Raumwahrnehmung und Raumnutzung durch Skateboarder – Sebastian Langer

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Eberhard Karls Universität Tübingen Mathematisch – Naturwissenschaftliche Fakultät Geographisches Institut

Bachelorarbeit

Raumwahrnehmung und Raumnutzung durch Skateboarder

Betreuer: PD Dr. Olaf Schnur Prof. Dr. Sebastian Kinder

Vorgelegt am 02.01.2012 von: Sebastian Langer Geissweg 21/3 72076 Tübingen Matr.Nr.: 3307658 B.Sc. Geographie


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis I.

Erklärung ............................................................................................................ 2

II. Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... 3 III. 1

Begriffserklärungen ........................................................................................ 5 Einleitung und Einführung in Skateboardingkultur ........................................ 7

1.1.

Einleitung .......................................................................................................... 7

1.2.

Wer sind „die Skater“? ...................................................................................... 8

1.3.

Warum Skater als Untersuchungsgruppe? ....................................................... 9

1.4.

Geschichte der Skateboardingkultur ............................................................... 10

1.5.

Einflüsse und Richtungen ............................................................................... 16

2. Theorie .............................................................................................................. 20 2.1.

Definitionen ..................................................................................................... 20

2.2.

Theoretischer Hintergrund .............................................................................. 22

2.3.

Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums ....... 24

3. Raumwahrnehmung......................................................................................... 26 3.1.

Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern ..................................... 26

3.2.

Nutzungskonflikte ........................................................................................... 32

4. Fallbeispiel: Köln ............................................................................................. 35 4.1.

Methodisches Vorgehen ................................................................................. 35

4.2.

Skater auf der Domplatte ................................................................................ 40

4.3.

Die aktuellen Veränderungen ......................................................................... 44

4.4.

Die Skateplaza „Kap686“ ................................................................................ 47

4.5.

Auswirkungen und Evaluierung ...................................................................... 51

5. Fazit ................................................................................................................... 54 IV.

Literaturverzeichnis ...................................................................................... 56

V.

Anlagen.......................................................................................................... 59

a. Messwerttabelle der Schallpegelmessungen ..................................................... 59 b. Transkription: Interview – Kösel ......................................................................... 60 c.

Transkription: Interview – Pivot .......................................................................... 64

d. Transkription: Interview – Patrick Bös ................................................................ 73 e. Email-Antwort der Stadt Köln auf Fragen ........................................................... 88

1


Erklärung

I.

Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst habe. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen als solche gekennzeichnet. Diese Arbeit war weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegenstand eines anderen Prüfungsverfahrens.

Datum

29.12.2011

Unterschrift

2


Abbildungsverzeichnis

II.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung

1:

Humco

5-ply

aus

den

1950er

Jahren.

Quelle:

http://skateandannoy.com/features/ebay/2007/ebay050/images-big/humco2.jpg .... 10 Abbildung

2:

Dave

Duncan

in

einem

privaten

Pool

1988.

Quelle:

http://skateboarding.transworld.net/1000083861/features/tws-10-legendaryswimming-pools/ ....................................................................................................... 11 Abbildung

3:

Skater

an

sog.

Banks

eines

Kanals.

Quelle:

http://discussion.socalskateparks.com/photopost//data//500/medium/Ditch_bottleslide .jpg ............................................................................................................................ 11 Abbildung 4: Cover des Thrasher Magazins vom April 1997. Das Foto zeigt einen Pole-Jam. Hierbei werden umgeknickte Pfeiler oder Stangen von Schildern befahren. Quelle: http://www.thrashermagazine.com/articles/magazine/april-1997/ ................ 13 Abbildung 5: Neuauflage des 1984 erschienenen Videos von Powell Peralta. Quelle: http://powell-peralta.com/products/fall-2011/media/bones-brigade-video-show-se/ . 13 Abbildung

6:

Logo

der

Marke

Red

Dragon.

Quelle:

http://www.titus.de/de_DE/Markenshop/Red-Dragon.html ....................................... 13 Abbildung

7:

Logo

der

X-Games.

Quelle:

http://www.espnmediazone3.com/us/2011/06/23/espn-x-games-17-tickets-now-onsale/x-games-logo-2/ ................................................................................................ 14 Abbildung

8:

Vert

Skater

Shaun

White

in

der

Halfpipe.

Quelle:

http://kidwize.blogspot.com/2010/08/shaun-white.html ............................................. 16 Abbildung 9: Freestyle Skateboarder. Quelle: http://www.neverenoughsk8.com/newteamrider-albert-kuncz/ ............................................................................................. 16 Abbildung 10: Trinität des Raumes nach Lefèbvre. Eigene Darstellung nach Elden, 2002: 27.................................................................................................................... 22 Abbildung

11:

Skater

Ryan

Lay

bei

einem

Wallride.

Quelle:

http://skateboarding.transworld.net/1000095981/features/homeys-cairo-caswellduffel-silas-more/ ...................................................................................................... 27 Abbildung 12: "Feeble-Grind" an einem Handrail auf dem Cover des MSM Ausgabe 305/2011................................................................................................................... 27 Abbildung 13: Sticker verschiedener Marken, die in der Skateboardszene bekannt sind (hier: carhartt, Volcom, DC, Rockstar) und von lokalen Skateshops (Titus, Street 3


Abbildungsverzeichnis Dreams, Pivot). Alles in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom gefunden. Quelle: Eigene Fotos. ........................................................................................................... 29 Abbildung 14: Zwei Beispiele für Rampen, die von Skatern illegal angebracht wurden.

Quelle:

http://b00h00.blogspot.com/2010/04/diy-skatepark.html

,

http://skateandannoy.com/features/diy/skateparks/ .................................................. 30 Abbildung 15: Schäden an einem Pflanzbeet auf dem Roncalliplatz in Köln. Maßnahme der Stadt: Einfräsungen an den Kanten. Quelle: Eigene Fotos. ............ 33 Abbildung 16: Kartenausschnitt Köln. Quelle: Verändert nach GoogleEarth. ......... 39 Abbildung 17: Skater an der Domplatte während der "Abschluss-Session" im Juli 2011.

Quelle:

http://www.redbull.de/cs/Satellite/de_DE/Article/Skaten-in-

K%C3%B6ln-Eine-neue-%C3%84ra-beginnt-021243057443948 ............................ 41 Abbildung

18:

Architekturbüro

Logos

des

"metrobox"

Kap686,

und

der

dem Stadt

Dom-Skateboarding Köln.

Quelle:

e.V.,

dem

Verändert

nach

http://www.northbrigade.de/news/2011/herzlich-willkommen-im-dschungel/ . .......... 47 Abbildung

19:

Karte

des

Rheinauhafens.

Quelle:

http://www.rheinauhafen-

koeln.de/Uebersicht . ................................................................................................ 47 Abbildung 20: Blick in Richtung Südbrücke auf das Kap686. Zu erkennen sind die Pflanzbeete, die unterschiedlichen Bodenbeläge und die helle Farbgebung. Quelle: Eigenes Foto. ........................................................................................................... 49 Abbildung 21: Volle Skateplaza mit Blick auf das Kap am Südkai. Quelle: Eigenes Foto. ......................................................................................................................... 51

4


Begriffserklärungen

III.

Begriffserklärungen

Curb

Quaderförmige Struktur. Ein beliebtes Element für Skateboarder um Tricks an den Kanten oder auf der Oberfläche zu vollführen.

Deck

Als D. wird lediglich das eigentliche Brett des Skateboards bezeichnet. Ohne Achsen, Rollen etc..

Flat

Bezeichnung für eine größere, zusammenhängende, ebene Fläche. Meist mit glattem Bodenbelag.

Grinden

Engl. für abreiben, abschleifen. Überbegriff für alle Skateboardfiguren, bei denen mindestens eine Achse Kontakt mit dem befahrenen Element hat, nicht aber die Rollen. Oftmals werden auch Slides hierzugezählt. Hierbei berührt nur das Deck die Oberfläche.

Obstacle

Engl. für Hindernis. Allgemeiner Begriff im Skateboardjargon für ein einzelnes Element eines Skateparks.

Locals

Als L. werden einheimische Skater bezeichnet, die die architektonischen Gegebenheiten demnach am besten kennen. An manchen Spots haben L. auch eine Art Sonderstatus. Der Slogan „Locals only“ tauchte schon häufig in der Surfkultur auf, wo L. verhindern wollten, dass „ihr Spot“ zu überfüllt wird.

Pipe

Engl. für Rohr. Quarterpipes, Halfpipes oder Fullpipes. Besitzen, wie der Name verrät die gleichen charakteristischen Eigenschaften, wie ein Rohr. Der wichtige Teil einer Pipe ist die Transition.

Pushen

Als p. wird der Effekt bezeichnet, der eintritt wenn mehrere Skater gleichzeitig an einem Spot skaten. Das stetige Steigern des Niveaus bringt auch die jeweils anderen dazu, waghalsigere Tricks zu versuchen.

Rail

Zum Beispiel das Geländer einer Treppe, oder Absperrungen an Kanten. Auf ebener Fläche stehend auch als Flatrail bezeichnet.

