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Mit Psalmen auf dem Weg – Psalmverse als Wegweiser
Entrückung im feurigen Wagen gilt als Sinnbild für die Überwindung des Todes und als Vorausbild der Auferstehung und Himmelfahrt Christi. In der jüdischen Tradition wird er als Vorläufer oder Begleiter des Messias am Ende der Zeiten erwartet. Bei liturgischen Feiern wird sogar ein eigener „Stuhl für Elija“ bereitgestellt, um diese Hoffnung auszudrücken.
Speise und Trank sind not-wendig für einen weiten Weg. „Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich!“ (1 Kön 19,7) Diese Ermunterung will Mut machen auf dem langen und oft mühevollen spirituellen Weg zu Gott und zur eigenen Wirklichkeit. Sie ist „Empowerment“ – Ermutigung und Stärkung auf dem Weg. Auch heute können Menschen einem „Engel“ begegnen, der sie aufrichtet und ermuntert, wenn sie enttäuscht und mutlos sind. Manche erfahren so das Geschenk einer unerwarteten Begegnung, die ihnen neuen Mut zuspricht. Wenn das „Feuer der Begeisterung“ zu erlöschen droht, dann gilt es, „die Glut neu zu entfachen“ und sich auch im spirituellen Sinn zu stärken.
Mit Psalmen auf dem Weg – Psalmverse als Wegweiser
Als „Preisgesänge Gottes“ bilden die Psalmen den gemeinsamen Gebetsschatz des Judentums und der christlichen Kirchen. Das Ringen des Menschen in seiner Sehnsucht nach Gott und die unbegreifliche Treue Gottes zum Menschen bilden gleichsam die Grundmelodie des Psalters. Wer sich von den verschiedenen Klangfarben dieser Textkomposition begeistern und von einzelnen Psalmen immer neu ansprechen lässt, findet in ihnen eine lebendige Quelle der Inspiration für die vielfältigen Wege des Lebens und des Glaubens. Aus der unmittelbaren Beziehung, aus der contemplatio, erwachsen dann die Bereitschaft und der Auftrag zur actio, zum Handeln aus dem Glauben. Aktion und Kontemplation gehören auf einem Weg mit den Psalmen eng zusammen und fördern einander.
In ihrem reichen und vielschichtigen Erfahrungshorizont finden sich zahlreiche Weg- und Geh-Worte (die im Folgenden kursiv hervorgehoben werden). Auch wenn beim Psalter grundsätzlich das Ganze im Blick bleiben soll, können wohl einzelne Psalmverse herausgenommen werden, die prägnante Weg-Weiser und Wegbegleiter sind:
– „Du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in
Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.“ (Ps 16,11) – „Der Herr stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem
Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ (Ps 23,3–4) – „Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade!“ (Ps 25,4) (vgl. Ijob 21,14) – „Wer ist der Mann, der Gott fürchtet? Ihm zeigt er den Weg, den er wählen soll. Dann wird er wohnen im Glück, seine Kinder werden das Land besitzen.“ (Ps 23,13–14) – „Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau ihm; er wird es fügen.“ (Ps 37,5) – „Der Herr festigt die Schritte des Mannes, er hat Gefallen an seinem Weg.
Auch wenn er strauchelt, stürzt er nicht hin; denn der Herr hält ihn fest an der
Hand.“ (Ps 37,23–24) – „Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse sein Angesicht über uns leuchten, damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter allen Völkern sein Heil.“ (Ps 67,2–3) – „Weise mir, Herr, deinen Weg; ich will ihn gehen in Treue zu dir. Richte mein
Herz darauf hin, allein deinen Namen zu fürchten!“ (Ps 86,11) – „Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ (Ps 91,12) – „Der Herr behüte dich, wenn du fortgehst und wiederkommst, von nun an bis in
Ewigkeit.“ (Ps 121,8) – „Herr, tu Gutes den Guten, den Menschen mit redlichem Herzen! Doch wer auf krumme Wege abbiegt, den jage, Herr, samt den Frevlern davon! Frieden über
Israel!“ (Ps 125,4–5) – „Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du ist vertraut mit all meinen Wegen.“ (Ps 139,1–3) – „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne mein
Denken! Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg!“ (Ps 139,23–24)
Wir können Gottes Wege oft nicht begreifen; aber vertrauensvoll dürfen wir in jeder Situation zu Gott rufen, der uns auf allen Wegen begleitet. Was immer auch


in unserem Leben geschehen mag: Vielleicht kann uns der Psalmist helfen, unsere Sprachlosigkeit zu überwinden und schließlich in seinen Dank einzustimmen: „Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit!“ (Ps 30,13b) Unter dieser Perspektive sollen einzelne Aspekte im Folgenden noch weiter entfaltet werden.
