Spree #33

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# 33 2017

PORTRAIT

INTERVIEW

FEATURE

In Frieden studieren: Junge Geflüchtete erzählen von ihrem Neuanfang in Berlin

Tilo Jung im Gespräch: Der Video-Blogger, der PolitikerInnen zum Schwitzen bringt

Das Berliner Dating-Drama: Wenn auf Tinder und Co. niemand auf dein Profil gewartet hat

NEU

s n u f Au d n a m e i n t a h . t e t r a w ge



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Editorial Die Spree feiert ihr Comeback: nach einem Jahr Pause erscheint die neue Ausgabe von Berlins größtem Campusmagazin mit einer provokanten These. Das Thema „Auf uns hat niemand gewartet“ stellt unsere Generation auf den Prüfstand. Denn wir alle wollen irgendwie everybody’s darling sein: von der Chefetage geschätzt, von der Professorin in den höchsten Tönen gelobt und vom Partner uneingeschränkt geliebt. Leider funktioniert die Realität häufig ganz anders als wir uns das wünschen. Das zeigt sich auch in den Themen, mit denen sich diese Ausgabe der Spree beschäftigt. Unserer Redakteurin Miriam Nomanni beispielsweise, berichtet über die prekäre Lage von PraktikantInnen, die für volle Arbeit keinerlei Lohn sehen. Sie beschäf-

tigte die Frage, warum die Vereinten Nationen keinen großen Wert darauf legen, PraktikantInnen auch nur einen Cent für ihre Arbeit zu bezahlen. Clara Westhoff hat Tilo Jung getroffen – den „Jung&Naiv“-Blogger, der mit seinen unbequemen Fragen PolitkerInnen in der Bundespressekonferenz ärgert. Wie er zum Journalismus kam und warum Berlin für ihn der beste Ort zum Leben ist, könnt ihr auf Seite 15 lesen. Außerdem geht es in der 33. Ausgabe der Spree um das Thema Liebe und Dating – und um die Frage, warum die Generation Y eigentlich so unverbindlich scheint. Gibt es da draußen doch noch die eine oder den einen, auf den wir schon lange warten? Mehr dazu erfahrt ihr auf Seite 19 in einem Artikel mit persönlichen Erfahrungen unserer AutorInnen.

stärkerem Fokus auf den Inhalt. Ich persönlich bin überzeugt davon, dass uns dieser Relaunch sehr gut gelungen ist und ich bin glücklich, dass wir euch mit dieser Ausgabe ein Design präsentieren können, das einen deutlichen Sprung nach vorne in der Entwicklung des Magazins darstellt. Ihr seht: auf euch warten etliche Seiten voller spannender Artikel und einem komplett neu gedachten Design. Ein spannender Start – für mein gesamtes Team und mich ganz persönlich. Mir bleibt jetzt nur, euch viel Freude beim Lesen der neuen Spree zu wünschen.W

Eine Rundumerneuerung haben wir nicht nur inhaltlich gewagt. Auch in Sachen Design steht kein Stein mehr auf dem anderen. Mit unserem Art Director Daniel Mulder wagen wir uns auf neue Wege hinsichtlich des Layouts und erscheinen nun deutlich aufgeräumter, klarer strukturiert und mit

Thomas Rostek -

Inhalt o3

Auf sie hat niemand gewartet.

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Junge Geflüchtete erzählen von ihrem Neuanfang in Berlin

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Regierung ohne Sinn

Wenn zu viel Leistungsdruck psychisch krankmacht.

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Im Fokus

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Volle Arbeit ohne Lohn

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Dachdecken ist sein Gesetz

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Die Bildungselite, die keiner braucht? Gibt es in Deutschland zu viele Studierende?

slAPP that! Auf welche Apps wirklich niemand gewartet hat.

Wie ein ehemaliger Jurastudent zum Handwerker wurde

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Auf dein Profil hat niemand gewartet. Durch Dating-Apps gerät bei uns in Sachen Liebe einiges aus dem Takt

PraktikantInnen der UN als Vollzeitkräfte ohne Stundenlohn

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Glücklos im Berliner WG-Dschungel Wenn die Suche nach Wohngemeinschaften zum Hürdenlauf wird

Das Motiv „Warten“ durch die Linse unseres Fotografen.

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Naiver Querdenker Interview mit Tilo Jung, Berlins provokantestem Fragensteller

Wie fehlende Hochschulpolitik der Regierung deutsche Unis in eine Sinnkrise treibt

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Burnout im Studium

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Verlorene Generation? Von wegen! Wie sieht sich unsere Generation eigentlich selber?


e i s f u A d n a m e i n t a h 03

Portrait

. t e t r a w e

g

von Leonie Schöler -

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind knapp 70 Prozent der Menschen, die seit 2015 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, unter 29 Jahre alt. Auf ihnen lastet eine riesige Erwartungshaltung. Drei junge Syrer berichten von Ängsten und Hoffnungen.

Raghad: Als ich vor drei Jahren Syrien in Richtung Europa verließ, habe ich viel zurückgelassen: einen Teil meiner Familie, meine Freunde und auch meine Zukunft in der Heimat. Vor meiner Flucht habe ich zwei Semester Maschinenbau in Aleppo studiert. In Deutschland musste ich komplett von vorne anfangen. Nach einer langen Reise über den Libanon und Marokko bis nach Berlin, war es deshalb mein Ziel schnell Deutsch zu lernen, um weiterstudieren zu können. Um das geforderte Sprachniveau C1 zu erreichen, besuchte ich Deutschkurse an der Volkshochschule und an der FU. Am liebsten hätte ich dann wieder Maschinenbau studiert. An der Technischen Universität Berlin (TU) ist es allerdings sehr schwer einen Studienplatz zu bekommen. Viele meiner Bekannten haben mir daraufhin geraten Informatik zu studieren, weil das auf dem Arbeitsmarkt momentan sehr gefragt ist. Das erste Semester war wirklich schwierig. Obwohl ich anderthalb Jahre Deutsch gelernt hatte, fühlte es sich an, als würde ich auf Chinesisch studieren. Mittlerweile macht mir Informatik sehr viel Spaß. Trotzdem möchte ich immer noch Maschinenbau studieren. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, im Master beides zu kombinieren. Ich bin gespannt auf die Zukunft, mache mir aber über meine beruflichen Chancen ziemlich viele Gedanken. Ich habe Angst, aufgrund meiner Herkunft oder Religion später keinen geeigneten Job zu finden. Mein Vater ist Maschinenbauingenieur und meine Mutter Lehrerin trotzdem bekommen sie hier in Deutschland keine Arbeit. Aber Deutschland braucht Informatikerinnen! Wenn ich einen guten Studienabschluss schaffe, nehmen mich die Arbeitsgeber hoffentlich trotz des Kopftuchs.

Raghad, 21

Raghad, aus Aleppo, ist seit Februar 2015 in Deutschland und studiert Informatik im 2. Semester an der Freien Universität Berlin (FU).


Portrait

Hala, 27

Hala, aus Damaskus, ist seit Dezember 2014 in Deutschland und arbeitet als Assistenzärztin in einem deutschen Krankenhaus.

Anas: Studieren – das wollte ich seit meiner Ankunft in Deutschland von Anfang an. Bis dahin war es aber ein langer Weg. In Syrien lernte ich an der Universität zwei Jahre Bauingenieurwesen, bevor ich das Land 2013 aufgrund meines politischen Engagements verlassen musste. Ich versuchte zunächst in Jordanien ein Studentenvisum zu beantragen, das leider nach neun Monaten des Wartens abgelehnt wurde. Ich bin dann weiter über die Türkei und Libyen und von dort aus über das Mittelmeer nach Europa gekommen. In Berlin schickte mich das LaGeSo erst nach Brandenburg. Dort gab es keine Sprachkurse – ich hätte also nur rumsitzen müssen. Am Anfang lernte ich deshalb Deutsch, indem ich mir stundenlang YouTube-Videos anschaute. Aber um studieren zu können, muss man ein sehr gutes Sprachniveau haben und dafür reichten die Videos nicht. Ich kaufte mir dann von meinem eigenen Geld die Fahrkarten nach Berlin, um dort einen Deutschkurs zu besuchen. Da ich aber in Brandenburg gemeldet war, durfte ich nur als Gasthörer teilnehmen und keine Prüfungen absolvieren. Glücklicherweise ist der Lehrerin mein Engagement aufgefallen und sie half mir eine Ausnahmeregelung zu erwirken, sodass ich den Kurs erfolgreich abschließen konnte. Nach dem Bestehen des Kurses wurde auch mein Asylantrag angenommen. Zunächst arbeitete ich als Sprachvermittler in einer Berliner Sparkassen-Filiale, um anderen Geflüchteten bei der Kontoeröffnung zu helfen. Jetzt erfülle ich alle sprachlichen Voraussetzung für ein Studium und fange diesen Herbst endlich meinen Bachelor in Wirtschaftsingenieurwesen an.

