Studierende und Professoren in Diskussion
St.u.P.i.D. Seite 58
INHALT 2/2011 4 PlanerInnentreffen Wien 29.10-2.11 - Ein kurzer Rückblick 8 City Branding - Wen interessiert‘s?! 12 Brandmarken 18 Erinnerungs- und Gedenkkultur in Wien 28 Eindrücke vom PIT Berlin Grenzenlos Lückenlos 34 Der Osten des Westens 39 Das Forum Alpbach 2011. Ein Reisebericht. 43 St.Pauli vs. HafenCity Hamburg 48 Demochange Cities 52 Advocatus Diaboli 54 FAQ zum neuen Studienplan 58 Ein Interview mit Professor Wolfgang Blaas 73 Impressum 74 Die letzte Seite Seite 43 Seite 34 Seite 28
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PIT Wien 2011
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser! 3 Dinge gibt es, die ich zu Beginn dieser neuen Ausgabe des St.u.P.i.D zu tun habe. Willkommen Heissen möchte ich zuallererst alle Neuinskribierten. Ihr habt euch einen der interessantesten Studiengänge gewählt und ich beneide euch, dass ihr nach dem überarbeiteten Studienplan, der Dinge wie die Raumwerkstatt oder wissenschaftliches Arbeiten schon im ersten Semester beinhaltet, (hatten wir nicht!) studieren dürft. Studieren an der TU ist etwas Tolles, ihr werdet euch sicher schnell einleben. Dazu ist die Lektüre des St.u.P.i.D. schon ein guter Anfang ;) Viel Erfolg und Freude im Studium und auf der TU! vorstellen möchte ich mich selbst: Ich heiße Roland Bauer, studiere im 5.Semester und bin euer neuer Chefredakteur. Wieso ich der Chefredakteur von euch allen bin? Weil das Stupid allen gehört, die mit dem Raumplanungsstudium zu tun haben oder sich dafür interessieren. Auch sind alle dazu aufgerufen, an der Zeitschrift mitzuwirken. Dass es dennoch nicht immer einfach ist, Menschen zu finden, die partizipieren wollen, musste ich in den ersten Wochen meiner Tätigkeit leider bereits feststellen. Trotzdem bin ich voll motiviert und stelle mich dieser Aufgabe, die ich mit Freude auf dem letzten Fachschaftsfest –seit jeher Erscheinungstermin des Stupid – von Thomas übertragen bekommen habe. Sein Weg geht nun leider abseits des Stupid weiter. Mir bleibt, ihm im Namen aller Leser für seine ausgezeichnete Arbeit als Chefredakteur der letzten acht Ausgaben aufrichtig zu danken! Hinweisen muss ich noch unbedingt auf das auf dem Cover vertretene PIT(PlanerInnenTreffen), dass von 29.10 bis 2.11. in Wien stattfindet! Das passiert nicht alle Tage und war, ist und wird ein riesiger Aufwand für die Menschen, die für dessen Ablauf Sorge tragen. Immer noch freut sich die Fachschaft über jedeN HelferIN! Zum PIT gibt es in dieser Ausgabe einen Artikel zur Organisation, einen zu Citybranding, dem Thema des PIT WIEN und einen, der auf eine der im Rahmen des PITs stattfindenden Exkursionen blickt. Auch abgesehen vom PIT gibt es in der Ausgabe einiges, aber lest selbst! :) Viel Spaß mit dem neuen St.u.P.i.D. wünscht euch Roland
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PlanerInnentreffen Wien 29.10.-2.11
Ein kurzer Rückblick von Marielis Fischer
Seit Mittlerweile neun Monaten befasst sich die Fachschaft Raumplanung mit der Organisation des PIT. Was das PIT ist? Nochmal kurz zur Erinnerung: PIT steht für PlanerInnentreffen. Es handelt sich hierbei um eine studentische Konferenz der deutschsprachigen Planungsstudiengänge: Es werden Gäste aus Berlin, Cottbus, Dortmund, Erfurt, Hamburg, Kaiserslautern, Kassel, Rapperswil (CH) und Weimar erwartet. Das PIT wird von der Studienvertretung der jeweiligen Planungsstudiengänge ausgerichtet und organisiert. Es findet einmal im Semester statt wobei sich die Austragungsorte immer abwechseln. Im Schnitt sind jeweils zwischen 80 und 150 Studierende zu Gast. Ursprünglich diente das PIT ausschließlich zum hochschulpolitischen Austausch der StudienrichtungsvertreterInnen. Seit dem Wintersemester 2005 gibt es den Bundesfachschaftsrat, in dem jede beteiligte Fachschaft mit einer Person vertreten ist. Der Bundesfachschaftsrat ist ein politisches Gremium, das zum hochschulpolitischen Austausch auf informeller Ebene dient. Die Bundesfachschaftenkonferenz (BuFaKo) bietet den Rahmen für das PIT. Jeweils im Wintersemester werden die Vertreter für den Bundesfachschaftsrat neu gewählt. Das PIT wurde nach und nach für Studierende, die nicht hochschulpolitisch aktiv sind, geöffnet. Die Fachschaft Raumplanung in Wien organisiert nun das erste PIT seit 2007. Auftakt für die Organisation dieser studentischen Konferenz war das Fachschaftsseminar im Jänner. Im Schatten der Wallfahrtskirche
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Werkstattgespräch im März
Mariatrost wurde der Grundstein für das PIT in Wien gelegt. Neben der Fixierung des Orga-Teams wurde auch das Thema beschlossen: Es sollte sich um Citybranding drehen, die Exkursionen und Workshops sollten sich im Spannungsfeld zwischen Planung und Stadtmarketing in Wien bewegen. Um unsere wild assoziierten Gedanken zu Wien und city branding weiter zu ordnen, organisierten wir Anfang März ein Werkstattgespräch in der IG Architektur. Nach einem kurzen inhaltlichen Input unserer eigenen Gedanken wurden drei Diskussionstische gebildet. Die Themen „Wer brandet Wien?“, „Ist Wien schon eine Marke?“ und „Better brandingbetter cities? better branding-better life!“ wurden mit tatkräftiger Unterstützung von fachlichen Expertinnen und Experten kritisch diskutiert. Fragen wie „Wer sind die AkteurInnen im Stadtvermarktungsprozess?“, „Welche Werte vermittelt Wien?“ oder „Inwiefern gefährdet bzw. unterstützt branding die lokalen Eigenheiten, die lokale Identität in Städten?“ wurden bearbeitet, wenn auch nicht alle beantwortet. Die inhaltliche Konzeption war und ist natürlich nur eine Ebene, die zum Gelingen des PIT beiträgt. Zeitgleich müssen auch Dinge wie Unterkunft, Sponsoring oder Verpflegung organisiert werden. Besonders schwierig gestaltet sich hierbei die Anmietung einer geeigneten Turn5
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Sackerldrucken im August
halle. Nachdem aber auch diese Hürde genommen wurde, konnte auch endlich ein Termin fixiert werden: Samstag, 29. Oktober bis Mittwoch, 2. November. Nachdem unser Kreativteam auch unser endgültiges Logo entworfen hatte, gings ans Eingemachte. Ein erste Budgetplan wurde erstellt, erste Sponsoren gefunden und die ersten kleinen bis mittelgroßen Katastrophen wurden überstanden. Auch die inhaltliche Konzeption schritt weiter voran: Da wir uns mittlerweile eingehend mit dem Thema city branding auseinander gesetzt hatten, entstand die Idee einer Publikation. Beiträge zu den Themen Stadtmarketing und Wien wurden und werden gesammelt, in den nächsten Wochen soll der erste Teil unseres Meisterwerks in Druck gehen. Auch
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ein Werbefilm für unser PIT wurde gedreht (einfach auf youtube nach „Cityside - PIT 2011 Wien“ suchen). Nachdem wir die Workshops natürlich nicht alleine abhalten können, luden wir im Juni und Juli schon erste Interessierte zu einem Infoabend ein. Mittlerweile sind schon einige konkrete Workshopkonzepte eingetrudelt. Die Workshops behandeln jeweils einen gebrandeten und einen nicht gebrandeten Ort in Wien. Auch in den Sommermonaten waren wir nicht untätig: Sackerl und Häferl für unsere Gäste wurden bedruckt bzw. bestellt, das Catering wurde fixiert, hochschulpolitische Workshops konzipiert, Räume reserviert, eine Homepage entworfen, erste Beisltouren festgelegt und vieles mehr. Jetzt, wenige Wochen vor dem PIT, geht die Organisation in die heiße Endphase. Das gesamte Rahmenprogramm muss fertig geplant werden, alle logistischen Fragen müssen geklärt werden und unsere Publikation muss finalisiert werden. Schon jetzt gebührt ein großes Dankeschön an alle die uns bei der Durchführung tatkräftig unterstützen! Dennoch suchen wir noch Verstärkung! Hast du eine Idee für einen Workshop? Kannst du dir vorstellen eine Nacht auf eine Turnhalle aufzupassen? Hast du Lust uns beim Frühstück für 150 Studierende zu helfen? Wolltest du immer schon mal hinter der Fachschaftsbar stehen? Willst du gerne unsere Gäste von Flughafen oder Bahnhof abholen? Wir brauchen noch deine Unterstützung! Wenn du also zwischen 29. Oktober und 2. November Zeit hast, beim tollsten PIT der Welt mitzuarbeiten, melde dich bei uns! Entweder per Mail oder per Telefon: pit@ fsraum.at bzw. +43 (1) 58801 49557 Es warten eine spannende fachliche Diskussion mit Studierenden anderer Studiengänge und natürlich eine Menge Spaß auf dich! Wir freuen uns auf deine Mithilfe!
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City Branding – Wen interessiert‘s?! von Michael Erdmann
Die Fachschaft arbeitet nun seit Anfang 2011 an der Konzeption des PIT 2011 mit dem Schwerpunktthema “City Branding”. Im Gespräch mit Studierenden und Freunden wurde mir immer wieder die Frage gestellt, was City Branding eigentlich bedeutet und warum wir uns als RaumplanerInnen damit beschäftigen? Hier folgt nun ein komprimierter Überblick um was es sich bei City Branding handelt, die Motivation der Fachschaft sich mit diesem Thema auseinander zu setzen und warum es für RaumplanerInnen in Zukunft wichtig erscheint, sich ebenfalls mit dieser Materie auseinander zu setzen. Im Januar dieses Jahres saßen die FachschaftlerInnen in Graz zum alljährlichen Fachschaftsseminar zusammen. Wir versuchten für das PIT in Wien ein Thema zu finden, unter dem das Treffen der Bundesfachschaften stehen sollte. Dabei haben wir uns die Frage gestellt, was wir mit Wien verbinden. Es sind uns viele Bilder in den Kopf gekommen. Das Ergebnis war überraschend, da die viele unserer, aufs Blatt gebrachten, Begrifflichkeiten sich mit Touristischen und in weiterer Folge mit Klischees befassten. Dies war insofern Interessant, da wir uns als Raumplaner weitaus mehr mit der lokalen Örtlichkeit befasst haben, als nur mit oberflächlichen Elementen der Stadt. Trotz des wissenschaftlichen und theoretischen Diskurses tauchten diese Klischeebilder aus den Tiefen unseres Unterbewusstseins auf, als wir unseren Fachfilter in diesem kreativen Prozess deaktivierten. Nachdem wir die Klischees unserem Fachwissen gegenübergestellt haben, stellten wir uns die berechtigte Frage, woher diese Bilder, dieses Wien Image denn herrührt. Wer Produziert sie, wie werden diese vermittelt und wie beeinflusst uns diese, im Unterbewusstsein angesiedelte touristische Momentaufnahme als RaumplanerInnen? In weiterer Folge ging es darum einen den Wörtern dieser Thematik übergeordneten Begriff zu finden. Doch wie passen Klischeebilder und Stadt zusammen? Nach einem längeren Informationsaustausch und einer daran stattfindenden Diskussion konnten wir das zu beackernde Themenfeld weiter einschränken. Es ging um die Dekonstruierung der Stadt und der Instrumentalisierung der daraus gefilterten 8
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Images. Schlussendlich geht es einfach um die Vermarktung der Stadt, die sich in einer globalen Konkurrenzsituation befindet und sich als Tourismus- sowie Wirtschaftsstandort verkaufen muss um sich gegenüber den anderen Städteplayern erfolgreich zu positionieren. Dies geschieht durch Konstruktion von positiven Images, welche Gefühle und Emotionen der Konsumenten anspricht und im Idealfall eine Identifizierung mit dem entsprechenden Produkt herstellt. Die Personen die sich mit dieser Thematik befassen sind u.a. Marketingexperten. Das Tätigkeitsfeld, welches sich mit der Vermarktung von Städten befasst ist City Branding. Dieses Thema war für uns Neuland, versprach jedoch interessant und komplex genug zu sein, es als Leitthema für die inhaltliche Gestaltung des PIT 2011 in Wien zu nehmen. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie sich City Branding definieren und zum traditionellen Stadtmarketing abgrenzen lässt? City Branding ist ein holistisches Steuerungsinstrument in der Stadtplanung, welches ganz stark auf Imagebildung abzielt. Das Konzept wurde aus dem Company Branding entwickelt. Die Marke als Werteversprechen, Planungswerkzeug, Organisationsprinzip, nach denen ein ganzes Unternehmen denkt, arbeitet und handelt. Verknüpft wurde diese Idee mit der post-fordistischen Entwicklung der gesellschaftlichen Bereich und der Städte, die sich mehr und mehr wie Unternehmen verhielten („Unternehmerische Stadt“ HELBRECHT, HARVEY; „New public management“, JENSEN). Dazu kam die Idee von Marketingspezialistinnen, Orte zu vermarkten. Genauer bedeutet das für Nationen, Regionen oder eben Städte ein Image zu gestalten, um auf diesen Ort aufmerksam zu machen. Dadurch werden Unternehmen, Touristen oder auch neue Bewohner in ihrer Entscheidung beeinflusst, in einen Ort zu investieren, den Ort zu konsumieren oder dort zu leben und zu arbeiten. In der Praxis heißt das, dass Branding den klaren Anspruch hat zum größtmöglichen Teil aus den unverwechselbar dem entsprechenden Ort zuordenbaren Charakteristika zu erwachsen (vgl. Kavaratzis 2008, 45f). Es basiert also auf den lokalen Qualitäten, den Besonderheiten und Einzigartigkeiten einer Stadt und versucht, diese in der inneren und äußeren Wahrnehmung positiv zu platzieren. Hierin mögen sich Marketing- und Brandingstrategien noch sehr ähnlich sein. Entscheidend ist 9
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aber, dass Branding im Gegensatz zu Marketingansätzen nicht nur auf Bestehendes zurückgreift, sondern auch Bestrebungen zukünftiger Entwicklungen umfasst und diese mit in die Prozessüberlegungen integriert (vgl. SUITNER, 2011). Der Branding Prozess ist danach wieder eine Kombination verschiedenster Maßnahmen. Zum einen soll ein Bild geschaffen werden, was mit der Realität übereinstimmt. Auf der anderen Seite sollen möglichst die Vorstellungen aller am Branding-Prozess beteiligter InteressensvertreterInnen einbezogen werden. Hier wird es meist schwierig das interne Bild und das äußere Bild in Übereinstimmung zu bringen. Besonders im Hinblick auf die Vielzahl an Interessen, die Komplexität der Meinungsbildung und der Vorstellungen der Leute dieser Stadt. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob man eine Stadt branden und vermarkten kann wie beispielsweise ein Waschmittel. Ist es wirklich möglich ein einheitliches Bild einer Stadt zu definieren mit dem sich jeder und auch potentielle Stadtbewohner identifizieren können? Besteht die Stadt nicht aus multiplen Bildern, die sich auch übereinander lagern? („Not in our name“, Marke Hamburg, http://nionhh.wordpress.com/) Doch was heißt das für die Rolle von uns Planern in Branding-Prozessen? Im Gegensatz zur gängigen Marketingpraxis ist beim Branding nicht nur das Image, sondern die Stadt selbst Gegenstand des Prozesses. In Fortführung dieses Gedanken muss auch die Planung selbst gemäß den Maximen des Brandingkonzepts vollführt werden, um die einheitliche Linie der Marke „Stadt“ zu unterstützen. Stadtentwicklung wird also zum Gegenstand des Brandingkonzepts und Stadtentwicklungsplanung damit selbst zum Branding. Der Brandingansatz erkennt, dass ein Citybrand möglichst alle städtischen Entwicklungen umfassen sollte (vgl. SUITNER, 2011). Was wie eine Rückstellung der Stadtentwicklungsplanung hinter die Interessen der Imageplanung anmuten mag, ist das genaue Gegenteil, nämlich der Aufruf an die Planung, sich ihrer Rolle als gewichtiger Akteur in der Imageplanung bewusst zu werden. Daraus ergeben sich für uns bei der inhaltlichen Gestaltung des PIT 2011 die Frage, wo sich in Wien die Praktiken des City Branding verorten lassen und in welchem Verhältnis wir als PlanerInnen dazu stehen? Eines der wichtigsten Beispiele für Place Branding in Wien ist 10