„Der Herr leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen“ (Ps 23,3)
Der (nach der hebräischen Zählung) 23. Psalm gilt als Hirtenpsalm bzw. als der große Vertrauenspsalm, der aus der Zuversicht lebt: „Der Herr ist mein Hirte!“ Auf ihn vertraut der Psalmist, auch wenn er „in finsterer Todesschlucht wandern“ muss. Angesichts von Leid, Not, Gefahr und Einsamkeit darf der Mensch auf den Schutz Gottes vertrauen. Die Bilder des Psalms greifen das Hirtendasein auf: Weideplätze, Rastplätze am Wasser, Führen auf rechten Wegen. Der Hirt JAHWE erweist sich als Hirte seines Volkes. Im Bild des Guten Hirten erschließt sich seine große Fürsorge und Zuwendung. Das Bekenntnis zu ihm ist vom Grundvertrauen getragen: „Du, Herr, leitest mich auf rechten Pfaden.“ Darin erweist er sich eben als treuer Begleiter in allen Lebenslagen. Viele können durch diesen Psalm in freudigen wie in leidvollen Situationen Trost
und Kraft finden, vor allem aber dann, wenn sie einmal „in finsterer Schlucht wandern“ müssen.
„Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue ihm!“ (Ps 37,5)
Wir sind nicht selbst „unseres Glückes Schmied“; wir haben es nicht in unserer Hand. Ob unser Leben gelingt oder scheitert – wer kann es sagen? Auch wenn wir unseren Beitrag leisten, bleibt das dennoch offen. Manches können wir nicht verstehen und darin keinen Sinn erkennen. Aber wir dürfen – trotz allem – hoffen und darauf vertrauen, dass letztlich alles zu einem guten Ende kommen wird. Der Psalmist fasst sein tiefes Gottvertrauen in Worte: „Befiehl dem Herrn deinen Weg; und vertrau ihm; er wird es fügen (Ps 37,5) Ein solches Vertrauen bewahrt uns vor Angst und Furcht – es kann uns eine innere Gelassenheit schenken. Erst im Rückblick erschließt sich manchmal eine besondere „Fügung“. Ob wir darin eine „göttliche Vorsehung“ erkennen dürfen?
„Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.‘“
(Ps 122,1) Der Psalm 122 verweist auf das Ziel des Weges. Er ist ein Davidslied für die Wallfahrt nach Jerusalem, das eine Vorfreude ausdrückt. Der gemeinsame Weg führt die Pilger zum Heiligtum, einem besonderen Sehnsuchtsort: „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.‘ Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem: Jerusalem, du starke Stadt, dicht gebaut und fest gefügt. Dorthin ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, wie es Israel geboten ist, den Namen des Herrn zu preisen.“ (Ps 122,1–4)15 Als zentraler Kultort und als besonderes Wallfahrtsziel in der Heiligen Stadt ist der Tempel der Treffpunkt für viele Stämme Israels. Sie ziehen miteinander an diesen Ort, weil sie hier eine besondere Nähe des Herrn erfahren und miteinander den Namen des Herrn loben. Eine gemeinsame Wegstrecke und ein verbindendes Ziel können auch bei heutigen Wanderern, Wallfahrern oder Pilgern ein gewisses Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen, das Grund zur Freude ist. Es können eine Offenheit und eine Bereitschaft wachsen, an einem besonderen Ort miteinander Gottesdienst zu feiern.
15 Analog dazu ist dann in der Johannesapokalypse das Neue Jerusalem ebenso ein Hoffnungsort:
Es ist die Vision eines neuen Lebensraumes, an dem von Gott her alles gewandelt wird: „Seht, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5)