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Hala: Ich war schon fertig mit meinem Studium, als ich im Dezember 2014 nach Deutschland kam. Sechs Jahre lang hatte ich Medizin in Damaskus studiert und reiste anschließend mithilfe eines Sprachvisums nach Deutschland. Eigentlich sollte ich nur einige Monate bleiben, durch den Krieg gab es aber für mich keine Möglichkeit zurück nach Syrien zu fahren. Deshalb stellte ich 2015 einen Asylantrag. Da ich in der Zwischenzeit viele Sprachkurse besucht hatte und das Sprachniveau B2 erreichte, wurde mein Antrag sehr schnell angenommen. Im Zuge dessen konnte ich an der Charité International Academy einen sechsmonatigen Fachsprachkurs belegen. Gefördert wurde ich hierbei vom Netzwerk „Integration durch Qualifikation“, kurz IQ. In der Academy bereitete ich mich auf die Kenntnisprüfung vor, die man sich wie ein drittes Staatsexamen vorstellen kann (letzte große Prüfung nach dem Medizinstudium, Anm. d. Red.) und die ich für meine Approbation bestehen musste. Seit Januar 2017 darf ich nun überall in Deutschland als Ärztin in der Weiterbildung arbeiten. Um das deutsche Gesundheitssystem und die Tagesabläufe in den Kliniken kennenzulernen, absolvierte ich Anfang des Jahres ein Praktikum in der Gynäkologie der Charité. Anschließend hat man mir eine Stelle in einem Brandenburger Krankenhaus vorgeschlagen. Eigentlich wollte ich lieber in Berlin bleiben, denn als ausländische Frau hat man es in einer internationalen Stadt leichter. In Brandenburg hingegen leben wenig Ausländer und deshalb hatte ich Angst vor mehr Fremdenfeindlichkeit. Ich habe mich aber dazu entschlossen, unabhängig davon meinen Weg finden zu wollen. Deshalb habe ich vor fünf Monaten meinen ganzen Mut zusammengenommen und bin in den Süden Brandenburgs gezogen. Dort arbeite ich seitdem als Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe.

Anas, 25

Anas, aus Aleppo, ist seit September 2014 in Deutschland und nimmt diesen Herbst ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Berlin (TU) auf


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Feature

ohne sinn von Dominik Schlett Am 24. September wurde Angela Merkel zum vierten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt. In Sachen Bildungspolitik konzentrierte sich ihr Wahlkampf allein auf Früh- und Schulbildung. Wie viel sie für die Bedürfnisse von Studierenden übrig hat, zeigte sie bereits während des Wahlkampfs 2005. Damals sagte sie auf einer Veranstaltung, dass Leute, die 15, 16 Semester studieren, mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun hätten. Heute, zwölf Jahre später, hat sie den Freigeist endgültig aus der Universität verbannt. Standardisierung und „Employability“ bestimmen den Hochschulbetrieb. Mit anderen Worten: Studierende, geht arbeiten! Merkel, die auch CDU-Parteivorsitzende ist, fördert diesen Trend entscheidend. Berufsorientiertes Studium und Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erleichterten den Übergang in den Arbeitsmarkt, heißt es von Seiten der selbsternannten „Volkspartei der Mitte“. Daher sollten das „Erfolgsmodell“ der Fachhochschulen und das Duale Studium weiter ausgebaut werden. Stehen dem Universitätsbetrieb also stürmische Zeiten bevor? KritikerInnen der zeitgenössischen Hochschulbildung sprechen schon lange von einer Misere der Universität. Wenn man genauer hinschaut, merkt man jedoch, dass diese Beschreibung eher einer Art Midlifecrisis geschuldet ist. Nostalgisch wähnen sich darin alte Hochschul-Eliten in einer intellektuellen Krise. „Die Universität zweifelt an ihrem Zweck“, schreiben dazu die Autoren Yehuda Elkana und Hannes Klöpper in ihrem Buch „Die Universität im 21. Jahrhundert“. Gemeint ist

Hochschulpolitik war im Wahlkampf 2017 kein Thema. Investitionen in die Hochschulen bleiben aus. Ist die Universität zur bloßen Fertigungsfabrik der Arbeitenden von morgen geworden? ein fehlender Sinn. Ursprünglich in der Aufklärung junger Menschen hin zu selbstreflektierten und gesellschaftlich verantwortlichen Bürgern verankert, ist es heutzutage vor allem die Entwicklung hin zur rein beruflichen Ausbildungsstätte, die die Universität depressiv macht. Interessant ist, dass diese Diskussion vor allem im Vom-Tellerwäscher-zum-MillionärLand USA geführt wird, während in Deutschland die Diskussionen eher technischer Natur sind. Dabei ist für Elkana und Klöpper genau diese Frage wesentlich, um Studierende auf die komplexen und vor allem interdisziplinären Probleme des (Arbeits-)Lebens vorzubereiten. Arbeit verlangt auch gesellschaftliches Feingespür im Sinne von Gewissenhaftigkeit und Ethos. Wie sonst sollte Teamfähigkeit funktionieren? Grundlegend wird diese Kritik vor allem von den Geisteswissenschaften praktiziert. Sie ist unmittelbar an die Bologna-Reform der Universitäten gekoppelt, die Studierende mobiler und international vergleichbar machen sollte. Seit jeher wird sie bemängelt und bisweilen als „Unheil“ bezeichnet. Dieser Tadel wurde vom FAZ-Ressortleiter der Geisteswissenschaften, Jürgen Kaube, in seinem 2009 erschienenen Buch „Die Illusion der Exzellenz“ vorangetrieben. Lösungsvorschläge sucht der Leser hier jedoch vergebens. Wenn es dann darum geht, die Probleme mit mutigen Vorschlägen zu überwinden, erweisen sich gerade jene Kritiker aus den Geisteswissenschaften als die eigentlichen Nostalgiker,

die sich um die Qualitätssicherung der Hochschullehre sorgen. Das wird im Bereich der Digitalisierung der Hochschulen deutlich. Als „Bremser“ sieht Martin Grötschel von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften etwa das Beharren der Geisteswissenschaften auf der Verlagsarbeit. Letztere reklamieren für sich die Qualitätssicherung in der Wissenschaft und lobbyieren deshalb in den Feuilletons gegen „Open Access“, also der freie Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln für jedermann zu jeder Zeit. Gerade das ist allerdings bei steigenden Studierendenzahlen zwecks Selbstständigkeit hilfreich. Die Forderung, die Universitäten müssten zu mehr Allgemeinbildung und Selbstreflexion zurück, trifft es somit nur teilweise. Vielmehr wird die Kritik zahnlos, wenn sie auf einem Bildungsideal beharrt, das vermeintlich nur einige wenige besitzen. Elkana und Klöpper plädieren deshalb für „engagierte“ anstatt „gebildete“ Studierende. Denn auch der Arbeitsmarkt bietet zahlreiche Möglichkeiten für gesellschaftliches Engagement. In einer gemeinsamen Wahlumfrage von Spiegel und Civey konnten sich 26,2 Prozent der 18- bis 29-jährigen Jungwähler vorstellen, die CDU zu wählen und satte 15,4 Prozent die FDP. Ob jene sich dann tatsächlich gesellschaftlich engagieren, darf bezweifelt werden. Auf die finanzielle und soziale Unterstützung dieser Parteien brauchen Studierende aber sicherlich nicht zu warten. Warum auch, sie gehen lieber arbeiten.


Alles Digital? Anzeige

Nicht nur der US-Präsidentschaftswahlkampf wirft Fragen rund um die Themen Digitalisierung und neue Medien auf. Auch hier zu Lande gibt es Gesprächsbedarf. von Miriam Nomanni Anlässlich der Bundestagswahl 2017 entschied sich der Checkpoint der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) für ein Extra ihrer Reihe „Die Montagsgespräche“ am 11. September 2017. Unter dem Titel „Die Bundestagswahl unter dem Einfluss neuer Medien“ luden die Veranstalter in die Räume der Bundespressekonferenz zum Austausch mit Experten. Bei der bpb, die ebenfalls für den bekannten „Wahl-OMat“ verantwortlich ist, handelt es sich um eine dem Bundesministerium des Inneren nachgeordneten Behörde, deren Aufgabe es ist, das Bewusstsein für Demokratie und politische Partizipation zu fördern. Gemeinsam mit rund 160 BesucherInnen warfen die eingeladenen Gäste Holger Geißler, Head of Research bei YouGov, und Johannes Hillje, Politik-und Kommunikationswissenschaftler, einen Blick auf die Problemfelder von Politik, Wahlkampf und Digitalisierung. „Tatsächlich ist auch während dieses Wahlkampfs die große Wende bezüglich der Nutzung digitaler Inhalte ausgeblieben“, erklärte Geißler. Sein Diskussionspartner Hillje verwies auf Studien, die zeigen, dass der Einfluss von Digitalisierung häufig überhöht dargestellt wird. „Während der Präsidentschaftswahl in den USA war das Fernsehen immer noch die wichtigste Informationsquelle der US-Amerikaner“, betonte er. Darauf folgten zunächst Printmedien und erst danach griffen die Menschen auf Social Media zurück. „Insgesamt sollte jedoch klar sein, welche wahnsinnigen Möglichkeiten es tatsächlich gibt“, schloss Geißler. Genau jene Möglichkeiten der digitalen Vernetzung waren

