer Auflösung nach der sogenannten Wende organisiert geblieben bin, und zu ihren Zielen gab es für mich viele Bindungen. Es waren vorrangig drei Ebenen, in denen sich mein Mitwirken vollzogen hat: 1. Arbeiten in der Organisation selbst, 2. meine Mitarbeit in der Redaktion der Zeitschrift „Sowjetwissenschaft/Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge“ und 3. die inhaltliche Übereinstimmung mit den Zielen der Gesellschaft auf Grund meiner wissenschaftlichen Arbeit und den sich daraus ergebenden direkten Verbindungen zu sowjetischen Wissenschaftlern.

Zu allen drei Bereichen möchte ich im Folgenden aus meinem Erleben berichten. Zum ersten Punkt: Hier ist festzuhalten, dass für mich der Weg zur deutsch-sowjetischen Freundschaft und in die Freundschaftsorganisation durchaus nicht gradlinig gewesen ist, daß er dann, als ich diesen Weg beschritten habe, eine bewusste politische Entscheidung gewesen ist. Auf Grund meiner Vergangenheit – Hitlerjugend und Waffen-SS – war das eine in sich widerspruchsvolle Entwicklung, über die ich in meiner Autobiographie „In der Hinteren Reihe. Aus dem Leben eines Osteuropa-Historikers in der DDR“ (NoRa, Berlin 2006) ausführlich berichtet habe.

Hier nur soviel, dass mein Umdenken in amerikanischer Gefangenschaft in Westdeutschland begonnen hatte…

In Berlin arbeitete ich nach Rückkehr aus der Gefangenschaft zunächst auf Baustellen, ich machte eine Lehre als Elektromonteur. Dort geriet ich in eine Atmosphäre offener Diskussionen, bei denen ich in der Argumentation – was mir anfangs durchaus nicht recht war – in der Regel mit den „Roten“ weitgehend übereinstimmte, zu denen ich doch glaubte in Distanz zu sein. Noch wirkte, wenn auch schon stark abgeschwächt, die in der Nazizeit anerzogene antikommunistische Haltung nach. Besonders meine Vorbehalte gegenüber dem Rassismus in der USArmy und gegenüber der Förderung ehemaliger faschistischer Beamter in den westlichen Besatzungsgebieten fanden vollen Wiederhall bei denen, denen ich mich politisch damals noch nicht verbunden fühlte. Diese Erkenntnis wurde für mich zum Ausgangspunkt eines politischen Umdenkungsprozesses und einer grundlegenden politischen Entscheidung. Im Frühjahr 1949 reifte in meinen Auffassungen eine Wende heran: Wenn ich in der Diskussion mit den „Roten“ soweit übereinstimmte, dann ist es nur folgerichtig, mich zu dieser Gemeinsamkeit auch offen zu bekennen. Das war für mich der Anlass, dem FDGB und kurz darauf auch dem „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ sowie der „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ beizutreten. Damit hatte ich eine Entscheidung gefällt, die in politischer Hinsicht mein ganzes weiteres Leben bestimmen sollte, die ich auch bis heute nicht

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bereue. Meine Vergangenheit habe ich damals nicht verschwiegen, sie bildete einen Teil meiner Biographie und meiner damaligen Haltung.

Nach Abschluss der Umschulung arbeitete ich als Elektromonteur. Im November 1949 erhielt ich die Zulassung zum Studium der Geschichte und Germanistik an der HumboldtUniversität. Dort fand ich rasch Anschluss an Gleichgesinnte, und so war es nur noch ein kleiner Schritt, der mich in die aktive politische Arbeit führte, die an der Universität damals vorwiegend in der FDJ geleistet wurde. Es war eine Zeit, in der sich im politischen Leben rasch eine eindeutige Polarisierung durchsetzte, die noch vor kurzem in den Diskussionen dominierende Toleranz war völlig verschwunden. Sie wurde auf beiden Seiten, sowohl im Osten als auch im Westen, durch eine dogmatische Enge ersetzt, die heute kaum noch verständlich ist. Es begann die Zeit des Kalten Krieges – von beiden Seiten wurde eine vorbehaltlose, eindeutige Stellungnahme gefordert, wer versuchte zu vermitteln, wurde zwischen den Fronten zerrieben. Aber ich hatte mich entschieden, deshalb wirkte auf mich diese Polarisierung und Dogmatisierung eher in der Richtung, daß sich meine eigenen Überzeugungen verfestigten und sich in die damals im Osten vorherrschenden dogmatischen Strömungen einfügten.

Meinen Auffassungen entsprechend nahm ich aktiv am politischen Leben in der Universität teil. Im Sommer 1950 wurde ich zum Org-Leiter der FDJ in der Grundorganisation der Philosophischen Fakultät gewählt, gleichzeitig stellte ich den Antrag, als Kandidat in die SED aufgenommen zu werden, der von der Grundeinheit auf Grund meiner Vergangenheit erst nach einer längeren Diskussion bestätigt wurde. Aber im Zuge der Überprüfung der Mitglieder und Kandidaten der Partei wurden im Frühjahr 1951 alle früheren Mitglieder der SS aus der SED ausgeschlossen – für mich bedeutete das, auch von der Funktion in der FDJ zurückzutreten.

Meine SS-Vergangenheit hatte ich nie verschwiegen, und mein Vertrauensverhältnis zu den Genossen der SED blieb, trotz der sich aus dem Parteiausschluss ergebenden notwendigen Maßnahmen, bestehen. Und da ich nicht untätig bleiben wollte, begann ich aktiv in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft mitzuarbeiten, für die in jener Zeit an der Universität die Organisationsstrukturen aufgebaut wurden. Ich wurde Kassierer, erst in der Gruppe, dann für die Fakultät, und Mitglied im Vorstand der Fakultätsgruppe.

Diese Entwicklung war eng mit meiner wissenschaftlichen Arbeit verbunden. Schon als Student war ich im Sommer 1950 Hilfsassistent im Institut für Geschichte der Völker der UdSSR geworden, das unter der Leitung von Professor Eduard Winter, der von Halle nach Berlin an die Humboldt-Universität berufen worden war, wieder aufgebaut wurde.

Nach dem Staatsexamen im Sommer 1953, das ich in den Fächern Geschichte und Slawistik ablegte, blieb ich als Assistent an diesem Institut.

Mein Chef, Eduard Winter, war zu dieser Zeit als Vertreter des Faches Osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität zugleich Vorsitzender der Hochschulgruppe der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Es gehörte zu den Eigenschaften Winters, dass er sich für seine vielfältigen Verpflichtungen immer geeignete Mitarbeiter heranzog, die ihm in erster Linie administrative Pflichten abnehmen konnten. Und so wurde ich in die Arbeit des Vorstandes der Hochschulgruppe einbezogen – auf Vorschlag Winters wurde ich 1954 zum Sekretär der Hochschulgruppe und in dieser Funktion dann 1956 auch zum Mitglied des Bezirksvorstandes Berlin der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft gewählt.

Als ich 1958 die Universität verließ und an die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin wechselte, lief diese Tätigkeit zwangsläufig aus. Auch an der Akademie war Eduard Winter mein Chef, er leitete die Arbeitsgruppe Geschichte der Slawischen Völker am Institut für Geschichte, bei der ich eingestellt worden war. An der Akademie standen für mich andere Aufgaben – aber die Gesellschaft für Deutsch-

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Sowjetische Freundschaft blieb dabei auch weiterhin ein wichtiges Arbeitsfeld, wenn auch nicht mehr im organisatorischen Bereich.

Eduard Winter war von Anfang an Mitherausgeber der Zeitschrift „Sowjetwissenschaft“ gewesen. Jetzt war diese Zeitschrift in drei Serien aufgegliedert worden –Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften sowie Kunst und Literatur.

Winter wurde Mitherausgeber der Reihe Gesellschaftswissenschaften. Die jetzt monatliche Erscheinungsweise erforderte einen höheren Arbeitsaufwand – und da beauftragte Winter mich 1956, ihn in den Redaktionssitzungen zu vertreten. Daraus entwickelte sich eine feste Zusammenarbeit, die mit 150.- Mark im Monat vergütet worden ist. Seit 1960 war ich – neben Winter – Mitglied der Redaktion, eine Aufgabe, die ich bis zur Einstellung dieser Zeitschrift mit der Dezembernummer 1989 weitergeführt habe.

Damit bin ich beim zweiten Schwerpunkt meiner DSF-Tätigkeit. Diese war für mich außerordentlich interessant und vielseitig. Die „Gesellschaftswissenschaftlichen Beiträge“ brachten – fachübergreifend – Beiträge zu ökonomischen, juristischen, philosophischen und auch zu historischen Problemen, wobei ausschließlich Übersetzungen aus sowjetischen Fachpublikationen veröffentlicht werden konnten. Die Verlagslizenz war ausdrücklich auf Übersetzungen beschränkt. Meine Aufgabe in der Redaktion war es, die sowjetischen historischen Zeitschriften aufmerksam zu verfolgen und geeignete Beiträge auf den monatlichen Redaktionssitzungen für die Übersetzung vorzuschlagen. In der Regel wurden diese Vorschläge – nach kurzer Diskussion – vom Redaktionsgremium bestätigt, es gab aber auch Fälle, in denen die Vorschläge zu grundsätzlichen Diskussionen führten. In vielen Fällen habe ich von der Redaktion bestätigte historische Beiträge dann auch übersetzt. Bei meinen Vorschlägen konnte ich mich nicht auf mein engeres Fachgebiet, die Geschichte der Völker der Sowjetunion und der deutschrussischen Beziehungen, beschränken, ich musste auch Beiträge zu anderen Bereichen der Geschichtswissenschaften einbeziehen. In vielen Fällen bedeutete das für mich, mit Fachkollegen etwa der Allgemeinen Geschichte, der Zeitgeschichte, der Alten Geschichte, der Geschichte einzelner Länder u. a. Verbindung aufzunehmen und deren Ansicht über die betreffenden Beiträge zu erfragen, um mit dieser Kenntnis meine Vorschläge zu untermauern. Gelegentlich wurden der Redaktion von außen Vorschläge zur Übersetzung bestimmter Beiträge zugeleitet. Wenn es sich dabei um historische Beiträge handelte, war ebenfalls meine Stellungnahme gefordert. Jedenfalls zwang mich die Redaktionsarbeit zu einer Breite der Information, die meiner wissenschaftlichen Arbeit allgemein zu Gute gekommen ist.

Besondere Bedeutung erlangte diese Mitarbeit in der Redaktion in den achtziger Jahren Glasnost’ und Perestrojka hielten uns in Atem. Wir verfolgten die Beiträge in den sowjetischen Fachzeitschriften, die viele Probleme aufgriffen, die bisher nicht erörtert und behandelt worden waren. Aber zugleich fühlten wir uns den Vorgaben der Partei- und Staatsführung der DDR verpflichtet. So lautete häufig das Ende des Berichts über einen sowjetischen Beitrag: Dieser Artikel ist hochinteressant, er wirft viele neue Fragen auf, gibt neue Sichten, aber er ist bei uns nicht zu veröffentlichen. Problematische Beiträge, die uns wichtig erschienen, haben wir in der Regel vor der Veröffentlichung bereits als Übersetzung der Abteilung Wissenschaft im ZK der SED zur Stellungnahme zugesandt.

Die von dort gegebenen Hinweise waren für uns bindend. In den über dreißig Jahren, die ich in der Redaktion der „Gesellschaftswissenschaftlichen Beiträge“ mitgearbeitet habe, ist es wohl zwei oder dreimal passiert, dass wir von der Abteilung Wissenschaft des ZK gerügt worden sind, weil wir einen Beitrag veröffentlicht hatten, der – wie es hieß – mit der Linie der Partei- und Staatsführung nicht vereinbar war. In der Folgezeit haben wir uns bemüht, nicht „anzuecken“, zugleich aber unseren Auftrag, interessante Beiträge aus der Sowjetwissenschaft dem deutschsprachigen Leser zu vermitteln, weiter zu verfolgen.

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Mit der Arbeit in der Redaktion eng verbunden war der dritte Aspekt meines Wirkens im Sinne der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, meine wissenschaftliche Arbeit. Schon früh hatte ich mich auf die russische Geschichte und die deutsch-russischen Beziehungen spezialisiert. Als Student hatte ich deshalb mein Zweitfach gewechselt, statt Germanistik studierte ich Slawistik/Russistik. Unter dem Einfluss von Professor Winter konzentrierte ich mich besonders auf das 18. Jahrhundert. Hier fand ich meine Lebensaufgabe.

1956 war Eduard Winter mit einer Delegation in Moskau und Leningrad gewesen und hatte die dortigen Begegnungen genutzt, um gemeinsame Forschungs- und Publikationsvorhaben einzuleiten. In Vorbereitung des 250. Geburtstages des Mathematikers Leonhard Euler, Mitglied der Wissenschaftsakademien in Petersburg und in Berlin, wurde eine Edition von Teilen seines Briefwechsels vereinbart, der nach der damaligen Planung nicht in die in der Schweiz erscheinenden Bände der Opera omnia aufgenommen werden sollte. Nach seiner Rückkehr fragte mich Winter, ob ich an dieser Ausgabe mitarbeiten wolle, was ich natürlich bejahte. Als Ergebnis sind von 1959 bis 1976 insgesamt vier Bände des Euler-Briefwechsels erschienen, bei denen ich an Textgestaltung und Kommentierung maßgeblich mitgewirkt habe. Auch meine Dissertation ergab sich aus dieser Arbeit.

Eine unmittelbare Verbindung dieser Arbeiten mit der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft ergab sich bei der ersten großen von Eduard Winter organisierten Konferenz „Die deutsch-russische Begegnung und Leonhard Euler“, die im Mai 1957 mit direkter Unterstützung des Zentralvorstandes der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft in Berlin durchgeführt wurde. Erstmals wurde ich bei der Betreuung sowjetischer Gäste eingesetzt.

Die wissenschaftliche Arbeit am Euler-Briefwechsel und später auch zu anderen Themen der russischen Geschichte und der deutsch-russischen Beziehungen erforderte wiederholt – erstmals 1959 – meist mehrmonatige Reisen in die Sowjetunion, um die laufenden Arbeiten abzusprechen und notwendige Recherchen in Bibliotheken und Archiven durchzuführen. Diese Reisen trugen wesentlich dazu bei, meine bisher überwiegend passiven Sprachkenntnisse des Russischen zu aktivieren. Das hatte zur Folge, dass ich bei den von Winter in den folgenden Jahren organisierten Konferenzen, aber auch bei Konferenzen der Deutsch-Sowjetischen Historikerkommission sowie bei Tagungen und Kongressen der Historikergesellschaft der DDR regelmäßig zur Betreuung der sowjetischen Gäste eingesetzt wurde. Dabei lernte ich – über mein engeres Fachgebiet hinausgehend – viele Kollegen kennen, die mir dann bei meinen Besuchen in der Sowjetunion bei der Lösung der mir übertragenen Aufgaben vielfach behilflich waren.

Zu einzelnen Historikern entwickelten sich enge freundschaftliche Kontakte, die über die unmittelbare wissenschaftliche Kooperation hinausgingen, die die Zeiten überdauerten und teilweise bis in die Gegenwart weiterwirken.

1989 kam der als Wende bezeichnete Zusammenbruch der DDR. Für mich brachte dieses Jahr zugleich das Ausscheiden aus der aktiven wissenschaftlichen Arbeit und den Übergang zur Rente. Mit dem Auseinanderfallen der bisherigen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Organisationen, auch der Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft, die zudem mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch einen wesentlichen Aspekt ihres Wirkens verloren hatte, hörte auch meine Mitgliedschaft in dieser Organisation auf, nicht aber meine Verbindung zu den russischen Menschen, zu den Kollegen in Moskau und Leningrad. Auch als Rentner habe ich im Interesse der deutsch-russischen freundschaftlichen Beziehungen meine wissenschaftlichen Forschungen, jetzt ohne offiziellen Auftrag, weitergeführt und mehrere Publikationen veröffentlicht. Jedenfalls sind für mich die seinerzeit in der Gesellschaft für Deutsch-

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Sowjetische Freundschaft propagierten und praktizierten Prinzipien der freundschaftlichen Zusammenarbeit mit den Völkern der Sowjetunion auch heute als Mitglied der “Berliner Freunde der Völker Russlands” verpflichtend und ist diese Zusammenarbeit mit den Völkern Russlands eine selbstverständliche, aktuelle Aufgabe Aus: “Mehr als ein Studium…”. S. 107 ff. -- Peter Hoffmann, Jahrgang 1924. Dr. sc. phil., Historiker.