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„Aspern, die Seestadt“. Sie hatte laut Hotko als ehemaliges Flugfeld mit einem alten und falschen Image zu kämpfen. Bis 2028 sollen in dem Stadtteil jeweils 20.000 Personen leben und arbeiten. Dafür wurde 2008 die Marke „Aspern – Die Seestadt Wiens” von Brainds geschaffen. Hunderte Einwohner, Experten und Meinungsbildner wurden befragt und acht mögliche Visionen abgeleitet. Drei davon wurden in einer Ausstellung erlebbar gemacht. Die Stadtentwicklungsgesellschaft Wien 3420 AG und politische Entscheidungsträger wählten jene Marke aus, die die Lebensbalance in den Fokus stellt. Die Stadt Wien als Ganzes hat ein Corporate Design, aber kein mit Aspern vergleichbares Branding. „Das wäre sehr kostspielig und zeitaufwendig”, heißt es von der Stadt. Der Slogan „Wien ist anders”, der vor mehr als 20 Jahren entstanden ist, werde heute noch „ab und zu” verwendet. Stark ausgeprägt ist das Branding von Wien Tourismus, das mit dem Claim „Wien – jetzt oder nie” in 23 Ländern wirbt (In: Wiener Zeitung vom 27.7.2011). Mit diesen und anderen Themen wird sich das PIT 2011 beschäftigen. Wie sich das Thema in Zukunft in der Praxis der Stadtentwicklung ausprägen wird ist noch ungewiss, wird aber mit Spannung verfolgt. Wie sich City Branding als Themenfeld in die universitäre Forschung und Lehre an der Raumplanung der TU-Wien integrieren wird, hängt davon ab, wie die Stellung der PlanerInnen im City Branding Prozess zu identifizieren ist. Die im Oktober 2011 erscheinende Publikation zum PIT 2011 wird sich unter anderem damit beschäftigen. Bereits 2010 an der TU-Wien erschienen ist die SkuoR-Publikation „Information. Communication. Attention!“, die im Zuge eines Seminars zu City Branding entstanden ist. Literatur
Kavaratzis, M. (2008). From city marketing to city branding. An itnerdisciplinary analysis with reference to Amsterdam, Budapest and Athens. Groningen: Rijksuniversiteit Groningen. Knierbein S. (Hrsg.) (2010), Information. Communication. Attention! : exploratory urban research beyond city branding, Wien; IVA-Verl. Suitner, J (Okt. 2011). Imageplanung. Vom Bild der Stadt bis Citybranding; In: Wien – Branded City. Erster Teil der Publikation zum PIT 2011 Wien. Fachschaft Raumplanung, TU-Wien
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Brandmarken
Fotos zum PIT Wien, von Michael Erdmann
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Erinnerungs- und Gedenkkultur in Wien von Roland Bauer und Gerhard Rauscher
Was hat Erinnerungskultur mit Raumplanung zu tun? In zweifacher Hinsicht ist die Aufgabe des Sich-Erinnerns bzw. das Ermöglichen und Forcieren einer ausgeprägten Erinnerungskultur verräumlicht und überschneidet sich damit mit dem Tätigkeitsfeld der Raumplanung. Zum einen gibt es Erinnerungsorte und –räume, die als solche entweder bereits bestehen oder erst dem „Spacing“/Place-Making unterzogen werden, durch das Setzen eines Denkmals beispielsweise. Zum anderen ist die Haltung gegenüber der eigenen Vergangenheit und deren Vermarktung Teil der Identität von Gebietskörperschaften oder anderer räumlicher Einheiten. Das Arbeiten an dieser Identität auf Stadtebene ist als Teil des Citybranding zu bezeichnen, dem Thema des PITs(siehe Artikel „City Branding - Wen interessiert’s ?!“ von Michael Erdmann). In diesem Artikel wollen wir beide Thematiken streifen, als Anlass und Grundlage dient uns dazu unsere Exkursion, die wir im Rahmen des PITs durchführen. Somit wird es auch stark um konkrete Orte gehen, die wir auf der Tour streifen. Die Vorbereitungen sind erst am Laufen, doch können wir schon jetzt einiges zu diesem Thema sagen. Der Stadtspaziergang zum Thema Errinerungskultur/Gedenkkultur in Wien führt zu Orten, die in der öffentlichen Wahrnehmung sehr unterschiedlich mit der jüngeren österreichischen Geschichte verbunden sind. Ein Teil dieser Orte – Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, Heldenplatz, Judenplatz, Denkmal am Morzinplatz – befindet sich im ersten Wiener Bezirk und ist Teil der Repräsentationsmaschinerie der Stadt Wien im Rahmen von Tourismus und offizieller Gedenkkultur. Die „Steine der Erinnerung“ - Projekte zum Gedenken an das jüdische Leben vor dem 2. Weltkrieg und an die jüdischen Opfer des Holocausts – gibt es mittlerweile in unterschiedlichen Bezirken Wiens. Sie sind jedoch vor allem im zweiten Wiener Bezirk Leopoldstadt konzentriert, da dort vor dem 2. Weltkrieg der größte Anteil an jüdischer Bevölkerung lebte. Die „Steine der Erinnerung“ sind aus privaten Initiativen entstanden und werden nun von der Gemeinde Wien unterstützt – eine ihrer Absichten ist die Veränderung des öffentlichen Raumes. Die sechs Flaktürme schließlich stehen unübersehbar als graue Betontürme im Wiener Stadtbild und werden in der Öffentlichkeit kaum als Relikte der nationalsozialistischen Diktatur wahrgenommen. Zum Teil wird nicht einmal über Hinweisschilder auf ihre Vergangenheit bezug genommen. Nun stellt sich die Frage warum es derart unterschiedliche Umgangsweisen von städtischer, staatlicher, „offizieller“ Seite mit Relikten, Monumenten und Orten gibt, die in Verbindung mit Österreich Vergangenheit stehen. Welche Art von Gedenken passt ins Bild des heutigen, „modernen“ Österreich. Und: hängt die Art der Umgangsweise mit dem Mythos der Opferthese zusammen – Österreich sei das erste Opfer von Hitler-Deutschland gewesen? Mahnmal gegen Krieg und Faschismus – Alfred Hrdlicka Das begehbare Denkmal an der Rückseite der Staatsoper, am Helmut-Zilk-Platz gegenüber der Albertina, war vor seiner Errichtung 1988 heftig diskutiert und 18
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Der straßenwaschende Jude, Teil des Mahnmals gegen Krieg und Faschismus
Foto: Walter A. Aue/flickr
umstritten. Die einen fanden es pietätlos, über dem im 2. Weltkrieg zerstörten Philipp-Hof mit seinen vielen Verschütteten dieses Denkmal zu errichten, die anderen wollten nicht an die jüngere österreichische Vergangenheit erinnert werden. Das Mahnmal wurde im Gedenkjahr 1988, anlässlich des 50. Jahrestages der Annexion Österreichs an Nazi-Deutschland, enthüllt. Mittlerweile ist es fixer Programmpunkt der offiziellen Führungen durch die Wiener Innenstadt. Über sein Mahnmal meinte Alfred Hrdlicka: „Orpheus betritt den Hades‘ bezieht sich auf die Bombenopfer in den Kellern des Philipphofs. Wer dort Zuflucht suchte, hat die Hölle betreten. Zum anderen ist Orpheus ein Gruß an Oper, Albertina und Theatermuseum, Stätten der Musen — feierlich gesagt. Was den straßenwaschenden Juden betrifft: Jeder kann sagen, was in Auschwitz passiert ist, das weiß ich nicht, aber was in Wien passiert ist,
das haben die Wiener wissen müssen, das hat jedes Kind sehen können. Beim Tor der Gewalt‘ geht es um Hinterlandskrieg und Front. Und zum Abschluss eine äußerst optimistische Sache: die Unabhängigkeitserklärung Österreichs, eingemeißelt in einen großen Granit.“ (Falter 33/1988) Mahnmal am Judenplatz - Kluft in der Identität der Nation Erst im Jahr 2000 bekam Wien das Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa am Judenplatz. Der Judenplatz war Zentrum der bedeutendsten jüdischen Gemeinde im Heiligen römischen Reich (nach Köln) und gleichzeitig Ort einer antijüdischen Brandstiftung im Rahmen der Wiener Gesera 1421. (Das antijüdische Relief, das sich auf dieses Ereignis bezieht, wurde als Zeichen der Versöhnung auf Initiative von Erzbischof Schönborn 1998 durch eine Gedenktafel ergänzt.) Das Mahnmal wurde von Simon Wiesenthal forciert, da das Hrdlicka-Denkmal 19
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Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa am Judenplatz
Foto: chad_k/flickr
nur die Erniedrigung der Juden verewigte und zudem nur gegen Krieg und Faschismus, nicht explizit gegen den Holocaust gerichtet war. Im Jahr 2000 wurde zeitgleich mit dem Museum Judenplatz, das unter anderem den Zugang zu den Grundmauern einer verbrannten Synagoge beinhaltet, das Mahnmal von der Bildhauerin Rachel Whiteread eröffnet. Auf einem Sockel mit den Namen der Konzentrationslager steht ein nicht begehbares Bibliothekszimmer, die Bücher sind mit dem nicht sichtbaren Rücken nach innen gedreht und stehen für das Judentum. Der Platz, stark von Wohnnutzung geprägt, wirkt wie ein Innenraum, das Denkmal ist -wie ein aus den umliegenden Gebäuden herausgezogenes Zimmer
wirkend- zwar zurückhaltend, aber zentral gelegen und deshalb Bestandteil des öffentlichen Lebens. Für die Stadt bedeutet das Denkmal den Abschluss von 50 Jahren fehlender Auseinandersetzung. Steine der Erinnerung – „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“(Gunter Demnig) Die Steine der Erinnerung bilden insofern eine Besonderheit unter den Denkund Mahnmälern, weil es sich dabei um ein dezentrales Mahnmal(das deutsche Original ist mit 30.000 Steinen das größte der Welt!) handelt, das nicht einen Ort zum Ort der Erinnerung macht, sondern aufzeigt, dass die Schrecken des Nationalsozialismus in der ganzen Stadt stattgefunden haben. Die zehn Zentimeter langen kubischen Betonsteine sind mit einer Messingplatte bedeckt, in die die individuelle Erinnerung(im Normalfall ein Name und dessen Bezug zum Ort) eingraviert ist, und werden in die Straße, im Normalfall unmittelbar vor das betreffende Haus, eingesetzt. Ursprünglich stammen sie von dem Künstler Gunter Demnig aus Deutschland, wo sie 1995 zum ersten Mal verlegt wurden und „Stolpersteine“ genannt werden. Eben dieses geistige Stolpern ist es wohl, was sie gegenüber herkömmlichen Denkmälern auszeichnet: Sie wirken durch ihr plötzliches unerwartetes Erscheinen. In unseren Augen ist es außerdem be20
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Foto: quinet/flickr
deutend, dass sie Bewusstseinsbildung in einer zusätzlichen Schiene vollziehen, in dem sie nicht nur physisch anwesend sind und optisch wahrgenommen werden, sondern überhaupt erst durch die Partizipation der Bevölkerung entstehen und bestehen bleiben: Durch Spenden, Mitbauen oder durch die Wartung der Stationen können Menschen freiwillig teilhaben und helfen: Beteiligt sind von Vereinen und Anwohnerinnen verschiedenste Institutionen bis zu Kindergartengruppen. Morzinplatz - ein urbanes Vakuum Der Morzinplatz ist einer der weniger bekannten Orte, sowohl was seine Nutzung als Freiraum, als auch als Gedenkstätte und ehemaligen Standort der Gestapozentrale betrifft. Das verwundert ob seiner zentralen Lage und des Ausmaßes der Grausamkeiten seiner Vergangenheit: Die Leistelle Wien der Gestapo war mit 850 Mitarbeitern die größte Gestapozentrale des dritten Reichs. (Denkwürdiges Wien, S.68) Das Betreten des Platzes vor dem Gebäude war ab 1941 verboten. Im April 1945 wurde die Zentrale bei einem Luftangriff zerstört. Heute steht auf einem Teil des Platzes seit 1968 der Leopold-Figl-Hof, der die Gedenkstätte für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes und an einem Balkon einen Fries, der stellvertretend für den Naziterror verschiedene Szenen der Gewalt darstellt. Der andere Teil wird von dem erwähnten Morzinplatz eingenommen, wo sich seit 1985(zuvor gab es eine bereits in den Ruinen aufgestellte Tafel) das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus befindet, bestehend aus einer Bronzefigur, die aus einem Gefängnis schwerer, sich übereinander türmender Stolpersteine in Berlin Steinblöcker heraustritt. Die sehr patriotische Inschrift zeugt von einer unreflektierten Betrachtung, die die Mitschuld der ÖsterreicherInnen ignoriert. Der Morzinplatz ist immer wieder Thema in der Stadtentwicklung. Es gab oder gibt unter anderem Pläne zu einem Hotel, zu einem Neubau des Wien Museums und zu einem Brunnen. Gemeinsam mit dem Schwedenplatz ist der Morzinplatz ein im Auge vieler BetrachterInnen unpassender Übergang zwischen Altstadt und des boomenden zweiten Bezirkes, wo laufend neue Hochhäuser den Donaukanal säumen. Es ist aber fraglich, ob der Verlust eines weiteren Freiraums eine optimale Lösung darstellt. Dabei könnte im schlimmsten Fall auch das geschichtliche Erbe des Standortes verdrängt und geleugnet werden. Ein positives Zeichen ist hingegen der Schriftzug „Zu spät!“, eine temporäre Pflanzeninstallation von KÖR(Kunst im öffentlichen Raum), die noch bis Oktober 2012 bestehen soll. Sie erinnert an die Verfolgung von Homosexuellen und Transgendern, ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur, der bislang im gebauten öffentlichen Raum Wiens kaum vertreten war. Die sonst tatsächlich unattraktive Gestaltung der Oberfläche (unzugänglicher Rasen auf Kniehöhe, durch den sich Schneisen als Verbindung zu Tankstelle und Tiefgarage ziehen) ist natürlich ein Grund, wieso der Platz so wenig wahrgenommen wird, allerdings ist die „Funktionslosigkeit“ des Platzes auch eine Eigenschaft, die diesen Ort auf eine besondere Art und Weise aus21
Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Morzinplatz
Foto: dugspr Home For Good/flickr
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macht und vielleicht die Tore zum Nachdenken und Erinnern erst öffnet. Die Wiener Flaktürme Die Architektin Ute Bauer schreibt in ihrem Buch „Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur“ folgendes zu den sechs Flaktürmen: „Fünf der sechs Flaktürme haben gegenüber ihrem Originalzustand keine wesentliche bauliche Veränderung erfahren, vier von ihnen wurden seit Kriegsende mit keiner neuen, an den Fassaden ablesbaren Funktion bedacht. Sie gehören zu den wenigen in Wien realisierten NS-Bauwerken und sind, unterstützt durch ihre bauliche Dominanz und zentrale Lage, als die einzigen authentischen baulichen Relikte der NS-Zeit in Wien zu werten. Im kollektiven Gedächtnis Österreichs an den Zweiten Weltkrieg ist ihnen jedoch kein konkreter Platz zugewiesen. Dass diese riesigen Betonklötze die Zeit seit der sogenannten „Stunde Null“ überdauert haben und mit ihnen der Mythos der Unzerstörbarkeit, liegt nicht an einem bewussten, konkret formulierten Erhaltungswillen; man will weder in eine Abtragung noch in eine Umgestaltung investieren, sich mit ihrer Existenz weder abfinden noch radikale Änderungen anstreben. Auf den möglichen Denkmalcharakter der Flaktürme angesprochen, nehmen die meisten Befragten, ob Zeitzeugen, Architekten oder Anrainer eine gleichgültige Haltung ein, der geschichtliche Kontext interessiert scheinbar kaum. Einer gedenkenden oder mahnenden Aufgabe der sechs Flaktürme, die letztlich als einzige unverändert erhaltene NS-Architektur das Wiener Stadtbild prägen, wurde niemals offiziell Ausdruck verliehen.“ (Bauer 2003, S. 14) Die Flaktürme könnten Teil der Erinnerungskultur an die Verbrechen der Nationalsozialisten sein, sie könnten Mahnmale des „Niemals vergessen“ sein. Doch sie sind nicht Teil der offiziellen Kultur des Umganges mit dem Nazi-Regime. 22
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Gefechtsturm in der Stiftskaserne
Foto: Pentcheff & Wetzer/flickr
Besucht man die Umgebung der Flaktürme wird man nicht darauf hingewiesen, wie diese Bauwerke entstanden sind, in welchem Zusammenhang sie mit der österreichischen Geschichte stehen, es gibt keinen Hinweis auf ihren ursprünglichen Zweck. Sie sind weder als Mahnmal, noch als Denkmäler, noch als Flaktürme ausgewiesen. Auch als in Wien aufgewachsener und sozialisierter Mensch ist es notwendig sich speziell mit den Flaktürmen und deren Geschichte zu beschäftigen um in Erfahrung zu bringen, dass diese Türme von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen erbaut wurden. Jede Wiener Schulklasse stattet irgendwann dem „Haus des Meeres“ im Flakturm Esterhazypark einen Besuch ab - in den seltensten Fällen, und wenn dann von engagierten LehrerInnen, wird auf die eigentliche Geschichte des Hauses hingewiesen. Legitimiert wurde und wird dieser fehlende Umgang mit dem gebauten Erbe des Nationalsozialismus und die nach wie vor sehr selektive und lückenhafte Vermittlung von Geschichte an Österreichs Schulen durch den
Mythos Österreichs als erstes Opfer des Nationalsozialismus. In der Moskauer Deklaration von 1943 hatten die alliierten Außenminister Österreich durch den „Anschluss“ an Deutschland im März 1938 als erstes Opfer von Nazi-Deutschland erklärt. Bis heute wird Österreich von vielen daher als Staat der Opfer, und nicht als Staat der TäterInnen aufgefasst und dadurch eine konstruktive und zukunftsweisende Auseinandersetzung mit Geschichte verhindert. Es stellt sich also die Frage, warum die doch gewaltigen und unübersehbaren Flaktürme erstens nicht in die offizielle Erinnerungskultur eingebunden wurden, zweitens keine erklärenden Tafeln und Hinweisschilder angebracht wurden und werden, und drittens, warum dem Architekten der Flaktürme Friedrich Tamms im Jahr 1972 das Ehrendoktorat der Technischen Hochschule Wien verliehen wurde. Im Jahr 1972 erhielt Friedrich Tamms nach Bemühen von Professor Dr. Rudolf Wurzer, damals Vorstand des Instituts für Raumordnung und Raumplanung, 23