zuvor durch die Skype-Zuschaltung des Mainzer Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Thorsten Faas live vorgeführt worden. „Es gilt zu erkennen, dass die Grenze zwischen Medien und Privatpersonen immer mehr verschwimmen.“ Zudem würden Medien immer effizienter und es sei möglich, den eigenen Zugang zu Informationen vollständig zu individualisieren. Dies berge aber auch Gefahren in sich, gab Faas zu bedenken. „Die Filter-Bubble, die durch die Auswahl der Nutzer generiert wird, verändert den Zugriff auf Informationen.“ So sei es heute möglich, Ungewolltes komplett aus dem eigenen Feed zu streichen. „Dadurch kann Pluralität auch verhindert werden“, gab er zu bedenken. Neben dem Austausch mit dem Publikum durch ein kleines Quiz und einer anschließenden Fragerunde sorgte der Poetry Slammer Julian Heun mit zwei Vorträgen für Auflockerung. Die zweistündige Veranstaltung endete mit einem Sektempfang und einem zeitgleich stattfindenden Projektmarkt im Atrium der Bundespressekonferenz. Thomas Krüger, Leiter der bpb, zeigte sich mit dem Verlauf des Abends sehr zufrieden. „Die Diskussion war äußerst lebendig und die Mischung der Themen war so vielfältig, dass es möglich war, sich sein eigenes Bild zu machen.“ Bei dem gemischten Publikum kam die Veranstaltung entsprechend gut an. Die 18-jährige Mila Haas, selbst Erstwählerin, schloss: „Der Abend war interaktiv gestaltet und hat das Publikum mit ins Boot geholt.“ Es habe so viele Denkanstöße gegeben, dass man sich problemlos darin habe wiederfinden können. Das nächste Montagsgespräch findet am 6. November 2017 unter dem Titel „Frieden machen – wie geht das?“ wie gewohnt in den Räumlichkeiten der bpb nahe des Checkpoint Charlie statt. Weitere Informationen unter: www.bpb.de/veranstaltungen/format/ checkpoint-bpb-die-montagsgespraeche/


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Im Fokus

Wir alle warten - aber worauf eigentlich? Unser neuer Fotograf David Schwier hat sein Archiv durchstÜbert und präsentiert uns die Bilder, die nur darauf gewartet haben in unserem Magazin abgedruckt zu werden.


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Wo sich Glühwürmchen und Dracula „Gute Nacht“ sagen

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von Elena Gassner Wenn die Nacht zum Tag wird und die Glühwürmchen ungestört ihren fleischlichen Begierden nachgehen, dann befindet man sich wohl in der freien und ungezähmten Natur. Oder im Museum für Kommunikation Berlin. Denn hier kann man seit dem 30. September 2017 die Nacht und ihre facettenreichen Gesichter und Geschöpfe in einem völlig neuen Licht kennenlernen. Dabei geht es um „alles außer Schlaf“. Viele Studierende kennen genau dieses Problem: Die Hausarbeit ist in den letzten Wochen einfach nicht fertig geworden. Oft müssen dann die vor der Deadline verbleibenden Nächte durchgearbeitet werden. Von Schlaf keine Spur. Auch andere Berufsgruppen gehören zu dieser Art von Nachtschwärmern und lassen in der Ausstellung die Nacht zum Tag werden. In der Dunkelheit lauert allerdings nicht nur der Druck von Dekan und Wirtschaft. Denn neben den Geheimnissen der nächtlichen 20er-Jahre und der heutigen Club- und Spätikultur, kann man die Welt von Vampiren, furchterregenden Nachtmahren und anderen Wesen der Finsternis entdecken. Darüber hinaus können

die BesucherInnen die Nacht und ihren Ruf über die Jahrhunderte kennenlernen. Von der melancholischen Nacht als Inspiration und Schlafräuber, wenn das nächtliche Gedankenkarussell einfach nicht stillstehen will, bis zur als Gottheit personifizierten Nacht, die im Laufe der Jahrhunderte der wissenschaftlichen Auffassung entgegen gestellt wurde. Allerdings werden auch die Schattenseiten der Dunkelheit nicht außen vor gelassen. Prostitution und Obdachlosigkeit sind genauso Gegenstand der Ausstellung wie Fabelwesen und Feierkultur. Dabei wird mit in der Öffentlichkeit häufig verbreiteten Klischees gearbeitet und gleichzeitig versucht, diesen Vorurteilen entgegenzuwirken. Wer auch den jungen Nachtaktiven solch brisante Themen nahebringen möchte, der bedient sich der eigens für die kleinsten BesucherInnen angelegten, interaktiven Kinderstrecke. Insgesamt 350 Ausstellungsstücke finden ihren Platz in den nächtlichen Hallen des Museums. Dazu locken zahlreiche interaktive Stationen und Rahmenprogramm zum Mitmachen. Begleitet wird der Besucher an insgesamt zehn Abenden auch vom KünstlerInnenduo „hannsjana“, das, verkleidet als Glühwürmchen, beim interaktivem Audiowalk durch die Ausstellung führt und dabei auch das Flirtund Paarungsverhalten der leuchtenden Insekten demonstriert. Wer also schon immer einmal auf legalem Wege seinen Graffiti-Tag hinterlassen oder wissen wollte, wie lange eigentlich Angela Merkel schläft, der hat noch bis zum 18. Februar 2018 Zeit, sich „DIE NACHT“ in der Leipziger Straße anzuschauen. Und wer nach der Ausstellung nicht vom Bann der Nacht losgelassen wird, der kann sich zusätzlich seine Träume durch das „Buch der Nächte“ erhellen lassen.

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Reportage

t i e b r A e l l o V n h o L e n oh

Menschenrechte. Schutz von Minderheiten, Geflüchteten, Frauen und Kindern. Viele junge Menschen träumen davon, selbst in einer Organisation wie den Vereinten Nationen (UN) tätig zu werden. Dabei ist bei Karrierebeginn eine Teilhabe an dem großen Ganzen alles andere als einfach. Angestellt wird häufig nur, wer Arbeitserfahrung hat – und dies in Form von Praktika. Das Problem liegt jedoch nicht nur in dem grundsätzlich schon schwierigen Zugang. Knackpunkt ist die Tatsache, dass diese oft mehrere Monate dauernden Praktika ohne finanzielle Entlohnung absolviert werden müssen.

So erging es auch Sonja Kahl, einer 24-jährigen Jurastudentin aus Berlin. Sie war vier Monate in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Sie arbeitete dort wie andere RechtsreferentInnen. Allerdings mit dem Unterschied, dass sie eben nicht bezahlt wurde. „Insgesamt gab es wohl mehr Praktikanten als Referenten.“ Sie hatte aber den Eindruck, dass ihre Arbeit alles andere als entbehrlich war. „Es war ein gutes Gefühl, einen Beitrag zu dem Auftrag des Gerichts leisten zu können.“ Weltweit betrachtet ist es nicht nur die UN, die in ihren verschiedenen Unterorganisationen PraktikantInnen nicht entlohnt. Gleiches gilt für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, die Weltgesundheitsorganisation oder auch die Internationale Organisation für Migration. Bisweilen gibt es Stipendienprogramme, die oft nur einen Teil der Lebenshaltungskosten abdecken und überhaupt nur einem kleinen Anteil der Bewerber zur Ver-

von Miriam Nomanni -

fügung stehen. Das Wirken der Vereinten Nationen ist in diesem Kontext erheblich: Mit über 4500 unbezahlten PraktikantInnen im Zeitraum 20142015 verblieben ganze 10 Prozent der beschäftigten Personen ohne Lohn.

der Aufenthalt eine unwahrscheinliche Bereicherung für meine fachliche Ausbildung darstellt und ich dankbar bin, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Nur die Umstände, die hätte ich mir anders gewünscht.“

Kahl habe die Erfahrung fachlich und menschlich sehr genossen, konnte sich den Aufenthalt finanziell jedoch nur durch günstige Umstände leisten. „Ich hatte durch eine andere Auslandsförderung noch ein wenig Geld über. Aus eigenen Mitteln hätte ich das unbezahlte Vollzeitpraktikum nicht machen können.“ Diese Situation sei auch ein Thema unter den PraktikantInnen gewesen.

