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Die Erzelternerzählungen – typische Weggeschichten
phet Jesaja, sich miteinander auf den Weg zu machen: „Kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn!“ (Jesaja 2,5). Dieser doppelte Aspekt des „Mitgehens Gottes“ und eines „gemeinsamen Gehens“ zeigt sich auch in den folgenden ausgewählten Beispielen.
Die Erzelternerzählungen – typische Weggeschichten
Viele biblische Erzählungen im Ersten bzw. Alten Testament sind Weggeschichten8 – beispielsweise die Erzelternerzählungen im Buch Genesis: Abraham (Gen 12ff.) und Sara (Gen 17,15–16); Isaak (Gen 24) und Rebekka (Gen 24,60–67); Jakob, Lea und Rahel (Gen 29ff.). Sie schildern (allzu) menschliche Licht- und Schattenseiten auf dem Lebensweg. Sie zeichnen keine heilen (Familien-) Geschichten nach, sondern thematisieren durchaus konflikthafte Situationen und menschliche Abwege. Gott wendet sich ihnen zu; gerade auch dann, wenn sie es nicht erwarten. Trotz einer ungewissen Zukunft vertrauen sie auf seine Verheißungen und antworten auf seinen Ruf.
Abraham und Sarah machen sich auf den Weg, um Gottes Verheißungen zu erfüllen. Jahwe ruft sie heraus aus ihrem Land, damit sie in ein neues und von ihm versprochenes Land gehen. Durch ihr Weggehen aus ihrer bisherigen Lebenswelt (vgl. Gen 12,1–3) setzen sie einen bedeutenden Neuanfang: Sie sollen zu einem großen Volk und zum Segen für alle Völker werden (vgl. Kap. 6.3.) Mit dem Auszug aus ihrer Heimat werden sie zu bleibenden Vorbildern und Urbildern – gleichsam zu Prototypen – des glaubenden Menschen.
Eine spannende Weggeschichte ist auch die Erzählung vom Traum Jakobs von der Himmelsleiter zwischen Erde und Himmel (Gen 28,10–22): „Jakob hatte seinen Bruder um das Recht der Erstgeburt betrogen. Um ihm für eine Weile aus dem Weg zu gehen, verlässt er sein Land, doch in der Fremde glaubt er sich ohne den Schutz des Gottes seiner Väter. Da deutet ein Traum seine Situation: Dort, wo er sich gelagert hat, verbindet eine Leiter Himmel und Erde. Gottes Engel steigen auf und nieder. Die Worte, die er hört, sagen ihm: ‚Überall, wo du, ,Jakob‘, dich befindest, ist ,Haus Gottes und Pforte des Himmels‘. Das ist neu. Die Götter gehörten stets zu Städten und Ländern, nicht zu einzelnen Menschen. Hier aber wird der
8 Vgl. ebd., 52ff.; ferner: Fischer, Georg: 2020.
Mensch zum Ort Gottes.“9 Ohne nun das Ziel am Ende eines Weges bzw. die Bedeutung eines Wallfahrtsortes oder Pilgerortes schmälern zu wollen – entscheidend ist dieser Aspekt, dass „der Mensch selbst zum Ort Gottes“ wird. Das kann speziell allen Wanderern, Wallfahrern oder Pilgern in das Stammbuch oder in ihr Reisetagebuch geschrieben werden.
Ebenso spannend wie die vorige ist die Geschichte vom Kampf Jakobs (Gen 32,23–33): In der Nacht tritt ihm ein unbekannter Angreifer auf seinem Weg entgegen und kämpft mit ihm. Doch dieser Fremde kann Jakob nicht überwältigen und will, dass er ihn loslässt. Jakob aber möchte, dass er ihn segnet. Als er das dennoch tut, geht für Jakob „die Sonne auf“; aber wegen seiner beim nächtlichen Kampf verletzten Hüfte hinkt er. Der „Gottesstreiter“, der mit großem Einsatz bis zum Schluss gekämpft hat, trägt schließlich dazu bei, dass die Geschichte Israels mit ihm als Stammvater weitergeht.
9 Halbfas, Hubertus: 2019, 56.
ÜBERGANG
Ich bin bereit Abschied zu nehmen aber nur mit dir nicht ohne dich
ich bin bereit zu gehen aber nur mit dir nicht ohne dich
Ich bin bereit mich zu riskieren aber nur mit dir nicht ohne dich
ich bin bereit mich in deinen Dienst zu stellen aber nur mit dir nicht ohne dich
zeig dich stell dich gib dich
ich fordere heraus – sei Antwort ich klage ein – sage dich zu ich ringe mit dir – segne mich
wo du nicht segnest ist alles Mühen umsonst
Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich Genesis 32,27
Andrea Schwarz10
„Jeder kann Jakob sein, wenn ihn Ungewissheit, Zweifel und Verlassenheit niederringen. Solche nächtlichen Kämpfe mögen Wochen, Monate und Jahre dauern. Es sind Strecken der Gottesnot, in denen Gott als Unbekannter, als Fremder und Feind
10 Schwarz, Andrea: 2008, 104.