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Freundschaftsgeschichten aus dem Universitätsleben Günter Rosenfeld, Horst Schützler, Sonja Striegnitz

Einführung Sonja Striegnitz Die Mitarbeiter des Bereichs Geschichte der UdSSR und des sozialistischen Weltsystems der Sektion Geschichte, von denen hier Günter Rosenfeld, Horst Schützler und Sonja Striegnitz mit Erinnerungen zu Worte kommen, waren auf der Grundlage des Freundschaftsvertrages zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Staatlichen Moskauer Lomonossow-Universität mit den Kollegen der dortigen Historischen Fakultät in Jahrzehnten durch gemeinsame Ziele in der studentischen Ausbildung sowie partiell durch sich allmählich herausbildende ähnliche bzw. miteinander vergleichbare Forschungsinteressen und -gegenstände verbunden. Natürlich waren die Kontakte besonders intensiv und fruchtbar mit den Wissenschaftlern der Lehrstühle für Geschichte Russlands/der Sowjetunion sowie der KPdSU. Auf dem Gebiet der Lehre waren wir eher „Nehmende" als "Gebende". Seit Mitte der 60er Jahre, besonders intensiv und lehrplangebunden in den 70er und in der ersten Hälfte der 80er Jahre wurden Moskauer Universitätshistoriker, Spezialisten der genannten Fachgebiete als Gastprofessoren und -dozenten in die Ausbildung von Berliner Geschichtsstudenten einbezogen. Ihr Einsatz, eine Hilfeleistung allemal, hatte Gründe, die aus sich verändernden zentralen Orientierungen und Schwerpunktsetzungen für die DDR-Geschichtswissenschaft und damit verbundenen Folgen für Kaderstrukturen resultierten. Die Zusammenarbeit in Forschung und Publikation war gleichgewichtiger, was sich u. a. in der gemeinsamen Erarbeitung eines Hochschullehrbuches für die Geschichte der UdSSR, eines Studienbandes über die Sowjetgesellschaft sowie in der intensiven, ergebnisorientierten Beteiligung von Berliner UdSSR-Historikern an dem 1972 an der Moskauer Universität gegründeten Internationalen Seminar von Hochschullehrern für die Geschichte der UdSSR aus Universitäten sozialistischer Länder widerspiegelte (siehe dazu auch in diesem Band Günter Rosenfeld: Begegnungen mit Freunden). Und schließlich wurde der Ende der 60er Jahre in Gang gekommene Austausch von Studentengruppen für ein fachund kulturhistorisches Praktikum zu einem wichtigen Bestandteil der freundschaftlichen und Arbeitsbeziehungen zwischen den Partnern. Für uns war gerade diese Ausbildungsform, über die gleichsam die nachfolgende Generation unseres Faches und zudem künftige Multiplikatoren (u. a. Lehrerstudenten) in das freundschaftliche Zusammenwirken einbezogen wurden, eine unverzichtbare Aufgabe.

Erlebnisse und Begebenheiten aus dem wahrlich ansehnlichen Fundus dieses Teils der Geschichte unseres Lehr- und Forschungsgebietes haben wir uns oftmals zu gegebenen Anlässen untereinander erzählt, haben darüber gelacht oder sind nachdenklich geworden. Das geschah nach dem Ende der DDR (und in dessen Folge nach dem "einheitsbedingten" Auseinanderbrechen unseres einstigen Arbeitskollektivs) nur wenig seltener als zuvor. Ein Zeichen dafür, dass diese Erlebnisse und Begebenheiten Teil unseres Lebens geworden und geblieben sind. Jeder hat Unterschiedliches "gespeichert" und auch aufgeschrieben. Doch der Leser wird feststellen, dass sich aus den drei an einandergereihten Beiträgen (Rosenfeld, Schützler, Striegnitz) viele gemeinsame Bezüge ergeben, dass vielfach die gleichen Personen auftreten, denen die Autoren auf einem großen Abschnitt ihres Arbeitslebens immer wieder begegneten, denen sie sich in persönlicher Freundschaft verbunden fühlten und die sie in ihrer Erinnerung bewahren.

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Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 35 f.

Begegnungen mit Freunden Günter Rosenfeld Es kam nicht von ungefähr, dass ich im April 1966 auf der Delegiertenkonferenz der damaligen Hochschulgruppe der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) – sie wurde alsbald in den Rang einer Kreisorganisation erhoben – zu ihrem Vorsitzenden gewählt wurde. Die SED-Kreisleitung der HUB, die mich als Kandidaten vorschlug, hatte dies aus gutem Grund getan. Verfügte ich doch, zumal ich wenige Monate später zum Professor für das Fach Geschichte Russlands/UdSSR berufen wurde, über die notwendigen Voraussetzungen, um die Freundschaft und Zusammenarbeit der Angehörigen der Humboldt-Universität mit der Sowjetunion und ihren Menschen zu fördern.

In den ersten Jahren meiner Tätigkeit am damaligen Institut für Geschichte der Völker der UdSSR hatte ich leider zu wenig Möglichkeiten und Zeit, die unterschiedlichen Republiken und Gebiete der Sowjetunion zu besuchen. Die Arbeit an meiner Dissertation über die deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1917 bis 1922, die Drucklegung dieser Arbeit und schließlich die zur Habilschrift notwendigen Forschungen hatten mich bislang vor allem nach Moskau, in die dortigen Archive, geführt. In Moskau hatte ich mittlerweile am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften hervorragende Kollegen, Freunde gefunden. Nun, d. h. 1975, nahm ich gern die Gelegenheit wahr Georgien zu besuchen. Karlo Warlamowitsch Zkitischwili, der als Professor für sowjetische Geschichte in Tiflis (Tbilissi) tätig war und einige Zeit bei uns an der Humboldt-Universität arbeitete, lud mich in den Sommerferien mit meiner Familie nach Tiflis ein und vermittelte sodann einen Aufenthalt in einem Erholungsheim in der Hafenstadt und Hauptstadt der Adsharischen Autonomen Sowjetrepublik Batumi. Ein zweites Mal war ich mit meiner Frau und unserer jüngeren Tochter Petra im Sommer 1978 dort, nachdem uns Karlo durch die Gebirgswelt des Kaukasus im Auto von Tiflis bis Batumi gefahren hatte. Während der zweitägigen Fahrt hatten wir die Museen in Gori, dem Geburtsort Stalins, und in Majakowski, dem ehemaligen Bagdadi, wo der Schriftsteller Wladimir Majakowski geboren wurde, besucht. So lernte ich Länder und Völker des Kaukasus mit ihren Wesenszügen, besonders aber mit ihrer großen Gastfreundschaft näher kennen. Das geschah auch durch eine Reise, die mich im Herbst 1968 als Mitglied einer kleinen Delegation des Zentralvorstandes der Gesellschaft für DSF nach Jerewan, der Hauptstadt Armeniens, führte. Mehrfach verlebte ich meinen Urlaub in dem schönen Schwarzmeerort Pizunda, der zur Abchasischen Autonomen Sowjetrepublik, einem Bestandteil Georgiens, gehörte. Die ethnische Vielfalt gerade der Kaukasusvölker, die mir bisher nur aus der Literatur bekannt war, konnte ich so unmittelbar erleben. Ich verstand dadurch besser die große geschichtliche Leistung, die in der Gründung der Sowjetunion 1922 unter der Führung Lenins bestanden hatte. Dabei sah ich es immer wieder als einen Vorzug, dass man sich überall in der Sowjetunion mit der russischen Sprache verständigen konnte.

Allerdings bemerkte ich auch verschiedentlich starke Ressentiments, die gerade unter den Nichtrussen im Kaukasus gegenüber den Russen bestanden. ...

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Die Zusammenarbeit mit sowjetischen Fachkollegen auf dem Gebiet der Geschichte Russlands/UdSSR war für den entsprechenden Bereich der Sektion Geschichte der HUB seit seiner Gründung kennzeichnend, sie war gleichsam Programm aller hier in Lehre und Forschung Tätigen. Umfang und Intensität eines solchen Zusammenwirkens unterlagen natürlich Entwicklungen, waren an Rahmenbedingungen gebunden, die sich ebenfalls entwickelten. In meinem Bestreben, die Kooperation mit den sowjetischen Historikern zu verstärken, kamen mir die Initiativen der Historiker der Moskauer Universität entgegen.

Auch der zwischen der Humboldt-Universität und der Moskauer Universität geschlossene Freundschaftsvertrag, der begreiflicherweise von den an beiden Universitäten bestehenden Freundschaftsgesellschaften unterstützt wurde, erwies sich hierbei als günstig. Zwischen den Historikern der Humboldt-Universität und der Moskauer Universität, wie auch zwischen den Angehörigen anderer Fakultäten, entwickelte sich damals ein reger Austausch von Gastdozenten und Gastprofessoren sowie von Studenten. Bereits seit Anfang der sechziger Jahre war in dieser Hinsicht treibender Motor Anatoli Michailowitsch Sacharow, Inhaber des Lehrstuhls für die Geschichte Russlands, Periode des Feudalismus, an der Historischen Fakultät der Moskauer Universität und ein hervorragender Wissenschaftler. Er wurde mir ein lieber Freund, in dessen Moskauer Wohnung ich häufig zu Gast war, wie umgekehrt er und seine Frau Irina mich gern in Berlin besuchten. Sein früher Tod – er verstarb erst fünfundfünfzigjährig im Jahre 1978 – war daher für uns ein schmerzlicher Verlust.

Prof. W. S. Drobishew, Prof. G. Rosenfeld, Prof. A. M. Sacharow. 1976 (v. links nach rechts)

Als im Oktober 1969 an der HumboldtUniversität eine Konferenz über die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der UdSSR auf dem Gebiet der Wissenschaften stattfand, lernte ich Walerija Michailowna Selunskaja kennen, die kurz zuvor die Leitung des Lehrstuhls für Geschichte der UdSSR, Sowjetperiode, übernommen hatte. Sie und Horst Schützler hielten die einleitenden Referate.

Walerija Michailowna, die dann in den folgenden Jahren mehrfach zu Gastvorlesungen bei uns war, blieb mir bis zu ihrem Tod eine liebe Freundin. Immer wieder gern besuchte ich sie, wenn ich in Moskau war, in ihrer im Südwesten der Stadt gelegenen Wohnung. Dort machte ich auch die Bekanntschaft mit dem international angesehenen Staatsrechtler und Professor der Moskauer Universität David Lowowitsch Slatopolski, den Walerija in zweiter Ehe geheiratet hatte, nachdem ihr erster Mann schon frühzeitig verstorben war.

Prof. W. M. Selunskaja, Prof. D. L. Slatopolski, Dr. S. Striegnitz. 1976 (v. links nach rechts)

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Walerija Michailowna veröffentlichte zahlreiche Arbeiten über die Agrarfrage in Russland sowie über die Entwicklung der sozialen Struktur der Sowjetunion. In vielen Gesprächen und nicht zuletzt in den wissenschaftlichen Diskussionen, die an ihrem Lehrstuhl geführt wurden, beeindruckte sie mich durch ihr großes Wissen und die Schärfe ihrer Fragestellungen. Ähnliches gilt für Wladimir Sinowjewitsch Drobishew, Professor und Stellvertreter von Walerija M. Selunskaja. Häufig war ich bei ihm und seiner Frau Leokardija, die an der Akademie der Wissenschaften über ethnographische Probleme in der UdSSR forschte, in ihrer Wohnung in der Gorki-Straße zu Gast. Aus seiner Feder stammen zahlreiche Arbeiten über die soziale und demographische Entwicklung der UdSSR, die ihn international bekannt machten. Aus diesem reichen Fundus schöpfte er, der zugleich ein hervorragender Hochschulpädagoge war, wenn er in unserem Institut (Bereich) Gastvorlesungen hielt.

Im Jahre 1984 übernahm Wladimir Sinowjewitsch die Leitung des Lehrstuhls für die Geschichte der UdSSR am Moskauer Staatlichen Historisch-Archivwissenschaftlichen Institut. Als ich im Mai 1989 erneut in Moskau arbeitete – man spürte bereits die Auswirkungen der Politik Gorbatschows, um deren Durchsetzung sich Wladimir Sinowjewitsch in seinem Arbeitsbereich bemühte –, lud er mich ein, an diesem Institut über den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom August 1939 mit seinem geheimen Zusatzprotokoll zu referieren. War doch dieses Thema sowohl in der Sowjetunion als auch bei uns in der DDR ein Tabu-Thema gewesen. Wenige Tage später – ich war bereits wieder in Berlin – erreichte mich die Nachricht, dass Wladimir Sinowjewitsch am 5. Juni 1989 ganz plötzlich einer Herzattacke erlegen war. Ein lieber Freund, ein großartiger Mensch und Wissenschaftler, im Alter von erst siebenundfünfzig Jahren, war von uns gegangen.

Die drei Genannten waren die sowjetischen Mitautoren einer „Geschichte der UdSSR“, die als Hochschullehrbuch und Gemeinschaftswerk im Jahre 1976 in der DDR publiziert wurde. Wenn das Buch auch manche „weiße Flecken“ aufwies und nicht frei war von dogmatischen Sichten, die der von der Partei- und Staatsführung verfolgten Politik entsprachen, so bot es doch eine Fülle von Informationen, zumal hier die Geschichte in einem Band, von der Urgesellschaft bis zur Gegenwart, dargestellt war. Das Autorenkollektiv erhielt die höchste Auszeichnung der DSF, die Ehrennadel in Gold.

Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch die freundschaftliche Zusammenarbeit mit Juri Stepanowitsch Kukuschkin, mehrere Jahre lang Dekan der Historischen Fakultät der Moskauer Universität, seit 1987 Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und seit Anfang der achtziger Jahre als Leiter des Lehrstuhls für Geschichte der UdSSR (Sowjetperiode) Nachfolger von Walerija M. Selunskaja. Jedes Mal, wenn ich in Moskau war, fand ich bei ihm die volle Unterstützung bei der Lösung der Probleme, die unsere Zusammenarbeit betrafen.

In enger Verknüpfung mit dieser in den siebziger Jahren sich verdichtenden Zusammenarbeit mit den sowjetischen Historikern, besonders mit denen der Moskauer Universität, entstand auf Initiative der Letztgenannten das Internationale Seminar für Hochschullehrer für Geschichte der UdSSR aus Universitäten sozialistischer Länder.

Unter Beteiligung von etwa 20 bis 30 Hochschullehrern wurden diese Seminare als eine Form des Austausches über Forschungsergebnisse und Lehrmethoden seit 1972 (Moskau) im Abstand von jeweils zwei Jahren in verschiedenen Ländern durchgeführt, darunter 1976 und 1985 in Berlin.

Es fehlt hier der Platz, um über die zahlreichen anderen sowjetischen Freunde und Begegnungen mit ihnen, an die ich mich immer wieder gern erinnere, zu berichten. Die Deutschen, freilich nur die Bürger der DDR, und die Angehörigen der Völker der Sowjetunion kamen sich in jenen Jahren noch nie so nahe wie bisher, und aus früherer

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Feindschaft wurde Freundschaft mit vielen persönlichen Verbindungen und Erlebnissen.

Dies geschah ungeachtet der vorhandenen stalinistischen Strukturen in den Staaten und der aktuellen Politik ihrer Partei- und Staatsführung, die zwar einerseits die freundschaftliche Zusammenarbeit beider Staaten zur Staatsdoktrin erhob, andererseits jedoch oft ihre Bürger einer Disziplinierung unterwarf, die sich lähmend auf die schöpferische Arbeit und den offenen Meinungsaustausch auswirkte. Doch dürfen in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen des Kalten Krieges mit der Konfrontation zwischen Ost und West nicht unterschätzt werden. Die Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft hatte an dieser grundlegenden Wandlung, die sich seit Ende der vierziger Jahre im Verhältnis zwischen den Völkern beider Länder vollzog, einen erheblichen Anteil.

Als ich im November 1984 an der Moskauer Universität zum Ehrendoktor ernannt wurde – auf Einladung von Marja Iwanowna Orlowa, Professorin am Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte der Historischen Fakultät der Moskauer Universität, hielt ich damals dort zweieinhalb Monate lang Gastvorlesungen –, durfte ich dies auch als ein Zeichen dafür ansehen, mit den Mitteln des Historikers zu dieser Neugestaltung im Zusammenleben der Völker beider Länder beigetragen zu haben.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 36 ff. – Günter Rosenfeld, Jahrgang 1926. Prof. Dr. phil. habil., Dr. h. c., Historiker. Studium der Geschichte und Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1948 bis 1952. Danach mit geringfügiger Unterbrechung bis 1991 ebendort in Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Geschichte Russlands/UdSSR tätig. 1966 bis 1970 Vorsitzender der DSF-Kreisorganisation der Humboldt-Universität. Günter Rosenfeld starb am 16.

April 2015.

Georgi Michailowitsch Horst Schützler Georgi Alexejew und Günter Rosenfeld. 1974

Georgi Michailowitsch Alexejew am Lehrstuhl Geschichte der KPdSU der Historischen Fakultät der Moskauer LomonossowUniversität zunächst als Dozent, dann als Professor tätig, lernte ich in den siebziger Jahren bei Konferenzen in Moskau und Berlin und zudem als unseren Gastprofessor näher kennen. Georgi, wie ich ihn bald ohne Vatersnamen nannte, etwas jünger als ich, ein gut aussehender, sympathischer Mann, war immer zu Sprüchen und Scherzen aufgelegt.