In diesem limitierten Zugang, der durch die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der BewerberInnen entsteht, sieht der 27-jährige Alex Renault aus Genf das große Problem. Er ist Mitglied bei der Fair Internship Initiative (FII), die sich bemüht, PraktikantInnen und ihren Bedürfnissen Gehör zu verschaffen. Die Initiative, die 2015 entstand, besteht im Kern aus zehn Personen sowie vielen HelferInnen rund um den Globus und hat Standorte in Genf, Wien und New York. „Aus unseren Erhebungen ergibt sich zum einen, dass es in den Jahren 2014-2015 mehr Praktikanten aus Frankreich als vom gesamten afrikanischen Kontinent gab“, erklärt Renault. Zudem gaben 76 Prozent der befragten Personen an, dass sie ein Praktikum ohne das finanzielle Zutun ihrer Familie nicht hätten absolvieren können. „Letztlich schaden unbezahlte Praktikumsplätze dem gesamten Arbeitsmarkt. Nach und nach verdrängen sie bezahlte Einstiegsjobs.“ Er könne nur jedem raten - egal wie spannend oder karrierefördernd ein Praktikum dargestellt werde – dass ohne fairen Lohn ein solches Angebot nie angenommen werden sollte. Unter den Praktikanten gibt es aber auch weniger kritische Stimmen, die auf die Möglichkeiten verweisen, die Studierenden und Young Professionals geboten werden.

Aus eigenen Mitteln hätte ich das unbezahlte Vollzeitpraktikum nicht machen können. Sonja Kahl

„Es ist verständlich, dass einer Praktikantin nicht das gleiche Gehalt wie einer festangestellten Mitarbeiterin gezahlt werden kann, dennoch ist die Frage der Entlohnung auch eine Frage der Wertschätzung“, so Kahl. Unabhängig vom Gehalt habe es auch keine anderen Formen von Entlastungen gegeben. „Die UN hätte ja auch die Möglichkeit, uns zumindest ein kostenloses Mittagessen, Kaffee oder den Zugang zu Sprachkursen zur Verfügung zu stellen.“ Dies sei jedoch nicht geschehen. „Ich möchte betonen, dass


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Reportage Die 22-jährige Lisa Grunenberg, die ebenfalls in Berlin Jura studiert, absolvierte ein zweimonatiges Praktikum bei der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. „Unbezahlte Praktika könnten natürlich die Gefahr bergen, dass der Praktikumsplatz von den finanziellen Möglichkeiten abhängt, nicht vom Interesse und der Leistung“, erläutert sie. Trotz der Kritik sei zu bedenken, dass sich die Vereinten Nationen um das Gute in der Welt bemühen und man sich der Problematik um die unbezahlten Praktika bewusst sei. „Selbst UN-Generalsekretär António Guterres hat die unbezahlten Praktika bei einer Veranstaltung angesprochen.“ Sie selbst habe zum einen eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 300 Euro erhalten und die sonstigen Kosten durch Ersparnisse abgedeckt. „Ich war von dem Praktikum begeistert und würde es jedem empfehlen, der sich für eine Arbeit in einer internationalen Organisation interessiert“, meint sie. Dennoch hatte es schon in den vergangenen Jahren immer wieder Proteste und Kampagnen von Organisationen und Praktikanten selbst gegeben. Mit Ausnahme von UNICEF, das Anfang Oktober 2017 einen Paradigmenwechsel ankündigte, hält die UN an unbezahlten Praktika fest. Bekannt wurde dabei insbesondere ein Vorfall im August 2015 in Genf, bei dem ein UN-Praktikant behauptete, sich die dortigen Mieten nicht leisten zu können und deshalb im Zelt zu leben. Seine Lebensumstände blieben zunächst von seinen Vorgesetzten unentdeckt, bis er selbst die Presse informierte. Tatsächlich wollte der Neuseeländer die Diskussion um die unbezahlten Praktika neu entfachen und hatte die Situation damit forciert – dennoch, die reale Problematik, die er mit seinem Experiment aufzeigte, bleibt bestehen. Auf Anfrage erläuterte Farhan Haq, stellvertretender Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres, die Situation mit den Worten: „Die UN-Mitgliedsstaaten erlauben keine Bezahlung von Praktikanten, indem sie kein Budget verabschieden, das Geldmittel zu einem solchen Zweck bereitstellt. Im Ergebnis, obwohl sich die UN bemüht, dass ein Praktikum eine bereichernde Erfahrung für die teilnehmen Praktikanten darstellt, sind wir nicht in der Lage, bezahlte Praktika anzubieten.“ Auch seien ihm aktuell keine Entwicklungen innerhalb der UN bekannt, die eine Veränderung dieser Situation andeuteten. Für FII-Mitglied Renault ist das fehlende Budget jedoch nur ein Teil der Wahrheit. „Ja, die meisten Mitgliedstaaten haben eine ‚zero growth policy’ in Bezug auf das Budget. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass der fehlende Wille der UN-Administration das Hauptproblem darstellt.“ Für ihn sei die Tatsache, dass eine Organisation, die auf Menschenrechten fußt, eine hohe Anzahl von schlechter gestellten und unbezahlten PraktikantInnen beschäftigt, ein unauflöslicher Gegensatz. FII möchte auf Artikel 23 der UN-Menschenrechtscharta verweisen:

Artikel 23 1. Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. 2. Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. 3. Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen. (…)

s a w f Au t s e t r wa ? h c o du n Wir suchen dich! Möchtest du fesselnde Reportagen schreiben und spannende Interviews führen, die unsere LeserInnen in ihren Bann ziehen? Wenn du dich journalistisch ausprobieren möchtest, dann kannst du bei Berlins größtem Campusmagazin als RedakteurIn einsteigen. Wir suchen ab sofort kreative Köpfe für unser Team. Falls du Lust bekommen hast und mitmachen möchtest, dann schick‘ uns ein paar nette Zeilen und am besten gleich einige Arbeitsproben mit dazu. Das Ganze geht dann an: redaktion (at) spree-magazin.de


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Interview

Dachdecken ist sein gesetz

Was tun, wenn einem das Studium zu viel wird oder der Wunsch aufkommt, etwas völlig anderes zu machen? Gewagt hat es Tobias Stopp: Er studierte Jura und ist jetzt Inhaber eines Dachdeckerbetriebs. Spree: Wieso hast du dich damals für das Jurastudium entschieden? Tobias Stopp: Ich dachte, das wäre etwas, womit man später Geld macht und was vielleicht Spaß machen könnte. Aber ich habe schon während des Studiums gemerkt, dass dem nicht so ist. Am Anfang war es noch super interessant, aber irgendwann wurde es einfach nur unglaublich langweilig. Es gab ein paar Fächer, die waren super spannend. Ich habe Rechtsgeschichte als Schwerpunkt gehabt und das war wirklich cool. Aber später habe ich gesagt, ich lerne Dachdecker, weil ich schon während des Studiums in einer Dachdeckerei gejobbt habe und dann dachte, dass mir das eigentlich viel mehr Spaß bereitet. S: So eine Entscheidung gegen das Studium fiel doch aber bestimmt schwer... TS: Nö, das ist mir nicht schwergefallen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sagt: „Jetzt mach ich was, was mir Spaß macht“. Es ist nur schwer, wenn man dann mit Ende 20 nochmal in die Berufsschule geht und dort zwischen 16-Jährigen sitzt. Aber ansonsten ist mir die Entscheidung nicht schwergefallen. S: Hast du deinen Studienabbruch jemals bereut? TS: Manchmal habe ich es schon bereut, aber das hatte dann nichts mit dem Studium zu tun. Es gibt andere tolle Berufe und dann denkt man sich: „Oh, hätte ich nur mal das oder das gemacht.“ Aber wirklich bereut habe ich es nicht. Ich habe einen extrem stressigen Job, und es gibt hier auch oft Ärger, sei es mit Mitarbeitern oder Kunden. Aber

von Elena Gassner -

so etwas hat man in jedem Beruf. Und manchmal macht meine Arbeit auch Spaß. Für mich war es die richtige Entscheidung, aber eben auch, weil ich eine Affinität für das Handwerk habe. S: Und wie hat dein Umfeld reagiert, als du dein Studium abgebrochen hast? TS: Gegenwind bekam ich von Freunden aus dem Studium. Die fanden das total schlimm und konnten sich überhaupt nicht vorstellen, wie man so etwas nur machen kann. Man würde sein Leben in die Tonne treten. Aber von den, ich sage mal „Nicht-Akademiker-Freunden“, haben eigentlich alle gesagt, dass ich die Ausbildung machen soll. S: Hat dir das Studium rückblickend trotz alledem etwas gebracht? TS: Auf jeden Fall. Es geht ja auch nicht nur darum, diesen Abschluss zu machen. Das Studium erweitert deinen Horizont und die Lebenserfahrung. Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, aber diese ganzen Parties und das alles, was man da mitnimmt, das fehlt den Leuten, die direkt nach der Schule in die Lehre gehen. Man bekommt ein ganz anderes Lebensgefühl. S: Wie lautet deine Empfehlung für junge Menschen, die auf der Suche nach der passenden Karriere sind? TS: Ich würde den Leuten sagen: „Guckt euch ein Studium für ein paar Semester an und dann sucht euch einen Beruf aus, der euch Spaß macht.“ Es ist egal, ob man damit Geld machen kann oder nicht. Der monetäre Aspekt sollte eigentlich immer im Hintergrund stehen. Und das Umfeld sollte man da auch komplett außenvorlassen. Ich kann nur jedem empfehlen, das zu machen, was einem Spaß macht. Ganz egal in welchem Bereich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man diesen Job noch 40 Jahre machen muss. Ich wusste für mich, ich will diese Jahrzehnte als Handwerker verbringen.