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und des Dekans Prof. Dr. Ernst Schischka das Ehrendoktorat der Technischen Hochschule Wien. In der Erläuterung wird Tamms „Gutachtertätigkeit für die Autobahnführung im Raume Bregenz“ neben seiner Qualifikation als Städtebauer und Wissenschafter, der „die fachlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich im besonderen Maße gefördert hat“, und seinem „umfassenden Gutachten über die Dringlichkeit des U-Bahn-Baues für Wien im Zusammenhang mit dem Städtebaulichen Grundkonzept von Prof. Dr. Rainer“ als Begründung für die Verleihung des Ehrentitels angeführt (Bauer 2003, S. 104). Die Wiener Flaktürme werden mit keinem Wort erwähnt. Eine Gegenüberstellung des Lebenslaufes Friedrich Tamms mit dem, der anlässlich der Verleihung des Ehrendoktorates angeführt wurde, zeigt, wie seine Bautätigkeit während der NS-Zeit umschrieben wird, insbesondere der Flakturmbau als „industrielle Bauaufgabe im Raum Wien“ (Bauer 2003, S. 104). In den Jahren 1940 bis 1945 ließ das nationalsozialistische Regime 16 Flaktürme in Berlin, Hamburg und Wien errichten. Sie sollten die Stadt vor alliierten Luftangriffen schützen und als Luftschutzbunker für die Zivilbevölkerung dienen, im Vordergrund stand der militärische Zweck. In Wien wurden jeweils 2 Flaktürme (Gefechts- und Leitturm), im Augarten, im Arenbergpark und im 6. und 7. Wiener Bezirk (Leitturm im Esterhazypark und Gefechtsturm in der Stiftskaserne) erbaut. Die beiden Flaktürme im Arenbergpark im 3. Wiener Bezirk wurden von Dezember 1942 bis Oktober 1943 erbaut. Seit 1995 werden Teile des Gefechtsturms vom MAK (Museum für angewandte Kunst) als Gegenwartskunstdepot genutzt. Seit 2002 gibt es Bestrebungen des MAK, den als Depot genutzten Turm zum Contemporary Art Tower (CAT) zu machen. Teile des Gebäudes sollen umgenutzt werden, geplant ist an der Südseite ein Medien- und Versorgungsturm, weiters sollen Studios, Workshops, ein Auditorium, Ausstellungsflächen, Restaurants, ein Café und eine Bar entstehen (vgl.: www.cat.mak.at). Im ehemaligen Leitturm im Arenbergpark wird nur das Erdgeschoß zu Lagerzwecken von der MA 42 (Wiener Stadtgärten) genutzt. Der ehemalige Leitturm im Esterhazypark im 6. Wiener Bezirk wurde von Oktober 1943 bis Juli 1944 erbaut und wird seit 1972 als „Haus des Meeres“ genutzt. An der Seite zur Gumpendorfer Straße wird die Außenwand des Turms vom österreichischen Alpenverein als Kletterwand verwendet. Erst seit 2009 gibt es im 10. Stock eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Flakturms mit dem Titel „Erinnern im Innern“. Für den Flakturm im Esterhazypark gab es in den letzten Jahren eine Reihe von Umbauplänen. So wollte bis 2001 die Arcotel-Gruppe ein Hotel mit Aussichtsplattform auf den Turm aufsetzen, das Projekt wurde schließlich abgelehnt. Im Jahr 2007 wurde ein weiteres Hotelprojekt des Gastronomen Bernd Schlacher abgelehnt (vgl.: www.diepresse.com). Letzter Umbauplan war die Errichtung eines Restaurants mit Aquarium und Aussichtsterrasse auf dem Turm. Die Planung für das Restaurant ist seit Juli 2010 abgebrochen, nun soll ein „Zooturm“ mit Tieren auf allen Stockwerken und Riesenaquarium bis an das Dach entstehen. Im Hof der Stiftskaserne im 7. Wiener Bezirk steht der zum Leitturm Esterhazypark gehörende ehemalige Gefechtsturm. Er wird seit 1958 vom österreichischen Bundesheer genutzt und ist nicht öffentlich zugänglich. Teile des Turms 24
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Foto: bluntschli/flickr
dienen als Not-Bunker für die österreichische Bundesregierung im Krisenfall. Die beiden Flaktürme im Augarten im 2. Wiener Bezirk wurden von Juni 1944 bis Jänner 1945 errichtet. Seit dem Jahr 2002 sind die beiden Türme an die Datenverarbeitungsfirma DCV vermietet, die den Gefechtsturm um drei Etagen aufstocken wollte und aus den Türmen einen IT-Datenspeicher machen wollte. Nach einem negativen Bescheid des Bundesdenkmalamtes wurde dieser vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur aufgehoben. Trotzdem ist eine Durchführung des Datenspeicher-Projektes unrealistisch, da die Gemeinde Wien einen Teil der barocken Parkanlage im Augarten in Bauland umwidmen müsste (Bauer 2003, S. 8). Folgende Vorschläge wurden schon zur Umnutzung der Flaktürme im Augarten gemacht: Adaption zur Schischanzanlage, Abbruch, zuschütten und überwuchern lassen, Salzwasseraquarium mit Konzertsaal, Restaurant und Einkaufszentrum, Begrünung durch vermietbare Schrebergärten etc. Nach vorliegendem Wissensstand haben sich nur zwei Projekte direkt mit den Flaktürmen als Mahnmale auseinandergesetzt: Im Jahr 1991 wurde im Rahmen der Wiener Festwochen nach einem Projekt des US-amerikanischen Künstlers Lawrence Weiner ein Anti-Kriegs-Spruch (Smashed to pieces in the still of the night/Zerschmettert in Stücke im Frieden der Nacht) am oberen Teil der Fassade des Flakturms Esterhazypark angebracht. Der Schriftzug wurde renoGefechtsturm im Augarten viert und befindet sich noch heute dort. Die KPÖ-Wien (KPÖ - Kommunistische Partei Österreichs) montierte am 7. Mai 2002, einen Tag vor dem Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht und dem Ende des Nationalsozialismus, eine Gedenktafel am Gefechtsturm im Arenbergpark, „als Zeichen des Antifaschismus im historischen Gedenken und ebenso bezogen auf die besorgniserregenden Entwicklungen der heutigen Zeit“ (vgl.: www.wien.kpoe.at). Die KPÖ bezog sich auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ und den Versuch den 8. Mai vom Tag der Befreiung Österreich zu einem Trauertag umzudeuten. Weiters „fordert (Anm.: sie) den Bezirksvorsteher des 3. Bezirks sowie den Wiener Bürgermeister auf, für den Erhalt und die Pflege der Gedenktafel zu sorgen.“ Wenige Wochen später wurde die Tafel kommentarlos entfernt. 25
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Foto: dugspr Home For Good/flickr
Der Heldenplatz – Der Gedächtnisort schlechthin Der Heldenplatz, ein im Alltag der WienerInnen kaum genutzter Platz, der Transitraum vor allem für TouristInnen ist, existiert nicht einmal als Postanschrift. Er ist grenzenlos und bildet mit Volksgarten, Ringstraße, Maria-Theresien-Platz und Rathausplatz einen riesigen Stadtraum, an dem sich die wichtigsten Gebäude des Staates und der Stadt befinden. Der Heldenplatz ist neben der Hofburg die eigentliche Mitte Wiens. Obwohl man ihn durch seine Vergangenheit(Lage an der Hofburg, Paradeplatz, Ausgangspunkt und Hauptschauplatz der Revolution 1848, Bestandteil des projektierten Kaiserforums, Standort zweier nationaler Heldendenkmäler und Ort zahlreicher politischer Veranstaltungen, Trauerzüge und Staatsbesuche) durchaus als Hauptplatz der Republik oder zumindest deren Geschichte bezeichnen kann, wird mit ihm nach wie vor vor allem ein Ereignis verbunden: Der „Vollzug“ des „Anschlusses“ vom 15.3.1938, als Hitler vom Altan der Neuen Burg „den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“ verkündete. Seitdem ist der Platz Symbol von einem der schwärzesten Tage der österreichischen Geschichte, was sich in dem Umgang mit dem Platz bis in die Gegenwart zeigt. Große Teile der Bevölkerung und Politik reagierten empört auf Thomas Bernhards Drama „Heldenplatz“, in dem ein Professor Parallelen zwischen dem Österreich von 1938 und der Jetztzeit feststellt und sich das Leben nimmt. Zuvor fand hier bereits die Trauerfeier für das erste politische Todesopfer nach dem zweiten Weltkrieg, den Antifaschist Ernst Kirchweger, statt(1965), nach 1988 häuften sich die Austrofaschistische Architektur am Heldentor politischen Demonstrationen: 1992 war das Konzert für Österreich zum Jahrestag Haiders Beschäftigungspolitik-Sagers, 1993 das Lichtermeer gegen die FPÖ(die größte Demonstration der zweiten Republik), 2000 die „Donnerstagsdemonstrationen“, 2002 stand hier die temporäre „Botschaft besorgter Bürgerinnen und Bürger“ als Reaktion auf Demonstrationen Rechtsradikaler am heldenplatz, was zur Totalsperre des Platzes am 8.Mai führte, einem Tag, der des Öfteren Anlass für rechte Gruppierungen war, am Platz der Kapitulation zu „gedenken“. Neben der Nutzung für Gedenkveranstaltungen finden sich auch einige kaum bekannte Mahnmäler am Platz, genauer gesagt am oder beim äußeren Burgtor (auch Heldentor/Säulentor). Dort befinden sich an das Tor angebrachte Lorbeerkränze/-zweige(1916) für Soldaten des ersten Weltkriegs, eine dachlose Ehrenhalle für gefallene des ersten Weltkriegs(1934), eine Krypta für ebendiese (1934) und einen Weiheraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes(1965). Diese Denkmäler sind jedoch nicht zeitgemäß, reduktionistisch und stark von Patriotismus, Monarchie und Austrofaschismus geprägt. Bis 1945 gab es an der Stelle sogar ein SA-Ehrenmal, man kann also definitiv von einer starken historischen Aufladung des Platzes sprechen. Im Gegensatz zu dem übertrieben festivalisierten Rathausplatz, der große Bedeutung für die Stadt hat, aber wenig (nationale) Geschichte vorweisen kann, ist der Heldenplatz seit jeder ein Platz des Staates, was sich auch in den
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dortigen (weit weniger häufigen) Veranstaltungen zeigt: Staatspolitische Akte, die Heeresschau am Nationalfeiertag, Angelobungen von Bundespräsidenten, Trauerzüge(zuletzt Otto von Habsburg) und ähnliches. Um die Aufarbeitung und Erinnerung an die österreichische Geschichte weiter ernsthaft betreiben zu können, muss eine stärkere und bewusstere Positionierung des Heldenplatzes in dieser Angelegenheit außer Frage stehen. Die Errichtung des zweiten Flügels der Hofburg(um ein Museum für die Geschichte Österreichs unterzubringen) ist städtebaulich abzulehnen, doch vielleicht gibt es einen anderen Weg. Ein Anfang könnte das Denkmal für Deserteure machen. (www.deserteursdenkmal.at) Wien, ein Museum „(…)aber den Mut, den Karl-Marx-Hof zum Weltkulturerbe auszurufen und Wien damit als Stadt des sozialen Wohnbaus zu positionieren, bringt niemand auf. Barock und Historismus sollen die große Zeit Wiens markieren. Das Selbstbild der Stadt orientiert sich damit an einer diffusen, ins Geschichtslose verklärten Vormoderne.“ schreibt Christian Kühn in seinem Nachwort zu Reinhard Seiß‘ „Wer baut Wien?“. Damit bringt er auf den Punkt, welche Abschnitte der Geschichte im Branding der Stadt Wien berücksichtigt werden, und welcher eben nicht: Das 20.Jahrhundert mit all seinen schrecklichen Auswüchsen. Nach Safranski wird man zu einem Individuum, wenn man sich selbst eine Gestalt gibt, in dem man Grenzen zieht. In dem Sinne zieht Wien seine Grenzen zeitlich, etwa um 1914. Dass Shoa und Weltkrieg in ein positives Image einer Stadt nicht hineinpassen liegt auf der Hand. Es ist auch nicht Ziel, diese Themen als Kapitalbringer zu missbrauchen. Jedoch ist es eine moralische Aufgabe der Politik, Geschichte und ihre Orte nicht als solche zu ignorieren (siehe Heldenplatz, Flaktürme), sondern ihnen zu begegnen (s. Judenplatz). Neben der Neigung, der Erinnerung von vornherein keinen Wert beizumessen, gibt es eine zweite große Gefahr: Die kollektive Hygiene als endgültig anzusehen und den Glauben damit einen Schlussstrich unter die Vergangenheitsbewältigung ziehen zu können: Der fiktive Charakter der Vergangenheitsbewältigung liegt in „der Sehnsucht nach dem Unmöglichen, das Vergangene so in Ordnung zu bringen, dass seine Erinnerung nicht mehr auf der Gegenwart lastet“. (Bernhard Schlink) Denkmäler werden museal und zu bloßen Alibis. In den Worten Hermann Brochs: „Wien wurde zum Museum seiner selbst.“ Quellen/Literatur/Links: Bauer, Ute: Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur, Wien: Phoibos Verlag 2003 Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Denken und Mahnen in Wien 1934-1945. Wien: Deuticke 1998 Klein, Erich: Denkwürdiges Wien. Wien: Falter 2004 Stachel, Peter: Mythos Heldenplatz. Wien: Pichler Verlag 2003 Stadtzeitung Falter 33/1988: Interview mit Alfred Hrdlicka zu seinem Mahnmal gegen Krieg und Faschismus Wiesenthal, Simon (Hrsg.): Projekt: Judenplatz. Wien: Paul Zsolnay Verlag 2000. http://www.cat.mak.at/projekt_cat.html, 22.09.2011 http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/333820/index.do, 01.10.2007 http://www.steinedererinnerung.net/ http://www.wien.kpoe.at/old/LinkeSicht/LSDemo7.html, 22.09.2011
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Eindrucke vom PIT Berlin
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Turnhalle
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Auftaktveranstaltung
Grenzenlos lückenlos
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von Laura Estelle Grzywatz
Semester für Semester hat eine der zahlreichen Universitäten im deutschsprachigen Raum die verantwortungsvolle Aufgabe das Planerinnentreffen (kurz PIT) für interessierte Kollegen und Kolleginnen auszurichten. Teilnehmen darf eine bestimmte Anzahl an Studenten von Raum-, Stadt-, Regionalplanern und Urbanisten. Nach dem im Wintersemester 2010/2011 die Technische Universität Erfurt der Gastgeber des PITs sein durfte, war dieses Sommersemester das als besonders cool und hip verschriene Berlin an der Reihe. Unter dem Motto „Rücksichtslos lückenlos?! / Mind the Gap“ lud die Fachschaft der Stadt- und Regionalplanung der TU am 01. Juni zur Auftaktveranstaltung auf den Campus ein. Um seinem Ruf alle Ehre zu erweisen, wartete neben der strahlenden Sonne auf jeden Teilnehmer ein äußerst angesagter frisch bedruckter Jutebeutel, der alle überlebenswichtigen Dinge für den Dschungel Berlins bereit hielt. Vorneweg eine Fahrkarte des ÖPNVs, einen Stadtplan, Kondome und ein Feuerzeug für die Zigarette danach. Nachdem uns das freundliche Orgateam herzlich begrüßte und in alle organisationstechnischen Planungen bezüglich Workshops und Abendgestaltung der kommenden vier Tage und Nächte eingeweiht hatte, folgte Grillen auf dem Hof mit offizieller Eröffnung der berühmten Bierliste. Am nächsten Morgen startete der dreitägige Workshop-Marathon mit einer großen Auswahl an Veranstaltungen. Vom Ausflug in die Schlosslandschaft Potsdam, über eine wundervolle Stadtradtour durch das „Rote Berlin“, eine Fahrt mit der Ringbahn um Berlin und eine Suche nach den Klängen von Berlins Straßen wurde für jeden ein ausreichendes Programm zum Kennenlernen der Stadt bereitgestellt. Bei einer von vier Kneipentouren am Abend bemühten sich die Gastgeber einen kleinen Einblick in das riesige und unglaublich vielfältige Nachtleben Berlins zu geben, welcher uns erahnen lies, was die folgenden Nächte noch alles auf uns wartete. Am zweiten Workshoptag lockten uns neben der große Lücke am ehemaligen Flughafen Tempelhof, Berlins Gastronomie, die 29
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Lückenschließung im ÖPNV und die drei einzigen Markthallen, die Berlins Geschichte bis heute überlebt haben. In einer von diesen Besonderheiten traf man sich später um eine sehr angeregte und durchaus erheiternde Podiumsdiskussion zum Thema „Bauen in der Lücke“ zu führen. Die Gestaltung der Nacht blieb jedem selbst überlassen und so fand man sich in verschiedenen Bars oder auf unzähligen Bordsteinen vor unzähligen „Spätis“ wieder, ohne die, so mag man den Eindruck bekommen, Berlin kaum überlebensfähig wäre. Dementsprechend müde und blasse Gesichter dominierten am nächsten Morgen die Veranstaltungen zum politischen Samstag, dessen Inhalt, zum Unverständnis einiger Kollegen/-innen, sich hauptsächlich mit nationaler, sprich deutscher, Entwicklungspolitik befasste. Erleichterung als am Nachmittag dann schließlich die Bundesfachschaftenkonferenz eingeleitet , letzte hochschulpolitische Themen diskutiert, Bierkönig und –königin,gewählt wurden (stolz darf ich hinzufügen, dass letztere aus unseren Reihen stammt) und die Abschiedsparty steigen konnte. Rundum war es ein wunderschöner Aufenthalt in einer kunterbunten Stadt mit unglaublich engagierten und talentierten Kollegen und Kolleginnen und ich bin schon heute gespannt auf das kommende PIT, bei welchem wir Wiener Raumplanungsstudenten die Ehre haben es ausrichten zu dürfen.
