Programmheft

Page 8

geraume Weile, bis die Solo-Flöten endlich das Rondothema übernehmen. Zuvor müssen sie etliche brillante Passagen absolvieren, und auch der Rest des Satzes ist reich an Überraschungen.

Ballett im mittelalterlichen Palermo Was eine Pariser Primaballerina im Stil des Jahres 1855 im Palast eines Gouverneurs von Sizilien anno 1282 zu suchen hatte, diese Frage musste Giuseppe Verdi gar nicht erst beantworten: keine Grand opéra ohne Balletteinlage, auch nicht seine „Sizilianische Vesper“. Guy de Montfort hieß der englische Haudegen, der für seinen französischen Herrn Karl von Anjou über Sizilien regierte. Der historische Montfort hat auf seinen Kriegszügen durch Italien zwischen 1270 und 1290 sicher vieles gesehen und erlebt. Ein Pariser Ballett über die vier Jahreszeiten aber, untermalt von üppigster Orchestermusik alla Verdi, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Ein solches Tanzfest lässt der Bariton singende Montfort in Verdis Pariser Oper „Les vêpres siciliennes“ als Divertissement in seinem Palast veranstalten. Diese üppige Balletteinlage ereignet sich in der Opernhandlung kurz bevor der Aufstand der Sizilianer gegen die französische Fremdherrschaft losbricht. Weil sich diese berühmte Revolte in Palermo am 30. März 1282 rund um die Vesper des Ostermontags entzündete, ist sie als die „Sizilianische Vesper“ in die Geschichte eingegangen. Nur in Paris, nicht in Italien, konnte Verdi 1855 eine Oper über diesen Stoff herausbringen. In seiner Heimat wurden „I vespri siciliani“ erst nach der Gründung des Königreichs Italien salonfähig und bühnentauglich. Zuvor wurden sie als musikalische Aufforderung zur Rebellion verstanden und verboten. Wie viel Sprengstoff sich in dieser Opernhandlung verbirgt, wird schon in der Ouvertüre deutlich: Sie gehört zu Verdis besten und dramatischsten. Darauf folgen in unserer Aufführung zwei der vier Jahreszeiten aus dem Ballett im Palast von Montfort.

Zur Musik Ouvertüre: Wie es sich für eine „Grand opéra“ gehört, die für Paris geschrieben wurde, hat die „Sizilianische Vesper“ eine besonders lange und dramatische Ouvertüre. „Diese Ouvertüre ist die letzte und monumentalste, die Verdi im Post-Rossini-Stil geschrieben hat. Wie üblich entstammen die Themen der Oper und sind dramatisch aufgeladen“ (Julian Budden). Die langsame Einleitung 6


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.