Bild: www.dachdeckermeister-stopp.de


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Kommentar

Die Bildungselite, die keiner braucht ?

von Kathrin Stopp -

Immer mehr Menschen entscheiden sich für ein Studium, während immer weniger eine Ausbildung machen wollen. Das scheinbare Problem heißt „Überakademisierung“. Ist die Generation Y etwa zu gut ausgebildet? Es gibt zu viele studierte Leute auf dem Arbeitsmarkt – zumindest, wenn man Christian Lindner glaubt. Mehrfach warnte der FDP-Chef im Wahlkampf vor einer vermeintlichen Überakademisierung und dem „Abitur für alle“. Auch die Handwerkskammern vieler Länder monieren, dass zu viele Jugendliche studieren wollen und dem Handwerk der Nachwuchs fehle. Warum drängen also immer mehr Menschen an die Hochschulen und wo liegt dabei eigentlich das Problem? Die erste Frage lässt sich schnell beantworten: Mit einem Studienabschluss in der Tasche verdient man ganz einfach mehr Geld als beispielsweise im Handwerk. Zudem ist die Aussicht auf Arbeitslosigkeit geringer. Und sicherlich hat die Entscheidung für ein Studium auch mit unserer Sozialisation zu tun. Wohl den meisten der heute 20- bis 35-Jährigen wurde seit der Kindheit eingebläut, wie wichtig es ist, Abitur zu machen, um später einen guten Beruf zu erlernen. Dass es auch gute Berufe gibt, für die man weder Abi noch Studium braucht, hatten die meisten wohl lange Zeit gar nicht auf dem Schirm. Mal ehrlich: Wem wurde nicht erzählt, dass er oder sie alles Mögliche erreichen kann und auch soll? Problematisch wird es für uns, wenn wir dann mit der harten Realität auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert werden. Konkurrenzdruck, Befristung und prekäre Bezahlung lassen einen plötzlich erkennen, dass man nichts Besonderes ist – trotz Eliteuni und Auslandspraktikum. Aber wären wir heute weniger enttäuscht, wenn uns schon zu Schulzeiten ein Christian Lindner gesagt hätte, dass wir lieber nicht studieren sollen? Vielleicht liegt das Problem ja auch genau darin, dass wir uns in der Vergangenheit

zu oft haben leiten lassen von Prognosen aus Politik und Wirtschaft oder den Ratschlägen der Eltern und LehrerInnen, statt herauszufinden, was wir eigentlich können und wollen. Zumindest der Statistik nach gibt es weder ein signifikantes Überangebot an AkademikerInnen noch ein Unterangebot an Auszubildenden. Qualifizierte Fachkräfte, ob nun studiert oder nicht, haben gerade gute Chancen auf einen Job. Um diese optimal zu nutzen braucht es ein Bildungssystem, in dem alle SchülerInnen die Möglichkeit haben sollten herauszufinden, was ihnen Spaß macht und wo ihre Stärken liegen. Ganz ohne Fremdbestimmung und Erwartungsdruck. Dann wäre der nächsten Generation nur noch folgendes mit auf den Weg zu geben: Macht am besten das, worauf ihr Lust habt.

In Deutschland stieg Zahl der Studierenden in den letzten 25 Jahren um über eine Million. Im Wintersemester 2016/17 war sie mit 2,8 Mio. so hoch wie nie. Die Zahl der Auszubildenden ging in den letzten 25 Jahren hingegen um 400.000 zurück. Die Nachfrage nach Auszubildenden nimmt zu, wird aber auch weitgehend beantwortet: Bis August 2017 bewarben sich 532.000 Menschen auf Ausbildungsstellen. 528.000 Ausbildungsstellen waren gemeldet.

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Feature

Stress, Leistungsdruck und Prüfungsangst: Wer im Studium herausragend sein will, dem wird viel abverlangt. Auch aus Sorge, auf dem späteren Arbeitsmarkt nicht attraktiv genug zu sein, verausgaben sich immer mehr Studierende. Ein erfolgreiches Studium geht jedoch auch ohne Dauerstress. von Leonie Schöler -

Laut einer repräsentativen Umfrage der Techniker Krankenkasse stehen 55 Prozent der Studierenden regelmäßig unter Stress. Ein weiteres Viertel sieht sich sogar unter Dauerdruck. Doch wie viel Stress ist gut fürs Studium und ab wann ist er gesundheitsgefährdend? „Stress wird sehr häufig als etwas Negatives gesehen“, beobachtet Jennifer Hüge, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Bundesverbandes für Burnout-Prophylaxe und Prävention (DBVB e.V.). Für die Therapeutin, die auch als Coach für Stressmanagement arbeitet, steht fest: „Um Leistungen zu erbringen, ist Stress durchaus wichtig. Schlecht ist es dann, wenn es keine Entspannungsphasen mehr gibt und er zu etwas Chronischem wird.“ Chronischer Stress ist gerade unter Bachelor-Studierenden keine Seltenheit: Laut einer Studie der Freien Universität Berlin berichten 41 Prozent von hoher emotionaler Erschöpfung. Ist das der Dauerzustand im Studium, kann das schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben: „Niemand erkrankt nach vier Wochen Stress an Burnout, das ist ein monate- oder jahrelanger Prozess. Wer aber dauerhaft unter Druck steht, stößt irgendwann an seine körperlichen Grenzen“, warnt Hüge. Neben zunehmenden Studienanforderungen im Zuge des Bologna-Prozesses verschärft sich auch die Situation für Hochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt. Wer nicht schon während des Studiums einschlägige Berufserfahrungen in Form von häufig unbezahlten Praktika sammelt oder sich gesellschaftspolitisch engagiert, hat deutlich schlechtere Chancen. Dem versuchen die Studierenden mit dem Anspruch entgegenzuwirken, das Studium in Regelstudienzeit abzuschließen. Für Brigitte Reysen, psychologische Beraterin an der Freien Universität Berlin, hängt das vor allem mit gesellschaft-

lichen Aspekten zusammen: „Immer mehr junge Leute haben Angst davor durch ein Raster oder gewisse Ausleseprozesse zu fallen, wenn sie nicht schnell und gut genug sind. Diese Entwicklung beginnt mittlerweile schon an der Schule.“ Dabei sei die Wahrscheinlichkeit, nach dem Hochschulabschluss keine Anstellung zu finden, in der Realität verschwindend gering. „Langzeitstudien zeigen, dass weit über 90% der Hochschulabsolventen einen Job finden. Die Arbeitslosenquote unter Akademikern liegt weit unter dem Bundesdurchschnitt.“ Studierenden, die unter zu viel Stress leiden, rät sie: „Es ist durchaus wichtig, sich neben dem Studium ehrenamtlich zu engagieren oder beruflich zu qualifizieren. Man sollte sich aber selbst fragen, was einem Spaß macht und wirklich guttut, um eine Balance zu finden.“ Wer mit dem Druck im Studium nicht mehr zurechtkommt, kann sich also Hilfe suchen. An jeder Universität gibt es Beratungsstellen, die beim Organisieren des Studienalltags und dem Beseitigen von Zukunftsängsten helfen. Auch wenn uns Studierenden viel abverlangt wird – alleine bleiben müssen wir damit nicht. Hier gilt: Ein erfolgreiches Studium ist ein gesundes Studium.

Illustration: Angelika Schaefer

Mein Herz rast, meine Hände schwitzen. In meinem Kopf kreisen die Gedanken zwischen „Ich habe mich super vorbereitet, ich schaffe das“ und „Was, wenn ich das Falsche gelernt habe oder auf einmal alles vergesse?“. Ich bin auf dem Weg in die mündliche Modulabschlussprüfung und habe gleich 30 Minuten Zeit, meine DozentInnen von meinem Wissen zu überzeugen. Die letzten Wochen habe ich zur Vorbereitung fast ausschließlich in der Bibliothek verbracht – und ein Ende der Klausuren ist noch lange nicht in Sicht. Ich bin gestresst, dazu gesellt sich Prüfungsangst. So wie mir ergeht es den meisten der etwa 2,8 Millionen deutschen StudentInnen.


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Interview

Ihr kennt ihn als provokanten Fragesteller aus der Bundespressekonferenz, aus der Politserie „ Jung & Naiv“ oder von seinem „Aufwachen!“-Podcast. Tilo Jung schafft es mit seinen Fragen, dass PolitikerInnen sich selbst in die Bredouille bringen.

von Clara Westhoff Spree: Seibert, Schäfer und Co. haben in der Bundespressekonferenz wirklich nicht auf dich gewartet – wieso eigentlich nicht? Tilo Jung: Die waren es gewohnt, dass zur Bundespressekonferenz JournalistInnen aus dem tagesaktuellen Bereich kommen. Jetzt sitzt da einer, der nicht so arbeitet und nicht wegen einem Artikel kommt; jemand, der einfach nur generelle Fragen stellt und der Regierung nicht alles glaubt. Ich glaube, dass die BPK damit nicht gerechnet hat – ich ja auch nicht. Ich bin Mitglied geworden, ohne dass ich das vorhatte. Das hat sich dann so entwickelt. S: Was motiviert dich, mehrmals die Woche zur BPK zu gehen? TJ: Erstens macht’s Spaß, zweitens sind wir die einzigen, die das in dieser Form machen und drittens müssen wir es machen, weil es kein anderer Sender überträgt. Das wird der Öffentlichkeit ja sonst vorenthalten. S: Ist es nicht entmutigend, wenn auf deine Fragen häufig nur Floskeln, Ausreden und Aussageverweigerungen folgen? TJ: Das wäre entmutigend, wenn du erwarten würdest, dass du eine Antwort bekommst. Ich erwarte generell überhaupt nichts.

