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jetzt profitieren AKTION Die Rabattjagd

Ernährung Wer wenig Geld für Essen zur Verfügung hat, wird abhängig. Vom sozialen Umfeld, von Hilfsorganisationen und günstigen Angeboten.

TEXT LEA STUBER

Auf den Tellern am Nebentisch werden Kalbfleischvögel, Polenta und Ofentomaten zerschnitten (16 Franken, halbe Portion 12.50) und Gnocchi mit Gorgonzolasauce, Romanesco oder Pastinaken auf die Gabel geladen (14 und 11 Franken). Gianni R. zerknüllt die Plastikverpackung, auf der ein rotes «50 %» klebt, und beisst vom Sandwich ab. Rushhour im Restaurant eines Altersheims, wo auch Angestellte aus den nahen Büros und Logistiklagern ihre Mittagspause verbringen. Das Sandwich hat er am Abend zuvor im Migrolino gekauft (3.50 statt 7 Franken). Wenn er Lust auf etwas Warmes habe, sagt er, esse er manchmal ein Menü. Einfach nicht jeden Tag.

Im Wohnzimmer von Tashi und Sonam T. düst der zweieinhalbjährige Kelsang zum Altar und will zugreifen. Schalen mit

Datteln, Mandeln und Rosinen. «Erst morgen», stoppt ihn seine Mutter, am nächsten Tag steht das tibetische Neujahr Losar an. Dann geht sie in die Küche und nimmt ein Viererpack Fruchtjoghurt aus dem Kühlschrank, ein Doppelpack Naturjoghurt, ein Glas Pesto, zeigt im Gemüsefach einen Blumenkohl und Karotten. All das hat sie vor dem Mittag im Quartierzentrum Gäbelbach geholt, einer von vier Orten, wo Tischlein deck dich in der Stadt Bern Lebensmittel abgibt. «Und die Butter», sie hält ein Glas in die Höhe, «habe ich selbst gemacht, aus Joghurt von der Abgabestelle.»

Der Mann im Altersheim-Restaurant würde am liebsten nicht mehr um Hilfe fragen. Das Paar mit Kind wäre froh, wenn es öfter als einmal pro Woche zur Lebensmittelabgabe könnte. Sie möchten anonym bleiben und heissen in Wirklichkeit anders. Gianni R., 46, aus Burgdorf und Tashi, 43, und Sonam T., 45, aus Bern verdienen nicht genug Geld, um sich ohne die Unterstützung anderer ernähren zu können. Manchmal bekommen sie Migros-Gutscheine, von der Heilsarmee oder der Sans-Papiers-Beratungsstelle, und werden unterstützt von der Caritas oder der Kirche. Was in der Schweiz für viele selbstverständlich ist, ist für sie unvorstellbar: Einkaufen, ohne den Preis auf 10 Rappen genau zu studieren.

Am Abend vorher habe er Fünf-EierTeigwaren gekocht, erzählt Gianni am Tisch zwischen Sandwich-Bissen. Sie waren zusammen mit Reis, Zucker oder Knoblauch in einer Einkaufstasche, die er von der Heilsarmee erhalten hatte. Damit