Session

Engl. für Sitzung, Versammlung. Als S. wird die Zeit bezeichnet, in der mehrere Skateboarder an einem Spot gemeinsam skaten. Mehrere Faktoren sind wichtig, damit eine S. auch so bezeichnet 5


Begriffserklärungen wird. Dabei spielt vor allem eine gewisse Atmosphäre eine wichtige Rolle, in der die Skater sich gegenseitig bei ihren Figuren beobachten und anfeuern. Aber auch das gemeinsame Beisammensitzen ist dabei wichtig. Spot

Engl. für Ort, Platz, Gegend. Als S. wird im Skateboardjargon ein bestimmter Ort, welcher ‚skatebar‘ ist, oder gemacht wurde, bezeichnet. Die Dimensionen reichen dabei von einer einzelnen Bank oder Treppe bis hin zu einem kompletten Ensemble von Gebäuden.

Transition

Engl. für Übergang. Die Krümmung in architektonischen Elementen, die für den Übergang aus der Horizontalen in die Vertikale sorgt. Zum Beispiel in Halfpipes.

6


Einleitung und Einführung in Skateboardingkultur

1 Einleitung und Einführung in Skateboardingkultur

1.1. Einleitung Die vorliegende Arbeit soll verschiedene Aspekte der Skateboardingkultur in Hinsicht auf deren Raumwahrnehmung und Raumnutzung beleuchten. Um diese zu erklären, wird zunächst die Skateboardingkultur als solche vorgestellt. Danach möchte ich mich kurz einigen theoretischen Grundlagen zum Thema Raumwahrnehmung und Raumnutzung widmen, um die beiden Themen anschließend zu vereinen. An die Vorstellung einer Reihe von Nutzungskonflikten, die dabei im öffentlichen Raum zu Tage treten, schließt sich ein Fallbeispiel an, welchem eben diese Nutzungskonflikte zu Grunde liegen. Mit dem Fallbeispiel soll die Frage geklärt werden, in wie weit Freizeitaktivitäten, die sich im öffentlichen Raum abspielen planbar sind. Die Arbeit stützt sich dabei auf verschiedene theoretische Raumkonzepte und Überlegungen zu Raum und Raumnutzung in der Fachliteratur. Anhand dieser sollen bestimmte Raumstrategien von Skatern erklärt werden. Die Erläuterungen zur Skateboardingkultur sollen dabei eine Hilfestellung geben, warum Skater diese Strategien entwickelten. Des Weiteren sind sie für die Beantwortung der Frage der Planbarkeit unverzichtbar. Um einen besseren Einblick in diese Kultur zu verschaffen, bedient sich die Arbeit vieler Zitate, welche zum Teil aus Magazinen der Skateboardingszene stammen. Zusätzlich wurden Experteninterviews geführt, die insbesondere für das Fallbeispiel wichtige Informationen lieferten. Sowohl die Zitate aus Skateboardmagazinen, als auch die Experteninterviews sollen einen Zugang zu Jugendkultur ermöglichen, in der viele szeneeigene Anglizismen benutzt werden, die sich nur schlecht übersetzen lassen. Für das Kapitel „Nutzungskonflikte“ wurden zudem Messungen durchgeführt um den Geräuschpegel von Skateboards zu ermitteln. Zusätzlich waren diese Quellen notwendig, da es in der Geographie noch kaum Fachliteratur gibt, die mit der Gruppe der Skateboarder als Forschungsgegenstand arbeitet. In der deutschen Geographie finden sich nur einige wenige Beispiele in der „neuen Kulturgeographie“. Mehr Informationen kamen aus den Fachbereichen der Architektur und der Stadtsoziologie. Für den Aufbau der Arbeit war zudem eine Diplomarbeit aus dem Studienbereich Kommunikationsdesign hilfreich. In der Arbeit finden sich, bedingt durch die Fragestellung, einige Überschneidungen mit der Stadtplanung, und, auf Grund der kulturellen Herangehensweise, Überschneidungen mit Ansätzen der „neuen Kulturgeographie“.

7


Wer sind „die Skater“?

1.2. Wer sind „die Skater“? Diese Arbeit soll die Raumwahrnehmung und die Raumnutzung der Skateboardingkultur untersuchen. Personen, die sich der Skateboardingkultur zugehörig fühlen haben eins gemeinsam: Das Skateboarden als Hobby, als Sport, als Lebenseinstellung. Darüber hinaus ist es schwierig einheitliche Merkmale festzustellen. In der Regel handelt es sich jedoch um männliche Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren. Für sie steht an vorderster Stelle das Skateboarden. Je nach Alter ändert sich jedoch häufig auch die Meinung, was Skateboarden für sie jeweils bedeutet. Während jüngere Skateboarder häufig Skaten, weil es Spaß macht, weil es cool ist oder weil sie einfach nur dabei sein wollen, spielt für viele ältere Skateboarder der 'rebellische' Aspekt des Skateboardens eine Rolle: Rebellion gegen die Familie. Rebellion gegen das vermeintlich ‚schlechte‘ System. Rebellion gegen Konformität. Einer Aktivität unter freiem Himmel nachgehen und währenddessen einen Lebensstil nach außen tragen, der unter Umständen nicht mit den Wertvorstellungen der Eltern vereinbar sind. Diverse Aktivitäten am Rande oder jenseits der Legalität gewinnen an Reiz. Hierzu zählen zum Beispiel auch (bewusste) Verstöße gegen die StVO oder die Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums zum Beispiel durch grinden an Kanten von Pflanzkübeln, Randsteinen, Bänken, Handläufen etc (vgl. Borden, 2001: 151ff, Von Krosigk, Tscharn, 2011: 33ff). Interviewfrage an Vladik Scholz in MSM, Ausgabe 302/2011: 114. Nächste Straftat?

- Streetskaten

Bei vielen Skatern, die über mehrere Jahre Skateboard gefahren sind, spielt diese ‚anti-Haltung‘ irgendwann keine Rolle mehr. Sie haben selbst gemerkt, dass sie Teil des großen Ganzen sind und durch ihren markenbewussten Konsum diesem nur wenig entkommen können. Viele wollen auch bewusst Vorbild sein. Den ‚Kids‘ zeigen, dass man Etwas erreichen kann und es sich lohnt, dafür zu arbeiten (vgl. Interview – Patrick Bös). Doch manche Skater erhalten sich ihre rebellische Gesinnung und fahren nach wie vor am liebsten illegal durch den Stadtverkehr, beschädigen dabei Privateigentum oder verhalten sich bewusst unangepasst. Eines hat für alle Skater jedoch dabei nicht nachgelassen: Ihre Leidenschaft für Skateboarding.

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Warum Skater als Untersuchungsgruppe?

1.3. Warum Skater als Untersuchungsgruppe? „The opposite of skateboarding is golf“ (Rocco, 1988, zit. n. Borden, 2001: 137) Skateboarding wird von denen, die es ausüben, nicht als Sport sondern als Lebenseinstellung gesehen. Die meisten Skater sehen sich nicht als Sportler, die den Sport Skateboarding ausüben, sondern als Teil einer Jugendkultur, die als gemeinsamen Nenner Skateboarding besitzt. Bei vielen anderen sogenannten „Extrem- oder Funsportarten“ ist das nicht anders: Snowboarding, Aggressive Inline Skating, Wakeboarding, Parkour, BMX (um nur die bekanntesten zu nennen). All diese Sportarten organisieren sich in den wenigsten Fällen zu Vereinen. Trotzdem übt kaum einer diese Sportarten alleine aus. Sie finden meist in kleinen Gruppen statt. Durch die große Identifikation mit dem Sport, finden sich schnell Gleichgesinnte und man pusht sich gegenseitig. Funsportarten sind oft nur der Ausdruck einer Einstellung. Besonders bei den Sportarten, welche im urbanen Raum entstanden sind und dort nach wie vor im öffentlichen Raum ihre „Sportstätten“ sehen, treten häufig Nutzungskonflikte auf, die früher oder später zu einem Eingreifen der Behörden führen. Um Alternativen zu den urbanen Räumen zu bieten, werden oftmals mit hohem Kapitaleinsatz Plätze gebaut, die anschließend nicht angenommen werden. Warum dies oftmals nicht gelingt, ob und wie diese Sportarten überhaupt planbar sind, soll in dieser Arbeit speziell am Beispiel der Kölner Skateboardingkultur erörtert werden. Unter den zuvor genannten Sportarten ist Skateboarden wohl die älteste, die urbane Architektur für sich nutzt und sich darüber auch definiert. Skateboarden nutzt gleichzeitig wohl die meisten Flächen innerhalb einer Stadt. Dabei nutzen Skater den urbanen Raum nicht nur durch das bloße Vorführen ihrer Figuren. Sie verbringen oftmals lange Zeit miteinander an Orten einer Stadt, die sonst weniger belebt wären. An vielen Stellen prägen Skater längst das Stadtbild mit und „gehören halt dazu“. Einen Beleg dafür liefert zum Beispiel das Fernsehen, das bei Szenen in Innenstädten häufig Skater als Medium dafür einsetzt, um Plätze modern, belebt und angesagt wirken zu lassen. Ein weiterer Grund ist die szeneeigene Kultur, die oftmals zwischen Unangepasstheit und einem blinden Befolgen von Konsumtrends steht. Gerade diese Doppelmoral äußert sich auch häufig räumlich. Letzten Endes war nicht zuletzt persönliches Interesse an der Skateboardingkultur, die mich schließlich auch auf dieses etwas ungewöhnliche Thema gebracht hat.