Und zudem sehr sportlich. Bei Studentenweltmeisterschaften in Moskau hatte er im Turmspringen eine Bronzemedaille gewonnen.

Standgemäße Begrüßung Georgi kam zu Gastvorlesungen zu uns. Eine kleine „Begrüßungsfeier“ fand eines Abends in seinem Gästeappartement in der Mollstraße statt. Außer mir waren noch Martin, Helmut und Michael dabei.

Georgi öffnete seinen Koffer, suchte und fand seinen Wodka und Dörrfisch, eingewickelt in einer Prawda (Zentralorgan der KPdSU). Er zelebrierte uns diese

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Kostbarkeit, wir fanden einige Gläser für den Wodka und stießen an. Trockenfischessen, Wodkatrinken und Trinksprüche wechselten. Auch Gesang kam hinzu. Wir kamen in Stimmung, fühlten uns stark.

Georgi und Martin erzählten aus ihrem Sportlerleben. Martin war vor Studienbeginn Mitte der fünfziger Jahre ein guter Fußballer bei Union Oberschöneweide und sogar einige Zeit Mitglied der DDR-Nationalmannschaft gewesen. Zum Training gehörte wie beim Wasserspringer Georgi der Handstand. Beide gerieten nun fast in der Frage aneinander, ob und wie lange sie noch heute diesen Handstand beherrschten. Wir Laien forderten, dies auszuprobieren.

Die Kontrahenten willigten ein, mit der Einschränkung, dass der weitaus ältere Martin anstelle des Hand- einen Kopfstand ausführen dürfe.

Der Wettbewerb begann, war aufrichtig hartnäckig. Er kam erst zum Erliegen, als Helmut, ein nimmermüder Gitarrenspieler, Marschmusikenthusiast und Sänger begeistert die Internationale mit „Steht auf Verdammte dieser Erde“ anstimmte, und die Wettkämpfer sich auf die Füße stellten und mitsangen.

Anmerkung: Als ich diese Episode in einer Jahresabschlussveranstaltung unseres Vereins vortrug, korrigierte mich Sonja Striegnitz: „Du hast mich vergessen, ich war auch dabei. Ich hatte den Überblick. Georgi hat einen einarmigen Handstand ausgeführt.“ So ist es wohl tatsächlich gewesen.

Hier spricht Genosse Stalin!

Studienaufenthalt 1977 an der MGU. Am 5. März vormittags werde ich vom „Deshurny“, dem Diensthabenden auf der Etage, ans Telefon gebeten.

Ich trete in die Kabine, nehme den Hörer ab. Eine rauhe Stimme ertönt: „Goworit towaristsch Stalin/Hier spricht Genosse Stalin“. Ich frage überrascht: „Kto goworit?/Wer spricht?“ Die Stimme antwortet: „Goworit towaristsch Stalin. Posdrawljaju was s dnjom roshdenija./Hier spricht Genosse Stalin. Ich gratuliere Ihnen zum Geburtstag“. „Tschto?/Was soll das?“ frage ich aufgebracht. Lachen. Dann begreife ich: Georgi gratuliert mir auf diese etwas makabre Weise zu meinem Geburtstag, der mit dem Todestag Stalins zusammenfällt.

Wir verabreden ein kurzes Geburtstagstreffen, das ziemlich trocken verläuft. Wir haben schließlich zu arbeiten. Abends wird es beim Zusammensein mit meinen deutschen Freunden feucht-fröhlicher. Eine Keramikfigur „Bauer füttert sein Pferd“ erinnert noch heute an dieses „Gespräch mit dem Genossen Stalin.“

Anatoli Michailowitsch Horst Schützler Anatoli Michailowitsch Sacharow. war ein hervorragender Spezialist für die Geschichte des Mittelalters Russlands an der Historischen Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität, mit dem wir Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der Völker der UdSSR bzw. des Bereichs Geschichte der UdSSR und des sozialistischen Weltsystems an der Humboldt-Universität sehr freundschaftlich viele Jahre – er starb 1978 – verbunden waren. Ich will zwei sehr männlich-menschliche Episoden aus dieser Freundschaft skizzieren.

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Otschen seksualno/ sehr sexy Anlässlich einer Konferenz oder eines internationalen Seminars war eine Delegation von MGU-Historikern bei uns an der Humboldt-Universität zu Gast. Zu ihr gehörten Anatoli Michailowitsch und der schon genannte Georgi Michailowitsch.

Zum Programm gehörte der Besuch einer abendlichen Kulturveranstaltung. Wir hatten Karten für einen Operettenabend im Metropol an der Friedrichstraße.

Anatoli Michailowitsch verzichtete. Operette – nein, danke. Er habe noch an seinem Diskussionsbeitrag zu arbeiten, ließ er wissen.

Wir saßen in vorderer Reihe und erfreuten uns an schönen Arien und den wohlgeformten Beinen des Damenballetts bei seinen schwungvollen Tänzen.

Georgi war begeistert. Zurück im Quartier, suchten wir Anatoli Michailowitsch in seinem Zimmer auf. „Nun, wie war die Aufführung“, fragte er. Georgi antwortete mit zwei Worten: „Otschen seksualno/ Sehr sexy.“ Anatoli Michailowitsch schaute uns abwägend an. Mir war nicht recht klar, ob er uns ob solch „seichter“ Unterhaltung bemitleidete oder nun bedauerte, nicht selbst dabei gewesen zu sein.

Kleines Frühstück im imaginären Westberlin An einem Konferenzabend waren die schon Genannten, dazu Walerija Michailowna Selunskaja und Wladimir Sinowjewitsch (Wolodja) Drobishew., Sonja Striegnitz und Günter Rosenfeld bei mir zuhause.

Es war eng, aber gemütlich. Bei Essen, Trinken, Toasten und Anekdoten verging die Zeit sehr schnell. Anatoli Michailowitsch, der uns Männern im Trinken voraus war, wurde plötzlich müde und bat darum, etwas ausruhen zu dürfen.

Wir brachten ihn ins Schlafzimmer, und er schlief schnell ein. Als die Aufbruchszeit da war, musste Anatoli Michailowitsch geweckt werden. Im Schlafzimmer wurde es laut, doch Anatoli Michailowitsch erwachte nicht.

Was tun? Schließlich packte ihn Georgi, schüttelte ihn, neigte sich über ihn und rief: „Anatoli Michailowitsch, Wy w Sapadnom Berline, wstawaite!/Anatoli Michailowitsch, Sie sind in Westberlin, stehen Sie auf!“ Anatoli Michailowitsch fuhr hoch: „Gde?/Wo?“ „W Sapadnom Berline“, wiederholte Georgi. „W Sapadnom Berline?“ fragte Anatoli Michailowitsch ungläubig-erschrocken, und dann: „Ja ostanus./Ich bleibe“, drehte sich auf die Seite und schlief weiter. Meine Frau und ich zogen auf die Couch im kleinen Zimmer.

Am folgenden Morgen, wir hatten schon aufgeräumt, meine Frau war bereits in der Küche, erschien Anatoli Michailowitsch. Unruhig ging er durch die Wohnung – vom Flur ins Wohnzimmer, auf den Balkon und wieder zurück. Dabei murmelte er: „Malenki sawtrak nado./Ich brauche ein kleines Frühstück.“ Ich wollte ihn mit dem Hinweis beruhigen, dass Helga schon das Frühstück in der Küche zubereite. Doch er blieb unruhig, ging auf und ab und blieb beim „kleinen Frühstück“, das er brauche. “Malenki sawtrak nado”.

Wenig später öffnete sich die Küchentür, die Hausfrau kam ins Wohnzimmer – sie hatte schneller als ich erfasst, was unser Gast brauchte – und brachte ihm ein Glas Wodka.

Anatoli Michailowitsch seufzte erleichtert, trank mit Behagen und bedankte sich überschwänglich bei der Spenderin des so notwendigen „Wässerchens“.

Potom my sawtrakali, kak sledujet w Sapadnom Berline. Dann frühstückten wir, wie es sich gehört, in Westberlin. Das heißt in Pankow.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 45.

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Ostbahnhof Sonja Striegnitz Der Berliner Ostbahnhof war für uns keineswegs der „Provinzbahnhof" oder das eisenbahndeterminierte Ende unserer Welt, wie das heutzutage zuweilen zu lesen ist. Im Gegenteil: Hier begannen und endeten unsere Verbindungen zu Partnern in den osteuropäischen sozialistischen Ländern, vor allem der UdSSR. Ihr Anfang und Ende wurden jedoch nur formal durch die Reisetermine bestimmt.

Denn Partner wurden Freunde. Das erste Treffen auf dem Bahnhof bildete oftmals den Ausgangspunkt für langjähriges Zusammenwirken auf wissenschaftlichem Gebiet, bei der Ausbildung von Studenten. Und nicht zu vergessen: jahrzehntelanger persönlicher Freundschaften.

Darüber soll im Weiteren nicht vordergründig berichtet werden bzw. nur insoweit, inwieweit dies für das Verständnis von Erlebnissen und Episoden angezeigt ist, die sich in solchen Zusammenhängen auf dem Ostbahnhof zutrugen und in der Erinnerung als "Bruchstücke einer großen Konfession", als Details der Freundschaft festgeschrieben und bewahrt sind. Der Ostbahnhof für mich also ein Erinnerungsort.

Der Moskauer Zug traf – vielen sicher noch erinnerlich – gegen Mitternacht in Berlin ein (die Abfahrt nach Moskau erfolgte gleichfalls zu später Stunde). Mitunter geschah dies auch verspätet, d. h. in den frühesten Morgenstunden des folgenden Tages. Eine Zeit, wo der Aufenthalt, das Warten auf Bahnhöfen durchaus nicht reizvoll ist. Als junge Assistentin und in späteren Jahren meiner Tätigkeit wurde mir oft die Aufgabe zuteil, den Empfang des jeweiligen Gastes vorzubereiten und zu übernehmen; Verabschiedungen fielen schon personenreicher aus. Auch für die nachfolgende Betreuung, einschließlich Übersetzung von Lehrveranstaltungen, Vorträgen usw. war ich verantwortlich.

Die nächtlichen „Bahnhofs-Missionen" haben bei mir zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Bedenken oder gar Befürchtungen hinsichtlich meiner eigenen Sicherheit ausgelöst. Nie ist etwas passiert, was mich verunsicherte, nicht an diesem Ort, nicht nach erfolgtem Empfang und Unterbringung des Gastes auf dem Heimweg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Indiz für die Sicherheitslage in der Hauptstadt der DDR. Heute würde man in solchen Fällen schon sicherheits- und versicherungsrechtliche sowie schlicht und einfach menschliche Überlegungen anstellen oder gar nicht erst zu später Nachtstunde einen Bahnhof aufsuchen!

Mitte November 1969 kam Professor Ilja Borissowitsch Berchin, Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der Akademie der Wissenschaften (AdW) der UdSSR, für mehrere Wochen an unseren Bereich. Seine u. a. von Günter Rosenfeld ins Deutsche übersetzte Gesamtdarstellung über die Geschichte der UdSSR war jahrelang eine wichtige Literaturgrundlage für die Ausbildung von Geschichtsstudenten. Nun also wollte er uns Mitarbeitern in Vorträgen Einblick in seine Forschungsproblematik geben. Rosenfeld, der ihn in Moskau schon persönlich kennengelernt hatte (dank seiner Initiative pflegte unser Bereich überhaupt enge Kontakte zu sowjetischen Akademiehistorikern), erwartete den Gast gemeinsam mit mir. Unsere Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, nicht nur, weil es empfindlich kalt war, sondern weil sich die Ankunftszeit des Zuges immer wieder verzögerte. Als er dann lange nach Mitternacht schwer schnaufend auf Bahnsteig A einfuhr, glaubten wir unseren Augen nicht zu trauen: Über und über war er voller Eiszapfen und anderen Spuren von Frost. Er kam eben aus dem Osten. Mindestens eine viertel Stunde brauchten Eisenbahner, Transportpolizei und andere Hilfskräfte, um die zugefrorenen Türen mit allen möglichen Geräten aufzustemmen. Die warmherzigen, humorvollen Grußworte Ilja Borissowitschs und seiner Frau, schon durch Gesten am Fenster verdeutlicht, schienen letztlich vom Zuginnern nachgeholfen zu haben. Nicht

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verhindern konnten sie indes, dass sich Günter Rosenfeld eine deftige Erkältung eingefangen hatte ... Zu Ilja Borissowitsch und seiner Familie entwickelte sich eine innige Freundschaft, getragen von gegenseitiger Wertschätzung, von Verständnis und Hilfsbereitschaft, menschlicher Wärme und Güte.

Wladimir Sinowjewitsch Drobishew., Professor am Lehrstuhl Geschichte der Sowjetperiode der Historischen Fakultät der MGU, den wir im Herbst des gleichen Jahres als Gastlehrkraft und Konferenzteilnehmer am Bereich begrüßen durften, hatte die Reise mit schwerer Erkältung antreten müssen und quälte sich sichtlich, seinen Zustand mit grimmigem Humor zu überspielen. Er war im Hotel Stadt Berlin untergekommen, die klimatisierte Luft dort machte ihm zusätzlich zu schaffen. Am Tag der Ankunft wollte ihn Professor Rosenfeld (mit ihm zusammen hatte ich den Gast begrüßt) mit altbewährtem Mittel, einem heißen Grog, Linderung verschaffen.

Doch ehe wir zu dritt das Restaurant erreichten, wurden wir mit einem etwa halbstündigen Fahrstuhlausfall irgendwo zwischen 11. und 10. Etage beglückt. In der übervollen Fahrstuhlkabine rann unserem Gast der Schweiß von der Stirn. Als der Fahrstuhl endlich wieder in Gang gebracht war, sich im Parterre die Türen öffneten, wurden wir vom Garderobier an der gegenüber liegenden Garderobe mit einem freudigen „Na, da sind Sie ja endlich!" begrüßt. So, als hätten wir nur spaßeshalber den etwa halbstündigen "Zwischenstop" eingelegt. Gar nicht spaßig war es dann leider auch im Restaurant, wo offiziell kein Grog zu bekommen war. Selten habe ich meinen verehrten Kollegen Rosenfeld so wütend und zugleich couragiert erlebt: Mit fester Stimme, die jeden Widerspruch zwecklos erscheinen ließ, bestellte er beim Ober ein Kännchen heißes Wasser, einen doppelten Cognac, Zitronensaft, Zucker. Am Tisch braute er dann eigenhändig den Grog für unseren Gast zusammen …

Gleichfalls 1969, allerdings bei hochsommerlicher Wärme, nämlich Anfang Juli, bestieg ich mit sechs Studenten den Moskauer Zug, um erstmals an der Historischen Fakultät der MGU mit ihnen ein Praktikum durchzuführen. Dass ich damals auf dem Ostbahnhof den Zug besteigen konnte, verdankte ich einem Sekretär der sowjetischen Botschaft, der zur Verabschiedung unserer Gruppe erschienen war. Nicht weil diese Reise ein diplomatischer Vorgang war, sondern weil wir in der damaligen Zeit auch einen regen Austausch mit sowjetischen Botschaftsmitarbeitern hatten, die sich ihrerseits persönlich für die Belange der wechselseitigen Zusammenarbeit der beiden Hochschulen interessierten und sie mit ihren Möglichkeiten förderten. Aus irgendeinem Grunde hatte die Reisestelle des Direktorats für internationale Beziehungen der HUB verabsäumt, mich auf die Gruppenliste zu setzen, was von dem gestrengen Zugpersonal nicht nur moniert wurde, sondern, das auch nicht einsehen wollte, dass die Gruppe wohl nicht ohne Leiterin bleiben konnte. Die Erläuterungen des zur Verabschiedung ebenfalls erschienenen Direktors für Erziehung und Ausbildung der Sektion Geschichte der HUB richteten nichts aus. Erst mit "diplomatischer Intervention" wurde das Problem gelöst …

Die Verabschiedungen von Gästen auf dem Ostbahnhof fielen meist personenreicher aus als ihr Empfang. So auch 1984. Horst Schützler hatte als Bereichsleiter unseren Gast Georgi Michailowitsch Alexejew vom Lehrstuhl Geschichte der KPdSU der Historischen Fakultät der MGU und einige andere Kollegen, mich eingeschlossen, zum Abschiedsessen zu sich nach Pankow geladen. Es ging fröhlich, lustig und auch etwas flüssig zu, natürlich wirkte sich das auf den anschließenden Weg zum Ostbahnhof aus. In den späten Abendstunden kein leichtes Unterfangen, verbunden mit mehrfachem Umsteigen, wobei wertvolle Zeit verlorenging. Die allgemeine Heiterkeit indes nicht, wahrscheinlich war ich die einzige, die – da nicht einmal minimalprozentual belastet – den dramatischen Zeitverzug erahnte, aber doch wie alle anderen eben in der S-Bahn saß! Auf dem Ostbahnhof trat jedoch eine rasante Ernüchterung ein. Günter Rosenfeld erwies sich als großer Stratege, der die vorhandenen Kräfte taktisch klug verteilte und selbst die

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riskanteste Angriffsrichtung übernahm: den Lockführer. Er steckte ihm zwanzig Mark zu und bewog ihn so, den Zug nach Moskau einige Minuten später abfahren zu lassen. Die anderen Männer stürmten im "Schweinsgalopp" mit Georgi Michailowitsch die Gepäckautomaten, in denen der Gast sein – nicht geringes – Gepäck eingeschlossen hatte. Ich rannte zu dem Wagen, den Georgi M. besteigen musste, erläuterte die außerordentliche Situation in aller Kürze bzw. bis zu dem Zeitpunkt, als die Männer schon mit dem Gepäck angerannt kamen. Georgi M. sprang auf, sie warfen ihm das Gepäck hinterher, der Zug nach Moskau setzte sich in Bewegung. Später teilte mir Georgi M. mit, dass bei der Aktion leider eine Brille zu Bruch gegangen war, die er für einen meiner Bekannten mitzunehmen sich bereit gefunden hatte. …

Günter Rosenfeld hatten wir bei seiner Rückkehr aus Moskau 1984 natürlich sofort wieder erkannt. Und doch - irgendwie sah er anders aus. Seine schicke Schapka saß verwegen auf einem Ohr, obwohl die Kälte - es war im Dezember - gebieterisch den Schutz beider Ohren erfordert hätte. Auf seinem Gesicht – ein ungewohntes, schuldbewusstes, fast ein wenig kindliches Lächeln, als er unser ansichtig wurde. Die ersten Umarmungen lüfteten das Geheimnis: Die Reise muss wohl nicht nur durch Teetrinken verkürzt worden sein! Es gab natürlich auch einen gewichtigen Grund, den einen oder anderen Schluck Wodka mit den Mitreisenden zu trinken: Günter Rosenfeld kehrte zurück, ausgezeichnet, geehrt, ja geadelt möchte ich es nennen, mit der Ehrendoktorwürde der Lomonossow-Universität Moskau. Und zwar in Anerkennung seiner Leistungen auf einem Wissenschaftsgebiet, das für die Geschichte beider Länder von eminenter Bedeutung war und ist – die Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion, sowie für sein gesellschaftspolitisches Engagement im Sinne der historischen Lehren, zu denen er forscherisch vorgedrungen war, im Sinne der Freundschaft der Menschen beider Länder. Rosenfeld war übrigens nach mehreren Naturwissenschaftlern der erste, noch dazu ausländische, Gesellschaftswissenschaftler, dem diese Ehrung zuteil wurde.

