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Der Kunde kann auf hohem Niveau vergleichen

Heiko Storz hat sich mit Fil Noir an einen Markt gewagt, den man eigentlich übersättigt glaubte. Wer braucht ein weiteres Premiumhemd im Sortiment? Viele, wenn es wie Fil Noir mit anderen Argumenten aufwarten kann. Text: Martina Müllner-Seybold. Foto: Fil Noir

Händler öffnen sich einer neuen Einstiegspreislage. „Zu günstig für mein Sorti ment“, hieß es oft, wenn ein Produkt zum herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis angeboten wurde, jetzt wer den Hemden unter 100 Euro dankend angenommen. Was hat sich verändert?

Die meisten Händler sind über unsere Einstiegspreislage überrascht, die bei 79,90 liegt. Einmal mehr, weil unsere Produkte ausschließlich in Europa gefertigt werden. Wir können einen solchen Preis realisieren, weil wir ein kleines Team sind und sehr schmal kalkulieren. Wir sind also in der Lage, ein Qualitätsprodukt zu einem fairen bzw. demokratischen Preis anzubieten. Das ist Teil unseres Erfolgs, der Abverkauf von Fil Noir spricht für sich. Meiner Ansicht nach liegt die größte Veränderung beim Gros der Konsumenten – sie sind informierter, bewusster und vielseitiger unterwegs, anders als früher können sie zwischen zahlreichen Alternativen, für die sie ihr Geld ausgeben können, wählen – Spielekonsole, Smartphone, Reisen, um nur einige zu nennen. Für Mode bleibt also weniger übrig. Darauf muss der Händler reagieren

Glauben Sie, dass es eine Diskrepanz zwischen dem gefühlten richtigen Preis für Ihr Produkt zwischen Endkon sument und Händler gibt?

Das lässt sich nicht verallgemeinern – ein guter Händler ist im Idealfall selbst Marke bzw. eine Instanz, der Vertrauen beim Kunden schafft. Er kennt seine Kunden und weiß in der Regel, welchen Preis sie bereit sind, zu zahlen. Aber: Es liegt auf der Hand, dass ein Qualitätshemd für 79, 89 oder 99 Euro schneller zu Kasse läuft, als ein Hemd für 139 oder 149 Euro. Nur der Händler, der das einsieht, wird Kundenzuwachs generieren können.

Kunden kaufen öfter, geben aber in Summe nicht mehr pro Jahr für Mode aus. Welcher Entwicklung ist das geschul det?

Der Endverbraucher ist satt, der Kleiderschrank ist voll. Also muss der Händler den Kunden locken, und das kann er, indem er ihn mit tollen Produkten überzeugt. Ehrliche Produkte, die ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis bieten, stehen an erster Stelle, denn immer mehr Kunden – insbesondere die, die im Facheinzelhandel einkaufen – interessieren sich für Herkunft und Produktion. Made in Europe wird ein immer stärkeres Argument, da das Gros der Kunden informiert ist und bewusster konsumiert. Im Vordergrund steht natürlich der Look, aber wenn das gute Gefühl im Preis inbegriffen ist, wirkt sich das positiv auf die Kaufentscheidung aus.

Wie, glauben Sie, sieht die künftige Konsumentengene ration die Premiumpreislage? Ist für jemanden, der mit Zara und Co groß geworden ist, ein Hemd für über 100 Euro ohnehin schon Luxus?

Angefeuert durch die neuen Medien d. h. durch die sozialen Netzwerke und Influencer zählt für die künftige Generation der schnelle Konsum – heute auf dem Laufsteg, gleich auf Instagram und kurze Zeit später, erschwinglich für die meisten, bei den großen, bekannten Ketten. Die Welt ist via Web in jedem Wohn- bzw. Jugendzimmer, selbst in Hintertupfingen, zu Hause – das schürt die Gier, immer dem neuesten Trend zu entsprechen – Trend vorbei, Klamotte weg, im Zweifel im Mülleimer. Aber: Der Kunde, und auch die künftige Generation, ist mittlerweile bestens informiert und kann auf hohem Niveau vergleichen – über den Preis hinaus. Das Bewusstsein für die Umwelt, fairen Handel und Produktion und gute, originelle Produkte wird geschärft. Die Produktspezialisten, die ein gutes Produkt, das fair produziert wird, zu einem nachvollziehbaren Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten und ihren Werten treu bleiben, werden zu den Gewinnern zählen. Hingegen werden es die Marken, die auf schnellen Profit aus sind und für Produkte, die vergleichbar bzw. beliebig sind, zu hohe Preise verlangen, schwer haben.

Wo liegt in Ihrem Segment die Schmerzgrenze? Was lässt sich argumentieren, was ist ein Mondpreis?

Ab 129 Euro wird die Luft recht dünn. Oberhalb dieser Preislage wird nicht mehr in großen Stückzahlen agiert.

Was muss ein Hersteller tun, um sein Preis-Leistungs-Ver hältnis im Rahmen zu halten? Wie groß ist Ihr Aufwand, dass die Preise nicht nach oben entgleiten und trotzdem die nötige Spannung, Innova tion und der Wert im Produkt erhalten bleiben?

Ich bin übers Jahr unterwegs, um vorteilhafte Vereinbarungen mit meinen Stoffanbietern zu treffen. Ich überprüfe mehrmals im Jahr unsere Produktionsstätten. Darüber hinaus sind kreatives Produktdesign, raffinierte und subtile Details, gute Waschungen essenzielle Faktoren – immer innerhalb unseres Markenkerns. Wir bleiben uns treu, verlieren unsere Erkennungsmerkmale nie aus den Augen. Und last but not least: Wir bleiben realistisch und betreiben keine übermäßige Profitgier – die ist letztendlich der größte Killer einer Marke.