9


Geschichte der Skateboardingkultur

1.4. Geschichte der Skateboardingkultur Die Geschichte des Skateboarding hat zwei Anfänge. Der eine beginnt mit der Entwicklung des Skateboards als Spielzeug, die quasi eine Grundvoraussetzung für den Sport darstellt. Der andere setzt zeitlich gesehen später ein und stellt die Basis der Nutzung dieses Spielzeugs als 'Sportgerät' und zugleich den kulturellen Nährboden des Skateboarding, welches sich aus dem Surfen entwickelte, dar. Die Herkunft des Skateboarding lässt sich jedoch in jedem Fall dem Kalifornien der 1950er zuschreiben (vgl. Borden 2001: 15). Neben einigen Vorgängern, die dem Skateboard ähnlich waren, war das Humco 5ply Deck wohl das erste kommerzielle Skateboard, welches Mitte der 1950er auf den Markt kam (ebd.: 13ff). Das erste Serien-Skateboard folgte 1959 (vgl. slack 07. 2007: 41). In Form und Technik unterschieden sie sich noch sehr stark von den heute üblichen Skateboards. Vor allem die Rollen aus Stahl und anderen ähnlich harten Materialien schränkte die Wendigkeit und Kontrolle bei höheren Geschwindigkeiten deutlich ein. Auch die selbstgebauten Skateboards, die zu dieser Zeit eine viel bedeutendere Rolle spielten nutzten Rollen aus diesen Materialien, da es sich meist um Rollschuh-Rollen unter einfachen Holzleisten handelte.

Abbildung 1: Humco 5-ply aus den 1950er Jahren. http://skateandannoy.com/features/ebay/2007/ebay050/images-big/humco2.jpg

Quelle:

Schon zu dieser Zeit waren es häufig Surfer die Skateboards als Alternative nutzten um zum Beispiel bei niedrigen Wellengang das Gefühl des Surfens auf den Asphalt zu tragen (vgl. Borden 2001: 13ff). Die Hauptentwicklung spielte sich bis zu diesem Zeitpunkt und auch noch einige Jahre länger an der US-amerikanischen Westküste 10


Geschichte der Skateboardingkultur ab, wo sich zu dieser Zeit die ersten Skateboard Teams gründen (vgl. slack 07. 2007: 41). 1970 werden die ersten Skateboards mit Kicktail produziert (ebd.: 41). Hierbei handelt es sich um den Teil des Skateboards, welcher kurz hinter den Hinterachsen leicht nach oben gebogen ist und somit Figuren erlaubt, die zum Beispiel einen geringeren Kurvenradius ermöglichen. Während verschiedene Skateboardteams vor allem 'Freestyle' Tricks auf ihren Skateboards machten, die mehr an einchoreographierte Tänze erinnerten, stand vor allem das 'Zephyr Skateboard Team' aus Venice Beach für einen vom Surfen beeinflussten Stil. Dieser suchte immer neues Terrain um Skateboardfiguren noch mehr denen, des Surfens anzugleichen. So wurden neben ebenen Straßen vermehrt Figuren an geneigten Asphaltflächen, sogenannten 'Banks' ausgeführt. Solche Banks fanden sich vor allem an Schulhöfen und an den Seiten offener Abflusskanäle (ebd.: 29ff). Schließlich entdeckten Skater trockene Swimmingpools und deren konkave Formen, die bis in die vertikale reichten (vgl. slack 07. 2007: 41). Dies war die Geburtsstunde des 'Vert-Skatens'.

Abbildung 2 (rechts): Dave Duncan in einem privaten Pool 1988. Quelle: http://skateboarding.transworld.net/1000083861/features/tws-10-legendary-swimming-pools/ Abbildung 3 (links): Skater an sog. Banks eines Kanals. http://discussion.socalskateparks.com/photopost//data//500/medium/Ditch_bottleslide.jpg

Quelle:

Die neuen Räume, die Skateboarder zur Ausübung ihres Hobbies fanden, hatten entscheidende Auswirkungen auf die technische und kulturelle Entwicklung des Skateboardings. Zum einen brachten sie Figuren und Manöver hervor, die so niemals auf der flachen Straße entwickelt hätten werden können. Zum anderen verstärkte sich die Beziehung der Skater zu den Boards und der beanspruchten Fläche. Mit immer komplexer werdenden Bewegungsabläufen bei hohen Geschwindigkeiten wuchs neben dem Verletzungsrisiko auch die Wahrnehmung des Untergrundes. 11


Geschichte der Skateboardingkultur 1978/1979 wird schließlich der 'Ollie' von Alan Gelfand erfunden. Ein Trick bei dem der Skateboarder über die obere, vertikale Kante des Pools hinausspringt und anschließend wieder in der vertikalen landet ohne dabei das Board mit den Händen zu greifen. Dieser Trick wird später die Basis für beinahe alle heutigen Tricks, die das moderne 'Streetskaten' (um das es in dieser Arbeit vorwiegend gehen soll) erst möglich machten (ebd.:41; Borden 2001: 90f). Zu Beginn der 80er Jahre beschränkte sich die Entwicklung des Skateboardens als Sport hauptsächlich auf das Vert-Skaten. Jedoch fanden viele Neuerungen statt, die die Kultur des Skateboardens stark beeinflussten. So wurden immer mehr Skateparks gebaut. Diese Parks waren ausschließlich aus Beton und die einzelnen Elemente waren meist 'Halfpipes', 'Fullpipes' und 'Pools'. Zu dieser Zeit wurden Skateparks noch komplett von Privatpersonen erbaut und geführt. Trotzdem kosteten sie selten Eintritt. Ein Grund hierfür war die Mentalität der Skater. Diese sahen es nicht ein, Geld für Skateboarden zu zahlen, zumal ja ein Reiz darin bestand, dass man überall skaten kann. Zudem sträubten sich viele gegen die vermeintliche Kommerzialisierung des Skateboardings. Eine weitere Entwicklung zur Verbreitung des Skateboardens waren die ersten Medien, die die Skateboardkultur vermarkteten und nach außen trugen. In erster Linie geschah dies durch die ersten Skateboardmagazine. Allen voran "Thrasher", welches, abgesehen von einigen lokalen, einfach produzierten Zeitschriften, das erste Skateboardmagazin seiner Art war. Die visuelle Information in Form von Fotos und Abbildungen in Skateboardmagazinen spielt bis heute eine enorme Rolle für die Entwicklung der Kultur. Durch sie werden neue Tricks und Trends an das internationale Publikum des Skateboardings getragen. Dies ist ein Grund für eine Skateboardkultur, die in sich auf der gesamten Welt relativ homogen ist. Ein weiteres wichtiges Medium für Skateboarding sind Videos. Diese Videos werden fast ausschließlich von großen Marken rund um Skateboarding produziert. Hierzu zählen neben den Herstellern von Boards, Achsen und Rollen auch Bekleidungshersteller und Schuhhersteller. Das erste Skatevideo erschien 1984 und wurde von 'Powell & Peralta' unter dem Namen 'Bones Brigade Video Show' produziert (vgl. slack 07. 2007: 41). Die Bilder, die durch die Magazine und Videos transportiert wurden, waren wesentlich mehr als reine Momentaufnahmen einer Sportart. Durch die Tricks, die die Skateboarder auf den Fotos und in den Videos zeigen, werden nicht nur der Skateboarder und sein Skateboard abgebildet, sondern ebenso der Ort, wo er diesen Trick vollführt. Der kreative Umgang mit verschiedenen architektonischen Formen war und ist ebenso ein wichtiger Bestandteil der Bilder, wie der rein sportliche Aspekt. Dadurch wurden immer neue Orte gesucht, an denen die Tricks möglichst spektakulär und in allen erdenklichen Varianten ausgeführt werden konnten. 12


Geschichte der Skateboardingkultur

Abbildung 4 (rechts): Cover des Thrasher Magazins vom April 1997. Das Foto zeigt einen PoleJam. Hierbei werden umgeknickte Pfeiler oder Stangen von Schildern befahren. Quelle: http://www.thrashermagazine.com/articles/magazine/april-1997/ Abbildung 5 (links): Neuauflage des 1984 erschienenen Videos von Powell Peralta. Quelle: http://powell-peralta.com/products/fall-2011/media/bones-brigade-video-show-se/

Ebenso wie Bilder in Magazinen und Videos die Kultur des Skateboardings visuell darstellten, wurde in den 80er verstärkt Wert auf die Grafiken auf den Skateboards selbst gelegt. Auch sie wurden benutzt um verschiedene Einstellungen zum Ausdruck zu bringen, die der Kultur des Skateboardings entsprechen. Ganz im Sinne einer Jugendkultur, die sich gerne rebellisch, unangepasst und ein wenig verrückt sieht, verwundert es daher nicht, dass Totenköpfe in allen möglichen Varianten ein sehr häufiges Symbol auf Produkten der Skateboarding-Industrie ist. Diese Grafiken und Symbole haben zum einen häufig einen Wiedererkennungswert unter Skatern. Zum anderen tragen sie eine gewisse Attitüde nach außen. Ein Symbol muss dabei nicht auch immer eine bestimmte Bedeutung haben, sondern dient eher dazu überhaupt als Subkultur wahrgenommen zu werden (vgl. Borden 2001 S.152). Eventuelle Falschinterpretationen mancher Symbole sind dabei unter Umständen sogar gewollt. So ging zum Beispiel der Name und das Symbol der Kleidungsmarke 'Red 6: Dragon' aus einer Gruppe Skateboarder aus Vancouver hervor, die Abbildung Logo der Marke Ende der 80er regelmäßig Probleme mit privaten Sicherheitskräften Red Dragon. Quelle: hatte, wenn sie versuchten in der Stadt zu skaten. Da zur selben Zeit http://www.titus. de/de_DE/Marke eine asiatische Gang in Vancouver für ihre brutalen Verbrechen in den nshop/RedZeitungen war, wählten sie einen Namen, der der Name solch einer Dragon.html Gang sein könnte und als Logo ein chinesisches Schriftzeichen, 13