Für uns, die Mitarbeiter des Bereichs Geschichte der UdSSR und des sozialistischen Weltsystems, kam das nicht unerwartet, und wir hatten uns auf unsere Weise darauf vorbereitet. Selbstverständlich waren wir in voller Besetzung auf dem Ostbahnhof erschienen, jeder mit einem Blumenstrauß. Und wir hatten etwas mitgebracht, das unsere Freude, unseren Stolz auf ungewöhnliche, ungewohnte und für viele der nichteingeweihten Umherstehenden unverständliche Weise ausdrückte: Ein großes weißes, selbstgefertigtes Transparent mit der lateinischen Aufschrift „Habemus calatorem scientiarum"! (Wir haben einen Diener der Wissenschaften). Eigentlich überflüssig hinzuzufügen, dass wir damit nicht nur bei der Transportpolizei Aufsehen erregten. Aber letztlich ging alles ohne besondere Vorkommnisse über die Bühne, denn das „Vorkommnis", das Transparent, rollten wir alsbald ein, brachten unseren Ehrendoktor zum Auto.

Tags darauf holten wir es wieder vor, allerdings in der Professorenmensa der Humboldt-Universität, wo aus diesem denkwürdigen Anlass ein Empfang gegeben wurde.

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WMS Sonja Striegnitz WMS – das ist keine der unzähligen, unseligen Abkürzungen, die uns heute tagtäglich und überall begegnen und mit denen wir offenbar leben müssen.

WMS – diese Abkürzung wurde für Walerija Michailowna Selunskaja geprägt, ihr „Autor" - Wladimir Sinowjewitsch Drobishew. Beide ausgewiesene, hochangesehene Wissenschaftler, international bekannte und anerkannte Historiker, langjährig als Hochschullehrer an der Historischen Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität tätig gewesen. Ihre Profession erlangten sie in dieser und durch diese Gesellschaft, stellten sich ihr bewusst und verantwortungsvoll in den Dienst, begründeten ihre Erfolge und Errungenschaften, erklärten Probleme und Zusammenhänge ihrer Existenz, die widerspruchsvolle Ausformung ihrer Klassen, Schichten und deren geistigen Zustand.

Und sie litten nicht zuletzt auch geradezu physisch an den Unzulänglichkeiten, Gebrechen des Sowjetsystems, WMS auch am Untergang der UdSSR, den sie noch erlebte. Bei all dem zeichnete beide – so zumindest habe ich dies empfunden – ein bestechender Gleichklang ihrer Grundüberzeugungen und -bestrebungen aus, was Streitbarkeit um wissenschaftliche Fragen durchaus einschloss. Und sie kennzeichnete menschliche Güte ebenso wie große gegenseitige Hochachtung und die Fähigkeit, Freundschaften zu begründen und dauerhaft zu machen. Dies dürfte vielleicht eine Erklärung sein, weshalb Wladimir Sinowjewitsch, der auch ein sehr humorvoller Mensch war, für seine Kollegin und Mitstreiterin so unkonventionell dieses Kürzel erfand und es anwendete. Natürlich nicht im persönlichen Umgang, aber beispielsweise in seiner Korrespondenz, die mit Freunden jenseits der Grenzen der Sowjetunion eingeschlossen. So machte auch ich damit Bekanntschaft, drang in dieses mich zunächst verblüffende „Geheimnis" ein. Überschaue ich die vielen Jahre, die ich WMS kannte, so war sie für mich ein bewundernswürdiger Mensch, eine Frau, die mich durch ihre Persönlichkeit mit all den sie auszeichnenden Eigenschaften überzeugte, faszinierte, ja auch beeinflusste. Letztlich bedeutete das Kürzel (das ich selbst nur für meinen internen Gebrauch verwendete) in seiner Auflösung für mich etwas Großartiges, Vielschichtiges, unendlich Liebenswertes und Liebenswürdiges. Einige Erinnerungen an Momente, Ereignisse unseres Bekanntseins, die sich mir besonders eingeprägt haben, mögen dies verdeutlichen.

1969 lernte ich WMS kennen. Im Anschluss an eine wissenschaftliche Konferenz blieb sie in Berlin, um für unsere Geschichtsstudenten, namentlich diejenigen, die sich besonders für die Geschichte der UdSSR interessierten, Vorlesungen zu halten. Ich hatte sie zu betreuen, was die Übersetzung der Lehrveranstaltungen (simultan) einschloss. Ich mühte und bemühte mich redlich, der Bitte und Empfehlung Prof. Drobishews (Er weilte zuvor mit gleichem Ziel an unserem Bereich) nachzukommen, für WMS die „PalotschkaWyrutschalotschka" zu sein, d. h. ihr bei ihrer „Mission" allseits helfend zur Seite zu stehen. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft und Vertrautheit, die bis zu ihrem Tod (2005), also fast vierzig Jahre währte.

In all den Jahren gestattete sie mir Einblick in ihr wissenschaftliches Wirken, machte mich mit ihrer großen, einträchtigen Familie bekannt und ließ sie mich an zutiefst persönlichen Dingen teilhaben. Ihren ersten Mann verlor sie durch Herzinfarkt am Lenkrad. Mit drei Kindern – das jüngste, der Sohn, gerade zehn oder elf Jahre alt, beide Töchter Studentinnen (die eine folgte der Mutter, wurde Historikerin, die andere Chemikerin) – sowie ihrer erblindeten Mutter auf sich gestellt, vollbrachte sie schier Unmenschliches, wenn man bedenkt, dass ihr Forschungs- und Lehrtätigkeit sowie dann noch die Lehrstuhlleitung immensen Zeit- und Kraftaufwand abverlangten. Immer war sie für alles und alle da, nie machte sie Abstriche. Das war eine solche Selbstverständlichkeit,

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dass ihr Sohn, als sie sich an einem Tag einmal hinlegte, um etwas auszuruhen, besorgt fragte: Mama, was ist mit dir, bist du krank?

Nachdem der Sohn ein Physikstudium aufgenommen hatte, beide Töchter promoviert waren, Familien gegründet hatten und die erste Enkeltochter aus dem Gröbsten heraus war (ich erinnere mich, wie WMS mit ihr unter der Jolka tanzte!), gab sie endlich dem langen Werben des verwitweten Juraprofessors David Lwowitsch Slatopolski nach und heiratete ihn. In seinen Bemühungen um diese Frau musste S. manche, auch typisch sowjetische, Hürde nehmen. So gelang es ihm bei weitem nicht immer, unbemerkt zu ihr vorzudringen: Die Pförtnerin ihres Wohnblocks nahm ihre Aufgabe schrecklich ernst. Aber David Lwowitsch, eine imposante Erscheinung, weißer, üppiger Haarschopf, dichte schwarze Augenbrauen, gütige, zuweilen schelmisch dreinblickende Augen, fand es erheiternd, mit „Molodoi Tschelowek" (junger Mann) angesprochen und ausgefragt zu werden. Einmal, er hatte die Gefahrenstelle schon beinahe passiert, ertönte hinter ihm die gestrenge Frage: Wer sind Sie überhaupt? Er: Ein Mitglied der Gewerkschaft!

Es war für mich ein hoher Vertrauensbeweis, als mir WMS von ihrem Schritt erzählte und – fast Rechenschaft ablegend – die Beweggründe darlegte, weshalb sie diesen Mann lange hat warten lassen: Erst wollte sie ihre Kinder auf sicherem, zuverlässigen Lebensweg wissen, dann hatte sie ein Recht darauf, neuerlich an ihr frauliches Glück zu denken! David Lwowitsch hat – wie WMS mir einmal beiläufig berichtete – über all die Jahre des Wartens und Werbens seine schöne große Wohnung, die seine erste Frau nicht mehr kennen lernen konnte, tipp topp in Ordnung gehalten. Hier haben die beiden dann noch viele Jahre der Gemeinsamkeit verlebt, immer wieder Freunde empfangen.

Wiederholt konnte auch ich an dem großen festlich gedeckten Tisch im Wohnzimmer Platz nehmen (so auch am 7. November, dem Tag der Oktoberrevolution, der zugleich Geburtstag von WMS war), nachdem ich gemeinsam mit WMS all die leckeren Sachen vorbereitet hatte. Sie war - wie übrigens alle meine Moskauer Wissenschaftskolleginnen – eine ausgezeichnete Kulinarka. Wenn dann der große goldbunte, lustig runde Samowar den Ehrenplatz zugewiesen bekam, nach üppigem Mal Tee gereicht wurde und somit die letzte Phase eines freudigen Beisammenseins eintrat, schien mir die Gastgeberin besonders glücklich: Wieder einmal hatte sie all ihre Lieben und Freunde um sich geschart. Den Samowar hatte ihr ein Aspirant aus dem berühmten Tula nach bestandener Promotion geschenkt. WMS und ihre wissenschaftlichen Zöglinge – das ist sicher ein ganz besonderes Kapitel ihres Lebens gewesen…

Die Historische Fakultät der MGU galt seit ihrer Gründung (1934) als „Kaderschmiede" für die sowjetische Geschichtswissenschaft, weshalb die Zahl der Aspiranten wie derjenigen, die hierher strebten, um die wissenschaftliche Graduierung zu bekommen, stets sehr groß war. Ich weiß nicht, wie viele junge Geschichtswissenschaftler WMS ihre „Doktormutter" nennen konnten. Doch ich sehe heute noch den Couchtisch in ihrem Arbeitszimmer, der zum Jahreswechsel (1977/78) über und über voll Glückwunschkarten ihrer wissenschaftlichen „Kinder" aus allen Teilen des Riesenlandes war. Bis an ihr Lebensende, d. h. bis zum 85. Lebensjahr, hat sich WMS mit großer Hingabe, jedoch bei mehr und mehr schwindenden physischen Kräften im Status einer ProfessorinKonsultantin der Ausbildung junger Wissenschaftler gewidmet.

Als ich 1977/78 zu einem zehnmonatigen Studienaufenthalt in Moskau im Zusammenhang mit Arbeiten an der Dissertation „B" weilte, ergaben sich besonders viele Möglichkeiten des Austauschs mit WMS, gemeinsamer Theaterbesuche und natürlich von Zusammentreffen wie der oben geschilderten, die in der Regel in den späten Abendstunden begannen und entsprechend spät endeten. ...

Wenige Wochen nachdem ich damals in Moskau auf den Leninbergen Quartier bezogen hatte, musste ich mein Zimmerchen für längere Zeit aus der Perspektive meiner Schlafstatt betrachten. Eine schwere Lumbalgie machte jede Bewegung zu einer

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schmerzvollen "Übung". Freunde kamen, um mich abzulenken, aufzumuntern; man brachte mir mit Sand gefüllte Säckchen, die, erhitzt, auf das Kreuz aufgelegt, zusätzlich zu den sonstigen medizinischen Maßnahmen Linderung brachten. WMS erschien eines späten Abends mit einem großen selbstgebackenen, noch warmen, köstlich duftenden und schmeckenden Kuchen! So war diese Frau – immer für alle da und immer Freude bereitend, herzlich. Das haben auch unsere Studenten so empfunden, mit denen ich in Moskau mehrfach ein Praktikum durchführte. Bei WMS hörten sie Vorlesungen zu Problemen der Sozialstruktur der Sowjetgesellschaft, keine leicht verständliche Materie, viel Statistik, wissenschaftliche Abstraktion. Hoher Anspruch, der größte Aufmerksamkeit abverlangte. Körperliche und geistige Ermüdungserscheinungen waren wie weggeblasen, als WMS anschließend an eine Lehrveranstaltung die ganze Gruppe in die Stolowaja zu Kaffee und den leckeren Törtchen einlud, für die die Konditorei der Stolowaja universitätsweit berühmt war. Da die Zeit schon fortgeschritten war und Mensaschluss drohte, ging es im Dauerlauf über das Uniterritorium. WMS bestimmte das Tempo, entgegen kamen einige ihrer Kollegen, darunter Wladimir Sinowjewitsch. Lachend und ziemlich außer Atem rief sie ihnen entgegen: Das bin ich nicht, das bin ich nicht! Doch, das war sie! So war sie. Das war 1971; die Studenten meiner Gruppe hat das so beeindruckt, dass sie es im Praktikumstagebuch festhielten.

Das letzte Mal besuchte ich WMS am 9. Mai 2005, dem denkwürdigen 60. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus. Aus diesem Anlass hatte sich eine Gruppe der “ Berliner Freunde der Völker Russlands” nach Moskau auf den Weg gemacht. Dass dieser Besuch unser letztes Treffen sein würde, konnte ich erahnen, wusste ich doch, dass WMS sehr krank war. Die sie betreuende Hauspflegerin wollte zunächst auch den Besuch abwimmeln, offenbar hatte sie entsprechende Instruktionen. Doch als sie meinen Namen „verinnerlicht" hatte, öffnete sich die Tür zum häuslichen Krankenzimmer: WMS erwartete mich. Ich fand sie, die stets energievolle, lebenssprühende Frau, merklich gealtert und von der Krankheit gezeichnet (Krebs?). Ihre geistige Regsamkeit war ihr geblieben; ich konnte alle Grüße und Wünsche ihrer Berliner Freunde, mündliche wie schriftliche, übermitteln.

Sie fragte interessiert nach dem Hier und Heute der Berliner UdSSR-Historiker, vieles vertiefend, was ich ihr in meinen Briefen – mit WMS führte ich wohl den intensivsten brieflichen Austausch in den Jahren unserer Freundschaft – mitgeteilt hatte ... Nur wenige Wochen später verstarb WMS. Ich erfuhr dies, als ich wie stets am 7. November anrief, um zu dem für sie doppelten Feiertag zu gratulieren. Es wäre ihr 85. Geburtstag gewesen.

Ihr Sohn hielt an diesem Tag am Telefon gleichsam eine verspätete Totenwache, um Freunden und Bekannten, die man anders nicht erreicht hatte, diese traurige Mitteilung zu machen.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 47 ff.

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Begegnungen in Belarus Marga Voigt Vorbemerkung: Eine Studienreise „Auf den Spuren der Heeresgruppe Mitte“, organisiert von dem Berliner Verein Kontakte e.V., führte vom 10. bis 18. Oktober 1992 nach Belarus. Unsere Gruppe war bunt gemischt: Die jüngsten waren Oberschüler, die ältesten ehemalige Kriegsteilnehmer und ebenso viele Ost- wie Westdeutsche der unterschiedlichsten Ausbildung, Anschauungen und Berufe.

