stilwerk Magazin | FREIHEIT | Sommer 2014

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Markenportrait

» Wir waren die ersten, die mit transparentem Kunststoff arbeiteten. « Claudio Luti

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enn man Claudio Luti von seinen Möbeln plaudern hört, dann sieht man lauter Einser-Schüler vor sich. Da ist zum Beispiel »Louis Ghost«. Philippe Starck entwarf den Esstischstuhl nach dem Vorbild eines klassisch-französischen Möbels. Verspielte Schnörkel treffen auf ein top-modernes Material. Egal ob in Tokio oder Kopenhagen, das gute Stück ist international ein Bestseller. »Wir waren die ersten, die mit transparentem Kunststoff arbeiteten«, sagt der CEO und Inhaber von Kartell. »Wenige Jahre später machte es jeder.« Die ersten zu sein und immer wieder Innovationen hervorzubringen, macht die Geschichte von Kartell aus. 1949 wurde sie von Lutis Schwiegereltern gegründet, er stieg 1988 ein. Auch wenn schon vor Claudio Lutis Zeit echte Klassiker wie das runde Aufbewahrungssystem »Componibili« von Anna Castelli Ferrieri aus dem Jahr 1968 entstanden, nahm das Unternehmen mit ihm richtig Fahrt auf. So holte der ehemalige VersacePartner wichtige Designer an Bord. Er fädelte die Zusammenarbeit mit Philippe Starck ein, der neben »Louis Ghost« fast jährlich weitere Sofas, Stühle, Tische und Hocker entwarf. »Wir bekommen Projekte aus aller Welt zugeschickt«, sagt Claudio Luti. »Doch wir arbeiten lieber intensiv mit einer Handvoll Designern zusammen und pflegen mit ihnen eine enge Beziehung.« Er führe selbst die Gespräche und betreue den Entstehungsprozess der Möbel. Immer wieder sind es nicht nur Produktdesigner, sondern auch Größen aus der Modewelt oder aus dem Musikbusiness, mit denen Kartell kooperiert. So ließ Claudio Luti das italienische Modehaus Missoni und Rockstar Lenny Kravitz seine Möbel in

neue Gewänder kleiden. Auf diese Weise erhielt der schlichte Kunststoffsessel »Mademoiselle« mal einen fröhlich-kunterbunten Bezug, mal ein verruchtes Fell. Doch sind Möbel aus Kunststoff überhaupt noch zeitgemäß, in einer Zeit, in der immer mehr Firmen auf natürliche Materialien wie Holz oder Leder setzen? Claudio Luti sieht das gelassen. Zum einen kombiniert er selber zuhause Plastik-Stühle mit Antiquitäten und zum anderen setzt auch Kartell auf den angesagten Material-Mix. Den Sessel »Comback« von Patricia Urquiola aus dem Jahr 2012 gibt es zum Beispiel auch mit Beinen aus lasiertem Buchenholz. Wer sich einen Überblick über Kartells Geschichte verschaffen möchte, der kann das hauseigene Museum in der Nähe von Mailand besuchen. Mehr als 1000 Produkte gibt es dort zu sehen, aber auch Fotos, Skizzen oder Prototypen.

Text: Judith Jenner

Von oben nach unten: Kartells Bestseller ist der Stuhl »Louis Ghost« von Philippe Starck Das runde Aufbewahrungssystem »Componibili« gibt es in verschiedenen Größen und Farben Es muss nicht immer hartes Plastik sein. Auf dem Sessel »Foliage« sitzt man auf Polstern Links: Leuchte »Bourgie« wurde von Ferruccio Laviani designt

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