St.u.P.i.D. 1/2012

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St.u.P.i.D. 1/2012

Mehrmals schon war ich am Nordbahnhofgelände, das erste Mal gleich in der Einführungsphase des Raumplanungsstudiums 2010. Seitdem hat es mich noch öfter dorthin getrieben, da auch um die Ecke von mir. Mehrmals wurden Fotos gemacht: Einmal Ende Juli 2011 in Begleitung von Julius Holländer, einmal im Januar 2012, und das letzte Mal vor ein paar Wochen in Begleitung von Roland Bauer. Ein paar Eindrücke sind nun hier zu finden. Es ist unglaublich was sich dort in diesen 1 ½ Jahren getan hat. Was im Sommer noch Rohbau war, ist nun bewohnt und sieht beinahe wieder abgewohnt aus. Die Architektonik ist unglaublich vielfältig – jeder Häuserblock ist anders. Bunt, stylish, steril, grell, riesig, kleinteilig, … Einmal auf die Baustelle geschlichen, eröffnet sich eine faszinierende, verborgene Welt. Für mich ist dies ein magischer Ort – man steht auf einem kleinen Erdhaufen, mitten in Wien und man erblickt in jede Richtung Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Den Wiener Wald mit Kahlenberg, davor der Millenniumstower, die riesige Baustelle mit den Rohbauten und gefühlten fünfzig Baukränen, der bereits fertiggestellte Teil mit dem Rudolf Bednar Park wo man ganz am Ende des Blickfeldes das U-Bahnschild erspähen kann, die S-Bahn rattert vorbei, hinter der Lärmschutzwand lugen Blockstrukturen hervor, der Stephansdom im Hintergrund, und irgendwo steht man – isoliert und zugleich zentral wie nirgendwo. Die Stimmung kann ich nicht beschreiben, es mag euphorisch klingen und für manchen gar unverständlich, aber hier treffen die Zeitalter aufeinander. Die alten Hütten zum Kohle lagern, besprayed von gelangweilten, abenteuerlustigen Jugendlichen. Der größte Baum vor dem ich je gestanden bin, im Hintergrund der Millenniumstower. Einmal verfolgte uns ein Turmfalke, das letzte Mal stürmte ein Feldhase aus dem Gebüsch und Stieglitze zwitscherten in der Baumkrone. Die alten Gleise, aufgelöst… nur noch die Holzplanken führen direkt auf die Baustelle zu. Dazwischen zugewachsene Stiegen, herausgelöste K&K-Monarchie-Ziegel, Spraydosen. In den alten Gebäuden der Bahn liegen Schlafsäcke – sowohl Flora und Fauna, als auch Jugendliche, Hundebesitzer und sozial benachteiligte Menschen scheinen hier einen temporären Raum zum Rückzug gefunden zu haben. Doch lange wird dies nicht mehr bestehen – nach und nach rücken die Baukräne den alten Bahndämmen auf die Pelle… Muss immer alles in einer Großstadt definiert sein? Ich kann jedem nahe legen sich diesen Ort einmal anzusehen, bei Interesse erkläre ich mich gerne zur „Führung“ bereit, auch einige Bilder stehen zur Verfügung. Es empfiehlt sich, einen Tag zu nehmen an dem nicht gearbeitet wird, oder nach Dienstschluss dorthin zu gehen – wobei ich bis jetzt auch bei Betrieb keinerlei Probleme mit den Bauarbeitern hatte – sofern man mit einer Kamera ausgestattet ist und harmlos aussieht. b 38


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