S: Du hast angefangen BWL und Jura zu studieren. Wie hast du gemerkt, dass das nichts für dich ist und du lieber über Politik berichten möchtest? TJ: Ich habe erst BWL studiert und nebenbei bei Startups gearbeitet, weil ich selbst eines gründen wollte. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass das BWL-Studium staubtrocken ist. Dann habe ich mit Jura angefangen, weil ich dachte, dass ich gut argumentieren und debattieren kann. Mir wurde dann klar, dass das bei Jura gar keine Rolle spielt – und dann auch noch diese Bibliotheksarbeit. Dabei bin ich eigentlich ein großer Streber, aber halt auf meine eigene Weise. S: Gibt es Themengebiete in der Politik, die dich persönlich besonders interessieren? TJ: Ja! Ein besonderes Augenmerk ist die Außenpolitik. Ich habe mal in Amerika gelebt und kenne dadurch die andere Seite. Ich bin mit dem Irakkrieg aufgewachsen und dadurch politisiert worden. Außenpolitik ist auf jeden Fall mein Lieblingsthema, da wird die Doppelmoral deutscher Politik besonders deutlich. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Anti-ISIS Einsatz, wo wir Deutschen mithelfen, Menschen in Syrien zu bombardieren. Dort sind schon tausende Zivilisten umgekommen. Dabei ist der Einsatz völkerrechtswidrig, weil es gar kein UN-Mandat gibt – das interessiert mich dann natürlich. Dann interessiert mich außerdem alles, was mit Europa zu tun hat oder innenpolitische Themen wie Überwachung. Vorratsdatenspeicherung ist auch eines meiner Lieblingsthemen.


Interview S: Augenscheinlich gehst du mit allen Parteien gleichermaßen kritisch um. Gibt es für dich dennoch eine Partei, mit der du mehr sympathisierst als mit anderen? TJ: Ja klar. Ich habe für viele Parteimitglieder Sympathien. Auch aus Parteien, die ich niemals wählen würde. Einfach weil sie gute Ansichten haben und aus ihrer Partei herausstechen. Zum Beispiel Marco Bülow (SPD): Der stellt sich gegen seine Partei, wenn er etwas nicht gut findet. S: Gehst du wählen? TJ: Meistens. Ich halte nichts davon, Nichtwähler zu dämonisieren oder sie als schlechte Menschen und als undemokratisch abzustempeln. Wir leben in einem freien Land und haben freie Wahlen. Das bedeutet auch, die Freiheit zu haben nicht zur Wahl zu gehen. S: Der Slogan von Jung & Naiv lautet „Politik für Desinteressierte“. Deine Zuhörer und Zuschauer wirken aber nicht gerade politikverdrossen. Wie siehst du das? TJ: Wir kokettieren ja mit diesem Slogan. Die einen lesen das und fühlen sich dadurch provoziert und die anderen holt man damit ab. Aber unser Anspruch war immer, das Projekt für alle Seiten offen zu machen. Wir haben keine Zielgruppe. S: Du fährst ja gerne die provokante bzw. naive Schiene und hast dir deswegen auch mal eine Auszeit bei deinem

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ehemaligen Arbeitgeber Krautreporter eingehandelt. Bist du heute vorsichtiger mit deinen Äußerungen, Posts und Nachfragen oder ist „Jung & Naiv“ nach wie vor Programm? TJ: Ich habe ein Bild gepostet wie ein Mädchen augenscheinlich von ihrem Freund getreten wird – am Weltfrauentag. Das war ein misslungener Witz, ich bin da heute vorsichtiger. Ich denke jetzt viermal darüber nach, bevor ich einen Witz poste. Außerdem hat sich Krautreporter damals in meine privaten Angelegenheiten eingemischt. Die hatten den Post auf sich bezogen und sind mir dann in den Rücken gefallen. Ich habe mich daraufhin entschuldigt und mich freiwillig von den Krautreportern zurückgezogen. Ich habe zehn Jahre lang dreckige Witze gerissen und alles Mögliche geteilt, das war für mich damals Social Media. Mittlerweile weiß ich, dass es Leute gibt, die jeden Scheiß von mir monitoren. Das war mir vorher nicht so klar. S: Du bist mit deiner sehr eigenen Art des Video-Bloggings kein klassischer Journalist, fühlst du dich gegenüber journalistischer Grundprinzipien wie z.B. dem Pressekodex überhaupt verpflichtet? TJ: Absolut. Ich bin ja auch dem Kodex der Bundespressekonferenz verpflichtet. Am Ende geht es um den Journalismus, nicht um meine Meinung. Für mich bedeutet Journalismus, den Leuten zu zeigen, zu erzählen und zu protokollieren was so passiert ist. S: Warum lässt sich die Bundeskanzlerin eigentlich lieber von Youtubern wie AlexiBexi als von dir interviewen? TJ: Weil sie von Menschen interviewt werden möchte, die keine Ahnung haben, wie man Interviews führt. Interviewführung ist ein Handwerk, das muss man lernen. Fragen stellen ist nicht schwer, aber es geht darum gut zuzuhören und nachzuhaken. Das konnten die Youtuber alle nicht.

Bild: privat

S: Bist du nur aufgrund des Politikgeschehens noch in Berlin? TJ: Ich kann mir nicht vorstellen in irgendeiner anderen deutschen Stadt zu leben. Ich komme ja vom Land und bin auch froh, dort aufgewachsen zu sein, aber ich bin mittlerweile ein Kosmopolit. Berlin ist für mich eine Weltstadt, ich fühle mich hier wohl und könnte außerdem nirgendwo in Deutschland das machen, was ich hier mache.

Berlin ist für mich eine Weltstadt. Ich fühle mich hier wohl und könnte nirgendwo in Deutschland das machen, was ich hier mache.

S: Zum Abschluss – was ist das Beste an der Hauptstadt? TJ: Ich mag das Unvollendete, das haben andere Hauptstädte nicht. Erstens ist es keine Rich-Bitch-Stadt, hier muss man zum Leben nicht viel Geld haben. Junge Menschen und Künstler können hier hinkommen – Leute, die eine Stadt braucht, um sich zu verändern. London, Paris oder Rom haben das nicht mehr. Einer meiner Lieblingsspots in Berlin ist übrigens der Flakturm am Gesundbrunnen. Dorthin nehme ich immer wieder gerne Gäste von außerhalb mit und zeige ihnen den tollen Blick über die ganze Weststadt


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Glosse

Glücklos im Berliner WG-Dschungel von Clara Westhoff -

Nette Abende in der Küche, gemeinsame Serienmarathons und Freunde fürs Leben – so hatte ich mir das WG-Leben vorgestellt. Ich versuchte mir mein erstes Zimmer in Berlin zu organisieren und musste gleich einstecken. In den Anzeigen im Netz wurden einige Forderungen gestellt: Nur mit WG-Erfahrung, nur mit eigener Waschmaschine, nur Bewerber, die mindestens 25 Jahre alt sind. Mein Traum von der coolen StudentenWG zerplatze schnell und ich landete in einer Wohngemeinschaft mit zwei Kerlen über 40. Immerhin mit Katze. Auf dem Boden der Realität, bzw. in Neukölln, gelandet suchte ich hoffnungsvoll weiter. Ich verfasste die geforderten Motivationsschreiben und besorgte Unterlagen, die bewiesen, dass ich mit meinen damals 18 Jahren schulden- und straffrei war. Schließlich bewarb ich mich sogar für eine WG, in der ein Mitbewohner als „WG-Sklave“ angepriesen wurde. Auf so etwas stehe ich zwar nicht, aber beim Staubsaugen hätte er mir gerne helfen dürfen. Leider bin ich nicht zur Besichtigung eingeladen worden. Irgendwann fand ich ein schönes Zimmer in Mitte. Top vorbereitet erschien ich zum Casting. Ich wurde von Säbeln und einer betrunkenen Meute in bunten Kutten begrüßt. Dass die Wohnung einer Burschenschaft gehörte, wurde in der Anzeige nicht erwähnt. Preis, Lage und Not trieben mich jedoch dazu, das Zimmer zu nehmen. Nach einem halben Jahr merkte die Verbindung jedoch, dass ich weder Zeit noch Lust auf die kuriosen Veranstaltungen hatte. Ich durfte dann ausziehen. Mein Freund verfolgte diese Odyssee mit kritischem Blick und erbarmte sich schließlich, mich bei sich aufzunehmen. Immerhin er hat auf mich gewartet.

