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Die Modefamilie
Familien, Frauen, Firma: Hanna Kawasaki (l.) und Clod Bernegger „juffeln“ nicht, sie bauen ihr Business step by step auf.
Maki ng Things /Zürich. Erst die Frauen, dann die Männer und jetzt noch Kinder – das Leben von Clod Bernegger und Hanna Kawasaki ist Familiensache. Im Berufsleben und auch privat.
Text: Dörte Welti. Fotos: aekae.com, Dörte Welti Es war Glückes Geschick, dass sich die beiden Frauen überhaupt über den Weg liefen, zwei, die so gleich ticken. Clod Bernegger stammt aus Zürich, wo sie 2004 ihr Textildesignstudium an der Zürcher Hochschule der Künste abschloss. Hanna Kawasaki kam aus München, hatte 1999 erfolgreich ihr Diplom als Modedesignerin an der Esmod abgelegt. Zeitweilig arbeiteten die beiden Frauen sogar für dieselbe Designagentur in Zürich, nur nicht zur selben Zeit. Miteinander bekannt machte sie erst eine gemeinsame Freundin. Hanna Kawasaki war gerade aus New York zurück, wohin sie eigentlich auswandern wollte. Aber sie kam nach Zürich zurück, weil sie schwanger war. Clod Bernegger war auch schwanger, allerdings mit der Idee, einen eigenen Laden zu gründen. Als Kawasaki auf der Suche nach Kinderkleidern, die es nicht an jeder Ecke gibt, fand, sie müsse unbedingt einen Shop mit selbstgemachten Sachen eröffnen, kam eins zum anderen. Making Things war von Anfang an gesetzt – als Konzept, nämlich die Sachen selbst zu machen und nur Selbstgemachtes ins Sortiment aufzunehmen und auch als Name für den Laden.
Making Things größer
Die erste Location im aufstrebenden Kreis 4 in Zürich wurde bald zu klein, schnell verbreitete
sich die Kunde von den Frauen, inzwischen beide Mütter, die außergewöhnliche Sachen für Kids und längst auch für Frauen anbieten konnten. Also zog man zwei Jahre später in eine größere Liegenschaft, nur zehn Hausnummern weiter. Hier war auch Platz, die derweil auf insgesamt drei Kinder angewachsene Schar mit ins Geschäft zu nehmen. Allerdings war den Frauen bald klar, dass die hehre Idee, Kinder und Karriere, ein eigenes Siebdruckatelier und Näherei, Boutique und auch noch das Familienleben mit den Partnern unter einen Hut zu bekommen, zu viel Kräfte kostete. Eine Komponente musste weichen: das Selbermachen. Nur die Ladeneinrichtung am neuen Ort, die wurde noch von A bis Z selbst gebaut.
Making Things bekommt einen Mann
Kawasaki und Bernegger konzentrierten sich darauf, ihren Kundinnen das zu bieten, wofür sie in die Grüngasse kommen: Labels, die aus kleinen Produktionen stammen und deswegen mit gutem Gewissen nachhaltig genannt werden können und die man nicht überall findet. Qualität ist den beiden Frauen extrem wichtig, es geht nicht um Trends, sondern um schönes Material und Alltagstauglichkeit. Kriterien, die auch immer mehr Männer anzogen. Allerdings stellten beide fest: Männer shoppen besser, wenn keine Frauen im Laden sind. Konsequenz: Making Things Men wurde im hippen Geroldsgarten eröffnet. Hier ist jetzt das Revier von Kawasakis Partner, der zu hundert Prozent einstieg und das Geschäft in der kleinen Containerstadt führt. Die anfängliche Angst, es gäbe vielleicht Umsatzeinbußen im Frauenladen, wenn die Männer wegbleiben, war unbegründet: Es läuft besser als je zuvor.
