Soziale Medizin 4/10

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sundheitsdepartements in keiner Weise befriedigen: Die Anstellungsbedingungen in den Spitälern können in Zukunft von den beim Staat geltenden abweichen. Und die Spitäler können eigene Firmen gründen, um so Dienste auszulagern.

Keine Ausgrenzung von unpassenden PatientInnen In den letzten Jahren machte sich im Gesundheitswesen eine Ökonomisierung breit. Jede Leistung wird minutiös erfasst und jede Abteilung wird einer Rentabilitätsrechnung unterzogen. Dies hat einen Einfluss auf die MitarbeiterInnen der Spitäler. PatientInnnen, die komplexe Krankheitsbilder aufweisen, die nicht ins Raster der Definitionen zur Berechnung der Fallkostenpauschalen passen, werden tendenziell nicht aufgenommen, von einer Abteilung auf eine andere verschoben oder an eine andere Institution überwiesen. Vor allem treffen wird dies PatientInnen, die sich schlecht wehren oder durchsetzen können, die multimorbid und zusätzlich psychisch krank sind oder eine Suchtproblematik aufweisen. Es ist zu befürchten, dass die Auslagerung diese Tendenzen weiter verstärken wird. Der Verein ‚keine Auslagerung der öffentlichen Spitäler’ will den parlamentarischen Diskussions- und Entscheidungsprozess begleiten und die oben erwähnten Forderungen in die Vorlage einbringen. Bei der Gründung waren neben MitarbeiterInnen des Universitätsspitals VertreterInnen von BastA!, den Grünen, der SGSG, der SP, der Unia und des VPOD dabei. Der Verein stellt sich darauf ein, möglicherweise das Referendum gegen das Gesetz zu ergreifen. Zusätzliche Vereinsmitglieder sind erwünscht. Wer Interesse hat, wende sich an Verein ‚keine Auslagerung der öffentlichen Spitäler’, c/o SGSG/Soziale Medizin, Postfach, 4007 Basel oder E-Mail: keine.auslagerung@bluewin.ch. Daniel Gelzer Es ist vorgesehen, dass der Grosse Rat (Kantonsparlament) des Kantons Basel-Stadt im Dezember über die Gesetzesvorlage zur Spitalauslagerung entscheiden wird. Möglicherweise hat er das beim Erscheinen dieser Ausgabe der Sozialen Medizin gerade getan, worauf sich dann die Frage des Referendums stellt. Als diese Ausgabe in Druck ging, war uns das Ergebnis der parlamentarischen Beratung noch nicht bekannt.

Betrugsbekämpfung in der IV Die Medienmitteilung des Bundesamts für Sozialversicherung vom 5. Nov. 2010

Die Betrugsbekämpfung in der Invalidenversicherung zeigt Wirkung: Im Jahr 2009 hat die IV in 2’550 verdächtigen Fällen Ermittlungen aufgenommen. 1›180 Ermittlungen wurden abgeschlossen. Dabei bestätigte sich der Verdacht in 240 Fällen, was eine Herabsetzung oder Aufhebung der Rentenleistung, resp. eine Nichtsprechung einer Neurente zur Folge hatte. Damit konnten insgesamt 180 ganze Renten eingespart werden, was einer jährlichen Ausgabenreduktion von rund 4,6 Mio. Franken entspricht.

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eit dem 1. August 2008 haben alle IV-Stellen ein Betrugsbekämpfungsmanagement eingeführt und setzen es nun konsequent um. Die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit wurden laufend analysiert, was zur stetigen Verbesserung der Abläufe führte. In dieser Phase der Einführung wurde auch die Statistik zur Betrugsbekämpfung aufgebaut. Es liegen nun erstmals Angaben über ein vollständiges Jahr vor. Im Jahr 2009 haben die IV-Stellen 2’550 Dossiers an die Betrugsbekämpfungs-Spezialisten zu weiteren Abklärungen und Ermittlungen weitergeleitet . Hinzu kommen 640 Ermittlungen, die Ende 2008 noch nicht abgeschlossen waren. Somit waren im Jahr 2009 insgesamt 3›190 Fälle von Betrugsverdacht in Bearbeitung. In 210 dieser Fälle wurde eine Observation eingeleitet. 1’180 Fälle konnten im Jahr 2009 abgeschlossen werden, davon 90 nach einer Observation. In 240 Fällen konnte ein Betrug nachgewiesen werden, bei

30 Fällen davon auf Grund einer Observation. Dank diesem Betrugsmanagement kommen nun 180 ganze Renten weniger zur Auszahlung. Dies entspricht einer jährlichen Ausgabenreduktion von rund CHF 4,6 Mio. Franken. Entlastungen, die sich allenfalls auch bei den Ergänzungsleistungen zur IV oder bei Invalidenrenten der zweiten Säule ergeben, sind bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt. In 20 Fällen haben die IV-Stellen unrechtmässig bezogene Leistungen zurückgefordert und in 10 Fällen wurde Strafanzeige erstattet.

Da hat ein Berg eine Maus geboren Die gross angekündigte Suche nach IVBetrügern brachte im Jahre 2009 gemäss einer Meldung des BSF von Anfang November ganze 4›600›000 Franken Defizitverminderung. Dieses beträgt 2009 nun also nicht mehr 1›000›000›000 Franken, sondern nur noch 995›400›000 Franken. Toll! Jetzt nimmt mich aber doch noch etwas wunder: Wieviel hat der Spass eigentlich gekostet? All die Managementsitzungen samt Protokollen, all die Medienmitteilungen, die Bearbeitung von 1’180 Dossiers, die 90 Observationen, all die Gerichtskosten? Bleibt da überhaupt noch was über dem Strich? Die mickrige Erfolgsrechnung zeigt doch klar auf, dass es bei der Rentenbetrugskampagne weniger um Ökonomie als um Ideologie geht. Für gleich viele Unkosten hätten ein paar Steuerkommissäre bestimmt viel mehr Geld hereingebracht. Die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen! David Winizki, VUA¨ 4.10 / soziale medizin

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