Geschichte der Skateboardingkultur welches sie zunächst in dem Buch 'Roter Drache' von Thomas Harris entdeckten. Der gewollte Effekt blieb nicht aus und weniger Sicherheitsbeamte trauten sich die Skateboarder zu vertreiben (vgl. www.reddragonapparel.com/aboutus.php). Ende der 80er Jahre wurden schließlich die Skateboardtricks aus den Pools und Halfpipes auf die Straße getragen. Der Streetstyle wurde entwickelt (vgl. slack 07. 2007: 41). Nach einigen Jahren, in denen Skateboarden sich hauptsächlich auf Anlagen weiterentwickelte, kehrte das Skateboarden nun wieder in den urbanen Raum zurück. „But skating a purpose-built park defeated the purpose; skaters revel in discovering the rideable nooks and crannies of a city, and in the 1980's they took back to the streets” (www.arkinet.com). Dabei büßte Skateboarding jedoch nichts von der Einstellung gegenüber seiner unmittelbar beanspruchten Umgebung ein. Im Gegenteil förderte der Umgang mit urbanen Formen eher noch die Kreativität. Eine schier endlose Zahl an kombinierbaren Nutzungsformen aller möglichen Objekte eröffnete sich den Skateboardern. Dabei wurden hauptsächlich der öffentliche Raum genutzt. Nach wie vor machen Skateboarder aber auch vor privaten Flächen nur selten Halt. Die Sicht der Skateboarder auf die Stadt unterscheidet sich häufig von der Anderer. Ein Skateboarder nutzt den ihm erreichbaren Raum und lässt sich von diesem inspirieren. Das Street-Skateboarding ist seit dieser Zeit wohl die bedeutendste Richtung des Skateboardens. Bei solch einer Nutzung der Stadt, Konflikte mit Anwohnern, privaten Sicherheitsdiensten oder der Polizei vorprogrammiert. Neben den direkten Konfrontationen, die die Skateboarder als unausweichlich sahen und so ihre Einstellung zu einer „Skate and Destroy“-Attitüde verhärteten, gab es jedoch auch Anpassungen. Die Skater entwickelten einen eigenen Rhythmus. Sie nutzten die Flächen dann, wenn die Eigentümer es nicht störte. Nutzten die Flächen außerhalb der Geschäftszeiten um Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften aus dem Weg zu gehen. Gingen bewusst zu ungewöhnlichen, besucherarmen Zeiten in die Städte um sich möglichst schnell und frei bewegen zu können. Sie schlossen so oftmals eine zeitliche Lücke in der Nutzung von Räumen.

Abbildung 7: Logo der X-Games. Quelle: http://www.espnmediazone3.com/us/ 2011/06/23/espn-x-games-17-ticketsnow-on-sale/x-games-logo-2/

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Geschichte der Skateboardingkultur „Nighttime skateboarders represent a rare example of people using the downtown at night“ (Spiegler, zit. n. Borden, 2001: 198). 1995 wurden erstmals die X-Games ausgetragen. Dabei handelt es sich um eine Art Alternativveranstaltung zu den olympischen Spielen speziell für ausgewählte Extremsportarten. Auch Skateboarden gehörte von Anfang an zu den vertretenen Sportarten. Heute gibt es bei den X-Games verschiedene Disziplinen innerhalb des Skateboardens wie zum Beispiel: 'Vert', 'Park', 'Street', 'Big Air', 'Real Street' und 'Game of S-K-A-T-E' (vgl. http://espn.go.com/action/blog?sport=xgames). Durch Großveranstaltungen wie diese, das Erscheinen von Videospielen wie 'Tony Hawks Pro Skater' der Marke Activision, die Präsenz von Skateboarding in einer Vielzahl von Filmen und TV-Serien, vor allem aber durch die Präsenz von Skateboardern in den Innenstädten wurde Skateboarden immer populärer. Große Teile der Jugendkultur der 2000er waren stark von der Skateboardingkultur beeinflusst. Durch das verstärkte Interesse verschiedenster Personen wurde Skateboarding nach außen hin immer massentauglicher, während es innerhalb der Skateboardkultur viele Gegner dieser Kommerzialisierung und der Einordnung in die Gesellschaft gab. Eines der Resultate des öffentlichen Interesses an Skateboarden war unter anderem, dass vielerorts der Ruf der Bürger an die Gemeinden lauter wurde öffentliche Skateparks zu errichten. Gewünscht wurde dies vor allem von Eltern, die ihre Kinder lieber in einem Umfeld ihrem Hobby nachkommen sehen, welches für dieses auch konzipiert wurde und das ihnen sicher erscheint. Zusätzlich halten sich die Kinder an einem, den Eltern bekannten Ort und nicht irgendwo in der Stadt auf. Somit wurden nach und nach Skateparks von Gemeinden gebaut, die nun auch immer mehr Elemente hatten die an reale Objekte aus dem städtischen Umfeld angelehnt waren. Heute setzen sich die meisten "Standart-Skateparks" aus 'Banks', 'Curbs', 'Ramps', ‚Transitions‘ und 'Rails' in allen möglichen Größen und Formen zusammen.

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Einflüsse und Richtungen

1.5. Einflüsse und Richtungen Für viele Skateboarder zählt in erster Linie das Skateboarden an sich. Die meisten anderen Dinge sind zweitrangig. Ebenso lassen sich Skateboarder schwer noch einmal voneinander unterscheiden, da im Prinzip alle Skateboarder durch die gemeinsame Begeisterung für die Lebenseinstellung, welche Skateboarding ausdrückt, vereint werden. Dennoch lassen sich Unterschiede erkennen, die jedoch den vereinigenden Charakter des Skateboardens nicht ausstechen können. Zunächst lassen sich unterschiedliche Disziplinen des Skateboardens als Sport erkennen. 

Vert

Freestyle

Park

Street

Die Reihenfolge, in der die einzelnen Disziplinen hier genannt wurden sind mit der geschichtlichen Entwicklung des Skateboardens zu erklären. Im Vert (kurz von „vertical“) vollführt der Skateboarder seine Tricks in der Vertikalen. Hierzu benötigt er bestimmte Anlagen, wie eine Quarter-, Half- oder Fullpipe. Wie aus Abbildung 8: Vert Skater der englischen Übersetzung hervorgeht handelt es sich Shaun White in der Halfpipe. Quelle: dabei um ein Viertel, eine Hälfte oder um den gesamten http://kidwize.blogspot.com/2 010/08/shaun-white.html Teil eines Rohres. Während die frühen Halfpipes tatsächlich eine durchgehende Krümmung haben, so weisen moderne Halfpipes zwischen den gekrümmten Partien einen flachen Bereich auf. Entwickelt hat sich diese Disziplin in trockenen Swimmingpools. So werden auch heute sogenannte Pools als Elemente von Skateanlagen gebaut. Der Freestyle benötigt im Prinzip keinerlei Rampen oder architektonische Besonderheiten. Auf flacher Oberfläche (im ‚Flat‘) werden Figuren vollführt, die teilweise an ein „Tanzen mit dem Skateboard“ erinnern. Der Skateboarder dreht sich hier bei vielen Tricks auf und mit dem Board. Dabei verlässt das Board den Boden jedoch selten. Auch Handstände werden in viele

Abbildung 9: Freestyle Skateboarder. Quelle: http://www.nevereno ughsk8.com/newteamrider-albert-