Illustration: Angelika Schaefer

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Glosse

von Joy Schult „Kleines WG-Zimmer in Charlottenburg frei.“ Die Anzeige ist ausführlich und knackig. Meine Mitbewohnerin befindet sich auf dem Weg nach England, mein Mitbewohner und ich sind zwangsweise involviert, da wir nun Ersatz für sie finden müssen. Tim aus Hannover passt doch perfekt: Er putzt liebend gerne alle paar Monate und bringt auch mal den Müll runter. Die Krönung wäre, wenn er dann noch täglich sein eigenes Geschirr wegräumen würde. David, 23, aus Österreich ist auch ganz bezaubernd, auch wenn die Verständigung nicht optimal abläuft. Er liebt es zu kochen, ist aber nicht der geselligste Mensch, wenn man sich in der Küche über den Weg läuft. Einige schreiben seitenlange Romane, in denen sie ihre tollen WG-Erfahrungen anpreisen, andere halten sich eher kurz: „Hey, was ist mit dem Zimmer?“ Viele wollen sofort einziehen, aber bitte ohne unsere aufgestellten Bedingungen. Facebook-Benachrichtigung von Lisa: „Ich nehme das Zimmer auch ohne Bilder und bezahle mehr Miete, wenn ihr mich nehmt. Brauche die Entscheidung aber sofort.“ Da ist mir Josephine, 21, aus Spanien doch um einiges lieber. Sie ist selten da, aber wenn, bringt sie gerne alle ihre Freunde mit. Um ihre drei Wellensittiche müssten wir uns dann allerdings auch kümmern. Mein Blick fällt auf die gepackten Kartons. Die Absage-Mail wurde direkt zusammen mit der Anzeige verfasst. Meine Mitbewohnerin lächelt mich an und drückt auf absenden: „Dit is’ schließlich Berlin und auf euch hat nun echt keiner gewartet.“

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Feature

n i e d d n f a m Au e i n t a h l fi o Pr . t e t r a w ge von Thomas Rostek & Sandra Keil -

Sorry. Du hattest nie eine echte Chance. Ich steh’ eigentlich auf Araber.

Nach fünf Dates flimmern diese Zeilen über den Bildschirm meines Handys. Sie wirken lieblos und nüchtern auf mich – und sie sollten die letzten Zeilen bleiben, die ich von Tobias* zu Gesicht bekomme. Ich seufze und meine Miene verfinstert sich. Für mich ist die Sache klar: Er ist einer wie alle anderen und alle Männer sind gleichermaßen selbstverliebte Arschlöcher. Tobias habe ich über PlanetRomeo kennengelernt – eine der in Deutschland am meisten verbreiteten Dating-Apps für schwule Männer. Alleine die Filter, mit denen man nach passenden Matches suchen kann, sind für viele Außenstehende verstörend: Penisgröße und Fetische, die ethnische Herkunft oder die Frage, ob man in Sachen Safer Sex ab und an ein Auge zudrückt und das Gummi einfach weglässt. Oft ist mir gar nicht mehr bewusst, wie ausgrenzend diese Jagd ist, die nur eine goldene Regel hat: Effizienz. Denn es muss schnell gehen. Sowohl beim Verlieben als auch beim Sex. Wer nicht gleich zu Beginn bombastisch performt, der wird aussortiert. Einen Menschen zu ergründen ist so kaum noch möglich. Und doch schien

es mir, als würde es den Männern auf PlanetRomeo darum gehen, offen für Begegnungen abseits ihres Beuteschemas zu sein. Am Ende ging es Tobias weder um meinen Charakter oder die gemeinsamen Interessen. Nach einem Monat war mein Aussehen ausschlaggebend dafür, dass ich mit einem Einzeiler abgespeist und daraufhin geblockt wurde. Dating-Apps boomen in Deutschland. Der Umsatz von Datingbörsen erreichte 2011 zum ersten Mal die Grenze von 200 Millionen Euro - Tendenz steigend. Im Januar 2016 waren rund 25 Prozent der deutschen Bevölkerung der Meinung, dass das Internet der beste Ort sei, um die große Liebe oder jedenfalls eine Partnerin oder einen Partner für eine längere Beziehung zu finden. Aktuelle Umfragen zeigen, dass 35 Prozent der Befragten ihren Partner online kennengelernt haben. Die beliebteste Dating-App ist Tinder mit circa 50 Millionen Nutzern weltweit und mit täglich etwa 22 Millionen Matches. In Deutschland nutzen die App circa zwei Millionen User. Im Jahr 2015 waren rund 60 Prozent der User männlich. Interessant ist auch, dass sie dreimal häufiger nach rechts wischen als Frauen. Doch nicht nur Tinder ist auf dem Dating-Markt beliebt; auch Grindr, die meistbesuchte Dating-App für homosexuelle und bisexuelle Männer, hatte vor einigen Jahren bereits knapp 200.000 Nutzer. “Grindr verbindet dich ohne Umwege mit der Community, die jeden Tag stärker wächst”, postuliert der Dienst auf seiner eigenen Website. Dabei ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die User dieser Dating-App schnel-

len und unverbindlichen Sex suchen. Dennoch wird die App von ihren Entwicklern aus West Hollywood im Internet nüchtern als schwules soziales Netzwerk angepriesen und nicht als Möglichkeit, schnellstmöglich seinen Durst nach körperlicher Nähe zu stillen. Das erste, was ich vor einigen Jahren in einem Chat auf Grindr sehen durfte, war keine freundliche Anrede und auch kein schmeichelhaftes Kompliment. Ein Profil, auf dem nur ein muskulöser Oberkörper zu sehen war, schickte mir Bilder eines mächtigen Penis. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich also, was dieser Kerl in der Hose hatte, kannte aber weder sein Gesicht noch seine Art zu schreiben. Bilder von erigierten Geschlechtsteilen geschickt zu bekommen, ist en vogue. „Grindr ist eben die beste Wahl, wenn du schnell und unkompliziert Druck ablassen möchtest“, platzte es kürzlich einem meiner Dates heraus, nachdem ich mich über die Unverbindlichkeit ausgelassen hatte, die unsere Generation in Sachen Liebe an den Tag legt. So viele Dating-Geschichten sind im Umlauf, dass es eigentlich fast nichts mehr gibt, was unsere Generation noch schocken könnte. Ich als Frau kann davon ein Lied singen. Nachdem meine Liebe zu Itay* vor zwei Jahren ein Ende fand, bin ich nun wieder auf dem Single-Markt unterwegs – und dabei erfolgreich. Es kommt natürlich darauf an, wie man Erfolg definiert: Wenn man nur von der Anzahl der Dates spricht, dann ziehe ich eine positive Bilanz.


Kritik Wenn man aber vom Herzschmerz spricht, der mit diesen Rendezvous einhergeht, dann bin ich von Erfolgen weit entfernt. Da war zum Beispiel Matze*, den ich durch einen Job kennenlernte. Ich war fasziniert von ihm und wir kamen uns schnell näher. Unsere Affäre dauerte mehrere Monate, aber richtig aufeinander einlassen konnten wir uns nicht: Er traf andere Frauen, ich andere Männer. Den Sommer verbrachte er auf Festivals und berichtete mir stundenlang von den besonderen Momenten, die er dort ohne mich erlebt hatte. In einem Augenblick großer Zuneigung buchten wir Flüge für einen gemeinsamen Urlaub in die USA. Das gab mir Sicherheit und auch die Hoffnung, dass wir mehr waren als nur „friends with benefits“. Aber bereits am nächsten Tag folgte die Ernüchterung: Ich erhielt eine SMS, dass ihm alles zu schnell gehe. Er bat mich, ihm Bescheid zu geben, wie hoch die Kosten für die Stornierung der Flüge seien und er versprach mir, das Geld schnellstmöglich zu überweisen. Die Gründe für seine Entscheidung sind mir bis heute unklar. Von einer Sekunde auf die andere wurde ich meiner Illusion von diesem vermeintlich tollen Mann beraubt. Sex für eine Nacht und ohne jede Verpflichtung ist durch das OnlineDating genauso einfach geworden wie eine Pizza beim Lieferservice zu bestellen. Doch was kommt danach? Wir glauben: meistens Erwartungen an die andere Person, die sie nicht erfüllen kann oder möchte. Liegt es also an den Apps oder liegt es an der Anonymität der Großstadt, dass unsere Bindungsangst so groß ist? Die meisten von uns waren oder sind auf Dating-Portalen unterwegs. Wir können uns nicht davon freisprechen, nicht auch einmal jemanden vorschnell fallen gelassen zu haben. Und wir alle haben schon einmal für eine Nacht in Betten geschlafen, in denen wir vielleicht besser nie hätten schlafen sollen. Wir müssen uns eingestehen, dass wir nicht zu besseren Menschen werden, wenn wir digitales Dating verteufeln. Vielmehr geht es darum, den richtigen Umgang mit Tinder und Co. zu lernen. Unter Umständen öffnet das unsere Augen für ein Profil, das tatsächlich auf uns gewartet hat. *Namen von der Redaktion geändert