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Auch das PIT Wien war schon in Berlin vertreten Essen fassen am Campus der TU Podidumsdiskussion in der Markthalle
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Tempelhof
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Der Osten des Westens
Text und Fotos von Josef Zitzler
Amerika. Warum zieht es seit Jahrhunderten die Menschen auf dem ganzen Globus auf diesen Kontinent? Und warum meint fast ein jeder, der davon spricht, eigentlich nur einen Bruchteil der besagten Landmasse, nämlich die Vereinigten Staaten? Gibt es in dieser Hinsicht eine „Identifikationsvormacht“ gegenüber all den anderen amerikanischen Ländern? Diese und ähnliche Fragen bewegen tagtäglich Hundertschaften von Menschen, Antworten zu suchen und womöglich den „American Dream“ zu finden. Per Greencard oder Touristenvisum. In meinem Fall begann die Entdeckungsreise im nordöstlich liegenden Massachusetts. Geworben wird für diese Region mit dem „Indian Summer“ oder mit erhaltenem englischen Charme westlich des großen Teichs. Ein Paradebeispiel für die europäischen Wurzeln dieser Gegend stellt zweifellos die Hauptstadt des Bundesstaats, Boston, dar. Rote Backsteinmauern, enge Gassen und Enge Gassen und Backsteinhäuser
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Boston Downtown © google earth
eine zentrumsnahe Fußgängerzone sind ja nicht wirklich die Inbegriffe einer „typisch“ amerikanischen (noch einmal sei an dieser Stelle auf die unbewusste Verwendung des amerikanischen Begriffs stellvertretend für alles mit den USA im Kontext Stehende verwiesen) Stadt. Allein aus diesen Gründen würde ich den Besuch dieses Orts schon nahelegen, aber durch die historisch bedingte Lage an der Küste kommen auch Freunde des Wassers auf ihre Kosten: Zur Erholung vom Stadtspaziergang zwischen altehrwürdigen Bauten empfiehlt sich eine Auszeit an einem der zahlreichen autofreien Piers am Hafen. Von dort aus lässt sich auch der ästhetisch sehr ansprechende Kontrast zwischen alten Kolonialgebäuden und hypermodernen Wolkenkratzern, zum Beispiel der alte „Custom Tower“ an der Waterfront und der bläulich verspiegelte „Hancock Tower“, eingehend betrachten. Auch bildungstechnisch ist die Stadt zu erwähnen: Steht der unter den Einwohnern verbreitete Spitzname „Athens of America“ quasi für die Wiege der Bildung, wird dies nach ein paar Schritten im kompakten Zentrum eindrucksvoll bestätigt; man steht vor der „Public Latin School, founded in 1635“, die erste öffentliche Schule in den Staaten. Aber auch heute braucht sich die Stadt hinsichtlich höherer Bildung nicht zu verstecken, liegen 35
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Alt und neu
doch die Eliteuniversitäten Harvard und das MIT nur einen Steinwurf entfernt. Vor dem Hintergrund, dass Boston nur vier U-Bahn-Linien betreibt, liegt ein hohes Aufkommen von MIV nahe; allerdings wurde dem Trend ein herausragendes und überdimensionales städtebauliches Projekt entgegengestellt: „The Big Dig“. Ab 1991 wurde die Stadtautobahn sukzessive untertunnelt, das größte und teuerste Infrastrukturprojekt in den Vereinigten Staaten bis heute. Das Ergebnis kann sich jedoch sehen lassen, ein schlauchartiger urbaner Grünraum mit der Breite einer sechsspurigen Autobahn fast direkt an der Waterfront verleiht dem Stadtgebiet am Wasser einen Raum mit höchster Aufenthaltsqualität, in einer Größe, die man in Städten ähnlichen Ausmaßes vergeblich sucht. Abseits der Küstenlinie findet man noch einen weiteren großen Park vor, den „Boston Common“; mit ihren großzügig angelegten Spazierwegen und Teichen besticht diese Anlage ebenso. Maßgeblich durch die erwähnten Freiräume bedingt genießt man in der Stadt eine hohe Lebensqualität, aber auch die Kompaktheit und die gehfreundlichen Distanzen im Zentrum, die für das Land doch eher untypisch sind, lassen 36
einen Tourist glückliche BewohnerInnen vermuten.
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Ausgehend von der Erfahrung in dieser - so gesehen nicht ganz „amerikanischen“ - Stadt machte ich mich per Greyhound auf den Weg weiter Richtung Süden. Nach einer Stunde Fahrt auf der Interstate 90 offenbarte sich ein Bild, das man üblicherweise nicht aus den Reisekatalogen kennt: Links und rechts der Straße nur weite Wiesen, Felder, überdimensionierte Parkplätze und manchmal ein Wasserturm oder ein militärisch gesperrtes Gebiet, begrenzt von einem hohen Zaun. Das ist nun also der unbekannte „Hinterhof“ der urbanen Regionen, der flächenmäßig den bei weitem größeren Anteil der Gesamtstaatsfläche darstellt, in dem aber nur ca. 20% der Bevölkerung wohnen (Vergleich Verstädterungsgrad Österreich 2005: 66%). Mit diesen Gedanken vergingen die knapp vier Stunden Fahrt wie im Fluge, der Bus erreichte schließlich den Port Authority Bus Terminal, 42nd Street, New York City. Über diese Stadt werde ich allerdings keine Worte mehr verlieren, dort sollte sich jedeR RaumplanerIn selbst ein Bild über das Geschehen machen. :) Skyline
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Hier könnte dein Artikel stehen.
Hast du ein etwas, das dir am Herzen liegt, und du deinen KollegInnen mitteilen willst? Gibt es ein Thema, worüber du gerne etwas schreiben willst? Bilder, die du teilen möchtest? Absolvierte Lehrveranstaltungen, Projekte oder Prüfungen über die du etwas loswerden willst? Hast du von Reisen, PITs oder Auslandssemestern zu berichten? Hast du etwas am Laufen, wofür du Menschen anwerben willst? Kennst du Literatur oder Veranstaltungen, die du empfehlen oder rezensieren möchtest? Gibt es etwas zum Unileben oder zur Hochschulpolitik, worüber du etwas sagen willst? Gibt es etwas an Wien, anderen Städten, Orten und Räumen, das du bemerkenswert und vielleicht sehenswert findest? Ist im Themenspektrum Raum, Stadt, Region, Land, Planung und Entwicklung etwas für dich dabei? Ja? Ich freue mich auf deinen Beitrag! stupid@fsraum.at Natürlich sind auch insbesondere ProfessorInnen und AssistentInnen (per Sie) angesprochen! Geben Sie sich einen Ruck und tragen Sie dazu bei, dass das St.u.P.i.D. als Plattform für alle an der Lehre beteiligten ihrem Namen wieder gerecht werden! 38
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Das Forum Alpbach 2011. Ein Reisebericht.
von Sebastian Raho
„Wir möchten Ihnen sehr herzlich gratulieren, Ihnen wird ein Stipendium für die Baukulturgespräche des Forum Alpbach zuerkannt“. So beginnt meine all-inclusive Reise in ein Tiroler Bergdorf unweit von Wörgl. Das Forum Alpbach findet jährlich seit 1945 statt, und das Selbstverständnis des Forums ist, dass es einen Ort des interdisziplinären Austausches bietet bei dem aktuelle Probleme der Welt diskutiert und gelöst werden sollten. Jährlich nehmen bis zu 5000 Menschen teil. Nach ein paar Stunden Bahnfahrt warte ich, vom Duft des Kuhmists eingelullt, auf den Shuttle-Bus. Zufällig steht dort ebenfalls der mir bekannte Doktorand vom Institut für Verkehr und Zahlenzeugs. Nachdem er dort auf dem Podium sitzt und nicht wie ich nur zuhört, wurde er extra vom Bahnhof abgeholt und ich darf mir die Busfahrt ersparen. Wiederrum in intensive Düfte gehüllt, diesmal in den Duft von neuem Auto, wird uns so manches erzählt: Die wirklich wichtigen Leute würden von den neuen BMWs abgeholt, wir leider nur von den Minis. Die BMWs sind gerade wichtige Leute für die Finanzgespräche holen. Wir sollten uns da nichts draus machen, dafür seien wir nett. Aber diese Finanzleute seien alles Arschlöcher, sogar die Politiker sind netter als diese Finanzmenschen. Die Finanzmenschen seien die schlimmsten, bei weitem! Rein ins Tal, die Serpentinen rauf, da sind wir schon im wunderschönen Bergdorf. Alles wirkt wie der Front einer Milchpackung entsprungen: Kleine Holzhäuschen mit Blumenschmuck vor einer dramatischen Bergkulisse. Aber statt Kühen wimmelt der Ort von Anzugmenschen, von Blusenmenschen, von Business-Casual-Menschen, von Latte-Macchiato-Menschen, von Hosenanzugmenschen. Ich dachte mir schon, dass ich underdressed sein werde, aber so schlimm? Sogar die Jungen haben Krawatten! Alles ist zugeparkt von Audis, Porsches und BMWs. Vor dem Kongresszentrum, Congress Zentrum wie man es hier nennt, steigt die Anzug- und Audidichte exponentiell. Innen sah es aus wie im Foyer einer Bank: Glas, Stahl und voll mit Leuten die alle problemlos als ÖVP-Generalsekretär durchgehen würden. Dort stehen sie, die Finanzmenschen, die Arschlöcher, wurde mir gesagt, die unser 39
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Finanzsystem den Bach runter gehen haben lassen und jetzt diskutieren die selben Leute bei Alpenluft darüber wie sie den Kahn wieder den Fluss hoch schleppen lassen können. Von wem? Ich weiß es nicht. Die Finanzministerin warnt vor Steuererhöhungen. Die Baukulturgespräche eröffnend sprach der Generalsekretär des Forums: „Schon in der Bibel steht von der Hure Babylon geschrieben aber auch vom ewigen Himmelsreich Jerusalem. Städte wurden immer schon mit Ambivalenz betrachtet“. Schweißperlen sam-
meln sich auf meiner Stirn. Aber als die Baukulturgespräche tatsächlich beginnen wurde ich für alles entschädigt, sogar für die Eiseskälte in meinem Herzen nach dem Anblick unserer Finanzministerin. Unglaubliche Menschen aus Ghana besetzen gleich zu Beginn das Podium: eine vitale und renitente Politikerin die sich gegen Multinationale Konzerne wehrt, ein Planer der für mehr Beteiligung kämpft, eine Architektin aus unserer Uni, die statt einer gewöhnlichen Diplomarbeit ein Projekt in Südafrika aufgezogen hat. Darauf folgen Professoren aus Indien, die für fußgänger- und fahrradfreundliche Städte kämpfen um 40
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die Ärmsten in die Stadt zu integrieren. Hier wird über Beteiligung als ein weg nach vorne gesprochen. Von einer besseren Welt die wir RaumplanerInnen erschaffen können. Von einer gerechteren Welt, für die wir RaumplanerInnen direkt verantwortlich sind. Über der Notwendigkeit, Bildung allen zugänglich zu machen, wurde mit Pathos diskutiert. Auch darüber wie Thailand den Weg zur Nachhaltigkeit bestreitet und welche Auswirkungen das bisher unbekannte Ausmaß der Urbanisierung in China hat. Ja, man wird ganz herrlich erschlagen von so viel Klugheit und Wissen. Den Abendempfang schmeißt die Österreichische Nationalbank. Gulasch, Weißwein und Österreich gegen Deutschland werden aufgetischt. Dort stehen sie auch schon wieder, die Finanzmenschen, die alle Arschlöcher sind und die Politiker, die bekanntlich nicht so schlimm sein sollten, aber auch die Architekten und die Jungen mit der Krawatte. Und der Gouverneur der Nationalbank spricht: „Das tolle Stipendiensystem garantiert, dass nach all den Jahren, das Forum Alpbach nicht nur vom Establishment besucht wird.“ Na toll, ich wollte schon immer ein Quoten-nicht-Establishment-Mensch sein. Mit allen kann man sprechen: mit den JournalistenInnen, den Vorstandsvorsitzenden und den OppositionspolitikerInnen, aber keiner weiß wieso die österreichische Fußballnationalmannschaft so schlecht ist. Am nächsten Morgen geht es um Österreich und die Schweiz. Die Schweiz sei leider ausgefallen, beteuert der Diskussionsleiter und führt dies witzeln auf den Kurs des Franken zurück. Wir müssten uns mit Österreich begnügen. Der Wohnbaustadtrat spricht von Wohnbauförderung, von Zieseln die Bauprojekte verhindern und Goldenen Hochzeiten die immer weniger werden. Darauf spricht die Vizebürgermeisterin über Nachhaltigkeit und dann doch auch ein bisschen über Stadt und Wohnbauförderung. Mir fällt auf, der Parkettboden hat ein Fischgrätenmuster! Als der Beitrag zu Österreich und der Schweiz, ohne der Schweiz fertig ist, kommen wieder die Internationalen. Man spricht von globaler Verantwortung, von Klimagerechtigkeit, über Kapitalismus, über Ideologie in der Stadtplanung und darüber, dass Geld eigentlich Energie sei. Es wird über lokale Kapazitäten und Handlungsfähigkeiten gesprochen und es wird realisiert, dass Akademiker mehr tun müssen als Lehren und Forschen, sondern das geforderte selbst umsetzen. Hier ist Magie im Raum. 41
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Dann werde ich dem akademischen Rausch entrissen, in ein überfülltes Taxi gestopft, dem Professor fast auf dem Schoß gesetzt der sich über die Auslastung des PKW freut: „Hier erzielen wir maximale Effizienz! Naturgemäß ist die Abreise beschwerlicher als die Anreise, da sich die Auslastung bei der Anreise verteilt, während sie sich hingegen bei der Abreise bündelt.“ Der Kuhmistduft am Bahnhof umweht zum Abschied meine Nase. Dort stehen sie wieder, die Exfinanzminister, die Finanzmenschen, die Arschlöcher, die Anzugmenschen, die Stöckelschuhfrauen,...