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Einflüsse und Richtungen Tricks mit eingearbeitet. Während einige dieser Tricks heute in leicht veränderter Form noch immer gebräuchlich sind, gehört der Freestyle als Wettkampf-Disziplin der Vergangenheit an. Street-Skateboarding entwickelte sich, wie der Name vermuten lässt, auf der Straße. Vielmehr noch im urbanen Raum. Indem der Skateboarder versuchten alle möglichen Hindernisse im urbanen Raum für sich und seine Tricks zu nutzen, entwickelte sich ein eigener Stil, der heutzutage zugleich den bedeutendsten Einfluss auf den Sport, als auch auf die Kultur hat. Zu Beginn des Skatevideos „Future Primitive“ von Powell Peralta (1985) findet sich etwa folgender Text eingeblendet: „200 years of American technology has unwittingly created a massive cement playground. It took the minds of 12-year-olds to realize its potential.” Der signifikanteste Unterschied des Street-Skateboardens gegenüber den anderen Disziplinen ist der, dass sich das Street-Skateboarden architektonischer Elemente bedient, die eigentlich nicht für diese Nutzung vorgesehen waren. Besonders während der Anfänge des Street-Skateboardings suchten die Skateboarder immer neue Wege, Tricks zu entwickeln, mit denen sie weitere Objekte „skatebar“ machten. Einer dieser Meilensteine waren zum Beispiel die ersten Grinds und Slides an Handrails (Tricks, bei dem lediglich die Achsen - respektive das Board - die Handläufe von Treppen oder Rampen berühren). Dies ging bisweilen sogar soweit, dass Skateboarder mit Ihrem Skateboard von Autodächern sprangen (siehe zum Beispiel: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=p0UrDOXbfuM#!). Das manche der in dem Video gezeigten Tricks illegal sind, wird nicht nur hingenommen, sondern macht es dadurch häufig sogar interessanter. Beim Park-Skateboarden bewegt sich der Skateboarder in einem Skatepark, welcher aus einer Reihe verschiedener Elemente wie unter Anderem Quarterpipes, einfacher Rampen, Banks (schräge Flächen), Rails (Handläufen an Treppen nachempfunden), Flatrails (Rails ohne Höhendifferenz zwischen den Enden), Curbs (Quader, deren Oberfläche oder Kanten, die Ledges genannt werden, genutzt werden) und Treppen. Die Größe und Form der einzelnen Obstacles ist variabel. Hauptsächlich aus Eigenheiten der Skateboarding-Kultur heraus gibt es einige weitere Disziplinen, die (ähnlich wie ‚Freestyle‘) heutzutage keinen Anklang mehr finden. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Hochsprung, Weitsprung, Slalom, und andere. Besonders der Wettkampfcharakter des „höher, schneller, weiter“ haben dazu geführt, dass viele Skateboarder sagten, dass solche Disziplinen schlecht mit der allgemeinen Einstellung von Skateboardern zu vereinen seien. Eine 17


Einflüsse und Richtungen Besonderheit stellt bei Wettkämpfen das Street-Skateboarden dar. Häufig sind hier die Übergänge zum Park-Skateboarden fließend, da die Street-Wettkämpfe ebenfalls in einem Skatepark ausgetragen werden. Zwar wird bei der Konzeption dieser Parks Wert darauf gelegt, dass die Parks möglichst natürlich urbanen Räumen nachempfunden werden, trotzdem finden die Wettkämpfe unter anderen Bedingungen statt, als das eigentliche Street-Skateboarden. Aus diesem Grund wurde zum Beispiel bei den X-Games zusätzlich die Disziplin „Real Street“ eingeführt. Innerhalb der Skateboardkultur werden unterschiedliche Richtungen oftmals auch über den jeweiligen Musikgeschmack einzelner Gruppen von Skatern definiert. In der Anfangsphase lieferte vor allem Hardrock den Sound für Skateboarder. Die Entwicklung des Punk-Rock wurde in den 1980er Jahren an vielen Orten stark vom Skateboarding beeinflusst und beeinflusste umgekehrt das Skateboarding. "Wir waren Punkrock und Punkrock war unsere Musik" (Grabke in: slack 07. 2007: 40). Heutzutage finden sich neben Anhängern dieser Musikrichtungen ebenso viele Jugendliche, die andere Musikarten wie Alternative, Hip-Hop, Hardcore, Metal oder elektronische Musik hören. Anhänger von Musikrichtungen, die heutzutage andernorts Basis für die Bildung eigener Subkulturen sind, finden sich jedoch im Skateboarden zusammen. Besonders in Bezug auf das Streetskaten ist noch eine Differenzierung interessant, die den Umgang mit der Skatekultur als solcher betrifft. Viele Skater sehen sich selbst nach wie vor als eine jugendliche Gegenkultur zum allgemeinen Establishment. Für sie sind Skateboarding und Konsumgesellschaft nicht zu vereinen. Das Nicht-akzeptieren von Straßenverkehrsregeln gehört für sie genauso mit zum Ausdruck ihrer rebellischen Haltung gegenüber dem kapitalistischen System, wie die Aneignung von urbanen Räumen im übertragenen Sinne, durch Kleben von Stickern und Sprühen mit Spraydosen an den von ihnen beanspruchten Flächen. Für sie ist Skateboarden in jedem Fall auch eine politische Äußerung. Auf der anderen Seite gibt es die Fraktion der Skater, welche die Kommerzialisierung des Skateboardings zwar nicht begrüßen, sie aber akzeptieren. Sie sehen den Nutzen der Kommerzialisierung für den Sport. Sponsoring von Fahrern und Parks, Weiterverbreitung der Kultur durch verschiedene Medien, Organisation von Veranstaltungen rund um Skateboarding etc. Diese Gruppe geht auch mit den Spots anders um.

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Einflüsse und Richtungen „Also Streetspots werden generell auch nicht bestickert. Also wenn Du irgendwo ein Foto siehst, an einem Streetspot und da hat einer einen Aufkleber draufgemacht - ekelhaft! […]Wir wollen das gar nicht anpassen. Sondern das ist halt so, wie es ist. Das wird genutzt durch Skater. Und dann wird es aber auch so wieder gelassen. […]Also ich möchte echt nichts kaputt machen“ (Interview mit Patrick Bös). Während die eine Richtung versucht, den Ruf des Skateboardings zu verbessern und als eine ‚normale‘ Freizeitbeschäftigung darzustellen, drängt die Andere lieber an den Rand der Gesellschaft, sieht sich als Randgruppe und stellt sich so dar. Diese beiden Sichtweisen auf Skateboarding nehmen jedoch nur selten extreme Formen in die eine oder die andere Richtung an. Die meisten Skater wollen weder urbane Guerillakämpfer in einer Gegenbewegung wider den Kapitalismus, noch rechtspositivistische Ja-Sager sein.

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Theorie

2. Theorie

2.1. Definitionen Um Skateboarding in dem gewünschten geographischen Kontext zu betrachten, sollen im Folgenden nun einige dafür relevante Begriffe geklärt werden. Der Begriff ‚Raum‘ ist zunächst ein abstraktes Konstrukt. Je nach Fragestellung sollte zunächst beschrieben werden, welcher Raum betrachtet wird. Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine kulturelle Herangehensweise handelt, soll der Raum betrachtet werden, der von den jeweiligen sozialen Gruppen berührt, genutzt, wahrgenommen wird und, umgekehrt, diese beeinflusst. Dabei handelt es sich in erster Linie um die spezifische Anordnung von Objekten an einem gegebenen Ort Raum4. Und den sozial konstituierten und konstruierten Raum, welcher dort durch die Skateboarder genutzt wird - Raum6S (vgl. Weichhart, 2008: 326ff). Diese Arbeit widmet sich vor allem dem ‚Wahrnehmungsraum‘ der Skater. „Wahrnehmungsraum perception space: derjenige Teil der Umwelt, den der Einzelne bzw. soziale Gruppen wahrnehmen, insbesondere durch eigene Aktivitäten in diesem Raum, durch Verkehrsteilnahme, Informationen durch Massenmedien usw. Im W. werden Bewertungen von Raumsituationen vorgenommen, aus denen sich mental maps entwickeln“ (Leser, 2008: 1084). In dieser Arbeit möchte ich mich größtenteils auf den innerstädtischen, öffentlichen Raum beschränken. Auch hier ergibt sich bald die Frage, was unter ‚öffentlichen Raum‘ fällt. Der Begriff wird im Zusammenhang mit urbanem Raum und urbanen Leben ständig verwendet. Eine klare Definition findet man jedoch oft vergebens. Oftmals wird öffentlicher Raum erklärt, indem beschrieben wird, was er nicht ist. Privater Raum, Raum, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und so weiter. Jedoch scheinen mit zunehmender Privatisierung des öffentlichen Raums die Grenzen oftmals zu verwischen. Längst spricht man vielerorts von halb-öffentlichem bzw. halb-privatem Raum. Doch selbst nach diesem Ausschlussverfahren bleiben viele Orte, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Bernadette Fülscher nennt 2004 beispielsweise vier verschiedene Möglichkeiten, welche einen Raum öffentlich machen können: -

Öffentlicher Raum als Raum, der Eigentum der öffentlichen Hand ist

-

Öffentlicher Raum als Raum, der von der Öffentlichkeit genutzt wird oder dessen Nutzung der Öffentlichkeit dient 20


Definitionen -

Öffentlicher Raum als Raum, welcher der Öffentlichkeit zugänglich ist

-

Öffentlicher Raum als Raum, der einen öffentlichen Charakter hat

Zusätzlich vermerkt sie: „Die jeweiligen Eigenschaften dieser öffentlichen Räume können bei einem bestimmten öffentlichen Raum einzeln oder in Kombination auftauchen und gelten ebenso für Aufenthalts- und Verkehrsräume im Äussern wie für Bauten oder Innenräume. Grundsätzlich können auch virtuelle Räume als öffentliche verstanden werden“ (vgl. Fülscher, 2004). Zu bemerken bleibt jedoch auch bei diesen Definitionen, dass ‚Öffentlichkeit‘ nicht immer gleich ‚Öffentlichkeit‘ ist. Besonders Personen, die am Rande der Gesellschaft stehen (z.B. Obdachlose), haben oftmals erschwerte Zugangsbedingungen; selbst bei manchen Plätzen, die allen vier oben genannten Kriterien entsprechen. In der vorliegenden Arbeit soll es vor allem um die innerstädtischen, öffentlichen Räume im Außenbereich gehen, die einem der vier Kriterien genügen. Das Diercke Wörterbuch Allgemeine Geographie definiert öffentlichen Raum folgendermaßen: „Öffentlicher Raum public space: ein klar definierter, oft administrativ eingegrenzter Bereich im staatlichen oder kommunalen Eigentum der für jeden zugänglich ist, z.B. alle dem Straßenverkehr gewidmeten Flächen(Straßen, Wege) aber auch Parkanlagen oder Plätze. Ö.R. ist die Vorraussetzung für die Begegnung, Auseinandersetzung und Kommunikation mit dem Fremden und erfüllt damit eine wichtige gesellschaftliche und politische Funktion“ (vgl. Leser, 2011: 634f). Ein weiteres Definitionsproblem ergibt sich bei dem Begriff der ‚Raumnutzung‘. Ein Raum kann auf die unterschiedlichsten Arten genutzt werden. Manche Räume entstehen gar erst durch ihre Nutzung / Verschwinden ohne diese Nutzung. In dieser Arbeit möchte ich mich hauptsächlich der Raumnutzung öffentlicher Räume widmen. Welche Nutzungsformen erfahren bestimmte Orte, durch wen und wann? Mit Nutzungsformen sind dabei vorrangig Aktivitäten gemeint. Dazu zählen zum Beispiel Flanieren, sich ausruhen, Dinge betrachten, Einkaufen, etc. oder eben Skaten.