Und jetzt noch ein oder zwei Kids
Bernegger und Kawasaki gehen sechsmal im Jahr in Paris auf kleine Messen und suchen nach besonderen Labels und Sachen, die zum Shop passen. Handgemacht sollen sie sein, aber nicht wie „gelismelt“ aussehen. Sie recherchieren im Internet, in Blogs. Wenn sie mal Zeit haben – die beiden Familien gehen auch gemeinsam in die Ferien – dann schwelgen sie in Erinnerungen, wie es war, als man noch alles selbst gemacht hat. Gedacht, gemacht: Nach dem Frauenladen und dem Männerladen kommt im August endlich das, was ganz am Anfang der wundersamen Zusammenarbeit stand, nämlich Making Little Things, ein Kinderladen. Den Ort gibt es bereits, Eröffnung soll im August sein. Dort soll es dann eben auch wieder Selbstgemachtes aus dem Atelier von Bernegger und Kawasaki geben. Der Kreis schließt sich vorläufig. Genauer Zeitpunkt wird im Internet zu finden sein, wo übrigens – Sie ahnen es – auch ein Webshop entstehen soll – als Schaufenster. Ein Kassensystem über das Tablet ist in Arbeit. Dank Aushilfen und Partnern und Umorganisieren hat man ja noch freie Kreativitätskapazitäten. Making Business.

Raumplanung: Making Things Women ist in drei aufeinander folgenden Räumen zu Hause.

Making things
Inhaberinnen: Clod Bernegger und Hanna Kawasaki www.makingthings.ch
Making Things Women
Grüngasse 20 8004 Zürich/Schweiz T 0041.43.2433188 Gegründet: 2005 Verkaufsfläche: 75 qm Mitarbeiter: 4 Marken: A Kind of Guise, Base Range, Folk, LibertineLibertine, Maska, Samuji, Steven Alan, Won Hundred, YMC Marken Accessoires: Ayame, Centre Commercial, Karakoram, Saskia Diez, Steve Mono, Qwstion, Uniform Wares, Veja
Making Things Men
Geroldstraße 23 8005 Zürich/Schweiz T 0041.43.3213308 Gegründet: September 2013 Verkaufsfläche: 65 qm Mitarbeiter: 1 Marken: A Kind of Guise, Folk, Howlin’, Libertine-Libertine, Norse Projects, Svensson, Uniforms for the Dedicated, Won Hundred, YMC Marken Accessoires: Ayame, Baggy Port, Centre Commercial, Hestra, R.T.CO, The Hillside, Veja
Wie ein bunter Vogel
Moho/St. Gall en. In dem Einheitsschwarm aus den immer gleichen Marken und Kaufhäusern sticht der Laden von Sandra Schmitter in St. Gallens Altstadt sofort ins Auge: fröhlich, lässig und ein für hiesige Gewohnheiten exotisches Sortiment.
Text: Dörte Welti. Fotos: Dörte Welti, Tobi Siebrecht
Sandra Schmitter hat ihren Laden mit einer coolen Sitzecke ausgestattet, die Lust zum Dableiben macht. Am kompliziertesten war eigentlich die Namensfindung. „Alle habe ich eingespannt“, erinnert sich Sandra Schmitter, die junge Ladenbesitzerin, „Freunde, Familie, Kollegen – ich wusste nur, es soll ein Vogelname sein.“ Aber einer, der passt, und schließlich war es die Schwester, die mit dem hawaiianischen Moho ankam. „Ein Name ist wie ein Tattoo“, sagt Sandra Schmitter, „das bleibt für immer.“ Im Gegensatz zum Moho übrigens, der wurde auf der Trauminsel ausgerottet, wo man ihn wegen seiner schönen Federn, die für die Prachtroben der Reichen herhalten mussten, jagte.
Vogelfrei für eine Marktlücke
In St. Gallen jedenfalls erlebt der Moho eine blühende Existenz. Schon sechs Monate nach der Eröffnung muss Sandra ihren Vermieter fragen, ob sie nicht noch mehr Fläche haben kann, doppelt bitte gerne, der Laden läuft so gut. Der Vermieter, auch Nachbar mit einem Möbelladen, kennt die Hartnäckigkeit seiner Mieterin. Schon für die erste Fläche hatte sie ihn wochenlang bearbeitet, bis er schließlich nachgab. Warum dort? „Er ist ein Kunde von Freitag-Taschen“, erklärt die 33-Jährige, die vier Jahre lang Whole Sale bei dem erfolgreichen Schweizer Taschenlabel in Zürich gemacht hat, „sein Laden gefiel mir schon immer, er liegt perfekt am Ende der trendigen Einkaufsmeile von St. Gallen.“ Und wenn Schmitter etwas will, dann setzt sie sich dafür ein. Wie für ihre Ladenidee überhaupt. St. Gallen hat ein buntes Angebot, aber es sind entweder Massenwaren oder hochpreisige Edelboutiquen, die zum Shoppen einladen. Für die Mitte, die gerne etwas, aber nicht zu viel Geld ausgeben möchte, die das Besondere schätzt, bewusst einkauft und nicht das Shirt, das sie gerade erstanden haben, zigmal auf den belebten Gassen der Universitätsstadt wiedersehen möchte – für die gab es eigentlich so nichts.