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St.Pauli vs. HafenCity Hamburg ”Wien
Text und Fotos von Philipp Oberhaidinger
ist wie ein Freilichtmuseum!” – So oder so ähnlich beschwerte sich Jens Dangschat vor einigen Semestern bei uns über die Wiener Innenstadt. Was er damit zum Ausdruck bringen wollte (was ja bei J.D. nicht immer so einfach ist, Anm.) war wohl das uns Allen bekannte verstaubte Bild von prunkvoll verzierten Häusern der (ehemaligen) Bourgeosie. Als Gegenbeispiel brachte er damals Hamburg – eine Stadt mit Ecken und Kanten – mit schönen und auch nicht so schönen Ecken. So kam es, dass ich mich nach einem zweimonatigen Aufenthalt im reaktionären Westösterreich (Zwangsbeglückung durch Arbeitsangebot) plötzlich im ICE von Innsbruck über München mit Zielbahnhof Hamburg befand. Kurz darauf war ich auch schon im aus Medienberichten bekannten Schanzenviertel, wo bei Demonstationen auch gerne mal Autos brennen und Steine fliegen. Nach einem Spaziergang mit einigen Einheimischen durch die Strassen von St.Pauli durch das Karolinenviertel und das Schulterblatt, vorbei an der Roten Flora, einem besetzten, ehemaligen Kino steht schnell fest, dass dieses Gebiet unmittelbar von einem Gentrification-Prozess betroffen ist. Neben alternativen Fahrradwerkstätten und konsumfreien Cafés tauchen zunehmend schicke Restaurants, Bars und sogar Banken auf. Die starke Zunahme von Kneipen und Aussengastronomie führte bereits zu einigen Konflikten mit den Bewohnern über der Erdgeschosszone. Falls dieser Prozess durch die eingeschworene Bevölkerung St.Paulis nicht gestoppt werden kann, steht einer Entwicklung von einem alternativen und kreativen
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Stadtquartier hin zu einem konsumorientierten Boboviertel nichts mehr im Wege. Ein völlig anderer Stadtteil in Hamburg, in dem ich zusammen mit einer Gruppe spanischer Stadtplanungsstudent_innen unterwegs war, ist die HafenCity im Süden der Hamburger Altstadt. Nach einem Besuch im Kesselhaus, dem Infocenter über die HafenCity, welches sich in der Speicherstadt befindet, gings über den Sandtorkai, die Magellan-Terassen, den Grossen Grasbrook und die Marco-Polo-Terassen bis zum Marco-Polo-Tower, wo sich im Moment ein View-Point befindet. Viel war an diesem Tag nicht wirklich los in der HafenCity. Laut diversen Hochglanz-Prospekten der Stadt Hamburg hat die Hafencity bereits 1500 Bewohner_innen und 7200 Beschäftigte. Auch wenn schon einige Gebäude im Westen des Planungsgebietes rund um den Sandtorkai und den Brooktorkai fertiggestellt sind, so erinnert das Stadtviertel 44
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eher an eine Baustelle als an einen ”lebendigen Stadtraum mit einer Mischung von Arbeits- und Wohnnutzung, Einzelhandel, Freizeit, Gastronomie und Kultur” (siehe: Projekte – Einblicke in die aktuellen Entwicklungen der HafenCity GmbH). 27 verschiedene Architekturbüros durften sich bisher hier austoben und hinterliessen einen Wurfelhaufen aus Glas und Beton, jeder Würfel mit dem Anspruch kreativer zu sein, als der daneben. Auch wenn das Stadtquartier direkt an der Norderelbe momentan noch etwas steril wirkt, so muss man der Stadt Hamburg sowie ihrer sozialdemokratischen Regierung definitv zu der mutigen Entscheidung gratulieren, in Zeiten knapper Finanzkassen das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas umzusetzen. Ob sich das Projekt positiv auf den Wohnungsmarkt im unteren und mittleren Preissegment auswirkt, bleibt abzuwarten. 45
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Durch die hohen Entwicklungskosten und die dadurch verbundenen hohen Mieten ist der Zuzug wohl eher aus der gehobeneren Schicht zu erwarten. Ob diese dann von ausserhalb Hamburgs zuziehen, oder innerhalb Hamburgs den Wohnort wechseln, und so zu einem Preisverfall und somit einer Entlastung der nicht ganz so finanzstarken Wohnbevölkerung in anderen Stadtquartieren beitragen, ist momentan aus meiner Perspektive nicht vorherzusehen. Die theoretische Frage, ob ich lieber im Schanzenviertel oder in der HafenCity leben würde, ist schwer zu beantworten. Es sind beides Gebiete, die momentan von einem intensiven Veränderungsprozess betroffen sind und somit für mich als Raumplanungsstudent besonders interessant wären. Letztendlich wäre es aber wahrscheinlich wie so oft im Leben von Studierenden eine Frage des Kontostandes. Eines kann ich jedoch mit Sicherheit sagen: Hamburg ist definitiv eine Reise wert!
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DEMOCHANGE CITIES – Urban & Social Transformations: Investing Housing Districts and Immigration Processes at Nordbahnhof and Stuwerviertel in Vienna LLP Erasmus Intensive Programme _ Summer School 29th of August – 13th of September at VUT
Today
von Dr. DI Gesa Witthöft
European Cities and Regions are affected dramatically by processes of demographic change: ageing, immigration and emigration. Therefore, the Intensive Programme DEMOCHANGE CITIES (IP) is concerned with demographic change in European Cities, with national and regional debates on the topic and on its relationships with urban transformations. In a multidisciplinary education approach the IP is aiming at investigating relevant issues of these processes and assumes that their effects as challenges for the social and spatial reorganization of cities. The IP is structured in three international workshops, funded by EU. Students and teachers enrolled in sociology, urban and spatial planning, architecture and urban design from Universities of Cluj-Napoca/ Romania, Hamburg/ Germany and Vienna/ Austria, Nicosia/ Cyprus and Milano and Trieste/ Italy create international and interdisciplinary knowledge for and with stakeholders. In 2010 the IP took place in Trieste, primarily focussing on ageing; this year’s IP took place in Vienna, primarily focussing on immigration; the 2012 IP will be held in Cluj, focussing on emigration. The IP workshop in Vienna was held between the 29th of August and the 13th of September at VUT with the local partner ‘Gebietsbetreuung 2’. The study area was Nordbahnhof and Stuwerviertel. The Nordbahnhof area on the one hand is among the biggest new inner city development areas with high settlement pressure by autochthonous and 48
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allochthonous population. The Stuwerviertel on the other hand is a typical ‘Gründerzeit-Quarter’ of Vienna, with a strong presence and variety of migrant residents, residents with migrant background and migrant cultures. Accompanied by lectures given by academics, practitioners and local experts the students worked in multinational and multidisciplinary groups and developed a problem-oriented field work, exploring key issues, policy making and local effects of demographic change, and jointly developed visions and project proposals.
The five this year’s participants from VUT have been chosen in an open call. For preparation they have been obliged to take part in the exercise ‘Analysis of Social Spaces’. Here different theories, methods and techniques to investigate, describe and understand socio-spatial structures and societal processes within the city have been discussed. The blocked lectures of the exercise were organized by me as teacher and by the participating students themselves. We investigated main topics of ‘Immigration and Vienna’, and discussed chances and risks of planning, planning action, questions of strategic as well as inter-sectoral approaches. The Viennese students produce a well-made hand-book with basic information and resources for all international students and teachers. The preparation in the exercise enables the Viennese students to introduce their prelimary knowledge precisely and to create cooperation with the other students, during the two weeks of the summer school. 49
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According to the integrative and inter-sectoral task of spatial and urban planning and the effects of immigration on the city, the Viennese students could connect their theoretical, methodological and topical knowledge to the international groups. They could convey the different professional approaches inside their interdisciplinary groups successfully. All groups overcome their communication and coordination problems of the beginning, and found a successful way to integrate their different competences and knowledge during the workshop. The cooperation with the local partner, external actors, stakeholders and residents of the project-area helped to integrate local needs and led to practical results and action-orientated concepts.
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Therefore, for the Viennese students it is to assume that they all gained deep insights and experiences in doing the interdisciplinary and intercultural work. The co-teaching concept aiming to convey the multidisciplinary theoretical and practical framework of the different institutions gave the students the opportunity to develop a deep understanding of the interdisciplinary parameters of urban and societal development. For me personally co-teaching with the colleagues and the close, intensive cooperation with the students is an inspiring, interesting and ‘refreshing’ experience as well. I like to express my sincere appreciation to the Fachschaft Raumplanung for hosting the 36 participants of this year’s IP in their working rooms!
Social network Michael Singler, Hamburg | Franziska Lind, Vienna | Ladan Lajevardi, Nicosia | Paola Piscitelli, Milan | Merinel Bageac, Cluj-Napoca | Elena Belli,Triest 51
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Advocatus Diaboli
Warum das Auto das bessere Verkehrsmittel ist „Gebt die Straße wieder denen, denen sie zusteht – den Menschen!“ so und so ähnlich lauten die Parolen, die von mittlerweile auch in Wiener Regierungsgewalt stehenden politischen Kräften regelmäßig wiederholt werden. Die Straße soll demnach als Raum fungieren, wo sich die Menschen wohlfühlen können sollen. Der rationale homo oeconomicus, der am schnellsten von A nach B will und dabei nur an sich und seinen Weg denkt, ist out. Denn das Auto ist im Gegensatz zu Fahrrädern, die Flexibilität und Fitness symbolisieren, und Öffis, die für Kollektivität und Erholung stehen, nicht im Geringsten ein Aspekt, der die Lebensqualität fördert, sondern eine kalte Maschine. Stimmt das so? Nein. Denn das Auto kann mehr, als auf der überwiegenden Zahl an Strecken Menschen am schnellsten zu befördern. Es bietet vor allem eines: Spaß. Es ist zu billig, Autofahrer als konservativ oder schlicht dumm darzustellen, die die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben. Autos sehen gut aus, Autos fahren schnell. Es ist angenehm, sein eigenes Auto zu haben, es ist gemütlich, ungestört darin zu sitzen, seinen eigenen Lebensraum nicht aufgeben zu müssen. Und es ist einfach ein tolles Gefühl, ordentlich Gas zu geben und die PS unter sich zu spüren. Diese Empfindungen haben Menschen. Menschen wie du und ich. Es nehmen keine Autos irgendwelchen Menschen öffentlichen Raum weg. Es beanspruchen Menschen gegenüber anderen Menschen öffentlichen Raum. Die einen bringen ihr Auto mit, die anderen ihren Badmintonschläger. Doch das Auto, als perfekte Kombination von Komfort und Mobilität, hat sich bewiesen. Deswegen ist die Straße das, was sie ist. Der Markt hat entschieden. Es gibt aber eine große Gruppe an Menschen, die das Auto als Mittel zur Erlangung von Lebensfreude nicht akzeptieren wollen. An dieser Stelle ist Toleranz gefragt: Der Autolose, der dem Auto die Zerstörung von lebenswerten Raum vorwirft, handelt wie die Zeitungslesende, die sich über den „Lärm“ der spielenden Kinder mokiert. Manchmal hört man auch, dass Autos in der aktuellen Raumaufteilung, Ampelschaltungen, im Rechtssystem oder ähnlichem bevorzugt seien. Das ist nur wahr, wenn man das Auto mit dem Fußgänger 52
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gleichsetzt und die unterschiedlichen Ansprüche von Verkehrsmitteln für deren Funktionieren leugnet. Um einen im Gesamten reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu ermöglichen und beispielsweise Stauungen(gilt für alle Verkehrsmittel!) zu vermeiden, ist ein System erforderlich, das in manchen Fällen das Auto gegenüber der Fußgängerin bevorzugt behandelt. Schließlich würde sich auch niemand darüber beschweren, dass bei einem Bahnübergang nicht die (unter Umständen schwach ausgelastete) Bahn stehen bleibt. Den meisten LeserInnen mag die ganze Zeit schon das Argument auf der Zunge liegen, das Auto habe doch einen viel schlechteren „ökologischen Fußabdruck“. Es ist ein Totschlagargument, das, konsequent angewendet, weitreichende Folgen haben würde: Totschlagen kann man damit nämlich auch den gesamten Lebensstil der westlichen Welt, die Mobilität ist bekanntlich nur eines der drei bösen CO2-Kuchenstücke. Wenn kein Auto, dann auch kein Obst aus Übersee und keine Geräte auf Standby, bitte. Machen wir uns doch nichts vor: Es ist hier nicht Im Sinne der Pragmatik oder allgemein anerkannter Werte zu argumentieren. Es prallen Lebensstile und Weltanschauungen aufeinander. Denn der Linke, der seinen Staat und dessen Öffentlichkeit an jeder Ecke haben will, mag es nicht, wenn der Liberale ein Stück des Raumes ein Stück der Zeit für sich beansprucht und ihn seinen Privatraum nennt. Irgendwann wird es wohl dazu kommen, dass die Autofahrer bei jeder Ampel stehen bleiben und das Auto verlassen müssen, um an einem Münzautomaten dafür zu zahlen, dass die Ampel von Rot auf Grün schaltet. Diese mögliche Auswirkung der Rot-Grünen Koalition kenne ich von einem Cartoon, der wegen fehlender Rechte leider hier nicht abgebildet sein darf. In der Rolle des Advocatus Diaboli bringt die Autorin oder der Autor nicht Argumente, die die eigene Haltung unterstützen, sondern solche einer Gegenposition. Dadurch kann die eigene Position überdacht, kontrolliert, verbessert und eventuell gefestigt werden. JedeR darf den Advocatus Diaboli spielen.
