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Kurier | Hochschulzeitung der Deutschen Sporthochschule Köln | 03-2011

Vergessene Schätze an der Sporthochschule

© Hans Richstein, SHS/CuLDA

Im März 2009 stürzten nach einem Wassereinbruch in eine Baugrube das Historische Archiv der Stadt Köln und benachbarte Gebäude ein. Zwei Menschen kamen ums Leben. Das Stadtarchiv umfasste vor dem Einsturz ca. 30 Regalkilometer Archivgut, das man zunächst für zerstört hielt. „Hat Köln sein ‚Gedächtnis‘ für immer verloren?“ titelte sogar der Boulevard. Bis heute wurden ca. 85 Prozent der Bestände zum Teil schwer beschädigt geborgen. Nach dem Unglück verstärkte sich das öffentliche Interesse für die Bewahrung kulturellen Erbes deutlich – auch in der Wissenschaftsgemeinschaft. Dort wird neben der Bedeutung der eigenen Universitätsgeschichte auch die Wichtigkeit der Bewahrung von Objekten und Daten für die wissenschaftliche Weiterentwicklung erkannt, die immer wieder Rekurs auf bereits geleistete Forschungsarbeit nehmen sollte. Anfang 2011 veröffentlichte der Wissenschaftsrat Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen, in denen er die Bedeutung der universitären Sammlungen für Forschung, Lehre sowie Vermittlung in die Öffentlichkeit hervorhebt (www.wissenschaftsrat.de). Er fordert auf, deren Potential für die Forschung im Interesse des Wissenschaftssystems und der Gesellschaft besser nutzbar zu machen. An der Sporthochschule gibt es Zeugnisse aus Sport und Sportwissenschaft seit ihrer Gründung 1947 sowie von der Deutschen Hochschule für Leibesübungen (Berlin) als Vorgängerin. Die Nachlässe der Hochschulrektoren Carl und Liselott Diem bilden den Kern der Sammlung. Sie sind einmalige Quellen für sportgeschichtliche Forschung und die geschichtsbezogene Reflexion anderer Disziplinen der Sportwissenschaft. Hinzu kommen weitere Nach-

© Heinrich Meusel, DHfL /CuLDA

Archivprojekt zur Bewahrung des universitären Erbes für Lehre, Forschung und Außendarstellung

Oben: Medizinballtraining an der DHfL Berlin (um 1927). Unten: Vergleichswettkampf DSHS Köln – Uni Bern: 100-m-Finale (1949).

lässe, universitäre Archivalien, wissenschaftliche Sammlungen aus einzelnen Fachbereichen sowie das Deutsche Golf Archiv als Kooperation zwischen DSHS und Deutschem Golf Verband. Ende 2009 wurde an der DSHS vom Institut für Sportgeschichte in Kooperation

mit dem Zentrum für Olympische Studien (OSC) ein Archivprojekt ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Bestände der Sporthochschule zunächst detailliert zu dokumentieren und auf dieser Basis Strategien zu entwickeln, um das Erbe der Universität langfristig zu sichern

Neu an der SpoHo

Titel: Univ.-Prof. Dr. Geburtstag: 14.03.1970 Akademische Ausbildung: Studium der Politikwissenschaft, Mittleren und Neueren Geschichte sowie Germanistik in Köln, Oxford und Bonn

© privat

Hochschulen/beruflicher Werdegang: 1997-2003 wiss. Mitarbeiter am Jean Monnet Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Universität zu Köln, zeitweilig zugleich auch externer wiss. Mitarbeiter am Institut für Europäische Politik in Berlin; 2003-2010 wiss. Geschäftsführer des Instituts für soziale Bewegungen an der RuhrUniversität Bochum; Gastdozenturen und -professuren in Brüssel, Florenz, Bonn und Istanbul

Ein Buch, das man lesen sollte ... ... Peter Watson: Das Lächeln der Medusa: Die Geschichte des modernen Wissens.

Das würde ich gerne erfinden … ... den leistungsfähigen und energiedichten Akku für das Elektroauto.

Die beste Musik ist für mich ... ... aktuell: moderner franz. Chanson zwischen Isabelle Boulay und Chimème Badi.

Als Sportzuschauer findet man mich ... ... auf der anderen Rheinseite.

Da möchte ich unbedingt mal hin ... ... Lofoten.

Interessante Zeitzeugen Dabei kommt einiges zutage, was vor Jahrzenten bei Umstrukturierungen „eingelagert“ und vergessen wurde. In einem alten Schrank fanden sich zum Beispiel 38 Notizbücher des Journalisten Heinrich Stockmann mit Zeitungsausschnitten und Ergebnissen zum Radsport in Deutschland ab 1893 – eine einmalige Quelle. Aus dem Nachlass von Carl Diem sind im DiemArchiv Sachakten und Korrespondenz verzeichnet. Andere interessante „Zeitzeugen“ aus Diems Nachlass wurden vor ca. 25 Jahren separat gelagert und vergessen. Zu den Olympischen Spielen 1936 besaß Diem als Generalsekretär des Organisationskomitees dessen Akten, darunter die abgehefteten MusterEintrittskarten. In einem verstaubten Karton fanden sich die Planung und Musik der Eröffnungsfeier der Spiele 1936, mitsamt Notenblättern und Schallplatten. Zudem finden sich immer wieder Hinweise auf wertvolle Bestände, die als Dauerleihgaben abgegeben und dann vergessen wurden, z.B. 80 Sportfilme aus den 20er und 30er Jahren im Bundesarchiv. Auch Sammlungen, die an den einzelnen Instituten der Hochschule entstanden sind, sollen dokumentiert werden. Sie bilden einen wichtigen Teil des universitären Erbes. Außerdem will man

Claus Fricke ist tot ...