Weil sie es sich leisten kann
Wer zu Moho kommt, weiß, er hat nur kurz Zeit, sein Traumteil zu ergattern. „Ich kaufe nur zwei, maximal drei Teile pro Größe ein“, erklärt Sandra Schmitter. So steigert man Begehrlichkeiten und die Zahl der Stammkunden. Sie sind zwischen 25 und 35, Traumzielgruppe aller Shopbesitzer. Universitätsstadt, ja, aber die St. Galler Studenten haben Budget, das Leben ist hier nicht so teuer wie in Zürich. Die urbanen Leute wissen auch, dass Schmitter nur Marken einkauft, von denen sie so viel wie möglich über deren Produktionsbedingungen und ihrer sozialen Verantwortung weiß und die eben trotzdem nicht hochpreisig sind. Shirts kosten hier nicht mehr als

30, 40 oder 50 Franken, Jeans gibt es schon ab 60 Franken. Solche Marken zu finden, ist immer wieder eine Herausforderung, Sandra Schmitter wird meist auf Messen fündig. Als alleinige Besitzerin kann sie, die in der Tourismusbranche gelernt hat, nicht mehr so viel reisen, eine Vollzeitkraft neben ihr ist – noch – nicht drin. Und sie ist sowieso kein Fan von Saisons. „Eigentlich suche ich für Moho Sachen, die man eben nicht nur im Sommer oder nur im Winter tragen kann“, erklärt die Absolventin einer kaufmännischen Matura. „Ich stelle mir das mit der Mode eher wie einen Kreis vor, alles passt irgendwie zusammen.“ Bei Freitag hat sie auch gelernt, dass man nach
Sommer- oder Wintertrends bei den Lastwagenplanen-Recyclern vergebens sucht. Dafür findet man Detailverliebtheit, und die hat Sandra Schmitter mitgenommen. Jede Ecke im Laden ist durchdacht, die Einrichtung teils selbst gebaut, teils hat ihr eine befreundete Architektin, Daniela Niedermann, geholfen. Das Budget ist begrenzt, sie finanziert sich selbst. Was sie sich nicht leisten kann, geht eben nicht. So kann man Business machen, das bleibt – alles für sich, mit Herzblut und Engagement, aus Überzeugung. Die Kunden spüren das und kommen. Obwohl es auch solche gibt, die anrufen und Fagen: „Kannst du mir mal eben das und das schicken?“ Und weil die Chefin dann mit

Facetime durch den Laden läuft und zusammenstellt und das ganz lustig ist, denkt die findige Geschäftsfrau darüber nach, das als Service anzubieten. Aber erst mal denken – und rechnen. So hat es bisher immer geklappt und darum lebt Moho weiter.

Sandra Schmitter wollte eine heimelige Atmosphäre in ihrem Laden, Daniela Niedermann von NW/A Zürich setzte die Visionen mit Grobspanplatten perfekt um.
Moho
Spisergasse 40, 9000 St. Gallen/Schweiz www.moho.ch Eröffnung: August 2012 Inhaberin: Sandra Schmitter Anzahl der Mitarbeiter: 3 Verkaufsfläche: 125 qm Marken Frauen: Armed Angels, A.O.CMS, Cheap Monday, Louche, Mbym, Minimum, Minkpink, Rules by Mary, Sessùn, Stutterheim, Suit, Worn by Marken Männner: Armed Angels, Brixtol, Cheap Monday, Farah, Minimum, Ontour, Stutterheim, Suit, Topman, Worn by Marken Accessoires: Nina Bee, Riviera.
Sag mir, wo die Kunden sind?