P P A l s that ! von Dominik Schlett -

Pünktlich zur neuen Ausgabe Pünktlich zur neuen Ausgabe sollte das nicht fehlen, was wir jeden Tag nutzen: Apps. Diese rundum praktischen Dinger überschwemmen nicht bloß jeden Bildschirm, sondern auch jeden virtuellen Papierkorb. Apps verschwinden dort leider nicht komplett, sie können über Rettungsprogramme wiederhergestellt werden. Wer ganz sichergehen will, kann die gelöschten Dateien sicher überschreiben. Für welche Apps der Papierkorb eures Smartphones noch zu schön ist, zeigen wir euch hier. Flatastic: Stressige Wohnungssuche? Totally been there. Aber mal im Ernst, feiern wir das nicht auch? Über was sollten wir denn sonst die ganze Zeit erzählen? Über den WGPutzplan, über die WG-Finanzen oder über die WG-Einkaufsliste? Am Ende machen die MitbewohnerInnen ohnehin, was sie wollen. Im Klartext: Was wäre eine WG ohne Chaos? Wie langweilig wäre eine Wohngemeinschaft, die ihr Zusammenleben sorgfältig organisiert und akkurat abgestimmt hat? Und genau das ermöglicht „Flatastic“. Alle MitbewohnerInnen werden über eine Pinnwand und Listen informiert, dass die Küchenschränke gefüllt oder die Schulden für Staubsaugerbeutel getilgt werden müssen. Wer also aus der eigenen WG ein Büro machen will, bekommt einen unentgeltlichen Datenchef, der zur Ordnung mahnt und alles speichert. Dafür benutzt Flatastic Google Analytics. Wenigstens wird kein Hehl daraus gemacht, dass die umfänglichen Nutzungsdaten auf Google-Servern in den USA landen. Verhindern kann man das Ganze in den Einstellungen, allerdings sind dann nicht alle Funktionen der App nutzbar. Fazit: slAPP that – together! Crazy Disco: Persönlich finde ich es

20 ziemlich nice, betrunken in der UBahn Musik von meinem Handy abzuspielen und dazu abzufeiern. Am besten noch, wenn man eine Boombox mit im Gepäck hat. Die Entwickler der App „Crazy Disco“ haben vergeblich versucht, ihren Teil zu einer gelungenen Party im Untergrund beizutragen: Vormals für 0,79 Euro über den App-Store zu kaufen, hält die Freude an der App nur für wenige Sekunden und dann auch nur bei drei Promille. Spätestens als ich merke, dass sich der Beat alle zehn Sekunden wiederholt und sich die flimmernde Discokugel deutlich zu schnell für meinen Alkoholpegel dreht, beginnt sich zügig ein Würgereiz einzustellen. Wer erwartet, dass die Glitzerkugel auf dem Display wenigstens in dunklen Räumen einen psychedelischen Effekt verursacht, bemerkt schnell, wie lächerlich man bei der Nutzung von „Crazy Disco“ aussieht. Nie war meine Lust, das eigene iPhone zu zerstören größer. Fazit: Put on your dancing shoes and slAPP that! Pocket Heat: Bei Kickstarter schoss kürzlich ein Projekt durch die Decke, das Wärme fürs Sweatshirt per Knopfdruck verspricht. Endlich nie wieder frieren! Ganz anders die App „Pocket Heat“: In einer Simulation lassen sich über einen Regler virtuelle Heizdrähte erhitzen. Je nach Stärke werden sie zum Glühen gebracht. Der Gipfel dieser absurden Sinnlosigkeit liegt im sagenhaften Preis von 1,09 Euro. Aber wie wir alle wissen, erschafft Geist Realität. Vielleicht wird’s manch einem tatsächlich heißer unter der Haube, wenn er kräftig am Regler schiebt. Fazit: A hot slAPP for that! Hold On: Vielleicht habt ihr bald steife Finger und Blutergüsse. Denn die Games-App „Hold On“ verlangt nichts geringeres als das dauerhafte Drücken auf den Bildschirm, während ein rotes Quadrat „Go“ anzeigt. Von nun an muss der Gamer jede Bewegung des Quadrats mit dem Finger nachziehen, während die Uhr läuft. Das Ziel? So lange wie möglich die Pranken auf dem Viereck kleben lassen. Laut „Bild“ liegt der Rekord bei viereinhalb Stunden. Fazit: slAPPsolutely stupid!


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Umfrage

Verlorene Generation? Von wegen!

Wir sind meistens damit beschäftigt individuell zu sein: Deshalb trinken wir vegane Soja-Latte mit Kokosblütenzucker, fahren ein Fixie und fahren zum Backpacking nach Usbekistan und Grönland. Selbstverständlich müssen wir das alles in sozialen Netzwerken teilen, wo wir dank unseres Smartphones rund um die Uhr abhängen. Wir sind die Generation Y: die Digital Natives und die Twentysomethings, von denen es ein ziemlich eindeutiges Bild zu geben scheint. Aber ticken wir wirklich so, wie alle denken?

von Kathrin Stopp -

Alles muss auf Facebook und Instagram gepostet werden; dank Tinder und Co. findet man seinen Partner nicht mehr auf der Kirmes: Ich könnte mir mein Leben ohne Handy nicht mehr vorstellen. Ich glaube auch nicht, dass die sozialen Kontakte darunter leiden. Das Vorurteil, dass die Jungen nichts mehr schaffen, finde ich gemein. Es baut eben keiner mehr mit 20 ein Haus, sondern macht einen Bachelor. Meine Oma kann zum Beispiel nicht verstehen, dass ich als Frau in die Uni und nicht arbeiten gehe. Dann muss ich immer erklären, dass Studieren auch Arbeiten ist. Anika, 20, Studiert Medizin

Alle denken, dass wir uns neu definieren müssten oder dass es bei uns anders laufen würde als vor einigen Jahrzehnten. Ich verbinde damit auch, dass wir über Beziehungskonzepte kritisch nachdenken, weil wir bei der Generation unserer Eltern sehen, dass Heirat oft nicht die beste Lösung ist. Auf jeden Fall steckt der Zweifel in unseren Köpfen; uns scheint das Leben viel schwieriger und ungewisser. Vielleicht müssten die Älteren uns Mut machen und sagen: „Tu es bloß nicht!“ oder vielleicht auch „Doch, du kannst es trotzdem tun.“

Generation Y, heißt das nicht, dass man orientierungslos ist? Dazu gehört auch sinnloses Feiern. Man hat alle Möglichkeiten und weiß nicht, was man machen soll. Ich bin in einem Freundeskreis, wo Geld und Karriere keine große Rolle spielen. Da gibt es bei einigen schon Konflikte mit den Eltern, weil sie sich Sorgen darüber machen, wovon ihre Kinder später mal leben sollen. Ich sehe, dass sich viele junge Leute von der Masse abheben und sich dabei auch mit anderen messen wollen. Ich habe aber keinen Drang dazu.

Charlotte, 25, studiert vergleichende Kunst- und Literaturwissenschaften

Konstantin, 24, studiert Musikwissenschaft und Italienisch

Impressum Herausgegeben von SD Media Services GbR Florian Diesing und Sebastian Weiß Reuchlinstraße 10-11, 10553 Berlin Tel.: +49 (0) 30 36 28 64 32 Chefredaktion (V.i.S.d.P.) Thomas Rostek redaktion@spree-magazin.de Redaktionelle Mitarbeit an dieser Ausgabe Elena Gassner, Sandra Keil Miriam Nomanni, Dominik Schlett Leonie Schöler, Joy Schult Kathrin Stopp, Clara Westhoff

Lektorat Thomas Rostek, Kathrin Stopp

Anzeigenleitung Florian Diesing

Layout & Design studio daniel mulder

Anzeigenredaktion Johannes Kersten, Leonie Schöler Tel.: +49 (0) 30 81 86 97 60

Fotografie David Schwier Bildnachweise Cover: Patrick Schöpflin S. 3-4: Thomas Rostek S. 7: David Schwier S. 16: privat S.21: Martina Krafczyk Illustration Angelika Schäfer

Druck Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH Auflage 30.000 Exemplare Vertrieb Eigenvertrieb, Dinamix Media GmbH Spree im Internet www.spree-magazin.de

Jede AutorIn ist im Sinne des Pressegesetzes für den Inhalt ihres oder seines Artikels selbst verantwortlich. Die in den Beiträgen vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung des Verlags und der Redaktion wider. Dem Urheberrecht entsprechend liegen die Rechte an den einzelnen Werken bei den AutorInnen. Der Nachdruck der Spree, auch auszugsweise, ist nur nach vorheriger Genehmigung des Verlags gestattet. Es gelten die Mediadaten vom 1. Januar 2017. Du möchtest als RedakteurIn für die Spree arbeiten? Bewirb dich mit einigen Arbeitsproben und schicke diese in einer kurzen Mail an: redaktion@spree-magazin.de


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