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1.2. Der Weg als wichtige Metapher in allen großen Religionen
Wege drängen uns zum Aufbruch, zur Be-wegung, zum Offensein für Neues. Alltägliche Erfahrungen des Gehens und des Unterwegsseins werden also zu einem Sinnbild für unser ganzes Leben als Weg.
1.2. Der Weg als wichtige Metapher in allen großen Religionen
Auf dem Weg des Lebens erfahren Menschen Freude und Leid, Glück und Unglück, Heil und Unheil. Religionswissenschaftlich findet sich die alte Metapher Weg in allen großen Religionen und ist in der Spiritualität vieler Religionen verankert. Sie erhält ihre Be-Deutung insbesondere unter der Perspektive des Heilsweges, den sie dem Menschen aufzeigen und auf dem er zur Erlösung und zu seinem Heil gelangen kann.
„Das Bild des Weges für das menschliche Leben ist in allen Religionen verbreitet. Für die Chinesen ist ,Tao‘ der Weg, der Gang des Alls, die natürliche Weltordnung, der der Mensch in seinem Leben entsprechen muss. Im alten Indien ist ,marga‘ der

Heilsweg, der ein Weg der Werke, ein Weg der Erkenntnis, ein Weg der leiblich-seelischen Übung (yoga-marga) oder ein Weg der Gottesliebe sein kann. Buddha lehrt den achtgliedrigen heiligen Pfad. Und die christliche Mystik kennt im Anschluss an die hellenistischen Mysterienreligionen den dreifachen Weg der Reinigung, Erleuchtung und Einigung.“2 Die großen Persönlichkeiten in den alten Religionen sind zumeist Wanderer und Menschen, die umherziehen und die keine feste Bleibe haben. Sie sind allein oder in Gemeinschaft unterwegs. Sie möchten sich auf unterschiedlichen Wegen einlassen auf transzendente Er-fahrungen und auf die Wirklichkeit des Göttlichen oder – wie Willigis Jäger es ausdrückt – auf eine „Erfahrung des Einen“ und auf einen „transpersonalen Urgrund des Seins“3. Der bekannte Benediktiner David Steindl-Rast spricht vom „großen Geheimnis“ als Ausdruck für „die letzte Wirklichkeit – die Kraft, die in allem wirkt“4. Alle großen Religionen kennen spirituelle Wege zu diesem „großen Geheimnis“, zum Göttlichen, zu Göttern oder zu Gott.5 In allen Religionen gibt es das Pilgern oder Wallfahren als spirituelle Praxis: Menschen machen sich auf den Weg zu einem heiligen Ort oder zu einem religiösen Zentrum. Auf solchen Wegen oder an einem solchen Ort sind religiöse Erfahrungen in besonderer Dichte möglich.
Aus dem alten Judentum sind die großen Pilgerfahrten – etwa zum Pessachfest nach Jerusalem – bekannt. Im Christentum sind es seit je Pilgerfahrten in das Heilige Land oder zu den Apostel-Gräbern in Rom oder zu Marien-Wallfahrtsorten, die viele Menschen anziehen. Am bekanntesten im Islam ist der Haddsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, die als fünfte Säule des Islam und damit als religiöse Pflicht gilt. Jede Muslima oder jeder Muslim sollte nach Möglichkeit ein Mal im Leben zur Kaaba in Mekka pilgern.
Auch aus dem Hinduismus und Buddhismus sind zahlreiche Wallfahrtstraditionen bzw. Wallfahrtsorte bekannt. Aus Indien kennt man die Bilder von riesigen Pilgerströmen der Hindus und von Gläubigen, die ein heiliges Bad im Fluss Ganges nehmen. Von Buddhisten werden bedeutende Orte besucht, die mit dem Leben und Wirken von Buddha in Verbindung stehen. Ein anderes einzigartiges Beispiel ist der Weg um den über 6.000 m hohen Kailasch (= „kostbares Sonnen-
2 Grün, Anselm: 2002, 75. 3 Jäger, Willigis: 2015, 13. 4 Steindl-Rast, David: 2021, 138. Siehe dazu auch: Ebd., 42ff. und 54ff. 5 Vgl. dazu ausführlicher: Uhde, Bernhard: 2011.