Fokusraum_04
ARCHITEKTUR
2.2. Der Kirchenbau in der Romanik
Ausstattung
Der Grundriss
Eine erste Veränderung erfuhr die Basilika noch auf römischem Boden: In größeren Bauten wurde zwischen Langhaus und Apsis ein Querhaus eingeschoben, sodass im Grundriss die Form eines Kreuzes entstand. Seit dieser Zeit haben die großen Kirchen der Christenheit kreuzförmige Grundrisse in die Mitten ihrer Städte gezeichnet. Das Kreuz konnte jedoch auch als ein Abbild des menschlichen Körpers gedeutet werden. So heißt es einmal, die Kirche habe „einen Chor als Haupt und Hals, ein Querhaus als Arme und Hände, das Schiff aber als Leib‘‘. Gleichzeitig sah man in diesem Grundriss das Abbild des Gekreuzigten.
Maria Laach, Grundriss. Das lateinische Kreuz wird als Abbild des menschlichen Körpers gedeutet.
Maria Laach. Die sechstürmige Klosterkirche von Maria Laach ist eine gewölbte Pfeilerbasilika mit prachtvollem Westeingang, dem sogenannten Paradies. Die Abteikirche von Maria Laach ist eines der am besten erhaltenen und hervorragenden romanischen Bauwerke nördlich der Alpen. Foto: wmc
Das Langhaus
Freilich schloss die langgestreckte Gestalt der Basilika noch andere Bedeutungen ein. Der gedehnte Weg vom Eingang zum Altar wurde nun Prozessionsweg für feierliche Einzüge. Darin zeigt sich der Einfluss des Kaiserkultes auf die Liturgie. Andererseits stellte die lange Halle auch eine Rangordnung zwischen hinterem und vorderem Raum her. Jetzt wird die Trennung deutlicher: Der Klerus darf den oberen Raum betreten und dort an der Eucharistiefeier teilnehmen, die Laien nehmen im Kirchenschiff Platz.
Der Ort
Seckau, Klosterhof und Türme der romanischen Basilika, 10 Jh. Foto: wmc
Basilica San Piero a Grado, Pisa, 10. Jh. Foto: wmc
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Die erste Basilika auf deutschem Boden entstand im kaiserlichen Trier, nur wenig später die früheste Bischofskirche in Köln. In Xanten und an vielen anderen Orten wurden hölzerne Kirchen errichtet. Da sich mit Baumstämmen nicht gut eine Rundform schaffen ließ, wurde die Apsis quadratisch angeschlossen. Oft wählte man bewusst die heiligen Stätten der Vergangenheit und verknüpfte so die neuen Verhältnisse mit alten Bräuchen. Natürlich überlagerten sich auf diese Weise christliche und heidnische Vorstellungen. Die Kirchen wurden zu heiligen Häusern. Zur Würde des alten Ortes aus heidnischer Zeit kam die Inbesitznahme dieses Platzes durch den Christengott. Außerdem verbanden sich jetzt mit dem Kirchenbau das Grab oder die Reliquien der Märtyrer.
ARCHITEKTUR
Die Kirche wird geostet
Fast alle Kirchen, die von nun an gebaut werden, sind von West nach Ost ausgerichtet. Schon in vorchristlicher Zeit war es üblich, beim Gebet in die Richtung der aufgehenden Sonne zu blicken. Christen übernahmen diesen Brauch, um Christus als das wahre „Licht der Welt‘‘ und die „Sonne des Heils‘‘ zu begrüßen. Im berühmten Legendenbuch des Mittelalters, der legenda aurea, heißt es: Gott hat das Paradies im Osten gepflanzt und, als der Mensch das Gebot übertrat, ihn gezwungen, vor dem Paradies im Westen zu wohnen. Wenn wir also in Richtung Osten beten, zeigen wir damit, dass wir die verlorene Heimat suchen. Der gekreuzigte Heiland hat nach Westen geblickt; so schauen wir ihm ins Gesicht, wenn wir ihn anbeten. Darum beten wir nach Osten hin, um zu zeigen, dass wir auf ihn warten. Demnach bedeutet die Westseite der Kirchen als Seite des Sonnenuntergangs verlöschendes Licht, Sünde und Tod. Der Süden ist Licht, Himmel, Leben. Die Nachtseite des Nordens verweist auf Finsternis und das Dämonenreich. Zum Beispiel findet man im Bogenfeld des westlichen Portals besonders oft eine Darstellung des Weltgerichts.
Ein Gleichnis des Himmels
Fast alles, was in den nächsten Jahrhunderten mit dem Kirchenbau zusammenhing, war von der Idee bestimmt, die Kirche müsse ein Bild des Himmels auf Erden sein. Dabei wurde der Himmel durch eine feste Stadt symbolisiert, deren Häuser und Türme ein Mauerring umschloss. Die in Stein errichtete Kirche sollte Sinnbild der unsichtbaren Kirche sein, welche die verstorbenen, die lebenden und die zukünftigen Menschen miteinander in Christus vereint. Zwischen das Querhaus und die Apsis schiebt sich nun ein neuer Raum von meist quadratischem Grundriss, der Chor. Um diesen Chorraum vom übrigen Raum zu unterscheiden, wurde er um mindestens eine Stufe höhergelegt, sofern die Kirche eine Krypta besaß, sogar um viele Stufen. Dadurch wurde die Trennung zwischen Klerus und Volk immer deutlicher.
Die Unterscheidung nach Stand und Rang gehört jedoch zum mittelalterlichen Weltbild. Die Kirche vereint in ihrem Raum alle: Geistliche und Laien, Adelige, Bürger und Bauern. Wenn wir uns vorstellen, dass sich um die Kirche einmal nur kleine, hölzerne Hütten lagerten, während alleine das Kirchengebäude in dauerhaftem Stein hoch darüber hinausragte, so bot es den Menschen ein Bild starker und festlicher Herrschaft. Mit den Türmen, die jetzt noch hinzukommen, wurde ihnen die Kirche ein Gleichnis des Himmels.
Die Außenseite des Baues
Beim Gang um romanische Kirchen begegnen an der Außenseite oft rätselhafte Gestalten, die schwer zu deuten sind: allerlei Tiere, Dämonen, schreckenerregende Masken und Monster. Wenn zum Beispiel ein Kentaur einen Hirsch verfolgt und mit seinem Bogen zu erlegen sucht, ist die Rede von einem jungen Neugetauften, den der Böse durch den Pfeil seiner Versuchung zu Fall bringen will. Vögel wie Pfau oder Adler deuten auf die Auferstehung hin, während Fledermaus, Hahn und Rabe gewöhnlich dunklen und sündigen Kräften verbunden sind.
Die Türme
Die antike Basilika ist turmlos. Doch in der Zeit des romanischen Kirchenbaus wird der Turm wichtig, sodass man sich seitdem eine Kirche immer mit Turm vorstellt. Wie kam es zu den Kirchtürmen? In erster Linie soll der Turm die Bestimmung der Kirche anzeigen: Indem er den Erdenbereich durchbricht und zum Himmel aufragt, ist er ein Wegweiser nach oben. Türme mahnen, sich von dem, was in der Breite des Lebens geschieht, nicht gefangennehmen zu lassen, sondern darüber hinaus zu gelangen.
Die Gottesburg
Dome sowie große Abteikirchen besitzen ein Westwerk, einen burgartigen Baukörper, der die Westseite der Kirche abschließt, manchmal mit drei Türmen bewehrt. Dadurch wird die romanische Kirche zu einer „Gottesburg‘‘, deren wehrhafter Schutzschild sich gegen die Zonen des Sonnenuntergangs richtet.