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Rechtsquellen und Verhaltensregeln

7.1 Recht schafft Sicherheit Rechtsvorschriften sollen das Zusammenleben der Menschen sinnvoll «regeln» und in die vielen täglich ablaufenden Geschäfte eine gewisse Sicherheit bringen. Mit Rechtsvorschriften versuchen wir, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen, indem verschiedenste Vorgänge im Leben von vornherein geregelt werden. So sind z. B. in einem Arbeitsvertrag bereits vor Arbeitsantritt viele mögliche Streitpunkte geregelt. Wenn doch Konflikte entstehen, sollen diese mithilfe der Rechtsvorschriften möglichst einvernehmlich geklärt werden können. Falls keine gegenseitig akzeptierte Lösung möglich wird, zeigt die Rechtsordnung das Verfahren auf, wie Konflikte durch unabhängige Gerichte beurteilt und schliesslich durch einen Richterspruch entschieden werden können. Recht muss nach unserem allgemeinen Dafürhalten «gerecht» sein. Doch was heisst das? Seit römischen Zeiten gilt in unserem Kulturkreis die Justitia als Symbol der Gerechtigkeit. Mit «verbundenen Augen» soll die Rechtsanwendung unabhängig vom Ansehen der Parteien geschehen, d. h., die Richterin soll unparteiisch entscheiden und alle Menschen gleich behandeln. «Gerechtigkeit» ist allerdings ein vielJustitia ist die römische Göttin der schichtiger Begriff: Objektiv betrachtet, ist GeGerechtigkeit und des Rechtswesens. rechtigkeit nämlich dann gegeben, wenn alle Menschen gleich behandelt werden. Weil wir Menschen jedoch in natürlicher und sozialer Hinsicht Unterschiede aufweisen, ist bei der gerechten Beurteilung von Situationen auch die Berücksichtigung dieser Unterschiede notwendig. Die Balkenwaage steht für das sorgfältige Abwägen der Sachverhalte in der Situation und einen ausgewogenen Schuldspruch. Dafür muss die Justiz den konkreten Sachverhalt eines Konfliktes möglichst genau erfassen. Die Waage kann auch als Symbol dafür angesehen werden, dass Gleiches gleich behandelt werden soll. Dieser Anspruch ist nicht einfach zu erfüllen. Erstens müssen die Tatbestände möglichst genau definiert werden, damit entschieden werden kann, wann ein gleicher Tatbestand vorliegt und wann ein ungleicher. Zweitens wandeln sich die Gerechtigkeitsvorstellungen in einer Gesellschaft mit der Zeit. Und drittens stellt sich die Frage, wann eine Rechtsnorm vom Inhalt her tatsächlich gerecht ist. Diese Frage ist von Werturteilen abhängig und deshalb häufig umstritten.

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In ihrer rechten Hand hält die Justitia ein Schwert als Symbol für die Strafgewalt. Das Recht soll von der Staatsgewalt durchgesetzt und (speziell in einem Strafprozess) die schuldige Partei bestraft werden. Während nach Gerechtigkeitsüberlegungen jeder Fall nach der gleichen Regel entschieden werden muss, sollte es dem Gericht aber auch möglich sein, dem Einzelfall Rechnung zu tragen. Dadurch können einerseits künftige Entwicklungen besser berücksichtigt werden; andererseits erlaubt der Freiraum des Richters, in Rechtsnormen auf die allzu detaillierte Regelung von Sonderfällen zu verzichten. Im Weiteren müssen Rechtsvorschriften klar sein und die rechtlichen Konsequenzen erkennen lassen, damit Rechtssicherheit erzielt wird. Allgemein formulierte Rechtsvorschriften sind zweckmässig, weil sie für viele verschiedene Sachverhalte angewandt werden können. Aufgabe 1

7.2 Rechtsquellen – woran halten sich die Gerichte? ■ Verschiedene Rechtsquellen ■ Grundsätzlich stützt man sich in einer Rechtsangelegenheit auf das geschriebene Recht, das die dominierende Rechtsquelle darstellt. Meistens stehen allerdings in einem konkreten Fall gleichzeitig auch noch weitere Rechtsquellen zur Verfügung, die in unterschiedlichem Masse zu einem Entscheid beitragen können. ■ In allen menschlichen Gemeinschaften haben sich im Laufe der Geschichte Gewohnheiten (= Gewohnheitsrecht) eingebürgert, die auch ohne schriftliche Fixierung allgemein anerkannt werden. In einzelnen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts wird ausdrücklich auf die «Übung» und den « Ortsgebrauch» verwiesen. Damit wird das an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Berufszweig übliche Verhalten in einer bestimmten Situation umschrieben. ■ In einem Rechtsstaat sollen ähnliche Fälle durch die Rechtsprechung ähnlich beurteilt werden. Manchmal bilden frühere Gerichtsentscheide deshalb einen «Vorentscheid» für ähnliche, zukünftige Fälle (Juristen sprechen dann von einem Präjudiz Präjudiz). Je höher die Gerichtsinstanz, die ein Urteil gefällt hat, desto grösser ist dessen Wirkung auf zukünftige Entscheide. In der Schweiz stehen Bundesgerichtsentscheide (BGE) an oberster Stelle. ■ Gerichte stützen sich vielfach auf die Meinung von Rechtsgelehrten in Gesetzeskommentaren und Fachzeitschriften. Wir sprechen dann von der Lehre (Rechtswissenschaft) als Rechtsquelle. Kein Rechtsfall ist gleich wie der andere; ebenso ist keiner eindeutig zu lösen, sonst wären die Gerichte überflüssig. Deshalb müssen Sachverhalte geklärt, Beweise und Aussagen in ihrer Bedeutung gewichtet werden, um zu einem fairen Urteilsspruch zu gelangen. Dabei ist der gesunde Menschenverstand die wichtigste Quelle des Rechts.


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