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Theoretischer Hintergrund

2.2. Theoretischer Hintergrund Der Anspruch bei den ersten Gedanken zu dem Thema der vorliegenden Arbeit war herauszuarbeiten, wie unterschiedliche Raumwahrnehmungen unterschiedliche Raumnutzungen bedingen und zu welchen Konflikten dieser Umstand im öffentlichen Raum führen kann. Theoretische Grundlagen hierzu lieferten vor allem die Überlegungen von David Harvey, Georg Simmel, vor allem aber die Henri Lefèbvres. Die Annäherungen über die Sozialgeographie und die neue Kulturgeographie führten jeweils zunächst zu Raummodellen und Raumkonzeptionen. Zentrale Rolle spielt dabei immer das Verhältnis von Raum zur Gesellschaft oder sozialen Gruppen bzw. Individuen und umgekehrt. So zum Beispiel beschrieben durch Lefèbvre in ‚La production de l’espace‘ (1974, im Folgenden zitiert nach der englischen Ausgabe von 1991). „(Social) space is a (social) product“ (Lefèbvre, 1991: 30). Somit ist Raum auch immer ein Spiegelbild der Gesellschaft und des Systems, in welchem sich die Gesellschaft befindet. In einem kapitalistischen System finden sich so auch kapitalistische Merkmale im Raum. „Wesentliches Kennzeichen ist eine Kolonialisierung von Raum und Zeit. Raumvermessung und –kontrolle werden bei Lefèbvre als spezifischer Ausdruck der kapitalistischen Produktionsweise begriffen. Produktion und Kontrolle über Raum versteht er als das Bemächtigungsmittel des Kapitalismus“ (vgl.Löw, Steets, Stoetzer, 2008: 52). Ein weiteres wichtiges Merkmal Lefèbvres ist die Trinität des Raums bestehend aus: l'espace perçu - erfahren - physisch

l'espace conçu - erdacht - gedanklich

l'espace vecu - gelebt - gesellschaftlich

Abbildung 10: Trinität des Raumes nach Lefèbvre. Eigene Darstellung nach Elden, 2002: 27.

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Theoretischer Hintergrund -

L’espace perçu: dem realen, physischen Raum, dessen Entitäten erzeugt und genutzt werden können. L’espace conçu: dem erdachten, imaginären Raum, wie er beispielsweise von Behörden konzipiert und geplant wird. L’espace vecu: dem gelebten Raum, der existiert und durch seine Geschichte und die Erinnerungen und Erfahrungen des Betrachters individuelle Bedeutung für diesen hat. „The user’s space is lived – not represented (or conceived)“ (Lefèbvre, 1991: 362).

Diese drei Konzepte existieren immer gleichzeitig und durchdringen, bedingen und beeinflussen sich gegenseitig (vgl. Löw, Steets, Stoetzer, 2008: 53). Lefèbvre betrachtete ebenfalls den Einfluss von Zeit und das Zusammenspiel von Zeit und Raum. Diese Komponente griff David Harvey auf, welcher an Lefèbvres Überlegungen anknüpft, und fügte zusätzlich noch die des Geldes hinzu. Harvey geht davon aus, dass Zeit, Raum und Geld untereinander konvertierbar sind (vgl. Harvey, 1989: 226). Diese Relationen werden in Zeiten der Globalisierung schnell erkennbar durch die schneller werdende Überwindung von Distanzen (Räumen) im Zusammenhang mit dem Sprichwort „Zeit ist Geld“. Harvey beschreibt zudem die Auswirkungen dieser „time-space-compression“ auf die kulturelle Ebene (vgl. Löw, Steets, Stoetzer, 2008: 57). Zusätzlich geht Harvey verstärkt auf die Kontrolle von Raum (und Zeit) durch kapitalistische Mechanismen und insbesondere durch den Staat ein. Dabei verweist er auf historische Entwicklungen (vgl. Harvey, 1991: 155) ebenso wie auf aktuelle. “We live in a world where people talk about the so called public space. But most of the time the public is not allowed to be in that public space” (David Harvey at Occupy London, November 12, 2011. http://vimeo.com/32069224 ). In der „Philosophie des Geldes“ beschreibt Simmel bereits 1900 welche Rolle Geld in der Gesellschaft hat. Er betrachtet die persönliche Individualität einer Person, welche in einer Gesellschaft mit Geldwirtschaft lebt, als wesentlich ausgeprägter als die einer Person, die in einer Gesellschaft gegenseitiger Abhängigkeiten ohne Währung lebt. Diese Gedanken über das Geld äußert Simmel im Rahmen eines Relativismus, welcher auf erkenntnistheoretischen Prinzipien beruht. Der besagt, dass Dinge sich immer nur in Relation zu anderen Dingen konstituieren. Dabei schließt er den Betrachter eines Objektes, das Subjekt, nicht aus: „kein Subjekt ohne Objekt, kein Objekt ohne Subjekt“ (Simmel, 1989: 119). Da Raum nur aus der Beziehung zweier oder mehrerer Objekte zueinander besteht, bringt es eine ähnliche allgemeine Relativität der Dinge zum Ausdruck wie es laut Simmel das Geld tut. 23


Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums

2.3. Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums Henri Lefèbvre beschreibt in ‚La production de l’espace (1974)‘ den Unterschied zwischen „natürlichem“, absolutem Raum, welcher ein durch physische Grenzen abgetrennter ist, und sozial konstruiertem Raum. Dieser wird lediglich durch Ansichten, Wahrnehmungen oder Symbole konstruiert und durch diese abgegrenzt, wobei die Grenzen wandelbar sein können. Weiter schreibt er, dass es sich bei Raum um ein komplexes soziales Konstrukt handelt, welches sich selbst im Raum bedingt. „Raum wird gesellschaftlich produziert, gleichzeitig ist er aber das Medium, das gesellschaftliche Verhältnisse strukturiert, konkret werden lässt und dadurch letztlich reproduziert. Raum beinhaltet somit die Möglichkeit, auf den Prozess seiner Herstellung und auf die damit einhergehenden gesellschaftlichen Verhältnisse verändernd einzuwirken“ (An Architektur 01, Material zu Henri Lefèbvre, Die Produktion des Raums, 2002, S.7). Raum wird also gemäß der von Lefèbvre konzeptualisierten Trinität von den gesellschaftlichen Umständen und den individuellen Ansichten Einzelner oder verschiedener sozialen Gruppen stets unterschiedlich konstruiert. Demnach haben die einzelnen sozialen Individuen oder Gruppen auch unterschiedliche Wahrnehmungen des Raums. Bedingt dies jedoch auch immer automatisch eine unterschiedliche Nutzung des gleichen physisch-realen Raumes? In der theoretischen Konzeption Lefèbvres besteht ein Unterschied zwischen dem „Space of consumptiom“, welcher etwa dem physischen Raum der Produktion, des Arbeitsplatzes entspricht, und dem Raum außerhalb dieses „space of consumption“. In diesen Raum tritt der Mensch ein, wenn er seine Freizeit genießen möchte (vgl. Lefèbvre, 1991: 352f). Weil ich mich in meiner Arbeit auf den öffentlichen Raum und die Nutzungen außerhalb des Arbeitsplatzes widme, vernachlässige ich an dieser Stelle den „space of consumption“ um zusätzliche Komplikationen zu vermeiden. Nach Lefèbvre wäre die Antwort auf die oben gestellte Frage, ob eine unterschiedliche Wahrnehmung auch eine unterschiedliche Nutzung eines Raums bedingt, streng genommen wohl zu bejahen. Denn laut ihm ist Raum außerhalb des “space of consumption” ebenfalls ein Konsumobjekt. „When we go to the mountains or the beach, we consume a space. When the inhabitants of industrialized Europe descend to the Mediterranean, which has 24


Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums become theirs space for leisure, they pass from the space of production to the consumption of space” (Lefèbvre, 2009: 188). Da diese Art von Konsumption immer davon abhängig ist, wie der Raum wahrgenommen wird, ist die jeweilige Nutzung aus dieser Sicht ebenfalls unterschiedlich. Da ich mich in dieser Arbeit jedoch auf körperliche Aktivitäten als Nutzungsformen beschränken möchte, würde ich die These verneinen. Zwei Personen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründen und unterschiedlichen Raumwahrnehmungen können durchaus den Raum gleich nutzen. So könnten ein Historiker und ein Straßenkehrer als Touristen durch eine mittelalterliche Stadt spazieren. Während der Historiker währenddessen verschiedene Indizien für das Alter der Stadt sammelt, überlegt sich der Straßenkehrer eventuell welche Arbeit die hiesigen Straßenkehrer beim Fegen des groben Kopfsteinpflasters haben. Die Nutzung der Straße durch den Spaziergang beeinflussen die individuellen Wahrnehmungen jedoch in diesem Falle nicht. Fügt man dieser Überlegung jedoch noch die zeitliche Komponente hinzu, so ist es nur schwer vorstellbar, dass zwei Individuen einen gegebenen Raum zu jedem gegebenen Zeitpunkt immer gleich nutzen. Unterschiedliche Raumnutzungen sind jedoch immer auch verantwortlich für unterschiedliche Raumwahrnehmungen. Denn wie bereits erwähnt wird Raum gesellschaftlich produziert und ist gleichzeitig Medium zur Produktion und Strukturierung gesellschaftlicher Verhältnisse. Sobald sich also die Raumnutzung ändert, wird der Raum neu definiert. Dementsprechend ändert sich auch die Wahrnehmung.