Es war eine Reise in die Geschichte, aber wir kamen auch mit den Menschen in Kontakt und sprachen über die gegenwärtigen Probleme der Republik Belarus. Die Belorussen sind fleißig, gut ausgebildet, freundlich, lebensfroh und voller Hoffnung, in ihrem Land einmal gute Lebensbedingungen zu haben. Sie brauchen unsere Freundschaft und Unterstützung.

Drei Episoden sind mir unvergesslich geblieben. Ich habe sie im Oktober 1992 notiert: Die Festung Wir fahren zur Brester Festung. Meine erste Begegnung mit den Kampfstätten des Krieges auf sowjetischem Territorium. Da ist sie, die legendäre Festung. Der Eingang zum Gelände der Festung ist monumental, die Darstellung des Sowjetsterns unübersehbar.

Aber nicht das ist es, was mich berührt, sondern die Musik, die mir entgegenschallt, das machtvolle Lied vom heiligen Krieg: Steh auf, steh auf, du Riesenland. Ein Kloß steckt mir im Hals, schon immer geht mir gerade dieses Lied tief unter die Haut, umso mehr hier, wo der schreckliche Krieg gegen die Sowjetunion begann. Vor mir erstehen die Bilder aus sowjetischen Filmen und Büchern, die ich in meiner Jugend leidenschaftlich gern gesehen und gelesen habe. Ich denke an die vielen berühmten und namenlosen Helden und Kämpfer und ihre ruhmvollen und tapferen Taten. Und nun? Wohin mit den hereinbrechenden Gefühlen, wie sie wieder bändigen? Ich spüre eine große Trauer in mir.

Aber wie sie in Worte fassen? Es gelingt mir nicht. Ich gehe wie benommen durch den Eingang und versuche, das Marschlied aus dem Lautsprecher mitzusummen. Es gelingt mir nur schwer.

Erst jetzt achte ich wieder auf die anderen in der Gruppe. Das Gelände der Festung ist sehr weiträumig, lang ist der Weg zum Obelisken mit dem ewigen Feuer. Überdimensional ist das Denkmal des sich verteidigenden Soldaten, unerbittlich und entschlossen ist sein Gesicht, stark seine Hand und mächtig sein Körper. Keiner kann diesem Denkmal entfliehen, es zieht alle in seinen Bann.

Und trotzdem, in mir ist große Trauer. Etwas erwärmen kann sich mein Herz erst an dem stillen ewigen Feuer und der leisen Musik der Träumerei von Robert Schumann, die von irgendwo herüber klingt. Ich lese die vielen Namen der in der Festung Gefallenen und gehe mit den anderen in das Festungsmuseum. Aber meine Gedanken weilen nicht hier, woher kommt diese tiefe Trauer in mir? Es ist nicht nur die Trauer um die Opfer, die die Brester Soldaten gleich zu Beginn des Krieges brachten, um die vielen ruchlos überfallenen Menschen in der Festung und in der Stadt. Es ist eine andere, tiefer sitzende Trauer, woher rührt sie?

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Im Museum sehen wir einen Film über die heldenhafte Verteidigung der Brester Festung. Zutiefst berührend sind die Schicksale der Menschen, die hier kämpften und starben, und trotzdem ist es nicht das, was mich so aufwühlt, aber was?

Ich brauche noch etwas Zeit, einen Moment noch. Jetzt meine ich, es in Worte fassen zu können, was mich so tief bewegt: Es ist die Ahnung eines großen Irrtums, die Trauer um eine verlorene Idee, das unbarmherzige Ende eines Traums von einer besseren Welt.

Ausgerechnet hier in Brest wird es mir schmerzlich bewusst. Der Kampf war gnadenlos und unerbittlich auf beiden Seiten, der Heldenmut der Sowjetmenschen ist legendär, ihr entschlossener Kampf bleibt unübertroffen und war verdient siegreich. Wie wurden sie gefeiert, mit Ehrungen überhäuft und Orden behängt! Welch monumentale Denkmäler wurden ihrem Ruhm und Heldentum errichtet! Doch wie viel wert war ihr opfervoller Sieg für sie selbst, ihre Angehörigen und Freunde und Bewunderer in großen Teilen der Welt?

Ja, Stalin und der Sowjetregierung begegnete man mit Achtung und Respekt, in Ost und West. Und den Sowjetmenschen? Wer kümmerte sich um ihr weiteres Schicksal und das Schicksal ihrer Angehörigen? Wie reagierte die internationale Öffentlichkeit auf die Verbrechen Stalins und die Stagnation unter Breshnew? In Ost und West machte sich schnell Heuchelei breit, geschürt wurde ein ebenso unerbittlicher wie erbarmungsloser Kalter Krieg. Und wieder mussten die einfachen Menschen im großen Sowjetland die größten Opfer bringen. Und wir schauten alle nur zu. Und erst heute, wo endlich auch der Kalte Krieg beendet ist, machen wir uns auf die Reise und suchen die Begegnung mit den Menschen der ehemaligen Sowjetunion. Warum erst jetzt?

Ich weiß, Trauer ist nicht das richtige Gefühl für unsere Reise nach Osten, zu den Menschen dort, aber ich schäme mich meines Gefühls nicht. Ich gehe bewusst und mit offenen Augen auf meine Reise durch Belarus und bin entschlossen, mir gegenüber ehrlich zu sein und den anderen eine gute Wegbegleiterin.

Trostenez Wir fahren nach Trostenez. Wer kennt Trostenez? Keiner aus unserer Gruppe hat je diesen Namen gehört. Trostenez war das größte Konzentrationslager der Deutschen auf sowjetischem Gebiet. Unser Weg führt uns an den Stadtrand von Minsk. Neubaugebiete, ähnlich wie die von Marzahn, lassen wir hinter uns. Der Weg führt uns vorbei an einem riesigen Müllabladeplatz. Wir halten vor einem Kiefernwald. Und hier erfahren wir von unserer Reiseleiterin das Abscheulichste, was ich je gehört habe. Ich bestaune den Mut, mit dem sie gefasst ihre Notizen vorträgt. Sie erläutert uns die sogenannte „Enterdungsaktion“ der faschistischen Barbaren: Als die Rote Armee immer näher an Minsk heranrückte, ergriffen die Faschisten Maßnahmen, um ihre grausamen Verbrechen zu verwischen. Die Umgebung von Minsk war von Massengräbern übersät. Die größten von ihnen ließen sie wieder öffnen und die verwesten Leichen herausholen. Sie ließen riesige Leichenberge auftürmen: immer eine Schicht Leichen, eine Schicht Baumholz, eine Schicht Leichen, eine Schicht Baumholz, wieder Leichen, meterhoch ... Grausige Scheiterhaufen brannten Tag für Tag. Ich höre zu und mir wird furchtbar übel, ich will weghören und kann es nicht. Ich muss wissen, was hier geschah. Es ist Teil der deutschen Geschichte und ich bin eine Deutsche. Mir ist elend. Tapfer konzentriere ich mich auf das Gesagte. Völlig sinnlos heißt dieser Ort Blagowschtschina, darin steckt das russische Wort blago, das bedeutet Wohl und Heil. Heute erinnert an diesem Wäldchen nichts mehr an das grausame Wüten der Faschisten, keine Tafel, kein Stein, kein schlichtes Kreuz, nichts. Ich behalte beschämt meine Blumen.

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Ich habe weiße und rote Nelken dabei – weiß und rot – die Farben der unabhängigen Republik Belarus.

Wir fahren weiter, jetzt dorthin, wo sich das Konzentrationslager befand. Schon am Straßenrand macht eine Tafel darauf aufmerksam. Wir steigen aus und gehen zu einem kleinen Mahnmal, umgeben von einem niedrigen, schmiedeeisernen Zaun. Wieder höre ich die sachlich vorgetragenen Notizen, die furchtbaren Fakten, die Zahlen der wehrlosen Opfer, die Maschinerie der planmäßigen Vernichtung, doch jetzt kann ich nicht mehr.

Bevor mir schwarz vor Augen wird, entferne ich mich leise von der Gruppe und suche Halt irgendwo an dem kleinen Zaun des Mahnmals. Die Tränen sind nicht mehr zurückzuhalten und irgendwie stecke ich eine rote Nelke an den Zaun und versuche, mich zu beruhigen.

Da tritt Jutta leise an mich heran, ich bin ihr dankbar für ihre Nähe, lehne mich bei ihr an und schluchze wie ein kleines Kind. Sie lässt mich gewähren und ganz langsam gehen wir Arm in Arm den anderen hinterher.

Das Gelände ist groß und unbebaut. Langsam hebe ich wieder den Kopf und habe Augen für den klaren Herbsttag. Ich schaue mich um. Im Hintergrund die Neubauten und eine Baustelle, davor eine kleine, alte Bauernhütte.

Auf dem Gelände weiden einträchtig beieinander Kühe, Ziegen und Schafe, bewacht von einer Frau in derben Stiefeln und gesteppter Jacke. Ich möchte unbedingt ein paar Worte mit ihr wechseln und gehe auf sie zu. Ich blicke in ein Gesicht, das viel jünger ist als meins und bin etwas verwirrt. Macht nichts, ich wünsche ihr einen guten Tag und ich schenke ihr von meinen Blumen, eine rote und eine weiße – die Farben von Belarus. Und wir reden ein bisschen miteinander, so von Frau zu Frau. Und ich merke, wie ich wieder in der Gegenwart ankomme, wie sich mein Herz beruhigt. Wir verabschieden uns freundlich voneinander, und wieder laufe ich, um die anderen einzuholen.

Walter Unser Weg führt uns am letzten Tag ca. 40 km südlich von Minsk in das Dorf Charowitsche. Ein kleines Dorf mit nur wenigen, vor allem alten Einwohnern, kleinen Hütten mit Gärten und ungepflasterten Wegen. Vor den Häusern hin und wieder eine kleine Bank zum Ausruhen. Die Ebereschen stehen in voller Pracht ihrer leuchtend roten Beeren und die Apfelbäume tragen schwer an ihrer Last. Ein stilles, abgelegenes Dorf, wie wir so viele schon gesehen hatten, und doch erwartet uns hier eine ganz besondere Begegnung.

Im Mittelpunkt unserer Gruppe steht heute Walter, ein freundlicher, überaus sympathischer und stattlicher Mann in den Sechzigern.

Walter auf dem Panjewagen

Vor Tagen schon, in den ersten Diskussionsrunden in unserer Gruppe, sprach er von seinen Kriegserlebnissen in Belarus. Er war Soldat der Wehrmacht und war beim Einsatz dabei, als sie u. a. in diesem Dorf, südlich von Minsk, bei den Bewohnern Vieh und Lebensmittel zur Versorgung der deutschen Truppenteile requirieren mussten. Er sprach sehr erregt von dieser Zeit. Bei Antritt seiner Reise nach Belarus hatte er sich fest vorgenommen, in eben dieses Dorf zu fahren, die Menschen wieder zu sehen und sich bei ihnen zu entschuldigen. Walter hatte Lebensmittel und andere nützliche Sachen gemeinsam mit seiner Frau für diesen Weg zusammengetragen und ihr beim Abschied fest versprochen, alles an Ort und Stelle abzugeben. In der Gruppe herrschte einen

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Moment lang Stille, dann meldete sich eine unserer Jüngsten zu Wort. Das findet sie ganz toll, dass er das machen will, alle Achtung! Dem stimmten wir zu und einige erklärten sofort ihre Bereitschaft, ihn auf diesem schweren, aber so wichtigen Weg zu begleiten.

Deutsche und Belorussen, endlich reden wir miteinander. Und wir Deutschen hören aufmerksam zu. Die Offenherzigkeit der Dorfbewohner uns Deutschen gegenüber kommt für uns unerwartet. Sie haben Vertrauen zu uns und erzählen uns, wie schwer ihr Leben auch gegenwärtig ist. Aber sie klagen nicht, weder über die Vergangenheit noch über die Gegenwart, sie erzählen uns einfach wie es damals war und wie es heute ist. Und wir hören betroffen zu. Und nun ist es soweit. Acht aus unserer Gruppe gehen mit Walter.

Unser Bus fährt in Charowitsche ein und hält mitten im Ort. Wir steigen aus. Allein Walter weiß sich aus der Erinnerung her zu orientieren. Wir anderen schlendern ein wenig umher.

Zögernd, aber dann doch bestimmt, kommen ein paar alte Leute, vor allem Frauen auf uns zu. Wir kommen ins Gespräch, woher wir kommen und was uns zu ihnen führt. Nicht gleich, aber dann umso deutlicher waren die Kriegserlebnisse wieder da. Ein alter Mann erzählt, wo er gekämpft hat, die Frauen erinnern sich, wie schlimm die Zeit war, wie schwer es war, sich und vor allem die Kinder durchzubringen. Das ist inzwischen lange her und doch noch lebendig. Unmerklich versammeln wir uns mit den Dorfbewohnern vor einem Haus und alle sprechen durcheinander. Jeder will etwas erzählen. Eine Frau weint, sie ist nur etwa zehn Jahre älter als ich. Ich erfahre, dass ihr Vater bei den Partisanen kämpfte und erschossen wurde. Neben ihr steht ihre Mutter, eine alte, gebeugte Frau.

Betroffen nehme ich die weinende Frau wie eine Schwester in den Arm. Ein anderer erzählt voller Stolz, wie er in der 3. Belorussischen Armee gekämpft hat und bei der Einnahme von Königsberg (heute Kaliningrad) dabei war. Ich erinnere mich in dem Moment ganz deutlich an die Erzählungen meines Vaters. Er lebte mit seinen Eltern in Königsberg. Die Schlacht um Königsberg war sehr erbittert. Im letzten Moment zogen die Deutschen noch die ganz Jungen und die Alten in den Volkssturm ein. Das Inferno war entsetzlich, alle drei, mein Vater, mein Großvater und auch die Großmutter gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, jeder in ein anderes Lager. Erschüttert höre ich dem alten belorussischen Frontkämpfer zu. Die Geschichte ist unerbittlich, und wir müssen solche Gespräche führen. Aber es ist unheimlich schwer. Er schaut in mein Gesicht und krempelt den Ärmel seiner alten Jacke auf, ich sehe den von zahllosen Verwundungen entstellten Arm und bin ganz still. In Charowitsche auf der Dorfstraße holt uns die Geschichte ein.

Plötzlich sagt die Hausherrin, bitte seid meine Gäste und tretet bei mir ein. Ich bitte euch in mein Haus, nehmt Platz, da redet es sich besser. Nun waren wir es, die zögerlich waren. Können wir denn diese Einladung annehmen? Wir können. Die Gastfreundschaft der einfachen Menschen auf dem Lande ist überwältigend.

Wir gehen ein wenig im Haus umher und sehen, wie sie hier unbeschreiblich einfach, aber gut miteinander leben, die Großmutter (79) mit ihren zwei Töchtern und dem Schwiegersohn (alle über 50). Die Kinder halfen heute (es ist gerade Wochenende) bei der großen Wäsche. Viel Arbeit gibt es auch in Haus, Hof und Garten.

Bei Maria daheim

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Nun sitzen wir um den Tisch herum, drinnen ist es gemütlich warm. Schnell brachte die Hausfrau Brot. Die Frauen trugen selbst eingelegte Gurken, frische Tomaten, Fleisch, Äpfel, gekochte Kartoffeln und den unvermeidlichen Knoblauch herein. Wir waren verblüfft, aber unsere anfängliche Unsicherheit verging durch diese herzliche Gastfreundschaft sehr schnell. Unsere Gastgeber waren so natürlich und liebenswürdig, dass wir uns sofort wohl fühlten und gern zulangten. Der Schwiegersohn holte von irgendwoher den Selbstgebrannten und die Töchter bestanden darauf, dass jeder Gast das Glas nach Sitte des Hauses in einem Zug auf die Gesundheit ihrer Mutter leert. Wer kann dieser Aufforderung ernsthaft widerstehen? Natürlich haben wir etliche Gläser auf die Gesundheit der Großmutter getrunken, und wer von uns keinen Alkohol vertrug, dem sprang der Tischnachbar bei, sich der angenehmen Pflicht zu entledigen, auf die Gesundheit dieser warmherzigen, einfachen und guten Frau zu trinken.

Mitten in unserer angeregten Unterhaltung bei Tisch, nimmt mich die Großmutter am Arm und sagt, hätten doch Stalin und Hitler miteinander gekämpft und uns Menschen in Ruhe gelassen. Tun wir alles, dass es nie wieder Krieg gibt und Menschen, die im Grunde ihres Herzens friedliebend sind, nicht aufeinander schießen müssen. Darauf haben wir nochmals angestoßen. Möge es so sein!

Und Walter? Ich habe ihn beinahe vergessen. Er sitzt mir gegenüber, hält den Kopf in die Hände gestützt und weint. Seine Tischnachbarin hat schon ihren Arm um ihn gelegt.