Vor- und Zuname: Jürgen Mittag

In meinem neuen Team ist mir wichtig ... ... die richtige Kombination aus wissenschaftlicher Leidenschaft und Kollegialität.

und für Forschung, Lehre und Außendarstellung nutzbar zu machen. Dabei wird auf die Arbeit des Carl und Liselott Diem-Archivs am OSC zur Erschließung des Nachlasses von Carl Diem und anderen Beständen aufgebaut. Vertreten in der Archivkommission sind das DiemArchiv, das Deutsche Golf Archiv, die Zentralbibliothek und die Pressestelle. Das Rektorat bewilligte ab November 2010 eine wissenschaftliche Hilfskraft zur Dokumentation der Bestände.

Diesen Menschen würde ich gern treffen ... ... Peter Sloterdijk (am 9. Juni an der Sporthochschule). Meine persönliche Lebensweisheit ... ... frei nach Harold Macmillan: Die Vergangenheit sollte ein Sprungbrett sein, kein Sofa.

... diese Nachricht hat uns traurig gemacht. Obwohl ich wusste, dass er nach der Krebsoperation nur mühsam wieder auf die Beine kam, dass auch sein Herz ihm Probleme machte, kam die Tatsache seines Todes doch überraschend, endgültig und absolut. Kein letztes Gespräch, kein Abschied nehmen, Claus ist nicht mehr unter uns. Unser früherer Kollege im Lehrgebiet Schwimmsport Claus Fricke war nicht nur der Spaßmacher und das Unikum, als das er über die Hochschulgrenzen hinaus bekannt war. Diese Facette seiner Persönlichkeit zeigte er zwar gerne und häufig. Er war aber auch ein einfühlsamer und hervorragender Sportlehrer. An seine Rückmeldungen in den Lehrübungen erinnern sich seine Absolventen noch heute. Er beobachtete aufmerksam und machte den Kandidaten in präziser Form ihre Entwicklungsmöglichkeiten deutlich. Er verstand es dabei, seine Begeisterung für sportliches Tun und Bewegung im Allgemeinen vorzuleben und glaubwürdig zu vermitteln. Claus war in seiner Jugend Skilangläufer und nordischer Kombinierer, ein „grau-

auch Lehrende der DSHS überzeugen, ihre privaten Sammlungen in die Obhut der Hochschule zu übergeben. In der Vergangenheit scheiterte das oftmals daran, dass Dozenten ihre „Schätze“ an anderen Institutionen besser aufgehoben sahen. Das soll sich bald ändern. Das Archivprojekt umfasst neben der allgemeinen Dokumentation der Archivbestände der DSHS einen weiteren Schwerpunkt, die Fotografie. Insgesamt gibt es an der DSHS ca. 80 000 Fotos. Mehr als 3.000 Fotos dokumentieren die Olympischen Spiele und die Olympische Bewegung, ca. 25.000 die verschiedenen Einzelsportarten. „Picasso mit der Kamera“ Dazu kommen wissenschaftliche Fotosammlungen z.B. zur Antike und zum Kinder- und Jugendsport. Im Nachlass der Diems und anderen Beständen finden sich auch ca. 2.000 Fotografien bedeutender (Sport-)Fotografen, unter anderem eine Serie von Gerhard Riebicke, dessen Archiv im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört wurde. Riebicke war Lehrbeauftragter für Fotografie an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und machte dort zahlreiche Aufnahmen. Außerdem fanden sich im Rahmen des Projekts wertvolle Luftsport-Aufnahmen von Alex Stöcker sowie eine kleine Serie zum Turmspringen von Heinrich von der Becke, dem „Picasso mit der Kamera“. Die Fotobestände der Sporthochschule werden zunächst insgesamt erfasst und bewertet, später sollen die wichtigsten in ein digitales Bildarchiv eingepflegt werden. Auch über die Sporthochschule hinaus stößt das Projekt auf Interesse. Mit dem Olympic & Sport Museum Qatar ist das Institut für Sportgeschichte in konkreten Gesprächen über eine Kooperation in der digitalen Bildarchivierung. Institut für Sportgeschichte/OSC

seliger Springer“, wie er mir einmal verriet. Die in den nordhessischen Mittelgebirgen gewachsene Freude am Wintersport sprühte aus seinen Augen, wenn er auf den Brettern stand. Oder sie brach sich Bahnen in einer kurzen SMS: „Ski Heil aus Hintertux, Dein Claus“. Das machte mir deutlich, dass ich in diesem Moment offensichtlich nicht am richtigen Ort war. Dass er Lateinlehrer war, wurde des Öfteren in Diskussionen in kleinem Kreis deutlich; er forderte exaktes Argumentieren, bis zur Pedanterie das Für und Wider abwägen und hinterfragen. Die altsprachliche Bildung und sein Menschen- und Studierendenbild hinterließen bei Claus tiefe Spuren. Dies zum Wohle seiner Seminar- und Kursteilnehmer. Claus hatte Profil, er hatte Ecken und Kanten, und dies nicht nur von seiner Physiognomie her betrachtet. Damit eckte er an, verkantete bisweilen. Ich mochte ihn dennoch sehr, so wie er war. Eine Vielzahl von früheren und aktuellen Kollegen und auch Absolventen teilten diese Zuneigung. Wir nahmen am 20. April an seinem Grab Abschied und spendeten uns gegenseitig, seiner Familie und allen Freunden Trost. Andreas Bieder


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