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Raumwahrnehmung

3. Raumwahrnehmung

3.1. Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern „Die Funktionen der Architektur werden neu ausgelegt. […] Alle Teile der Stadt existieren nur noch in Beziehung zum Board und seinen Möglichkeiten“ (Von Krosigk, Tscharn, 2001: 26). Wie im vorigen Kapitel beschrieben wird die Raumwahrnehmung einer Person unter anderem dadurch bedingt wie diese den Raum nutzt. Die vielen Facetten der Skateboardingkultur haben zuvor gezeigt, wie wichtig die verschiedenen visuellen Eindrücke dieser Kultur für die einzelnen Personen der Szene sind. Dieser Einfluss geht soweit, dass man von einer Art gemeinsamen Bewusstseins davon, was im Skateboarden alles möglich ist, sprechen kann. Für den Einzelnen bedeutet dies jedes Mal das Ausloten seiner eigenen Fähigkeiten und den kreativen Umgang damit. Umgekehrt, kann eine kreative Betrachtung der Umwelt eine Erweiterung der Möglichkeiten bedeuten und somit die eigenen Fähigkeiten ein kleines bisschen erweitern. Dadurch verändert sich auch stetig der Nutzwert, den Skateboarder in ihrer Umgebung sehen. Die Raumwahrnehmung des einzelnen Skateboarders wird somit durch szeneeigene Medien zumindest indirekt verändert. „Ob du es magst oder nicht, wir sind alle davon konditioniert, was andere uns vormachen und wo. Automatisch neigen wir dazu, das als Skate-Spots anzusehen, was andere uns als skatebar aufgezeigt haben. Skateboarder pushen sich gegenseitig, einer beeinflusst den nächsten. Unsere eigenen Erfahrungen sind eng mit dem kollektiven Bewusstsein aller Skater verknüpft. […] Das Lustige dabei ist, dass unsere Definition eines Spots sich jedes Mal verändert“ (Kingpin, Ausgabe 93, 2011: 16). Die Geschichte des Skateboarding beschreibt somit auch einen Wandel in der Raumwahrnehmung der Skater. Während der Ära des Pool-Skatens im Kalifornien der 1970er waren die Sinne der Skater darauf geeicht, Hinweise auf private Swimmingpools in den Gärten zu erkennen: Pumpen, Reinigungsutensilien für Pools, aufblasbare Spielsachen, Chlorgeruch, weiße Chlorrückstände an den Abwasserzuläufen der Straßen oder das Geräusch von Pumpen verrieten Skatern die möglichen Standorte von Pools (vgl. Borden, 2001: 47). Dinge, die heute keinem Skater mehr besonders auffallen würden. Mit der ständigen Weiterentwicklung des Streetskatens rückten andere Objekte des urbanen Alltags in den Fokus der Skater. 26


Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern

Abbildung 11 (rechts): Skater Ryan Lay bei einem Wallride. Quelle: http://skateboarding.transworld.net/1000095981/features/homeys-cairo-caswell-duffel-silas-more/ Abbildung 12 (links): "Feeble-Grind" an einem Handrail auf dem Cover des MSM Ausgabe 305/2011.

„Wobei: selbst Rails waren einmal keine Spots, bis ein gewisser Mark Gonzales Tür und Tor eintrat und etwa 1986 Skateboarding um diese Facette bereicherte“ (Kingpin, Ausgabe 93, 2011: 16). „Wände waren […] nicht einmal annähernd Teil des Skate-Trick-Universums. Einen Ort zum Anlehnen und Chillen zu bieten, war ihr einziger Nutzen. Bis Natas Kaupas 1984 beschloss: Wände sind Spots! – Und sagt selbst: Wie spaßig sind bitte Wallrides?!“ (ebd). Neben den Indikatoren für Skatespots hat sich auch deren Lage in der Stadt verändert. Die oben beschriebenen „Backyard-Pools“ waren fast ausschließlich in den suburbanen Wohngegenden zu finden. Modernes Streetskaten hingegen findet vorrangig in den Innenstädten statt. „Es ist immer viel, viel spannender einen Spot zu fahren, der nicht zum Skaten extra gebaut wurde. Sondern der einfach durch die Stadtplanung, durch die Stadtarchitektur so entstanden ist. [...] Solche Spot sind immer um einiges interessanter zum Skaten. Irgendwie ist das anders, wenn es nicht zum Skaten gebaut ist“ (Interview – Wasted Box).

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Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern Die Attitüde, die in dem obenstehenden Zitat zum Ausdruck gebracht wird, erscheint den meisten Skatern heute als normaler Gedanke. Architekten, Soziologen und Geographen erkennen darin jedoch mehr. Durch die symbolische Kritik an Stadt und Architektur, die Skater durch diese neue Nutzung bewirken, stehen Skater sinnbildlich für eine politische Ideologie des urbanen Widerstandes gegen den Kapitalismus, für eine Missachtung der Norm, zu konsumieren, wenn nicht gearbeitet wird, und für eine „Aneignung von Machträumen als zeitweilige Räume des freien Ausdrucks“ (vgl. www.arkinet.com). Zieht man Lefèbvres Trinität des Raumes heran, lässt sich festhalten, dass Skater einen gegebenen espace perçu durch ihre Tätigkeiten als Skateboarder mit einem speziellen Nutzen für sie sehen – espace vecu. Unter anderem bevorzugen sie, wie die Kultur des Streetskateboarding zeigt, dabei bewusst espaces conçus, für die eigentlich ein anderer Nutzen vorgesehen war. Dieser Tatsache sind sich manche Skater allerdings durchaus bewusst. Nur der Umgang mit diesen Erkenntnissen ist bei Skatern ein anderer, wie folgende Zitate zeigen sollen. „Skaters create their own fun on the periphery of mass culture. Sewers, streets, malls, curbs and a million other concrete constructions have been put to new uses” (Lowboy, zit. n. Borden, 2001: 191). “The corporate types see their structures as powerful and strong. I see them as something I can enjoy, something I can manipulate to my advantage” (Neuhaus, zit. n. Borden, 2001: 187). Diese Raumaneignung findet nämlich zumeist dort statt, wo größere Freiflächen gemeinsam mit Objekten auftreten, die man meist nur an großen Firmengebäuden, öffentlichen Einrichtungen oder auf öffentlichen Freiflächen findet. Hierzu zählen insbesondere: Großzügig angelegte Pflanzbeete, Treppen (mit Handläufen), geneigte Flächen, platzgestaltende Kunstobjekte, Brunnen usw. Wichtig ist für Skateboarder dabei neben der Form und Beschaffenheit der Objekte auch immer die Oberfläche des Bodens. „Wenn man irgendwo Marmor sieht als Skater, dann werden direkt die Antennen ausgerichtet“ (Interview – Christian Schakat). Oder: „Oh, schade: Schöner Spot - leider mit Kopfsteinpflaster. Kann man nicht fahren“ (Interview – Wasted Box).

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Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern Diese Wahrnehmung, die sofort mit der möglichen Nutzung durch Skateboarding verbunden wird, unterscheidet den Blick des Skaters von dem des Nicht-Skaters. Dabei sieht ein Skateboarder meist nicht das architektonische Ensemble, welches geplant und aufeinander abgestimmt wurde. Für einen Skateboarder bietet gerade die Dekonstruktion weitere Kombinationsmöglichkeiten. “By focusing only on certain elements (ledges, walls, banks, rails) of the building, skateboarders deny architecture’s existence as a discrete threedimensional indivisible thing, knowable only as a totality, and treat it instead as a set of floating, detached, physical elements isolated from each other […]”(Borden, 1998, http://www.nottingham.ac.uk/3cities/borden.htm) . Wenn man einen Kölner beispielsweise den Roncalliplatz, der im Volksmund ‚Domplatte‘ genannt wird, beschreiben lassen sollte, so würde dieser höchstwahrscheinlich zunächst den Dom als charakteristischstes Merkmal des gesamten Erscheinungsbildes nennen. Anschließend wahrscheinlich das traditionsreiche Domhotel, das Römisch-Germanische Museum und das Brauhaus Früh direkt um die Ecke. Nach kurzer Bedenkzeit würde er eventuell noch auf die große Fläche der Domplatte an sich, die Buchhandlung Kösel und den Brunnen direkt vor dem Dom kommen. Ein Kölner Skater sieht natürlich auch all diese Dinge, er sieht jedoch auch die Pflanzbeete mit ihren langen Natursteincurbs, die Oberflächenstruktur der Domplatte und die potenziellen Nutzungsmöglichkeiten. Er sieht nicht nur die Treppen, sondern zählt

Abbildung 13: Sticker verschiedener Marken, die in der Skateboardszene bekannt sind (hier: carhartt, Volcom, DC, Rockstar) und von lokalen Skateshops (Titus, Street Dreams, Pivot). Alles in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom gefunden. Quelle: Eigene Fotos.