Sie redet leise mit ihm. Walter, was geht jetzt in dir vor? Ich glaube, ich verstehe deine tiefe Erschütterung. Das muss so sein. Das ist gut so. Wir müssen so tief erschüttert sein, und dieses Gefühl muss Platz greifen in unseren Herzen. Nur so bewahren wir uns davor, jemals wieder ein anderes Land mit kriegerischen Absichten zu betreten.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 76 ff. -- Marga Voigt, Jahrgang 1953. Slawistin, Bibliothekarin. Studium der Slawistik und Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1971 bis 1975. Seit 2002 freischaffend im publizistischen Bereich tätig.

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Freundschaftliche Begegnungen Eugen Neuber Freundschaftliche Begegnungen in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten prägten und prägen in vieler Hinsicht mein Verständnis für heutige russische Innen- und Außenpolitik.

Viktor Ich will zunächst über eine Freundschaft erzählen, die sich 1993 in Belarus ganz zufällig entwickelte. Schließlich entsteht Politik durch das Wirken von Menschen. Es war im März 1993 um 01.00 Uhr nachts. Ich war auf dem Heimweg von einem Treffen mit Kollegen, die nach ihrem Urlaub in Deutschland wieder zu unserer Baustelle in Berjosa zurückgekehrt waren. Mein Schäferhund-Mix mit deutschukrainischer Lebensgeschichte begleitete mich fröhlich.

Plötzlich sah ich einen sportlich wirkenden Mann mittlerer Größe, wie ich mit russischer Wattejacke bekleidet, in Gesellschaft einer riesigen schwarzen Dogge. Es war eine Hündin. Sie nahm aber die freundlichen Kontaktversuche meines Rüden PRINZ ziemlich hochmütig auf. Mehr Interesse zeigte sie an dem Beutel in meiner Hand. Dort waren Wurst aus Deutschland, Radeberger Bier und Nordhäuser Doppelkorn. Natürlich hatte ich für die liebe Hündin mehrere Schmakazien. Hundefreunde verstehen sich. Mein Unbekannter eröffnete mir, dass ich ihm gerade recht komme. «Mne ne s kem vypit´» (ich habe keinen, der mit mir trinkt), sagte er traurig. Das heißt: ich will mit Dir einen trinken! Ich war zwar schon guter Stimmung, morgen war Arbeitstag, aber konnte ich „Nein“ sagen?

Wir setzten uns in eine Hoflaube. Tagsüber spielten darin Pensionäre leidenschaftlich Domino. Mein Gegenüber sagte: „Sa wstretschu!“-„Auf unser Treffen!“ Ich bewunderte sein Gehör, mit dem er in der Dunkelheit die beiden Senfgläser gefüllt hatte, ohne einen Tropfen zu verschütten. „Budem!“ antwortete ich. Das hieß: „So soll es sein“! Mein nächtlicher Freund schüttete mir sein Herz aus: Seine Frau bekomme bald ein Kind und war ihm böse, dass er so spät gekommen sei. „Poschol ty!“, hatte sie gesagt, ihn also rausgeschmissen. Er sollte sich mit dem Hund „auslüften“. Dabei haben er und seine Freunde ja nur die Dienststelle auf Vordermann gebracht. Ein „Revisor“ aus Moskau war angesagt, außerdem sollten am Nachmittag Deutsche von der hiesigen Baustelle seinen Fliegerhorst besuchen. Ich schmunzelte und bemerkte, auch während meines Dienstes in der Armee wurde tagelang gewienert, wenn Moskauer Inspektoren kommen sollten.

(Ich sagte nicht: „In der NVA“.) Viktor fand bei mir Verständnis und fügte mit Betonung hinzu: „Da muss man doch mit seinen Freunden den erfolgreichen Abschluss der Vorbereitungsarbeiten würdigen!“ Ich war einverstanden und goss ihm mein Berliner Bier ein.

Da fragte er: „Wo kommst du her?“ Aus Berlin! Er dachte, ich sei aus dem Baltikum.

Unser Gespräch wurde immer herzlicher. Die Wurst als „Sakuska“ („Zubrot“) begleiteten auch einige Gläser «Nordhäuser“. Was soll´s, dachte ich. Bis 6.00 Uhr ist noch Zeit.

Wir hatten auf der Baustelle die kunstvollen Gefechtsmanöver der Abfangjäger bewundert. Besonders die berühmte „Kobra-Figur“, wo eine MIG 29 aus voller horizontaler Geschwindigkeit senkrecht mit Nachbrenner in den Himmel schoss. „Das geht nur mit

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eiserner Gesundheit, dabei treffen den Piloten Überbelastungen bis 10 g. (Das entspricht einem 10-fachen Gewicht auf der Erde). Das ist ein harter Dienst!“ Ich brachte Viktor zu seiner Wohnung und entschuldigte uns bei seiner Frau für unser „Freundschaftstreffen“. Ein Rest schaukelte noch in der „deutschen Flasche mit Schraubverschluss“. Ich ließ sie ihm da, damit er sich am nächsten Morgen besser fühlen konnte. Die russische Sitte, einen „Aufwachtrunk“ am nächsten Morgen (gegen den Kater) zu trinken, habe ich selbst nie so richtig verstanden…

Unsere Freundschaft entwickelte sich. Am nächsten Tag empfing er uns als Stabschef des Standortes. Über unser nächtliches Treffen erfuhr niemand etwas. Gemeinsame Abendgänge mit unseren Hunden vertieften unser gegenseitiges Vertrauen. Seine „Lena“ kratzte sonntags häufig an meiner Wohnungstür, wenn ich noch nicht mit meinem „Prinz“ herausgekommen war. Ihre Begrüßung fiel den 98 cm Schulterhöhe entsprechend beeindruckend aus, wenn sie sich auf ihre Hinterpfoten stellte. Ihre Freundschaft war treu und innig.

Viktor erzählte mir auch, wie er als Instrukteur vietnamesischen Piloten neue sowjetische Jagdflugzeuge nahebrachte. Als die USA über Nordvietnam ihre strategischen Bomber B52 einsetzten, wurden sie von gut ausgebildeten Piloten reihenweise abgeschossen. „Die Amerikaner hatten damit gedroht, Vietnam in die Steinzeit zu bomben. Die Sowjetunion erklärte, das nicht zuzulassen.“ Viktor sah mich an und sagte: „Wie kann man erklären, im Interesse der freiheitlich-demokratischen Ordnung, das Mekongdelta ausradieren zu wollen?“ Er schwieg einige Zeit, dann sang er: „Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“ Wir sangen das Lied gemeinsam. Andere Anlieger unseres Innenhofes schlossen sich an. Wir hatten viel Übereinstimmung in der Auffassung, dass durch Kriege internationale Probleme nicht zu lösen sind.

Wir trafen uns noch oft, bis er in ein entferntes Ausbildungszentrum entsandt wurde.

Viktor war Pilot Erster Klasse und Testpilot. Ein Flieger-As. Er hatte viele Auszeichnungen bekommen und war ein kluger Offizier. Herzlich erinnerte er sich auch an seinen Dienst in Wünsdorf.

Bei unserem Abschied sagte er mir: „Wir Belorussen sind ein sehr friedliebendes Volk.

Wir haben in der Geschichte Schreckliches erlebt. Mit allen Nachbarn wollen wir gut zusammenleben. Aber nicht alle lassen sich allein mit gutem Zureden, zu einem friedlichen Zusammenleben bewegen. Diplomatie ist gut und notwendig. Dennoch muss für Leute, die es wissen wollen, für Hitzköpfe, klar sein, dass wir unsere Heimat schützen wollen und können! Wir wollen nicht über, aber auch nicht unter anderen Völkern leben.

Wir wollen gleiches Maß!

Der Abschied fiel uns beiden schwer. Bald war auch mein Einsatz in Belarus beendet.

Es war in Berjosa ein wunderschönes Neubaustädtchen entstanden mit Kindergarten und anderen Gesellschaftsbauten für heimkehrende sowjetische Militärangehörige…

An die Worte Viktors muss ich häufig zurückdenken. Wie oft wurden Handlungen der Sowjetunion, Russlands und von Belarus in vielen deutschen Massenmedien einseitig verurteilt, obwohl sie doch eigentlich nur dem Schutz des eigenen Landes dienten.

Außenpolitik ist häufig recht kompliziert und nicht sehr durchsichtig. Gleichzeitig stelle ich mir immer wieder eine sehr einfache Grundfrage: Sind die Teilnehmer an der internationalen Politik bereit, mit gleichem Maß die Sicherheitsinteressen aller Länder zu berücksichtigen und ihnen gleiche Rechte wie sich selbst zuzubilligen?

Viktor werde ich nicht vergessen.

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Der Unbestechliche Es war im März 1993. Ich brachte meine Kollegen in einem Kleinbus von Minsk zu unserer Baustelle in Berjosa. Die Stimmung war gut bis übermütig. Wir hatten nach langen Wochen mit ungezählten Überstunden einen halben Sonnabend frei bekommen. Der eigentliche Chef unseres Wohnungs- und Gesellschaftsbaus für heimkehrende sowjetische Militärangehörige übte im Auftrag der geldgebenden Bank aus Westdeutschland eine rigorose Kontrolle aus. Mit den Terminen waren wir in argem Verzug.

Heute aber war der Mann aus Süddeutschland großzügig gewesen. Seine Fußballmannschaft hatte ein Freundschaftsspiel in Minsk. Er hatte einige Kästen Paulaner Bier sowie blauweiße Fanartikel aus Deutschland kommen lassen. Ich trug das blauweiß gestreifte Hemd und einen Gürtel von meinem Freund Viktor. Meine jungen Kollegen wollten feiern und ich hatte das Fahren übernommen. Meinen lieben Hund PRINZ hatte ich mitgenommen. Das Fußballspiel – drei zu zwei für die süddeutsche Mannschaft – hatte ich in der Hütte des bewachten Parkplatzes verfolgt und dabei durchaus ein notwendiges zusätzliches Auge auf unseren Kleinbus. Unsere Handvoll deutscher Fans wurde von dem Stadionsprecher begrüßt – das schöne Spiel verlief freundschaftlich und wurde in dem vollen Stadion von den Zuschauern fair verfolgt.

Auf der Rückfahrt veranlassten meine Freunde einen dringlichen Halt auf einem Waldparkplatz. Plötzlich tauchte ein Motorrad mit Beiwagen der Verkehrspolizei auf und hielt etwa 30 Meter vor unserem Auto. Ein Milizionär winkte mir mit seinem schwarzen Stab und bedeutete recht energisch, dass ich allein kommen sollte. Sein mit Kalaschnikow bewaffneter Partner blieb am Beiwagen.

Ich wusste genau, dass ich sorgfältig alle Verkehrsvorschriften eingehalten hatte.

Dennoch war mir etwas mulmig. Es hatte Gerüchte gegeben über „angebliche“ Milizionäre. Der kräftige Mann mit rotem Gesicht winkte mich zu sich: „А nu dychni!“ Ich sollte ihn anhauchen?! Das hatte ich schon in der Ukraine erlebt. Kurz zuvor hatte ich aus der Thermoskanne eine Tasse Kaffee getrunken und hauchte ihn deshalb rücksichtsvoll an. „А nu jeschtscho ras dychni!“ Er wollte nochmals angehaucht werden. Danach wandte er sich kurz ab, hauchte in seine eigene Handfläche und sah mich verwundert an. „Eto she nemez!“ (Das ist doch ein Deutscher!) – sagte unser belorussischer Betonbauerbrigadier, den wir in Minsk getroffen und zu unserer Rückfahrt nach Berjosa mitgenommen hatten.

Die Situation entspannte sich. Milizionär Wassili hatte als Cheffahrer in Riesa gedient und kannte die DDR recht gut. Wir beide hatten sogar gemeinsame Freunde aus dem Standort Wünsdorf. Er wusste von dem Freundschaftsspiel und gratulierte uns. Er hatte eine Meldung über den Diebstahl eines deutschen Transporters erhalten und war deshalb zunächst vorsichtig gewesen.

Wir hatten reichlich Proviant mitgenommen. Den beiden Milizionären gab ich Kekse und Süßigkeiten für ihre Kinder und wünschte ihnen für den nächsten Tag eine angenehme Sonntagserholung. Dazu erhielten sie außerdem als Souvenir eine Flasche Paulaner. Die Stimmung im Kleinbus war nach meinem Bericht noch besser geworden.

Etwas später war 9. Mai in Berjosa. Ich besuchte mit meinem Hund die Gedenkveranstaltung und hatte auf ein Treffen mit Viktor gehofft, der von einer Reise zurückkommen sollte. Ich hielt mich mit PRINZ etwas abseits, um die Veranstaltung nicht zu stören.

Plötzlich wurde ich von einem kräftigen Arm gedrückt: Es war Wassili. Er machte mich mit seinen Freunden des Veteranenvereins bekannt. Bald wurden Lieder des Großen Vaterländischen Krieges gesungen. Als ich von meinen ersten Treffen mit Rotarmisten

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1945 erzählte und die damaligen Lieder noch kannte, gab es viel zu feiern. Ich hatte auch etwas mitgebracht. Das Bier wurde gewürdigt, ohne den Wodka zu vergessen.

Nach dieser Feier gehörte ich dazu: Jeden Sonntag traf ich auf dem Markt gute Bekannte und hörte von den energischen Taten meines Wassili. Er wurde als unbestechlicher Gesetzeshüter gerühmt. Er hatte sogar den Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees (entspricht unserem Landrat) wegen Einfahrens in eine Einbahnstraße betraft. Am meisten freundlich belacht wurde jedoch, dass er sich selbst bestrafte, als er versehentlich im Parkverbot parkte.

Als ich meinen Arbeitseinsatz beendete und nach Deutschland zurückfuhr, hatten er und seine Freunde an der Rayongrenze eine kleine Straßensperre arrangiert, damit wir uns auf russische Art verabschieden konnten. Den unbestechlichen Wassili mit dem guten Herzen werde ich nicht vergessen.

Uwes Liebe Mein Freund Uwe war ein handfester Mecklenburger. Von Beruf Bautischlermeister, eifriger Leichtathlet und von Natur mit Humor ausgestattet, war er lange Zeit Organisator und Mittelpunkt vieler kollegialer Feiern gewesen.

Sehr ungewohnt kam Uwe einsilbig aus Neubrandenburg zurück. Er war in der Nacht nach einem Kurzurlaub eingetroffen. Eigentlich war es auf unserer Baustelle mit überwiegend Mecklenburger Baumännern üblich, Abfahrt und Rückkehr vom seltenen Urlaub gemeinsam zu würdigen: „Gut gegessen?“ „Ja!“ „Gut getrunken?“ „Jaa!“ „Und…?“:„Und, auch jaaaa!“. Auf einer fast ausschließlichen Männerbaustelle gab es nicht nur bei Geburtstagen in unserer guten Kantine viele Anlässe. Natürlich waren die Gedanken oft in der Heimat, bei den Nächsten…

Mein Uwe bat mich, am nächsten freien Tag mit ihm nach Brest zu fahren. Es war üblich, für unsere Kollegen im „Intershop“ in dem Grenzbereich verschiedene Dinge mit einzukaufen, die es in Berjosa nicht gab. Uwe holte mich mit dem Kleinbus ab. Er hatte schon sein Bautischlerwerkzeug eingeladen. Auf dem Rückweg sollten wir die Brigadierin der seit einem Monat auf dem Bau tätigen Malerinnen aus dem Dorf ihrer Mutter abholen.

1993 war der Busverkehr dorthin eingestellt worden, deshalb hatte sie für die Hinfahrt eine Mitfahrgelegenheit mit einem LKW-Fahrer vereinbart und wollte mit uns zurückfahren.

In der Gedenkstätte der Brester Festung erzählte ich Uwe von dem erbitterten Kampf der Rotarmisten. Schon auf dem Weg nach Minsk fuhren wir an einer Reihe großer Gedenktafeln für die sowjetischen Heldenstädte vorbei.

Uwe erzählte mir dann, weshalb er so schweigsam war: Seine Frau aus DDR-Zeiten hatte sich gemeinsam mit ihm für den Bau eines Eigenheims auf dem Grundstück seiner Mutter entschlossen. Er selbst hatte im DDR-Wohnungsbau ein gutes Einkommen sowie Transport- und Baustoffe von seinem Betrieb günstig erhalten. Nach der Wende wurde er arbeitslos und baute in Eigenleistung weiter, wenn er bei Gelegenheitsarbeiten Geld für Baustoffe erarbeiten konnte. Die Auslandsbaustelle war für ihn die große Chance, mit besserem Verdienst schneller zum Abschluss seines Bauvorhabens zu kommen. Seine Frau hatte aber einen westdeutschen charmanten Chef mit viel Geld kennengelernt und konnte nicht mehr warten.

Mein Freund erfuhr auf der Baustelle in Berjosa viel Anerkennung. Er hatte auf der Abendschule noch seinen Meister gemacht und konnte für alle Bereiche als „Baubegleiter“ eingesetzt werden. Unsere ARGE ostdeutscher Baufirmen hatte als Hauptauftragnehmer vertraglich die Verpflichtung, die Ausführung der Bauarbeiten „nach europäischem Standard“ zu gewährleisten. Die Projektierungs- und Bauleistungen selbst wurden von belorussischen Baukombinaten ausgeführt. Die deutsche Finanzierung des Objektes ermöglichte den Bezug deutscher Materialien und Mechanisierungsmittel und somit eine

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höhere Qualität des Baus sowie auch eine wesentliche Rationalisierung der Arbeiten.