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St.u.P.i.D. 2/2011 Liebe Studierende ! Aufgrund zahlreicher Anfragen haben wir begonnen eine FAQ Liste für die Studierenden, die ihr Studium vor dem WS 2011 begonnen haben, zusammenzustellen. Dabei haben wir alle Fragen, die per Facebook, per email, oder auch persönlich gestellt wurden zu einer Liste zusammengefasst und mit den entsprechenden Antworten versehen. Wie gesagt richtet sich die Liste an die höhersemestrigen StudentInnen - Erstsemester müssen also nicht weiterlesen ;-) Die Liste soll eine Hilfestellung bei der Planung des aktuellen Semesters geben und helfen Unklarheiten zu beseitigen. Die Fragen und Antworten wurden von Studiendekan durchgesehen. Sollten noch zusätzliche Fragen auftreten, schickt bitte eine email (mail@fsraum.at) an die Fachschaft, wir werden dann die Liste erweitern. Die aktuelle Liste findet ihr auch auf unserer Homepage (http://www.fsraum.at). Eure Fachschaft Raumplanung
FAQ zum neuen Studienplan
(Stand: 27.09.2011)
Gilt für mich eigentlich der alte, oder der neue Studienplan ? Der Studienplan wurde nur geändert, es gibt keinen neuen Studienplan. Er gilt daher der Studienplan in der aktuellen Fassung. Für Studierende, die ihr Studium vor dem WS 2011 gelten aber die Übergangsbedingungen (siehe §14 des Curriculums). Erfolgt die Umstellung auf den neuen Studienplan automatisch oder muss man in der Studienabteilung den gewünschten Umstieg auf den neuen Stundenplan bekanntgeben? Da es grundsätzlich keine neuen sondern nur eine überarbeiteten Studienplan gibt, erfolgt auch kein formales Umsteigen, sondern alle Bachelorstudierende unterliegen automatisch dem geänderten Studienplan. Wo finde ich den aktuellen Studienplan ? Der neue Studienplan kann von unserer Homepage (http://www.fsraum.at/ studium/studienplan/) oder von der Homepage der Fakultät (http://ar.tuwien. ac.at/de/studium/raumplanung-bachelor/studienplan/) heruntergeladen werden. Im „neuen“ Studienplan gibt es eine Vorlesung, die es vorher nicht gab. Muss ich die nachmachen? Grundsätzlich gilt die Äquivalenzliste. Diese befindet sich auf den letzten beiden Seiten des Curriculums. Hier siehst Du welche alten Lehrveranstaltungen zu den neuen äquivalent sind. Du kannst entweder die alte absolvieren, oder die neue. Wie lange kann ich noch die „alten“ Lehrveranstaltungen absolvieren ? 54
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Wann ist der letzte Prüfungstermin? Die bestehenden Lehrveranstaltungen wurden durch die neuen abgelöst. Besuchen kann man nur mehr die neuen Lehrveranstaltungen. Für die bisher angebotenen LVA müssen gemäß den Satzungen der TU Wien (§16 der studienrechtlichen Bestimmungen) Prüfungen jedenfalls bis zum Ende des dritten auf die letztmalige Abhaltung der LVA folgenden Semesters abgehalten werden. Es werden keine Prüfungstermine für die alten Lehrveranstaltungen mehr angeboten. Was soll ich tun? Zunächst solltest Du im TISS kontrollieren ob Du bei der richtigen LVA geschaut hast. Die Prüfungstermine für die alten Lehrveranstaltungen befinden sich im TISS zum Teil auch bei den alten LVA-Einträgen. Du musst die alten Einträge über manuelles Hinnavigieren zur LVA (indem Du oben auf „2010WS-2011SS“ oder „SS2011“ klickst heraussuchen. Wenn dort auch nichts angeboten wird, solltest Du beim LVA Leiter nachfragen. Teilweise werden Prüfungen für den „alten“ Stoff zusammen mit den Prüfungen zur neuen LVA angeboten werden. Ich hatte Schwierigkeiten mit der Vorlesung xy und bin schon dreimal angetreten? Wenn ich nun die neue LVA besuche und dort die Prüfung absolviere, werden dann die alten Prüfungsantritte gezählt? Wenn es sich um eine neue LVA handelt (neu ist eine LVA, wenn sich die ECTS-Anzahl, die SWS-Anzahl, der Titel oder der Inhalt ädnern – trifft bei uns fast für alle LVA zu), beginnt die Zählung wieder bei eins Ich bin im 7. Semester und mir fehlen nur mehr wenige Lehrveranstaltungen ? Die VU xy wird aber nicht mehr angeboten? Was soll ich tun ? Gemäß den Übergangsbestimmungen des Curriculums können Studierende, die ihr Studium vor dem WS 2011 begonnen haben, ihr Studium gemäß dem vorher gültigen Studienplan 2005 idF 2009 bis zum WS 2014 fortführen. Die Äquivalenzliste gilt in beide Richtungen. Für nicht mehr angebotene Lehrveranstaltungen (vor allem VU und UE) können die nun neu angebotenen absolviert werden. Muss ich die STEOP nachmachen ? Die STEOP richtet sich an die Erstsemestrigen. Studierende, die ihr Studium vor dem WS 2011 begonnen haben können sich die Lehrveranstaltungen der STEOP für schon absolvierte Pflichtfächer, die im aktuellen Studienplan weggefallen sind und gebundene Wahlfächer anrechenen lassen Ich will die STEOP (oder Teile davon) trotzdem absolvieren. Geht das ? Natürlich kannst Du auch die STEOP oder Teile davon absolvieren. Im WS wird es aber einen großen Andrang an Erstsemestrigen geben. Die STEOP wird auch im SS 2012 angeboten werden. Du kannst die Lehrveranstaltungen auch dann 55
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noch absolvieren. (ist sehr wahrscheinlich sinnvoller). Ich bin im 3. / 5. Semester. Die STEOP will ich mir anrechnen lassen (bzw. nur Teile davon absolvieren). Nun habe ich aber wenig Pflichtfächer, die weggefallen sind absolviert und muss daher Wahlfächer belegen.Es wird aber nur ein Wahlmodul angeboten. Was soll ich tun? Für das Bachelorstudium wird zur Zeit nur ein Wahlmodul angeboten. Wenn bis zu Semesterbeginn keine mehr hinzukommen, lautet die Empfehlung Wahlfächer aus dem alten Studienplan zu absolvieren. Diese werden im Master-Studium angeboten. Am besten im TISS das Master-Studium durchschauen und mit der Liste der im „alten“ Studienplan vorgesehenen LVA vergleichen. Außerdem kannst Du auch LVA absolvieren, die Du für das Modul Freie Wahlfächer verwenden kannst. Ich bin im 3. / 5. Semester. Aufgrund der Verschiebungen habe ich einige der eigentlich vorgesehenen Pflicht-LVA schon absolviert und möchte daher mehr Wahlfächer belegen. Es wird aber nur ein Wahlmodul angeboten. Was soll ich tun ? Für das Bachelorstudium wird zur Zeit nur ein Wahlmodul angeboten. Wenn bis zu Semesterbeginn keine mehr hinzukommen, lautet die Empfehlung Wahlfächer aus dem alten Studienplan zu absolvieren. Diese werden im Master-Studium angeboten. Am besten im TISS das Master-Studium durchschauen und mit der Liste der im „alten“ Studienplan vorgesehenen LVA vergleichen. Außerdem kannst Du auch LVA absolvieren, die Du für das Modul Freie Wahlfächer verwenden kannst. Ich hab aber schon alle Freifächer fertig. In die Wahlfächer, die ich am liebsten machen möchte, komme ich wegen zu hohem Andrang nicht mehr hinein, es gibt nur mehr solche, die mich nicht wirklich interessieren. Was soll ich tun? Leider besagt die Möglichkeit der Wahl nur, dass Du was zum Auswählen hast, nicht dass Du freie Wahl hast. Du musst halt von den möglichen die nehmen, die Dich am meisten interessieren. Ich hab aber schon alle Freifächer fertig. Auch in Wahlfächer komme ich wegen zu hohem Andrang nicht mehr hinein. Was soll ich tun? (Achtung: Hypotethischer Fall) Das ist Scheiße. Beschwer Dich bitte beim Studiendekan und beim Dekanat, dass Du im Studienfortschritt behindert wirst und verklag die UNI Nein ernsthaft. Geh zu den LVA-leitern und erkläre Deine Situation. Ich bin sicher, Du kommst dann wo rein. Ich habe schon Wahlfächer, die als SOFT Skills gelten absolviert. Gibt
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es noch SOFT-Skills? Im geänderten Studienplan gibt es immer noch SOFT Skills. Als solche (bzw. als LVA zur Vermittlung fächerübergreifender Qualitäten) wurden Vorlesungen des Modul 1 bestimmt. Das heisst, dass die Freien Wahlfächer nun ohne Einschränkungen komplett frei gewählt werden können. Die bereits absolvierten Fächer kannst Du Dir weiterhin als freie Wahlfächer anrechnen lassen, daran ändert sich nichts. Ich habe schon ein paar Wahlfächer (ein Wahlfach) absolviert. Die Wahlfächer sind ja jetzt in Modulen organisiert. Muss ich jetzt also Module neu machen und kann mir die schon absolvierten Fächer nur als Freifächer anrechnen lassen? Nein! Du kannst das zwar machen, musst aber nicht. Laut Äquivalenzliste kannst Du Dir die bereits absolvierten Wahlfächer für Fächer der Wahlmodule anrechnen lassen. Salopp gesagt: Du kannst also z.B. 3 absolvierte LVA im Ausmaß von zusammen 6 ECTS gegen ein Wahlmodul tauschen. Ich habe schon ein paar Wahlfächer (ein Wahlfach) absolviert, das nun Teil eines Wahlmoduls ist. Muss ich jetzt das ganze Modul fertig machen? Nein! Du kannst das zwar machen, musst aber nicht. (siehe Frage vorher) Ich habe mir die Äquivalenzliste angeschaut und bei einigen schon absolvierten LVA verliere ich ECTS. Ist das nicht ungerecht? Es wurde versucht die Äquivalenzliste so zu gestalten dass niemand verliert. Für LVA deren ECTS Ausmaß gesunken ist gibt es wiederum andere deren ECTS Ausmaß gestiegen ist. In Summe sollte sich das ausgleichen (+/- 0,5 ECTS). Sollte es durch besonders ungünstige Konstellationen doch dazu kommen, das jemand mehr verliert, müssen wir die Situation mit dem Studiendekan besprechen. Erfolgt die Anrechnung bereits absolvierter Prüfungen im alten Studienplan auf den neuen automatisch oder muss diese individuell beantragt werden? Die Anrechungen werden nicht automatisch vorgenommen (zumal für Studierende fallweise unterschiedliche Möglichkeiten bestehen), sondern sind beim Bachelorabschluss vom Studierenden entsprechend der Äquivalenzliste jeweils einzugeben. Prinzipiell gilt, dass keiner durch die Änderung des Studienplans etwas verlieren soll. Zwar gibt es Umschichtungen – vor allem durch den erhöhten Anteil an wählbaren Lehrveranstaltungen – aber es soll kein Mehraufwand in Form von zusätzlich zu absolvierenden LVA entstehen. 57
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„Als junger Assistent habe ich in meinem Kabarett alle Raumplanungsprofessoren durch den Kakao gezogen.“ Ein Interview mit Professor Wolfgang Blaas
Von Isabella Noll, Fotos von Roland Bauer
Es ist ein angenehm warmer frühherbstlicher Septembertag an dem sich mein Kollege Roland und ich zum Büro des Interviewpartners A.o. Univ.-Prof. Dipl.Ing. Dr. Wolfgang Blaas in die Karlsgasse begeben. Studierende der Raumplanung kennen Prof. Blaas aus den Lehrveranstaltungen „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“, sowie „Mathematik und Statistik für Raumplaner“ I und II. An seinem Büro im ersten Stock angelangt, ist die Türe geschlossen. Nach ein paar Minuten Wartezeit kommen zwei Studierende aus seinem Büro. Prof. Blaas empfängt uns und erklärt jene zwei Studierenden haben gerade Prüfungen bei ihm absolviert. Er bittet uns in sein Büro und wir unterhalten uns über die Räumlichkeiten. Im Büro selber ist es kühl. Das wenige Licht, das von außen durch die Fenster dringt, wird von dem elektrischen Licht der Lampen dominiert. Prof. Blaas: Aber wir sind hier um produktiv zu sein. [lacht] In diesen Interviews geht es darum ein Profil über die Lehrenden zu erstellen. Wir haben im Vorfeld einige Studierende gefragt, von welchen Lehrenden sie gerne erfahren würden, wie die erste Schallplatte des Lehrenden hieß. Dabei ist von vielen Studierenden Ihr Name gefallen. Sie wurden dabei als ruhig und ausgeglichen bezeichnet. Würden Sie sich selber auch so beschreiben? Ja, aber das ist ja durchaus ein Nachteil. Es gibt die Vorlesungskritik und regelmäßig kommt auch die Anmerkung, der Vortragende ist zu ruhig. Man muss natürlich sagen, ich trage die Einführungsvorlesung Volkswirtschaftslehre vor und das ist natürlich schon ein trockener Stoff. Also es ist nicht so, dass man so wie in der örtlichen Raumplanung oder in der Regionalplanung mit schönen Plänen oder Bildern arbeiten kann. Man kann natürlich schon die VWL mit aktuellen Bezügen sozusagen „aufmotzen“, z.B. über Griechenland und dessen Probleme im Abschnitt Konjunkturpolitik reden, wenn man aber in einem ganz anderen Kapitel ist, ist es oft ganz schwierig einen aktuellen Bezug herzustellen. Dann ist es eine trockene Sache. Das ist klar. Mathematik/ Statistik ist auch nicht weniger trocken, im Gegenteil. Da kann man auch versuchen mit Beispielen an praktische Dinge anzudocken. Es liegt halt in der Natur des Stoffs, dass die Sache trocken ist. Sie denken also es liegt daran, dass der Stoff zu trocken ist? Ich zweifle daran, ob man aus einer Vorlesung eine Show machen soll, damit alle 58
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wach bleiben. Ich gehe davon aus, dass man wichtige Inhalte vermitteln soll, und wenn man einen gewissen wissenschaftlichen Standard auch einhalten möchte, ist es eben keine Fernsehshow. Sondern es ist mühsam zu folgen. Ich will es nicht nur auf den Stoff abschieben, und sagen, man könnte es nie besser machen mit aktuelleren Beispielen, mit schöneren PowerPoint Folien, die die Leute vom Sessel reißen. Aber dann arbeitet man sozusagen an einer Vorlesung 1 Woche, dass ich sie auch optisch so darbringen kann, damit alle sagen: „Noch eine Stunde bitte!“. Ich will nicht sozusagen die Schuld allein dem Stoff zuweisen, sondern es gibt sicher auch andere Leute die charismatischer vorgehen. Zu aktuellen Themen: Die ganze Welt spricht seit Jahren von der Wirtschaftskrise bzw. Finanzkrise. Hat sich die Tätigkeit der Ökonomen dadurch verändert? Ich glaube, was ich jetzt aus meiner Perspektive sagen kann bzw. sehe, ist, dass sich die Spaltung innerhalb der Ökonomie jetzt deutlicher zeigt. Das sagen diejenigen, die schon eigentlich seit vielen Jahrzehnten, zu denen gehöre auch ich, sehr kritisch mit der Mainstream- Ökonomie - um es mal mit diesem Schlagwort zu bezeichnen - auseinandersetzen, die behauptet der Markt hat immer recht, die Märkte sind effizient, möglichst Hände weg vom Markt, der Staat soll möglichst klein und unbedeutend sein. Also all das, was die Marktfundamentalisten oder eben auch die neoklassische Tradition eben gesagt hat, zeigt sich jetzt als schwerer Fehler und auch als Sackgasse. Das wurde schon lange erkannt. Es gibt inzwischen immer mehr Vereinigungen – Ökonomen - die warnen und die alternative Ansätze vorschlagen. Das sieht man jetzt ein bisschen deutlicher. Auf der einen Seite haben wir diejenigen, die sagen, der Staat muss sozusagen zurück gedrängt werden, und die Budgets müssen ausgeglichen sein, die Staaten müssen sparen, müssen privatisieren, dann wird alles wieder funktionieren. Dem gegenüber stehen andere und immerhin gehört auch ein Nobelpreisträger, wie Joseph Stiglitz, zu dieser Gruppe, die davor extrem warnen. Die einfach sagen, das wichtigste wäre jetzt, wenn man Griechenland anspricht, eine Wachstumsstrategie für Griechenland. Das wichtigste ist - das ist sogar in meiner einfachen VWL- Einführungsvorlesung drinnen - Wachstum, denn Wachstum ist die beste Budget- Konsolidierungsstrategie. Durch mehr Wachstum kommen mehr Staatseinnahmen herein und Staatsausgaben sinken automatisch mit der besseren Wirtschaftssituation, weil es weniger Arbeitslose gibt, man weniger Staatsausgaben hat, um Sozialleistungen zu finanzieren, um Arbeitslosengelder zu bezahlen, etc. Also das Wirtschaftswachstum ist auch ein Statement von Stiglitz, ist aber eigentlich auch klar eines der sogenannten heterodoxen Ökonomen oder auch alternativen Ökonomen, von denen es inzwischen auch durchaus genügend gibt. Eigentlich sollte das im Vordergrund stehen, und nicht das was bis jetzt praktiziert wurde, nämlich das „Zugrunde-Sparen“ das jetzt passiert. Es ist auch kein Zufall, dass sich die Griechenlandsituation immer mehr verschlechtert. Also Ihrer Meinung nach sollte nicht an der Ausgabenseite gespart wer59
