2015 Geschichte der Ruten

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Fisch&Wasser 4/2015

Von der Haselnuss zur Kohlefaser Anders als bei Rollen und Spinnködern, hinterließ uns die Entwicklung der Angelrute weniger Begleiter. Alte Klassiker finden sich heute nur mehr selten im Sortiment der Angelindustrie. Gründe dafür sind rasante Innovationen beim Material. Von Stefan Tesch

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anz am Anfang war der Holzstecken mit einer Leine aus Pferdehaar. So fischten schon unsere Vorfahren aus der Urzeit, später auch die Hochkulturen der Ägypter, Römer und Griechen. Die Ruten dienten lediglich als Verlängerung des Armes, um auch an schwer erreichbaren Stellen mit der Leine angeln zu können. Es muss um 1500 herum gewesen sein, als erstmals zweiteilige Ruten gebastelt wurden. Der hintere Teil war hohl, so dass der Spitzenteil darin verstaut werden konnte. Erstmals war es möglich, durch Rutenlängen von über drei Metern einen größeren Aktionsradius beim Fischen zu haben. Rollen gab es zu dieser Zeit noch keine. 200 Jahre später experimentierte man mit Ruten bis zu fünf Metern länge, die aus bis zu sechs Teilen bestanden. Ebenso wurden viele verschiedene Materialien verwendet, zum Beispiel Kieferholz, Esche und Weide für die Griffteile, elastisches Hickory und Haselnuss für die Spitzenteile. Vereinzelt kamen auch schon Ringe zum Einsatz. Denn parallel entstanden die Vorläufer der Rolle, zum Beispiel Wickelbrettchen oder Spindeln. Zu dieser Zeit waren Angelgeräte aber immer Marke Eigenbau und wurden von talentierten Tüftlern entwickelt, von anderen Menschen nachgeahmt, verbessert und modifiziert, bis schließlich wieder neue Varianten im Umlauf waren. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass vor rund 200 Jahren in Großbritannien Angelruten aus exotischen Hölzern „produziert“ wurden. Die zahlreichen Kolonien hatten den Briten Zugang zu ausgefallenen Mate-

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rialien abseits von Haselnuss und Wiede verschaffen, etwa aus Indien.

Gespließte. Dennoch waren Ruten

aus einem gewachsenen Stück Holz für den Fischfang nicht gut geeignet. Sie brechen leicht, haben eine wabbelige Aktion, wenig Rückstellkraft, sind meist nicht völlig gerade und verbiegen sich mit der Zeit. Schließlich stieß man auf Bambus aus Fernost. Im Gegensatz zu Holz war dieses Material eine wahre Sensation, meist wurde es noch durch Metallstangen verstärkt. Es dauerte ein paar Jahrzehnte, bis man schließlich auf die Idee kam, gespließte Ruten zu bauen. Es folgte der nächste logische Schritt in der Geschichte der Angelrute: mehrere Spleiße, also gespaltene Holzstücke, miteinander zu verbinden. Aufgrund der guten Spaltbarkeit setzte

Exotisches Rohr Bambus war lange Zeit das bevorzugte Material für Ruten. Auch heute wird es noch für „Gespließte“ verwendet

sich Bambus als erste Wahl beim Material durch. Die „Gespließten“ waren belastbarer und hatten eine bessere Aktion, die auch für Würfe genutzt werden konnte. Das war der Punkt, wo Bastler begannen, Ruten für verschiedene Angelmethoden zu entwickeln – etwa kurze für die Spinnfischerei und lange fürs Friedfischangeln. Nach und nach bekamen die Ruten auch Ringe aus Metall, denn zeitgleich entwickelten sich verschiedene Varianten von Rollen. Als Schnur diente Seide oder geflochtene Naturfasern. Wer die ersten Gespließte hergestellt hatte ist nicht ganz klar, doch soll um 1845 der US-amerikanischer Geigenbauer Samuel Phillipe auf diesem Gebiet erste Gehversuche unternommen haben. Dies führte dazu, dass viele Sportangler ihn nachahmten und die Technik perfektionierten. Besonders in der Fliegenfischerei wurde dies populär. Als nächster Schritt kamen Maschinen zum Einsatz, die den Bambus besonders fein spalten die Spleiße präzise miteinander verkleben konnten. Auch heute noch sind gespließte Ruten unter Liebhabern nach wie vor die erste Wahl, wenn es um besonders stilvolles Fischen geht. Vor allem Fliegenfischer schwören darauf. In Deutschland zeigte die Firma „Noris Fischerei-Geräte“ Pioniergeist. Bereits 1875 gegründet, hatte Noris seinerzeit schon viel Erfahrung in der Fertigung von qualitativ hochwertigem Angelgerät, vor allem im Bereich Fliegenfischen. Noris baute nach dem zweiten Weltkrieg die edle „Perfection“ Fliegenrute, die heute unter Sammlern als Goldschatz gehütet wird.


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