Aber: All diese modernen Arbeitsmittel kannten unsere belorussischen Kollegen nicht.

Zur Unterstützung wurde eine Gruppe erfahrener deutscher Baufacharbeiter für die unmittelbare Hilfe bei der Ausführung der Arbeiten auf die Baustelle geholt. Auch Uwe mit seinen wahrhaft goldenen Händen. Mit seinen 1,95 m Länge war er in jeder Gesprächsgruppe sofort zu erkennen. Er war stets zu Scherzen bereit. Überall auf der Baustelle war er gern gesehen und als Fachmann anerkannt. Eifrig bemühte er sich um die Reaktivierung seiner russischen Sprachkenntnisse aus der Polytechnischen Oberschule. Dabei passierten natürlich auch lustige Missverständnisse.

Die neu angekommene belorussische Malerinnenbrigade war für unsere jungen Kollegen ein echter Anziehungspunkt. Sie arbeitete auch am Montag pünktlich und exakt.

Untergebracht wurden die Malerinnen in einer Baracke auf der zeitweiligen Baustelleneinrichtung mit Anschluss an die zuverlässige deutsche Warmwasser- und Heizungsanlage direkt neben unserer Kantine. Nach dem Abendessen saßen häufig unsere Kollegen auf einer Bank und hörten gern die Lieder der Frauen.

Sweta hatte mit ihren Kolleginnen die Fenster mit Blumenkästen verschönt. Uwe fragte mich, wie „Garten“ auf Russisch heißt. Er kannte Sweta ja schon dienstlich. Ich sagte ihm möglichst deutlich, das harte „S“ betonend „Sad“. Als Sweta vorbei ging, rief er: Sad! Mit einem weichen „S“. (Im Deutschen wird ja ein „S“ im Anlaut weich gesprochen.)

Russisch heißt dann dieses Wort „Hintern“. Sweta reagierte empört. Ich hatte beobachtet, dass nicht nur unsere deutschen, sondern auch die belorussischen Kollegen diese schlanke Frau gern mit Anerkennung nachsahen, wenn sie vorüberging. „Opjat`!“ (Wieder!) rief sie verärgert. Natürlich klärte ich sie über das Missverständnis auf.

Nun waren wir auf dem Weg zu ihr. Ihre Mutter, seit vielen Jahren Witwe, empfing uns in dem Dorf sehr freundlich und erklärte uns, der LKW-Fahrer habe noch einen zusätzlichen Fahrauftrag erhalten. Er sei in anderthalb Stunden da. Sie wollte uns erstmal zum Mittagessen einladen.

Wir beide hatten vor dem Eingang in ihr Grundstück einige sehr große Baumstämme erblickt. Diese waren von einem Schaufelradbagger vor ihrem Haus als Brennholz abgelegt worden. Einen Moment! – sagte Uwe. Er hatte eine starke Benzinkettensäge im Auto… In zwei Stunden hatten wir das Holz gesägt und säuberlich an der Hauswand aufgeschichtet.

Als Sweta eintraf, wurde gemeinsam ein Festessen veranstaltet. Ich erklärte mich zum Fahrer und trank keinen Tropfen Alkohol. Das war für uns alle auf dem Auslandseinsatz eisernes Prinzip. Uwe hatte für Sweta ein schönes Seidentuch aus dem Intershop mitgebracht. Sie hatte es in ihre langen, bis zur Taille reichenden Haare eingeflochten.

Auf der Baustelle sahen wir sie bisher nur mit hochgestecktem Haar und Kopftuch. Uwe war beeindruckt, aber auch Sweta zeigte für ihn Sympathie.

Uwe arbeitete danach über einen Monat auf einer weiteren Baustelle in Iwazewitschi.

Auf unserem ersten gemeinsamen Rundgang dort sagte er plötzlich: „Sweta ist schwanger!“ Noch am gleichen Abend war ich bei ihm in seiner „Auswärtswohnung“.

Sweta war auch da und Uwe wollte klare Verhältnisse haben. Er hatte schon ihr Eheversprechen erhalten. Mit meiner Hilfe erklärte er sein Eigenheimvorhaben auf dem Grundstück seiner verwitweten Mutter. Sweta war mit Uwes Plänen und Lebensvorstellungen einverstanden. Sie hatte bereits ein Jahr Architektur in Minsk studiert, aber wegen des guten Verdienstes auf der „deutschen“ Baustelle das Studium unterbrochen. Sie hatte nur zwei Wünsche: „Ich will keinen Mann, der trinkt!“ „Wir werden meine Mutter nicht vergessen!“ Uwe trank drei Monate nicht einmal Bier. Sweta lebte schon bei ihm. Er war als Projektverantwortlicher für die Fertigstellung einer „Regenwasserkläranlage“ eingesetzt worden. Die Übergabe wurde mit unseren belorussischen Freunden gefeiert, wie es üblich

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ist. Er musste einfach zu den vielen Trinksprüchen mittrinken. Ich brachte ihn zu Fuß nach Hause. Er war voller Sorge über mögliche Vorwürfe.

Am nächsten Tag strahlte er: Sweta hatte gelacht, ihn in das Bett gehievt und am Morgen sogar eine kalte Kompresse auf die Stirn gelegt. Es war unser Grundsatz, pünktlich zum Arbeitsbeginn zu erscheinen.

Sweta und Uwe heirateten, sie zog mit ihm nach Neubrandenburg. Mit Uwes Mutter verstand sie sich sehr gut. Swetas Mutter war zu Besuch – drei Monate lang – als das Kind geboren wurde. Die kleine Tochter wuchs behütet und harmonisch auf. Uwe verdiente noch auf einer großen deutschen Baustelle in China gutes Geld. Sweta beaufsichtigte den Weiterbau seines Hauses.

Gute gemeinsame Arbeit entwickelt häufig Kameradschaft, Freundschaft, manchmal auch Liebe. Dieses Kapitel der deutsch-belorussischen Freundschaft freut mich bis heute!

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 81 ff.

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Der Sprössling Cilly Keller Im Sommer 2009 folgte ich einer seit langem ausgesprochenen Einladung nach Kaliningrad. Oft schon hatte ich Viktoria Briefe geschrieben und von ihr Briefe erhalten, wir hatten telefoniert und gegenseitig SMS-Grüße ausgetauscht. Ich freute mich sehr auf unser bevorstehendes Wiedersehen.

Wassili Tschernow mit Tochter Viktoria. 2009

Im April 2005 hatten wir uns kennengelernt.

Damals war ich von der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück als Betreuerin für die russisch sprechenden Gäste eingesetzt worden. Die Gäste waren ehemalige Häftlinge des Frauenkonzentrationslagers. Viele darunter sind während des Krieges aus sowjetischen Dörfern und Städten verschleppt oder bei Kämpfen gefangen genommen worden. Über Sammellager und andere Konzentrationslager hat man sie schließlich nach Fürstenberg verbracht.

Anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung fand an einem Abend ein Treffen einstiger Kinderhäftlinge statt. Viktoria gehörte zu ihnen. Sie wurde am 29. August 1944 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück geboren.

Damals, 2005 und auch 2007, als ein zweites Treffen stattfand, an dem Viktoria in Begleitung ihrer Schwester Katja teilnahm, lernte ich zwei wunderbare Menschen kennen.

Vika, wie ich sie alsbald nannte, war sehr zurückhaltend, bescheiden, höflich und hielt sich immer etwas im Hintergrund des Geschehens. Sie ist sehr intelligent, hat, wie ich später erfuhr, als Mathematiklehrerin gearbeitet. Die unmenschlichen Bedingungen im Lager haben jedoch ihre Gesundheit gezeichnet. Noch weit vor dem Rentenalter war sie gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben.

Wir beide kamen jedoch schnell ins Gespräch. Viele Frauen, auch die deutschen Gäste, hatten eine Menge Fragen an sie, wollten, dass Viktoria ihnen etwas über ihre Mutter, Jelisaweta Nikolajewna, und über ihren Vater, Wassili Iossifowitsch Tschernow, erzähle.

Lisa Tschernowa (Kukuschkina) und Wassili Tschernow. 1943

Mit großem Interesse hörten wir ihren einfachen Worten zu. Ihre Aufregung bei den verschiedensten Interviews war zu spüren, ich versuchte sie etwas zu beruhigen. Unsere Unterhaltungen auf den Wegen zu den einzelnen Veranstaltungen, bei Spaziergängen durch die Stadt und bei Exkursionen ins Umland waren ungezwungen, herzlich, einfach so, als ob man sich schon sehr lange kennen würde.

Nun stand meine Reise zu Vika und ihrer Familie bevor. Ich wusste, dass ihr Vater Wassili Tschernow in der Roten Armee gekämpft hatte und mit seinen Truppen bis nach Deutschland vorgerückt war. Am 8. Mai 1945 stand sein Bataillon unweit der Ortschaft

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Grabow, nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, wo seine Frau und Tochter schreckliche Tage und Monate im Konzentrationslager erleiden mussten und überlebt hatten! Damals wusste Wassili Tschernow jedoch nicht, dass sie ihm so nah waren.

In seinen Büchern und Essays, wie „Der erste Monat nach dem Krieg" und „Selbstbekenntnis einer Frontkämpferin" schildert er seine Erlebnisse von der Front, berichtet er über seine Frontkameraden und widmet einen großen Teil seiner geliebten Frau Jelisaweta Nikolajewna.

Ich wollte mit einem kleinen Geschenk Wassili Tschernow eine besondere Freude bereiten. Daher fragte ich Vika, was ich einem Mann wie ihrem Vater, einem Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges, als Geschenk mitbringen könne. Obwohl schon längst Rentner, nimmt er noch immer Aufgaben im örtlichen Forstministerium wahr und arbeitet oft im Wald. Meine Frage an Vika war: „Soll ich ihm vielleicht eine Säge mitbringen?". Ihre Antwort lautete „Nein, keine Säge, Papa pflanzt hauptsächlich Bäume!"

Ich dachte nach und mir kam der Gedanke, zum sowjetischen Ehrenmal nach Treptow zu fahren – vielleicht finde ich unter den Platanen, die rings um das Ehrenmal am Wege stehen, einen Sprössling, nahe am Stamm eines großen Baumes. Zweimal ging ich die Wege links und rechts der Anlage entlang. Und ich hatte Glück, ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben. Ein kräftiger Sprössling hatte es geschafft Wurzeln zu schlagen und Blätter auszubilden. Es war nicht einfach, ihn aus dem Boden zu ziehen.

Nun wächst er in russischer Erde zu einem – wie ich hoffe – starken Baum heran, zu einem Baum der Freundschaft zwischen den Menschen unserer beiden Länder, zu einem Baum des Friedens zwischen unseren Völkern.

Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 91 f.

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Wenn einer eine Reise tut ...

Hermann Sachse Berlin – Moskau – Magnitogorsk und zurück in 95 Stunden Ja, das sind rund 6000 Kilometer. In meinen kühnsten Gedanken hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich noch einmal nach Moskau und etwas weiter kommen würde.

Doch der Reihe nach.

Ende April 2010 fragte mich der Vorsitzende unseres Vereins Cyrill Pech, ob ich Willens und auch gesundheitlich in der Lage sei, einer Einladung des Moskauer Fernsehsenders NTW zur Teilnahme an der Herstellung eines Dokumentarfilms zu folgen.

Als Termin war der 9. Mai, der Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg, vorgesehen. Da war die Zeit schon etwas knapp. (Ich musste mir ja einen neuen Reisepass und das erforderliche Visum besorgen). Allerdings änderte sich der Terminplan noch.

Hermann Sachse am 9. Mai 2010 am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park

Am 14. Mai wurde es dann ernst. In der Botschaft der Russischen Föderation traf ich vormittags mit Katja, einer Mitarbeiterin des Senders NTW, und dem Kameramann Sergei zusammen, die bis zum Ende meiner Reise meine guten Begleiter und ständig bemüht waren, mir die mit solch einem Unternehmen ja verbundenen Strapazen so gut wie möglich zu erleichtern. Schon nach Mitternacht, Sonnabend, den 15. Mai, hob der Flieger in Schönefeld ab. Gegen 5 Uhr Moskauer Zeit trafen wir auf dem Flughafen Scheremetjewo ein. Nun ging es mit einem Auto durch die erwachende Stadt. Schon auf dieser Tour gewann ich erste Eindrücke; das letzte Mal bin ich 1981 in Moskau gewesen. Wie hatte sich die russische Metropole verändert! Ich war echt fasziniert. Schließlich erreichten wir das Hotel „Lunochod", wo ich etwas ausruhen konnte. Am Nachmittag ging es dann zum Poklonnaja Gora, dem Hügel, auf dem sich die Gedenkstätte des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg befindet. Auch hier Filmaufnahmen.

Hier muss ich einfügen, dass die sprachliche Verständigung, obwohl sich Katja sehr bemühte, nicht immer leicht war. Für mein leibliches Wohl wurde natürlich auch gesorgt.

Inzwischen war es Nachmittag geworden, und wir fuhren wieder ins Stadtzentrum, vorbei an vielen neuen Hochhäusern. Bekanntes erspähte ich nur selten (den Kreml und den Roten Platz bekam ich nicht zu sehen).

Wir fuhren zurück zum Hotel, um meine Sachen zu holen. Dann ging es weiter zum Flughafen Wnukowo. Wohin es gehen sollte, wusste ich noch nicht. Ich war ziemlich überrascht, denn das Drehbuch sah doch ein Treffen mit einem russischen Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges vor. Dieser hielt sich aber zurzeit „etwas außerhalb" auf.

Außerhalb – das war Magnitogorsk! Meine Reise ging daher am Abend des 15. Mai weiter in diese Stadt im Südural. Kurz vor Mitternacht trafen wir – bei einer weiteren Zeitverschiebung von zwei Stunden – dort ein. Eine Stunde später „landete" ich im Hotel „Ural", unweit der Moskowskaja Uliza. Es war aber auch nötig, etwas auszuruhen...

Am Sonntag, den 16. Mai, fand nachmittags der „Dreh" mit Anatoli Iwanowitsch, dem 87jährigen Veteranen statt, der sich im städtischen Krankenhaus befand. Ich traf mit ihm

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in seinem Krankenzimmer zusammen, in dem sich außerdem dessen Frau und ein weiterer Patient aufhielten. Ich muss gestehen, dass mir dies alles sehr nahe ging.

Mit meinem nicht gerade umfangreichen russischen Wortschatz unterhielt ich mich mit Anatolis Frau (im gleichen Alter wie ich, 82 Jahre), die mir u. a. erzählte, dass eine ihrer Großmütter eine Deutsche war. Nachdem die „Arbeit" erledigt und unser Dreierteam essen war (das musste schließlich auch mal sein), unternahmen wir eine ausgedehnte Rundfahrt durch Magnitogorsk. Diese Stadt, in den Jahren des ersten Fünfjahrplans 1928 bis 1932 als Stadt „vom Reißbrett" entstanden, wird von schnurgeraden Straßen durchzogen: Prospekt Lenina, Prospekt Marxa, Uliza Woroschilowa usw... Ein Erlebnis besonderer Art war für mich die Überquerung des Uralflusses, der Grenze zwischen Europa und Asien. Der zweite Tag meiner Russlandreise ging zu Ende.

Der 17. Mai begann mit einer neuen Überraschung: Der „Dreh" mit Anatoli musste aus technischen Gründen wiederholt werden, dieses Mal nicht im Krankenhaus, sondern in einer Anlage daneben. Am Nachmittag unternahm ich einen Bummel durch die Stadt. So lernte ich die weitere Umgebung vom Hotel kennen, bislang waren wir doch nur mit dem Auto unterwegs. Auch der dritte Tag neigte sich dem Ende zu.

Am 18. Mai, kurz nach sechs Uhr morgens ging es zum Flughafen Magnitogorsk und gegen zehn von dort nach Moskau zurück. Kurz nach dem Start erlitt ich einen kleinen Schwächeanfall. Katja war sehr besorgt um mich (schließlich hatte sie ja Verantwortung für mein Wohl und Wehe übernommen), sie verständigte die Flugleitung. Nach der Landung in Moskau-Wnukowo wurde ich vom Flieger direkt mit einem Krankenwagen zum „Medpunkt" gebracht und einer Ärztin vorgestellt. Von dem Gespräch zwischen ihr und Katja habe ich so gut wie nichts verstanden, ihren Gesten entnahm ich aber, dass mein Blutdruck ziemlich gesunken war. Mir wurde deutlich gemacht, dass ich unbedingt Ruhe brauchte. Ein noch geplantes Treffen mit anderen russischen Kriegsveteranen konnte daher leider nicht stattfinden. Gerade darauf hatte ich mich vorbereitet und gefreut. Die große Fürsorge meiner russischen Freunde für mich, insbesondere von Katja, möchte ich aber an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben.