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den? Das wichtige ist, man kann schon Dinge einsparen, und zugleich aber auch Einnahmen erhöhen. Man sollte aber beides, die Einnahmen- und die Ausgabenseite des Staates, verändern, vor allem mit Blick auf: „Nützt das dem Wachstum?“ oder „Ist das gefährlich für das Wirtschaftswachstum?“. Es ist klar, wenn man bei den untersten Einkommensschichten, den Sozialhilfeempfängern, spart, so spart man an der falschen Stelle. Die, die 100 Prozent ihres Einkommens ausgeben müssen, weil sie so wenig verdienen, und mit Mühe und Not mit ihre 1.000 oder 1.300 Euro pro Monat über die Runden kommen, die geben sowieso 100 Prozent oder sogar mehr als 100 Prozent aus - weil sie sich vielleicht sogar verschulden, damit sie ihre Miete und Lebenserhaltungskosten bezahlen. Wenn man dort die Sozialleistung und die Mindesteinkommen reduziert, spart man an der falschen Stelle. Wo man einnahmenseitig sparen könnte, sind die hohen Einkommen bei den Vermögenden. Das ist kein sozialpolitisches oder gesellschaftliches Argument, sondern schlicht und einfach ein Konjunktur- und Wachstumsargument. Wenn man 10.000 Euro im Monat verdient und man verdient dann um 10% weniger, dann ändern sich das Konsumausgaben nicht, sondern nur die Sparleistung. Der Konsum wird unverändert bleiben, und man spart ein bisschen weniger bzw. legt weniger an - das nur als Beispiel. Das Wirtschaftswachstum ist sozusagen der Hauptmotor der Budgetkonsolidierung, d.h. damit die Sache wieder in Ordnung kommt, sprich die Defizite heruntergefahren werden. Das andere ist natürlich, dass diejenigen, die die ganze Krise verursacht haben, dementsprechend auch natürlich zur Kassa gebeten werden müssen. Da wäre ein Punkt die Finanztransaktionssteuer, die - vielleicht kennen sie die Geschichte der Finanztransaktionssteuer - wurde von Attac [Netzwerk für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte] in den Gründungszeiten gefordert und damals noch belächelt. Heute wird es nicht nur von der SPÖ, sondern auch von der ÖVP gefordert. Es gibt einen gültigen Parlamentsbeschluss des Europaparlaments. Hätten wir schon eine Demokratie in Europa, hätten wir auch die Finanztransaktionssteuer schon, weil das Europäische Parlament sie schon beschlossen hat. Nur das Parlament macht keine Gesetze, sondern die Kommission, also die Richtlinien für die Länder. Hätten wir die Transaktionssteuer, gäbe es gar kein Griechenlandproblem, weil diese Steuer wirklich aufkommensstark ist. Uns ist auch zu Ohren gekommen, dass sie ein Attac Mitglied sind? Stimmt das? Ich glaube ich bin Mitglied. Ich zahle zumindest immer wieder was. [lacht] Sie haben vorher soziale Leistungen in Österreich angesprochen. Was halten sie vom bedingungslosen Grundeinkommen? Nach den Erfahrungen die es in den Niederlanden gibt, glaube ich, dass es durchaus eine gute Sache ist. Und zwar vor allem deshalb, weil es dann unmöglich für Arbeitgeber ist unter diesem Lohn zu gehen. Also wenn man sagt, es gibt
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ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, dann müsste dies in einer Höhe sein, dass jeder ein menschenwürdiges Leben führen kann, er also in der Lage ist, die Miete für eine normale Wohnungsgröße zu bezahlen und die Lebenserhaltungskosten zu bestreiten. Dann gibt es keine Chance für Arbeitgeber unter dieses Niveau gehen. Missbrauch gibt es immer bei jedem System, auch bei solchen sozialen Einrichtungen, wie einem bedingungslosen Grundeinkommen. Nur meine ich, dass wir in so einer reichen Gesellschaft, wie der österreichischen Gesellschaft, einen der zwei möglichen Fehler machen sollen. Wenn man ein Mindesteinkommen oder bedingungsloses Grundeinkommen installiert, gibt es
„Hätten wir schon eine Demokratie in Europa, hätten wir auch die Finanztransaktionssteuer schon“
die Möglichkeit bzw. Fehler, dass das missbraucht wird von Leuten, die zu faul sind zu arbeiten. Wenn ich es aber zu streng formuliere, dann fallen aber wieder viele raus, die dieses Grundeinkommen wieder nicht bekommen. Ein reiches Land sollte eher den ersteren Fehler machen, dass eben durchaus ein gewisser Missbrauch stattfindet, das kann man nie ganz ausschließen. Ich sage immer, die Unternehmen und die Wirtschaft sollten eigentlich froh sein über so eine Regelung. Weil dann diejenigen, die arbeitsunlustig und unmotiviert sind zu arbeiten, die haben sie dann nicht in ihren Unternehmen. Das sind diejenigen, die dieses Grundeinkommen beziehen, und die will ich als Unternehmen ja gar nicht haben. Ich möchte Leute die motiviert sind und die arbeiten wollen. Und Leute 61
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die sagen: „Also bevor ich da in den Betrieb gehe, und bekomme das gleiche als bedingungsloses Grundeinkommen, nehme ich das Grundeinkommen“, diese Leute will ich als Unternehmer nicht haben. Eine solche Regelung würde auch die Effizienz und die Produktivität in den Unternehmen steigern. Die ganzen Arbeitslosen hab ich dann aus dem Unternehmen und die versorgt der Staat. Das habe ich auch schon öfters mit Managern diskutiert, dass diese für eine solche Regelung mehr einzahlen sollten, weil die, die das Grundeinkommen beziehen vom Staat versorgt werden, und nicht das Betriebsklima und die Produktivität zerstören. Man möchte ja motivierte Leute, die interessiert sind zu arbeiten, weiter zu kommen und produktiv zu sein, sodass die Produktivität steigt. Glauben Sie durch diese Regelung wird der Druck in der Arbeitswelt verstärkt? Es ist bereits ein enormer Druck in der Arbeitswelt, den wir in den Universitäten nur teilweise spüren - hauptsächlich dort, wo es um Konkurrenz um bestimmte Positionen geht. Aber nicht nur an den Universitäten, sondern auch in der unternehmerischen Privatwirtschaft ist Burn-Out auch ein zunehmendes Problem. Auch da ist die neoliberale Entwicklung total in die falsche Richtung gegangen. Es gab in den 50er und 60er Jahren Arbeitszeitverkürzung und mehr Freizeit. Die Menschen haben sich nach der Arbeit erholen können. Heute reden die Unternehmer davon, dass wieder länger gearbeitet werden soll - abgesehen davon, dass sozusagen die Produktivität immer gesteigert wird, durch immer bessere Motoren, Maschinen, Computer und Software, etc. Also wir haben eine massive Beschleunigung in den Arbeitsprozessen und dementsprechend auch mehr Stress. Nur ein Beispiel dazu: In Frankreich hat es diesen Fall bzw. dieses Unternehmen, die Post bzw. Telekom - wie auch immer - gegeben, bei dem die Angestellten reihenweise Selbstmord begangen haben. Ich denke, dass der Arbeitsdruck hoch genug ist - im Gegenteil, er ist zu hoch. Man sollte eher überlegen, wie kann Arbeit wieder humaner gestalten kann. Raumplanung ist auch eine öffentliche Aufgabe, bzw. ein Eingriff in den Markt. Gibt es einen Einfluss von der Finanzkrise auf die Raumplanung? Glaube nicht, nein. Das wäre zu spekulativ. Wenn es um die Ordnung von Prozessen, von Aktivitäten im Raum geht - d.h. wo ist Arbeiten, Wohnen, Produzieren, Mobilität, Erholung, etc. - ich glaube nicht, dass das direkt mit der Wirtschaftskrise oder Finanzkrise in Zusammenhang gebracht werden kann. Ihre Frage erinnert mich an einen Kollegen [Georg Franck], der hat einmal eine ganz gute Arbeit verfasst und zwar: „Ist die Raumplanung ein Motorrad?“. Gemeint hat er damit folgendes: Die Raumplanung ist ein Eingriff in Marktprozesse, eine Verhinderung von bestimmten Marktprozessen – ich glaube nicht eine sehr starke Verhinderung – aber ein Eingriff, eine Regulierung des Marktes in dem Sinn. Das Motorrad ist zu einer Zeit entstanden, in der es sozusagen im Straßenverkehr und überhaupt in der Mobilität noch nicht so strenge Regeln gegeben hat. Und er hat gesagt, das Motorrad würde heute gar nicht mehr das Licht der Welt erblicken, weil es so unsicher ist mit dem Motorrad zu fahren, sodass es an
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den heutigen Vorschriften und Vorstellungen der Sicherheit im Straßenverkehr scheitern würde. Ein Motorrad könnte heute nicht mehr entstehen, weil wir heute viel mehr auf Sicherheit im Straßenverkehr achten. Das hat er dann sozusagen umgemünzt auf die Raumplanung: Diese könnte heute nicht mehr entstehen, weil sich im Zuge der Verbreitung neoliberaler Vorstellungen der Staat sich immer mehr aus der Gestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft zurück zieht. Da könnte die Raumplanung gar nicht mehr entstehen. Die Raumplanung „Investmentbanken sind Spieler ist ein Eingriff in die räumliche in einem „Casino“.“ Gestaltung wirtschaftlicher Prozesse. Das ist ein ganz interessanter Artikel den Sie sich vielleicht in diesen Zusammenhang anschauen könnten. Aus der Sicht der alternativen Ökonomen - zu denen ich gehöre -, ist die Finanzkrise und nachfolgende Wirtschaftskrise ein ganz klarer Ausfluss einer langfristigen Deregulierungsgeschichte - kann man sehr gut belegen. Nur ein kleines Stichwort: Glass- Steagall -Act. Das ist ein amerikanisches Gesetz. Nach der großen Weltwirtschaftskrise - in den 20er, 30er Jahren – wurden die Banken in Investment- und Geschäftsbanken getrennt. Man hat damals erkannt: „Das ist gefährlich“. Das hat gehalten bis 1999. Dann hat Clinton dieses Gesetz abgeschafft und das war sozusagen der Anfang der Bankenkrise, oder einer der Ursachen der Bankenkrise - nicht die alleinige. Aber jetzt können alle Banken auch große Investmentbanken sein. Investmentbanken sind Spieler in einem „Casino“. Die Banken spielen mit dem Geld auf den diversen Finanzmärkten. Und wenn der Investmentbankteil - so wie jetzt wieder UBS 2 Milliarden Euro - Verluste macht, reißt es natürlich die ganze Bank in den Abgrund. Das ist eben eines dieser typischen Probleme, auch in der Wirtschaftspolitik. Man vergisst, was man schon gelernt hat. Diese Art der Deregulierung, den Banken wieder zu erlauben Geschäfts- und Investmentbanken zu sein, hat dazu geführt, dass diese wieder zum Teil in den Abgrund gerasselt sind, weil die Investmentbanken eben Geld verzocken. Haben wir ja gehabt - also Lehman Brothers ist tatsächlich Pleite gegangen. Und jetzt wieder UBS vor ein paar Tagen 2 Milliarden Euro Verlust gemacht - also ein Händler dieser Investmentbank. Also Sie glauben, das ist einer der Ursachen für die Finanzkrise? 63
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Die Deregulierung auf jeden Fall. Aber es gibt auch andere - zum Beispiel die Ungleichverteilung. Das ist alles in x- Publikationen dokumentiert und argumentiert - liegt alles da. Das Problem ist weniger zu wissen, was die Ursachen sind, sondern, dass es kaum möglich erscheint unter den heutigen Bedingungen tatsächlich hier wesentliche Veränderungen vorzunehmen. Zum Beispiel könnte man sagen, führt sofort diesen Glass- Steagall Act oder entsprechende Gesetze in Europa wieder ein. Also wir trennen die Banken wieder in Geschäfts- und Investmentbanken. Die Investmentbanken können Pleite gehen - macht nichts. Und die Geschäftsbanken für die Unternehmen und Haushalte, die sind profitabel. Wir reden jetzt die ganze Zeit über die Problematiken und Ursachen – oder schneiden sie zumindest an. Sie haben als Lösung die Finanztransaktionssteuer genannt. Glauben Sie, das würde tatsächlich ausreichen, oder wäre es vielmehr ein Symbol, das die Regierung für die Gleichverteilung setzen sollte? Es ist natürlich nur ein Baustein von vielen. Die Finanztransaktionssteuer ist auch in sehr vorsichtigen Schätzungen eine Steuer, die ein sehr hohes Aufkommen generieren würde und die nach meinem Dafürhalten schlagartig Griechenland und andere Probleme lösen würde, weil man damit einen Fond speisen könnte, der zum Beispiel eben die Verschuldung dieser Länder wie zum Beispiel Griechenland lösen könnte. Europa ist ja offensichtlich durchaus interessiert daran. Jetzt bei dem letzten Finanzministertreffen in Washington ist diese Idee an den Amerikanern gescheitert. Die Europäer haben gesagt, wir wollen eine Finanztransaktionssteuer – wobei es vielleicht die Briten nicht wollen, weil sie um ihren Finanzplatz London fürchten, aber es gibt wahrscheinlich inzwischen schon eine große Mehrheit dafür. Aber die Amerikaner wollen es nicht und die Europäer reden sich dann darauf aus, dass sie das ohne Amerikaner nicht machen können, was nicht stimmt. Aber zu Ihrer Frage: Das ist sicher nur ein Element von einer Summe von Maßnahmen, die notwendig sind. Wir wollen auch ein bisschen von ihrer Vorgeschichte als Ökonom wissen. Welche Vorbilder hatten Sie als Ökonom während Ihres Studiums? Da muss ich zuerst sagen: Ich hab ja nicht Ökonomie studiert, sondern Mathematik. Hier an der TU, damals war es noch die Technische Hochschule, Technische Mathematik. Dann erst hab ich postgradual am Institut für höhere Studien 2 Jahre Ökonomie studiert. Dann weiter noch in Cambridge ein Jahr, da hab ich das Doktorat schon hinter mir gehabt. Ich hatte ein Stipendium für ein Jahr und konnte mich in Cambridge weiterentwickeln und in diesem Fachgebiet weiterlernen. Dann war ich später mit einem Fulbright-Stipendium noch ein halbes Jahr in Berkeley in den USA. Das war auch noch eine Weiterbildung und Ausbildung im Fachgebiet. Das waren sozusagen die Ausbildungsstationen. Dann hab ich mich hier an der TU für Volkswirtschaftslehre habilitiert. Hatten Sie also dementsprechend Mathematiker als Vorbilder in ihrem Studium – oder doch Ökonomen?
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Ich hatte schon Ökonomen als Vorbilder. Der kürzlich verstorbene Professor Rothschild, der auch in meiner Habilitationskommission war, ist für mich ein absolutes Vorbild unter den österreichischen Ökonomen. Er war übrigens auch Lehrer von meinem früheren Chef, Prof. Matzner. Egon Matzner, der aus Linz gekommen ist – dort war er Assistent bei Rothschild – hat hier den Ruf bekommen und war der erste Institutsvorstand unseres damaligen Instituts und jetzigen Fachbereiches für Finanzwissenschaften. Matzner ist dann nach Berlin gegangen. Schönbäck hat die Institutsleitung übernommen, danach hab ich das interimistisch ungefähr ein Jahr lang gemacht und jetzt die Stafette sozusagen an die Jugend weitergegeben und Prof. Michael Getzner ist seit etwa einem Jahr an der TU. Nach einer Übergangszeit habe ich die Fachbereichsleitung an ihn weitergegeben. Ich werde in einem Jahr ja schon in Pension gehen. Die Idee war, einen kontinuierlichen Übergang zu haben. Wenn Sie auf Ihre Lehrtätigkeit zurückblicken, hat sich in dieser Zeit viel verändert an der Uni? Es hat sich vieles verändert. Zum einen einmal die Quantitäten. Als wir begonnen haben, in den 70er Jahren, hatten wir bei den Pflichtvorlesungen etwa 15, 20 Leute und die Spezialvorlesungen sind nicht immer zustande gekommen, wenn weniger als 3 Leute da waren. Wenn nur ein oder zwei Hörer, auch nicht immer so regelmäßig, gekommen sind – das war eine andere Zeit, kann man sagen. Das Wachstum in der Raumplanungsstudienrichtung ist ja in den letzten 15 Jahren so richtig nach oben gegangen. Das ist sicherlich einmal ein wesentlicher Unterschied zu den Anfängen. Man muss dazu sagen, in den 70ern war es ja noch kein Vollstudium, sondern ein Aufbaustudium. Man konnte noch nicht das ganze Studium anbieten, sondern es sind Leute von der Architektur, von Bauingenieurwesen, von BWL, von VWL und so weiter gekommen. Die haben ihren ersten Studienabschnitt gemacht, und sind dann zu uns gekommen, um den zweiten Studienabschnitt Raumplanung zu machen. Dann hatten sie das Diplom für Raumplanung. Dann etwa Ende der 70er-Jahre ist es ein Vollstudium geworden, war aber eine kleine Studienrichtung. Inzwischen haben wir ja über 150 Anfänger. Für damalige Verhältnisse riesige Studentenzahlen. Wir sind also auch keine kleine Studienrichtung mehr sondern eine mittelgroße und haben andere Studienrichtungen schon überflügelt in den Studentenzahlen. Also die Quantitäten haben sich wesentlich geändert in der Zeit in der ich hier gearbeitet habe, das sind etwa 40 Jahre mit Unterbrechungen. Ich war ungefähr 4 Jahre zwischendurch an der Akademie der Wissenschaften tätig und hier karenziert – wobei meine Vorlesungen weitergegangen sind. Das zweite, was man schon sagen kann, dass mit dem Selbstverständlichwerden von Computer und vor allem dann auch mit Powerpoint oder anderen Vortragssoftwaren die Ansprüche und –ich glaube und hoffe auch – der Qualität der Lehre gestiegen sind. Weil einfach heute – bei mir jedenfalls – Vorlesungen nur noch mit Powerpoint gemacht werden. Ich hab meine Vorlesungen einmal alle auf Powerpoint umgestellt. Das ist schon wieder lange her. Das hat einerseits für Vortragende einen sehr positiven Effekt 65
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weil es einfach entspannender ist mit dem Medium vortragen zu können. Man muss nicht mehr so wie früher mit den Overheadprojektoren zig Folien mitnehmen und auflegen. Dann hatte man noch dreiundzwanzig Artikel und Bücher mit aus denen man irgendetwas zeigen will. Das kann man alles einscannen und mit Powerpoint vortragen. Das ist eine ganz wesentliche Verbesserung und Erleichterung für mich als Vortragender. Das zweite ist die Aktualität – ich kann fünf Minuten vor der Vorlesung noch „Ich wollte eigentlich Pilot weretwas einbauen, das ist kein Proden – das betreibe ich jetzt als blem! Ich kann auch während der Hobby.“ Das Hobby begleitet Vorlesung ins Internet gehen und Prof. Blaas sogar im Büro! dann etwas daraus einbauen. Das mache ich jedoch nicht häufig, weil es zum Teil auch ein bisschen ablenkend ist, im Internet herumzukurven. Aber manchmal macht es durchaus Sinn, wenn man auf etwas zugreifen will, was im Internet angeboten wird. Mit dieser Aktualität meine ich eben die Qualität: Dass Vorlesungen insoferne auch besser sind, weil sie aktueller sein können. Das heißt nicht, dass deswegen alle Vorlesungen von mir ganz optimal sind, oder nicht besser gemacht werden können. Aber das ist eben so, wenn man mehrere oder viele Vorlesungen hat: Ich trage auch auf der Hauptuni vor – vor 20 Jahren bin ich einmal eingeladen worden, etwas zu machen, und das hat sich dann ein bisschen ausgeweitet, in mehrere Lehrveranstaltungen. Wenn man bei jedem einzelnen Termin immer das Allerneueste bringen will, dabei sowohl– es handelt sich ja um eine zugleich theoretische und empirische Wissenschaft – aktuelle Beispiel aus der Wirtschaftspolitik bringen will als auch am neuesten Stand sein will, was die theoretische Entwicklung betrifft…das ist praktisch unmöglich. War es eigentlich schon immer Ihr Berufswunsch, Professor an einer Universität zu sein? Das kann man so nicht sagen, nein. Ursprünglich hab ich ja wie gesagt Mathematik studiert. Statistik hat mich da sehr interessiert. Da hab ich mir durchaus vorstellen können, einmal in einem Unternehmen zu arbeiten, wo statistische oder mathematische Methoden wichtig sind. In einem Produktionsbetrieb, wo komplizierte Berechnungen oder statistische Verfahren notwendig sind. Erst eigentlich dadurch, dass ich begonnen habe, Ökonomie zu studieren und dann hier während des Studiums ein Angebot bekommen habe, eine Assistentenstelle anzunehmen, war es dann eigentlich vorgezeichnet, dass ich auf der Uni bleibe, und diesen Weg habe ich dann auch verfolgt. 66