Stetig sinkende Frequenz ist mittlerweile das wohl größte Problem des Modehandels. Das bestätigen nicht nur viele Gespräche mit Einzelhändlern, auch offizielle Statistiken wie der Footfall Index. Die Gründe sind mannigfaltig. Beispielsweise das schwache Konsumklima. Nicht wirklich verwunderlich nach Jahren, in denen sich die Medien mit unterschiedlichen Katastrophenszenarien überboten haben. Und auch nicht verwunderlich angesichts politisch unsicherer Szenarien, Stichwort Ukraine, Stichwort Europa. Oder, man kann es nicht leugnen, der immer stärkere Mitbewerber Online. Allzu oft ersetzt der Bummel durch das Netz den Bummel durch die Innenstädte. Es gibt aber nach meiner Überzeugung einen weiteren, mindestens ebenso entscheidenden Grund dafür, dass immer weniger Menschen, also (potenzielle) Käuferinnen und Käufer, die prall gefüllten Geschäfte betreten: Der Modehandel, nein, die gesamte Modebranche hat die Kundinnen und Kunden in den letzten Jahren konsequent falsch erzo

gen. Ich verwende ganz bewusst diesen unpopulären Ausdruck, der in vielen Ohren zu sehr nach Bevormundung klingt und doch nur eine bewusste Steuerung meint. Im konkreten Fall die Steuerung von Bedürfnissen und Einkaufsverhalten. Der Kunde von heute lebt im Gefühl, eigentlich eh alles, was er braucht oder auch nicht braucht, immer und überall zu bekommen – und meistens auch noch reduziert. Sollte er tatsächlich mal etwas NICHT bekommen oder zumindest eben NICHT billiger, dann ist ihm das weitgehend Powidl (Übersetzung: herzlich egal), weil er ja ohnehin nichts braucht. Dazu kommt ein zweites großes Problem: Die an dieser Stelle schon oft thematisierten, verkehrten saisonalen Rhythmen, die dem Kunden dann, wenn realer und emotionaler Bedarf sich treffen, also im Moment der größtmöglichen Kauflust, alles schon mit fetten Abschriften servieren. Einem Kunden, der immer seltener Lust hat, sich die schon sprichwörtliche Winterjacke bei 30 Krügerl im Schatten (Übersetzung: bei Affenhitze) zu kaufen, der aber sehr wohl für ein feines Sommersakko zu begeistern wäre. Das gibt es aber in seiner Größe gar nicht mehr, da hätte er bitte schon im Winter kommen müssen. Und was macht ein Kunde, der entweder das Gefühl hat, dass er ohnehin immer alles bekommt oder, noch schlimmer, dass er das, was er vielleicht will, nur zu einem Zeitpunkt sicher bekommen hätte, zu dem er noch gar keine Lust darauf gehabt hat? Er geht immer seltener shoppen. Weil er sich sicher ist, nichts zu verpassen. Das merkt der Handel übrigens auch daran, dass auch Aus-, Schluss- und Räumungsverkäufe nicht mehr die garantierten Frequenz-Booster wie einst sind. Denn auch hier gilt für den Konsumenten: Irgendwer reduziert doch immer. Ein Konsument aber, der sich überhaupt nicht mehr anstrengen muss, weil es eben ohnehin immer alles und davon noch zu viel gibt, wird träge wie ein Löwe in der Serengeti direkt nach der Regenzeit. Wie lässt sich da gegensteuern? Oder, direkter gefragt: Wie gewinnt man einen Kunden (zurück), dem in letzter Zeit vor allem sehr langweilig geworden ist? Indem man ihn begeistert. Das klingt jetzt vielleicht nach Binse, und stimmt dennoch ohne Abstriche. Dass es nämlich vielen Händlern auch heute gelingt, ihre Kunden auch in Zeiten des deutlich schärferen Wettbewerbs zu begeistern, mit eigenständigen Sortimenten, tollem Service und unterschiedlichsten, intelligenten (Stamm-)Kunden-Aktionen, bestätigt meine Überzeugung. Der Mensch und somit der Konsument ist ja letztlich sehr einfach gestrickt. Er will das Besondere bzw. das Gefühl des Besonderen. Wer ihm das nicht bieten kann, sondern eben nur gefühltes Allerwelts-Irgendwas, den wird er eben nur noch sehr selten und irgendwann dann gar nicht mehr beehren. Auch deshalb sollten Sie die Zeit auf den Messen und in den Showrooms intensiv nützen. Für die Suche nach dem Besonderen.
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Nächste Ausgabe 21. Juli 2014