Nach meinem unfreiwilligen Arztbesuch fuhren wir in die Stadt, eine ziemlich lange Fahrt. Gegen Mittag trafen wir im Hotel „Lunochod" ein, wo ich bereits bei meiner Ankunft einige Stunden verbracht hatte. Ich ruhte mich noch etwas aus. Um 14 Uhr etwa kamen Katja und zwei andere Mitarbeiter des Fernsehsenders NTW, die im Hotelzimmer noch ein paar Filmaufnahmen mit mir machten.

Und schon begann die Heimreise. Im Hotel überreichte ich Katja und dem Kameramann Sergei ein kleines Souvenir aus Berlin. Etwa 18 Uhr Moskauer Zeit sollte das Flugzeug starten. Vom Hotel fuhren wir durch die um diese Tageszeit besonders belebten Moskauer Straßen – mehr Stop als Go. Immer wieder wurden wir durch rote Ampeln aufgehalten... Noch einmal betrachtete ich das neue Moskau, diesmal aus einem anderen Blickwinkel. Die Zeit lief uns davon. Katja informierte per Handy den Flughafen und teilte mit, dass „der Passagier H. S. auf dem Wege ist". Es wurde eng. - noch fünfzehn Minuten bis zum Start! Wir erreichten den Flughafen Domodedowo. Katja half mir bei der Passkontrolle. Dann verabschiedeten wir uns. Einige Hürden waren für mich – allein unter den vielen Fluggästen – noch zu nehmen. Der Sicherheitsscheck musste passiert werden - hier erwies sich die metallene Schnalle meines Hosengürtels als Risikofaktor und verursachte Alarm... Mit Unterstützung eines Passagiers, der auch nach Berlin flog, erreichte ich doch das richtige Gate und nahm erleichtert in der Maschine Platz. Gegen 18.30 MEZ landete ich in Berlin-Tegel.

Fazit: Diese Reise möchte ich nicht missen, sie war natürlich für mich anstrengend, aber sie wird ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Allen, die mich dazu ermutigt haben, mich unterstützten, gilt mein Dank: den Freunden im Vorstand unseres Vereins, besonders Eugen Neuber, ohne dessen großes Engagement das ganze Unternehmen

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sicher nicht stattgefunden hätte. Und nicht zuletzt danke ich meinen neu gewonnenen russischen Freunden – Katja und Sergei vom Sender NTW. Aus: Geschichten der Freundschaft. S. 92 ff. -- Hermann Sachse, Jahrgang 1927.

Diplomgesellschaftswissenschaftler. Studium an der Parteihochschule „Karl Marx“ von 1961 bis 1967. Langjähriger Mitarbeiter des Zentralvorstandes der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Hermann Sachse verstarb 2015.

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8./9. Mai 2013 – T ag der Befreiung und des Sieges Knut Danicke Wie in jedem Jahr nahmen Delegationen unseres Vereins an den Kranzniederlegungen in den sowjetischen Gedenkstätten Treptower Park und Tiergarten teil. Auch an anderen sowjetischen Gedenkstätten in Berlin wurden Blumen und Gebinde von Mitgliedern unseres Vereins niedergelegt.

Als Anerkennung für ihre Tätigkeit bei der Festigung der Deutsch-Russischen Freundschaft waren anschließend mehrere Mitglieder unseres Vereins zum festlichen Empfang in der Botschaft der Russischen Föderation eingeladen.

Am 9. Mai waren wir mit unserem Infostand bei der traditionellen Veranstaltung anlässlich des Tages des Sieges im Rosengarten im Treptower Park präsent. Für dieses schöne Fest haben wir extra unsere Informationstafeln auf den neuesten Stand gebracht.

Viele Besucherinnen und Besucher kamen ’raus nach Treptow. Unser Stand war sehr gut besucht, wir haben interessante Gespräche geführt und neue Kontakte geschlossen.

Herzlichen Dank unseren Mitgliedern, die sich aktiv an den Veranstaltungen beteiligt haben und besonders denen, die bei der Standbetreuung mitgearbeitet haben.

Aus: Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. CHRONIK 2013. -- Knut Danicke, Jahrgang 1940. Diplomjurist.

Unsere Delegation am Ehrenmal in Tiergarten

Unser Info-Stand im Rosengarten im Treptower Park

Unser Infostand im Rosengarten

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Exkursion nach Neuruppin – Mai 2012 Elke Krüger Bei frühlingshaften Temperaturen führte unsere diesjährige Busfahrt (Mai 2015) in die Fontanestadt Neuruppin. Unser erster Halt war der im Jahre 1946 angelegte sowjetische Ehrenfriedhof. Hier ruhen in 204 Einzel- und acht Gemeinschaftsgräbern 227 sowjetische Soldatinnen, Soldaten und Offiziere. In Ehrung der im Frühjahr 1945 gefallenen Rotarmisten legten wir ein Gebinde nieder. Unser Vorsitzender, Cyrill Pech, sprach eindringliche Worte des Gedenkens anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Horst Schützler las erschütternde Passagen aus Briefen sowjetischer Kriegsgefangener, die uns sehr berührten und erschütterten.

Am Ehrenmal auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof

Beim Rundgang im Tempelgarten

Weiter ging es mit dem Bus und bald schon grüßte uns das Wahrzeichen Neuruppins, die Klosterkirche St. Trinitatis (erbaut 1246 als Dominikanerkloster) am Ruppiner See. Nach Plänen von Schinkel wurde sie in der Zeit von 1836 bis 1841 restauriert. Nach einem aufmerksamen Rundgang durch dieses beeindruckende Bauwerk wanderten wir Richtung See, vorbei an der 700 Jahre alten Wichmannslinde. Wir schlenderten auf der neu gestalteten Seepromenade entlang und bewunderten das moderne Kunstwerk „Parzival“, gestaltet vom Künstler M. Z. Hohlstein. Herrliche Fahrten auf den Ruppiner See starten an diesem Ufer und laden in das idyllische Umland ein. Nun ging es zurück Richtung Innenstadt, vorbei am Alten Gymnasium und am Denkmal für Theodor Fontane. Für jeden Neuruppinbesucher die Löwenapotheke (Geburtshaus Fontanes) ein magischer Ort. Hier wurde er im Jahr 1819 geboren. Noch heute steht die Apotheke mit dem goldenen Löwen an der Fassade der Bevölkerung zu Diensten. Die Bilderbuch-Passage erinnerte uns mit ihren interessanten Motiven an den Erfinder des Ruppiner Bilderbogens, den Drucker J. B. Kühn. Diese bunten Blätter (in Steindruck hergestellt und koloriert) eroberten viele Jahre nach 1810 erfolgreich die Welt.

Im Tempelgarten erwartete uns nun nicht nur ein kulinarisch hervorragendes Mittagsessen, sondern auf dem anschließenden Spaziergang ein exotisches Kleinod mit barocken Sandsteinputten, seltenen Gewächsen und dem Apollo-Tempel. Hier hatte sich der spätere „Alte Fritz“ seinen „Amalthea-Garten“ schaffen lassen.

Herzlich Willkommen in der Boltenmühle! – So hieß das Motto nach einer kleinen Busfahrt in das Umland Neuruppins. Mit Blick auf den malerischen Tornowsee und in das Tal mit seinen uralten Buchenwäldern wanderten wir gutgelaunt zur Stärkung in dieses

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rustikale Ausflugslokal. „Wer will sagen, wenn er die Ruppiner Schweiz durchwandert, wo ihr Zauber am mächtigsten wirkt? Ist´s Boltenmühl?“ Diesem Ausruf von Kronprinz Friedrich konnten wir uns jetzt begeistert anschließen.

Aus: Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. CHRONIK 2015. – Elke Krüger, Jahrgang 1959. Diplom-Ökonomin.

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Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. Erklärung zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus Die „Berliner Freunde“ würdigen den 8. Mai zusammen mit dem 9. Mai als „Tag der Befreiung von Faschismus“ und als „Tag des Sieges der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg“.

Es waren die Millionen Menschen und die über 200 großen und kleinen Völker der Sowjetunion, die sich und ihr Land vor Unterwerfung, Versklavung und Vernichtung bewahrten und retteten. Sie erbrachten immense Leistungen und Opfer zur Niederringung Hitlerdeutschlands und seiner Verbündeten, zur Rettung der Weltzivilisation vor dem Faschismus und seiner Barbarei. 27 Millionen Sowjetbürger mussten dafür ihr Leben lassen.

Die Rote Armee erkämpfte und erzwang im Bündnis mit ihren Alliierten und starken Volksbewegungen die Niederlage und bedingungslose Kapitulation Hitlerdeutschlands und das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und später in Asien.

Das bedeutete Befreiung aus faschistischer, mörderischer Unterdrückung und öffnete den Weg zum Neubeginn, der in Ost und West sehr unterschiedlich beschritten wurde.

Während im Osten, in der DDR, der 8. Mai als „Tag der Befreiung vom Faschismus“ im Gedenken an die „Befreier“ dankbar und festlich begangen wurde, verdeutlichte in der Bundesrepublik Deutschland deren Präsident Richard von Weizsäcker erst 40 Jahre nach Kriegsende 1985 seinen Landsleuten: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Wir setzen uns dafür ein, dass der 8. Mai zum nationalen Gedenktag der Befreiung vom Faschismus, von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft erhoben wird.

Der 70. Jahrestag des Sieges und der Befreiung ist für die „Berliner Freunde der Völker Russlands“ Anlass zur Erinnerung und zur Besinnung auf die Lehren des Krieges.

Wir erfassen dieses Jubiläum als deutliche und dringliche Mahnung zu Frieden und Menschlichkeit in einer Welt, in der Kriege geführt werden und weitere drohen, Terrorismus die Menschen in Schrecken setzt und menschliche Not, menschliches Elend weltweit in Erscheinung tritt.

Wir verurteilen alle faschistischen Gräueltaten der Vergangenheit und wenden uns entschieden gegen Neofaschismus und Terrorismus jeder Art in der Gegenwart.

Für die „Berliner Freunde der Völker Russlands“ ergibt sich als Mahnung des Krieges, es nie wieder zu einer deutsch-russischen Konfrontation und kriegerischen Auseinandersetzung kommen zu lassen.

Wir sehen mit großer Besorgnis, dass im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt antirussische Ressentiments in der deutschen Gesellschaft wiederaufleben und geschürt werden. Das darf nicht sein gegenüber einem Volk, das den Deutschen die Befreiung vom Faschismus brachte und ein friedliches Leben ermöglichte.

Wir wenden uns entschieden gegen die staatlichen Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden. Sie verschärfen Spannungen, schaden der russischen und deutschen Wirtschaft, den Völkern Russlands und dem deutschen Volk.

Wir sind und bleiben Russland mit Verständnis und seinen Menschen freundschaftlich verbunden. Wir treten ein für ein friedliches, kooperatives, ja freundschaftliches Verhältnis zwischen Deutschland und Russland, das seine Basis in stabilen demokratischen Verhältnissen in beiden Ländern findet.

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Die „Berliner Freunde der Völker Russlands“ werden entsprechend ihren Möglichkeiten an einer würdigen Gestaltung des Jubiläums mitwirken.

Berlin, den 14. März 2015

Die Mitgliederversammlung

Übergabe der Erklärung an den russischen Botschafter Wladimir M. Grinin am 9. April 2015

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Freundschaftsbande nicht abreißen lassen – Wortmeldungen zum Vereinsjubiläum Dr. Sonja Striegnitz: Ziemlich genau erinnere ich mich des Gefühls tiefer Genugtuung und Hoffnung, als ich vom Entstehen unseres Vereins erfuhr. Gedanken und Erinnerung an die Verbundenheit mit Bürgern der Sowjetunion, ein unverzichtbarer Teil meines bisherigen politischen Engagements, lebten also fort in einer Situation, da gewohnte Strukturen wegbrachen, sich Organisationen auflösten, ja die DDR und die UdSSR von der historischen Bühne verschwanden! Es war für mich selbstverständlich, mich dem Verein anzuschließen und in ihm mitzuwirken, aus Überzeugung und mit dem Wissen um geschichtliche Zusammenhänge. Ich finde, unser Verein mit seinem Anspruch und dem darauf gründenden erfolgreichen Wirken in nun schon zwanzig Jahren kann sich sehen lassen. Im Kreise seiner Mitglieder, denen tätige Freundschaft und Solidarität mit den Völkern Russlands genauso am Herzen liegen wie das Bemühen, Kenntnisse über ihre Vergangenheit und Gegenwart zu bewahren, zu mehren und zu verbreiten, fühle ich mich wohl.

Cilly Keller: Im Nachlass meiner Eltern fand ich das kleine Büchlein „Russisches Elementarbuch“ aus dem Jahr 1920, signiert von meinem Opa, Fernando Fiechter. Das Interesse am Land Tolstois, Lenins und Scholochows – an Russland und der Sowjetunion – muss wohl in meiner Familie liegen. Das Mitgliedsbuch der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (kurz DSF) meiner Mutter weist das Datum 1.9.1949 aus, das meinige 1968.

Meine Eltern erzogen mich im Geiste der Freundschaft zu diesem Land, zu seinen Menschen, weckten in mir das Interesse an seiner politischen Entwicklung und seiner so reichhaltigen und interessanten Kultur. Mein Land, die DDR, gab mir die Möglichkeit in Leningrad zu studieren – es wurde meine zweite Heimatstadt. Ich hatte in den fast sechs Jahren Studium die Möglichkeit, das Land zu bereisen und mit den Menschen in ihrer Sprache zu kommunizieren. Ich habe dieses Land und seine Menschen mit ihrer Gastfreundschaft und ihrer großen Seele kennen und lieben gelernt.

Im Januar 2000 bat ich um Aufnahme in den Verein der Berliner Freunde der Völker Russlands, der Berliner Nachfolgeorganisation der DSF, um aktiv für die Verständigung beider Völker nach meinen Möglichkeiten mitzuwirken.

Marga Voigt: Wahre Völkerverständigung braucht Freundschaftsarbeit als ein hohes Gut der Friedenserhaltung. Es gibt tausend Gründe, Frieden zwischen Deutschland und Russland zu halten! Ich möchte durch mein Engagement und meine Kenntnisse von Land und Leuten in der früheren Sowjetunion mit den Vorurteilen – wie Peter Ensikat sie mit seinem Wort von dem „Russen als Gefahr an sich“ auf den Punkt brachte – aufräumen. Das ist nicht leicht, stehen doch den guten Erfahrungen auch die schlechten gegenüber, die deutsche Menschen mit den Russen und russische Menschen mit den Deutschen machten. Wir sollten daraus lernen, behutsam miteinander umzugehen, neugierig aufeinander zu sein und uns in unserer Verschiedenheit zu akzeptieren.

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Ferdinand Thun-Hohenstein: In den fünf Jahren sowjetischer Kriegsgefangenschaft hatte ich begriffen, dass es nie wieder einen Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion geben darf. Als ich 1948 in die Ostzone kam, wollte ich mich dafür einsetzen und tue dies weiterhin bis heute, dass sich zwischen dem deutschen Volk und den Völkern Russlands freundschaftliche Beziehungen entwickeln und sie in Frieden miteinander leben. Die geschichtlichen Erfahrungen besagen, dass die Grundlage eines friedlichen Miteinanders ein gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen ist. Darum bemüht sich unser Verein mit vielfachen Aktivitäten.

Als langjähriges Mitglied unterstütze ich diese, wenngleich ich aus Altersgründen leider nicht mehr aktiv sein kann.

Dr. Helga Ernst: Der „Verein“ gab mir 1993 die Gelegenheit an dem Gedenken zum 50. Jahrestag der Kriegswende in Stalingrad/Wolgograd teilzunehmen.

Zu Themen und Veranstaltungen erfahre ich seitdem durch den Verein Möglichkeiten in einer noblen Form der „Osterweiterung“ eine andere Diskussionskultur, eine andere Sicht auf das Weltgeschehen, Verbreitung des Wissens über die osteuropäischen Staaten und vor allem Verpflichtung zu Achtung und Respekt vor den Völkern Osteuropas, gerade auch aus historischer Verantwortung heraus.

Ich wünsche auch weiterhin guten Erfolg für diese Arbeit der Völkerverständigung.

Helga Ernst, Dr. phil., Politologin. Freundin des Vereins.

Aus: TROIKA Informationsblatt der Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. Januar 2012. S. 2.

Diese Wortmeldungen, obwohl anlässlich vorangegangener Jahrestage des Vereins erfolgt, haben auch zum 25-jährigen Vereinsjubiläum ihre unwandelbare Gültigkeit.

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Impressum Berlin 2017 Herausgeber: Berliner Freunde der Völker Russlands e. V. Friedrichstraße 176 – 179 10117 Berlin (im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur) Tel./Fax: 030 20673077 (Anrufbeantworter) Internet: www.berliner-freunde-russlands.de Email: berliner-freunde-russlands@web.de Redaktion: Sven Kindervater, Prof. Dr. Horst Schützler, Dr. Sonja Striegnitz