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Lieben Sie Ihren Job? Ja, schon, sehr! In einem Schulnotensystem von Eins bis Fünf? Eins, Sehr gut! Ich würde nichts anderes machen wollen. War das als Kind für Sie schon eine Möglichkeit? Nein, überhaupt nicht, da wollte ich Lokomotivführer, oder Pilot werden. Das sieht man hier [im Büro hängen Poster von Cockpits, Anm. d. Red.] an meiner Freizeitbeschäftigung. Das betreibe ich jetzt also als Hobby. Haben Sie noch weitere Hobbies? Motorradfahren zum Beispiel, weil wir vorher über das Motorrad geredet haben? Nein! [lacht] Da fliege ich lieber, das ist weniger gefährlich. Der Motorflug ist eine Leidenschaft, die zwar auch noch nicht so alt ist, aber
„Grundsatzideen halte ich – ich will jetzt nicht arrogant erscheinen – eher als etwas Pubertäres. Im Laufe des langen Lebens merkt man, dass jeder Grundsatz irgendwann einmal scheitert.“
es ist, wenn man so will, ein Kindheitstraum, den ich mir eben erfüllt habe, als ich dachte, jetzt kann ich es mir leisten. Es ist ja ein sehr teures Hobby. Sonst betreibe ich noch Sport, aber nichts besonderes, Tennis spiele ich, das ist nichts aufregendes, glaube ich. Interessieren Sie sich für Kunst, Literatur, Musik? Ich interessiere mich für sehr vieles, unter anderem auch für Kunst, und in dem Kontext vor allem für Theater. Innerhalb vom Theater wiederum für Kabarett. In früheren Jahren habe ich auch selbst Kabarett gemacht. Mit Freunden und Kollegen. Zum Beispiel am Institut für höhere Studien, in der Zeit als wir dort studiert haben, haben wir dort auch unsere Professoren in regelmäßigen Abständen durch den Kakao gezogen. Haben sie einen Lieblingskabarettisten? Nein, da gibt es zu viele gute. In Österreich und Deutschland. Von Hader an67
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gefangen über Dorfer oder Düringer, Steinhauer, oder auch sehr gute in der Damenwelt, wie Schmidinger. Auch in Deutschland gibt es gutes politisches Kabarett. Für mich ist Kabarett eben nicht etwas wo ich gerne hingehe, um lachen zu können, sondern wo einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Also die Sachen, die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Probleme so auf den Punkt bringen, dass man darüber lacht, und in dem Moment denkt man sich: „Eigentlich ist das überhaupt nicht zum Lachen“ - sondern das Gegenteil. Das fasziniert mich also an einem guten Kabarett, dass hier gesellschaftliche Dinge verarbeitet werden und etwas hervorgebracht wird, das unterhaltsam ist, aber auch zum Nachdenken anregt. Sind da die deutschen Kabarettisten nicht weiter als die Österreichischen? Nein, find ich nicht. Gerade was Politik betrifft? Nein, überhaupt nicht. Der deutsche Humor ist ein bisschen ein anderer, aber wenn man aber im Fernsehen beispielsweise die deutschen Kabarettsendungen anschaut, werden regelmäßig Österreicher eingeladen. Alfred Dorfer ist dort immer wieder, Hader auch. Haben Sie daraus ein Lieblingszitat oder aber eine Lebensphilosophie, an die Sie sich halten? Nein. Nicht? So etwas wie „Carpe Diem“? Solche Grundsatzideen halte ich – ich will jetzt nicht arrogant erscheinen – eher als etwas Pubertäres. Im Laufe des langen Lebens merkt man, dass jeder Grundsatz irgendwann einmal scheitert. Das ist einfach eine Sache der Lebenserfahrung. Leute die sagen: „Das werde ich nie machen, das wird mir nie passieren“ – da kann ich nur lachen. Irgendwann passiert eben genau das. Ja, das kennen wir. Ziele – dass man etwa versucht, gesund zu leben, habe ich schon, aber das ist ja Allgemeinplatz. Sie haben erzählt, Sie haben früher selbst Kabarett gemacht…. Ja, sogar hier an der TU Wien! Vor vielen Jahrzehnten, als ich noch ein junger Assistent war, haben wir alle Raumplanungsprofessoren durch den Kakao gezogen. Würden Sie so etwas heute auch gerne sehen? Passiv, ja! Wenn Kollegen das machen, ja, warum nicht? Sie können dann sicher auch gut Witze erzählen oder? Ja, nur habe ich kein so gutes Witzegedächtnis. [lacht] Wenn ich einen weiß, dann kann ich schon gut einen erzählen. Fällt Ihnen jetzt einer ein, den Sie uns erzählen wollen? Mir fallen schon Witze ein, aber das werden Sie doch nicht schreiben? Vielleicht fällt mir noch ein passender ein… Gibt es eigentlich Erlebnisse während Lehrveranstaltungen oder Prü-
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fungen, die in Ihrer Zeit als Lehrender herausgestochen sind? Ja, dass manchmal Leute einschlafen [lacht.] Das kann an meiner Art zu sprechen liegen, das wird ja auch oft kritisiert, oder am trockenen Stoff der Ökonomie. Das ist aber nichts Ehrenhaftes, würde ich sagen. [lacht] Was mir aber bei Vorlesungen – eher auf der Hauptuni, weil ich dort kleinere Hörerzahlen habe – unterkommt, ist, dass Studierende auch sehr gut mitgehen, so habe ich das Gefühl. Ich versuche auch immer, Fragen „Ich lese den ganzen Tag. zu stellen und mit den Studierenden Lesen ist für mich keine während der Vorlesung zu kommu- E n t s p a n n u n g nizieren. Man merkt dann selber als und vollkommen Vortragender dass es Tage gibt, u n a t t r a k t i v . “ wo einem das ganz gut gelingt, wo man das Publikum bis zum Schluss „hat“, und wo sie nicht abgleiten in Tratschen. Oder es sind ja heute viele mit Laptop im Hörsaal und surfen im Internet. Oder sie schreiben mit…. Ja, davon gehe ich natürlich aus, aber ich sehe ja nicht, was sie wirklich machen. Sie halten die Studierenden an der Hauptuni also für aufnahmefähiger? Ich glaub das ist auch ein Problem der Massenuniversität. Hier auf der TU beispielsweise sitzen eben hundert oder mehr. Das ist eben etwas anderes, wenn ich auf der Hauptuni 20-50 Hörer habe. Das ist einfach eine andere Situation. Und es kann schon sein, dass sich Raumplaner fragen: Wozu brauche ich Volkswirtschaftslehre? Die auf der Hauptuni drüben, das sind Geographiestudenten, das Lehramt besteht ja in Österreich aus Geographie und Wirtschaft, das ist ein Fach. Da gehört das einfach dazu. Bei den Raumplanern ist es sicherlich nicht immer so einfach, die Studierenden zu VWL zu motivieren. Es ist da eher ein Hintergrundwissen. Wenn ich einen Flächenwidmungsplan hernehme, frag ich mich wahrscheinlich: Was hat das mit der Konjunktur, mit Arbeitslosigkeit, mit Inflation zu tun? Es ist ein bisschen weiter weg von unmittelbaren raumplanerischen Aktivitäten. Näher geht es dann bei Spezialvorlesungen. Bei der Vorlesung Immobilienwirtschaft ist beispielsweise der Bezug schon viel enger. Wohnungspolitik und Bodenpolitik ist nicht mehr so weit weg. Finden sie es trotzdem wichtig, dass VWL Teil des Raumplanungsstudiums bleibt? Ich meine schon, weil das Wissen, wie die Zusammenhänge im gesamtwirtschaft69
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lichen oder globalwirtschaftlichen sind, ist meines Erachtens durchaus wichtig. Auch wenn es jetzt nicht unmittelbar in der Tagesarbeit des Raumplaners umgesetzt werden kann. Ich persönlich denke auch, dass VWL wichtig ist, um in der Forschung für die Raumplanung und auch bei den Geographen, etwas weiterzubringen. Haben Sie ein Lieblingsstadtentwicklungsprojekt in Wien oder Europa? Habe ich eigentlich nicht. Ich bin natürlich gespannt und neugierig, wie es sich da draußen in Aspern entwickeln wird, weil ich auch in einer Konkurrenz dabei war, in einem unterlegenen Team. Wir haben nicht gewonnen, aber wir haben uns auseinandergesetzt für diese Competition. Das interessiert mich einfach, wie sich das jetzt wirklich entwickelt und funktioniert. Wünschen Sie ihrer Konkurrenz das Beste oder das Schlechteste? Ich wünsche Wien das Beste. [lacht] Haben Sie einen Lieblingsort in Wien? Oder ein Lieblingscafé, auch weltweit? Ich gehe gerne in viele verschiedene Caféhäuser. Der erste Bezirk ist für mich ein Ort, wo ich sehr gerne bin. Ich habe in verschiedenen Gegenden in Wien gewohnt, jetzt wieder im 19., in Nußdorf. Zuerst habe ich zehn Jahre in Grinzing gelebt, dann in der Porzellangasse im neunten, jetzt bin ich wieder zurück im 19. Da fühle ich mich auch sehr wohl. Für mich sind die Stadt und die Möglichkeit, am Stadtrand nahe am Grünen zu sein eine angenehme Kombination von Urbanem und Grünraum. Würden Sie sich als eingefleischten Wiener bezeichnen? Nachdem ich nicht geborener Wiener bin, ja, weil ich hier den Großteil meines Berufslebens und auch Privatlebens hier verbracht habe. Jetzt pendle ich ja und lebe in zwei Städten, weil meine Frau Grazerin ist und wir die Wochenenden abwechselnd in Graz und Wien verbringen. Welche der beiden Städte finden Sie schöner? Das kann ich so nicht sagen, weil Graz nicht vergleichbar, viel kleiner ist und ganz andere Angebote hat. Es ist für meine Freizeit sehr interessant und gut und bietet eben kurze Wege – auf der anderen Seite würde ich auf Wien nie verzichten wollen. Ich werde sicher immer auch in Wien leben. Haben Sie auch ein Lieblingsland? Ja, schon Österreich, ich würde eigentlich nicht woanders leben wollen. Cambridge, Großbritannien? Ich würde gerne auch in anderen Ländern wohnen – temporär. Aber nicht auf die Dauer. Nachdem ich in den USA und in Großbritannien gelebt habe und viele andere Länder aus Diskussionen kenne – als Ökonom setze ich mich ja mit der Wirtschaft und Gesellschaft anderer Länder auseinander – würde ich eigentlich schon am liebsten in Österreich bleiben. Können Sie den Motorflug nicht besser in anderen Ländern machen? Billiger ist es in den USA schon, weil dort der Sprit billiger ist. In Europa nicht,
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da ist es woanders zum Teil sogar teurer, wie in Italien oder Frankreich. USA und Kanada wären da interessant. Aber deswegen würde ich dort nicht endgültig hin übersiedeln. Haben sie ein Lieblingsbuch? Das Problem mit den Büchern ist, dass ich wenig dazu komme, Belletristik zu lesen. Ein großer Teil meiner Arbeit besteht darin: Diplomarbeiten lesen, Dissertationen lesen, Artikel lesen, Fachbücher lesen, E-Mails lesen. Also ich lese den ganzen Tag. Lesen ist für mich absolut keine Entspannung. Es ist unattraktiv, weil ich es sowieso den ganzen Tag mache. Ich betreibe dann eben Sport oder mache etwas anderes, aber Lesen ist für mich derzeit vollkommen unattraktiv. Nur im Urlaub mit meiner Frau lesen wir uns gegenseitig Bücher vor. Während des Jahres, muss ich zugeben, lese ich aber ganz wenig Nicht-Fachliches. Zeitung lesen Sie natürlich auch, oder? Natürlich, das gehört für einen Ökonomen dazu. Die Tageszeitung, Wochenzeitungen wie der Spiegel oder Profil und auch Wirtschaftsnachrichten im Internet, das ist das tägliche Brot. Wie heißt ihre Lieblingszeitung? Ich lese Presse und Standard, oder Standard und Presse. Was war ihre erste Schallplatte, die sie gekauft haben? Keine Ahnung! Das wissen Sie nicht mehr? Nein. Das ist ewig her. [lacht] Aber ihre Lieblingsschallplatte kennen sie sicher! Da ist es auch so, dass ich ganz unterschiedliche Sachen gerne habe, zum Beispiel Jazz oder auch Wiener Musik, wie Extremschrammeln oder Ostbahnkurti, also Sachen, die wienerisch sind, aber eben nicht das verschmalzte Heurigenlied, sondern das kräftige und auch kritische Wienerlied. Oder auch klassische Musik, oder auch lateinamerikanische Musik sind Vorlieben. Im Auto habe ich, ich weiß nicht wie viele CDs im Handschuhfach, und das ist eben ein Mix aus diesen Sachen. Strauss, genauso wie Ostbahnkurti oder kubanische Musik. Verstehen Sie Spanisch? Jein, ich hab einmal ein Semester als Student spanisch gelernt, bin aber weit davon entfernt, das aktiv zu sprechen. Wir kommen langsam zum Ende und zu den banalen Fragen. Welche Farbe beim Twinni –Eis bevorzugen Sie? Orange oder Grün? Das kenne ich leider nicht. Dann stellen wir Ihnen jetzt noch einige Entweder-Oder-Fragen, wir bitten Sie einfach spontan zu antworten. Sind Sie ein Hund- oder Katzenmensch? Katzenmensch, eher. Land oder Wasser? Luft und Wasser. [lacht] Sehen Sie das Glas halbleer oder halbvoll? 71
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Ich glaub eher halbvoll. Stadt oder Land? Stadt. Huhn oder Ei, was war zuerst da? Mich interessiert das Ei mehr. [lacht] Marx oder Smith? Das ist schwer. Das ist ja eigentlich eine Fachfrage….beide haben wichtige Sachen gesagt und beide haben auch große Fehler in ihren Arbeiten. Da kann ich mich nicht entscheiden, tut mir Leid. Berg oder Tal? Tal! Ich komme aus Innsbruck, also „Berg“ habe ich hinter mir, das brauche ich nicht mehr. [lacht] Wobei man könnte ja eigentlich annehmen, weil Sie fliegen… Nein, da habe ich das Flachland lieber, das ist weniger Anlass, irgendwo anzufliegen, als ein Berg. [lacht] Flachland ist gesünder, beim Fliegen jedenfalls. Auto oder Fahrrad? Eindeutig Auto. U-Bahn oder Straßenbahn? Beides. Ich fahre meistens mit der Straßenbahn her und mit der U-Bahn zurück. Was finden Sie angenehmer? Das kann ich nicht sagen, ich benütze täglich beides. Milch oder Joghurt zum Müsli? Joghurt. Wald oder Wiese? Keine Ahnung. Wiese? Auf der Wiese kann man landen… Ja gut, nehmen wir Wiese!
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St.u.P.i.D. Studierende und Professoren in Diskussion Studienrichtungszeitung der RaumplanerInnen seit 1996
Medieninhaber und Verleger
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Herausgeber
Fachschaft Raumplanung
Redaktion
Roland Bauer – stupid@fsraum.at Chefredaktion, Layout, Titelblatt Advocatus Diaboli; Erinnerungs- und Gedenkkultur in Wien Michael Erdmann – e0641086@student.tuwien.ac.at Titelblatt City Branding – Wen interessiert‘s?!; Brandmarken Marilies Fischer – marielis.fischer@gmail.com PlanerInnentreffen Wien 29.10.-2.11 - Ein kurzer Rückblick Laura Estelle Grzywatz – laura-estelle@gmx.de Grenzenlos Lückenlos Isabella Noll – stupid@fsraum.at Ein Interview mit Professor Wolfgang Blaas Philipp Oberhaidinger – phips@live.at St.Pauli vs. HafenCity Hamburg Sebastian Raho – bas_raho@hotmail.com Das Forum Alpbach 2011. Ein Reisebericht Gerhard Rauscher – stupid@fsraum.at Erinnerungs- und Gedenkkultur in Wien Kurt Weninger – mail@fsraum.at FAQ zum neuen Studienplan Gesa witthöft – witthoeft@srf.tuwien.ac.at Demochange Cities Josef Zitzler – e0847745@student.tuwien.ac.at Der Osten des Westens Die Artikel geben die Meinungen der AutorInnen wieder, diese sind also selbst Ansprechpartner für Lob, Kritik oder dergleichen. Die Redaktion setzt sich für jede Ausgabe neu zusammen, grundsätzlich wird jeder Artikel veröffentlicht, sofern er namentlich gekennzeichnet ist und ihn die Redaktionsmitglieder nicht mehrheitlich ablehnen. Die Redaktion nimmt nur geringfügige, aber keine inhaltlichen Änderungen vor. Die nächste Redaktionssitzung ist öffentlich und wird rechtzeitig bekannt gegeben. St.u.P.i.D. ist durch Offenheit nach allen Richtungen, Unabhängigkeit gegenüber Personen und Institutionen, sowie der Verpflichtung gegenüber dem/r LeserIn bestimmt. JedeR, der/die in irgendeiner Weise mit Raumplanung und dem Raumplanungsstudium zu tun hat, ist eingeladen und aufgefordert, an der Gestaltung von StuPiD teilzunehmen!
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Er wohnte ein Leben lang in der Großstadt. Er ging nie in die Oper, nie ins Theater, nie in die Schwimmhalle, nie auf den Trabrennplatz, nie in die Volkshochschule, nie zum Flughafen, nie in den Zoo, nie in eine Versammlung, nie in den Vergnügungspark, nie in eine Bibliothek. Er wurde auch nie krank und brauchte nie ein Krankenhaus, nie einen Krankenwagen, nie die Feuerwehr. Aber er hatte das Gefühl, wenn er in die Oper gehen wollte, oder ins Theater, oder in die Schwimmhalle und so weiter und so weiter, dann könnte er es tun. Und darum war er ein so begeisterter Großstädter. Aus „Wienfilm 1896-1976“ von Ernst Schmidt Jr. 74