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Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern sofort die Stufen um in etwa den Schwierigkeitsgrad für Tricks abschätzen zu können. Er sieht die Gebrauchsspuren an den Curbs durch Grinds. Er sieht die Sticker verschiedener Skateshops, Bekleidungsmarken und Skateboardhersteller. „Wenn ich irgendwo die Stufen hochgehe, dann zähle ich die Stufen. Und dann stelle ich mich oben manchmal noch hin, obwohl ich da eh nie runterspringen würde. [..] Ah, 14 Stufen. Krass. Hier würde der und der irgendwie so runterspringen“ (Interview – Christian Schakat). Ein aktueller Trend, dessen Idee jedoch kein Novum für Skater ist, sind die Initiativen, Räume, die durch kleine Unebenheiten oder Lücken nicht skatebar sind, selbst so zu verändern, dass sie von Skatern genutzt werden können. So ändern Skater durch ihre Nutzung nicht mehr nur den gedachten Raum, sondern durch aktive Umgestaltung auch den physischen Raum. Dies geht bisweilen soweit, dass komplett neue Objekte erschaffen werden. Skatepark-Elemente im öffentlichen Raum.

Abbildung 14: Zwei Beispiele für Rampen, die von Skatern illegal angebracht wurden. Quelle: http://b00h00.blogspot.com/2010/04/diy-skatepark.html , http://skateandannoy.com/features/diy/skateparks/

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Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern „Und das zeigt auch, dass die Skater aktiv ihren Raum gestalten wollen. Und meistens [..] da besonders, wo die Stadt [.] nicht so sehr förderlich [.] ist“ (Interview – Wasted Box). Durch diese neuen Objekte schaffen Skater automatisch auch neue Räume. Der Unterschied zu der ursprünglichen Struktur ist, dass die Skater alle drei Aspekte des von Lefèbvres vorgestellten Raumes selbst erschaffen haben (espace conçu, vecu & perçu). Diese Räume können als Raum der Widerständigkeit gegen die räumliche Praxis der „räumlichen Ökonomie“ verstanden werden (vgl. An Architektur 01, 2002: 17).

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Nutzungskonflikte

3.2. Nutzungskonflikte Die im vorigen Kapitel beschriebene Raumnutzung von Skateboardern führt dabei in vielen Fällen zu Berührungspunkten mit den Nutzungsvorstellungen Anderer innerhalb desselben physischen Raumes. Das Hauptproblem, welches viele Menschen mit Skatern haben ist der hohe Lärmpegel, den die Skateboards verursachen. Um diese Lärmbelastung genauer zu bestimmen, wurden Messungen vorgenommen. Diese erfolgten mit einem Schallpegelmeßgerät welches den Anforderungen nach EN 61 672-1 entspricht und in die Klasse 2 für allgemeine Felduntersuchungen eingeteilt wird. Gemessen wurde der dbA-Schallpegel, den ein Skateboard auf einer Straße erzeugt. Die Messung erfolgte auf einer Straße in einer Wohnsiedlung, wo der Schall von den Häuserfassaden reflektiert wird. Da die Aufschläge des Skateboards nicht immer gleich laut sind, wurden jeweils die Mittelwerte aus drei Messwerten ermittelt. Um verschiedene Situationen im urbanen Umfeld miteinzubeziehen, wurden die Skateboardsprünge in zwei Messungen auf einer Linie mit dem Messgerät und einer Hauswand (im Abstand von 5m und 10m zur Hauswand), und in einer Messung auf einer Linie mit dem Messgerät, ohne dahinterliegender Hauswand durchgeführt. Alle Werte wurden jeweils in 2m, 10m und 20m Abstand zu der Emissionsquelle gemessen. Die höchsten Werte traten dabei, wie erwartet, in 5m Abstand zu der Hauswand und 2m Abstand zur Emissionsquelle auf. Hier lag der Durchschnittswert bei 79,6dbA, was deutlich über den Richtwerten für alle möglichen Flächennutzunge liegt. So wären in einem Gewerbegebiet tagsüber nur 65dbA erlaubt, in einem reinen Wohngebiet nur 50dbA. Nachts sinkt dieser Wert sogar auf nur 35dbA (vgl. www.lubw.de). Doch auch die niedrigsten Werte in 20m Entfernung und ohne Hauswand lagen durchschnittlich immer noch bei 63,9dbA. Die einzelnen Aufschläge des Skateboards können zwar als störender empfunden werden. Sie waren dabei jedoch nur geringfügig lauter als die vorbeifahrenden Autos, die eine konstante Lärmkulisse von ca. 56dbA erzeugten und somit immer noch die Werte für ein reines Wohngebiet überstiegen. Neben dem Lärm verursachen Skater teilweise bleibende Schäden an privatem oder öffentlichem Eigentum. Besonders häufig sind hierbei die Spuren der Skateboards, die sie beim Grinden und Sliden an Bänken, Ledges, Rails und Curbs hinterlassen. Diese reichen von farbigen Rückständen der Boardoberfläche an dem beanspruchten Objekt bis hin zu tiefen Furchen und herausgeschlagenen Ecken aus Steinoberflächen bei intensiver Nutzung durch die Skater. Die hier verursachten Kosten können sich schnell auf mehrere tausend Euro belaufen. Um die Nutzung durch Skater zu unterbinden werden häufig bauliche Veränderungen am Untergrund 32


Nutzungskonflikte oder den Objekten selbst vorgenommen, so dass das Befahren mit Skateboards unmöglich wird. Hierzu kann beispielsweise der Belag des Bodens eingefurcht werden oder sogenannte ‚Skatestopper‘ angebracht werden (vgl. http://vimeo.com/31136828).

Abbildung 15: Schäden an einem Pflanzbeet auf dem Roncalliplatz in Köln. Maßnahme der Stadt: Einfräsungen an den Kanten. Quelle: Eigenes Foto.

Auch Fensterscheiben können durch herumrollende Skateboards beschädigt werden. Dabei wird oft vergessen, dass diverse andere Kinderspielzeuge ebenfalls solche Schäden anrichten können. Der große Unterschied zwischen spielenden Kindern und Skateboardern, die oftmals im selben Alter sind, liegt dabei jedoch auch an der Art und Weise, wie Skater den Raum nutzen. Während spielende Kinder häufig nur freie Flächen zum Spielen benötigen und dabei häufig den Ort wechseln, wählen Skater bewusst einige Elemente aus, die sie befahren möchten. Aus diesem Grund sehen beispielsweise Anwohner eines Wohngebiets bei Skatern eher einen direkten Angriff auf ihr Eigentum, während die Schädigung durch Kinder oftmals als eine Art Kollateralschaden hingenommen werden. Schließlich sehen viele Menschen Skateboarden weder als Sport, noch als Spiel. Nach der Logik Vieler fehlt dem Skateboarden somit der Sinn. Diese Menschen sehen meist „rumlungernde Jugendliche, bei denen nichts passiert. Die fahren ja nur“ (Aussage eines Touristenguides der KölnTourismus GmbH). Anstatt dessen verbringen sie einen großen Teil ihrer freien Zeit in den Straßen und auf den Plätzen der Innenstädte. 33


Nutzungskonflikte Was sie jedoch dort tun, bleibt Vielen ein Rätsel. Dieses Bild wird häufig dadurch verstärkt, dass viele Punks Skateboard fahren und deren äußere Erscheinung oftmals mit „asozial“ gleichgestellt wird. Durch Vorurteile wie diese bestärkt, festigt sich bei Vielen die Meinung, dass Skateboarder das ordentliche Stadtbild beschmutzen. Die Summe der hier angesprochenen Probleme, die viele Leute mit Skateboardern haben, führt häufig dazu, dass sich Anwohner und Passanten von der bloßen Anwesenheit der Skater in unmittelbarer Nähe gestört fühlen. Ein weiterer Nutzungskonflikt ist der Platzbedarf, den Skater bei der Ausübung ihrer Tricks haben. Zwar können die Skater selbst ihre Fähigkeiten meist doch recht gut einschätzen. Der durchschnittliche Passant wird jedoch durch die hohe Geschwindigkeit und den dabei verursachten Lärm der Skateboards eingeschüchtert. „Walking demands space; it is necessary to be able to walk reasonably freely without being disturbed, without being pushed, and without having to maneuver too much. The Problem here is to define the human level of tolerance for interferences encountered during walking […]” (Gehl 2010: 133). Das in dem Zitat angesprochene “level of tolerance for interferences” ist bei den meisten Menschen jedoch unterhalb dessen, was ein Skateboarder bewirkt, der in wenigen Metern Abstand zu ihnen fährt.

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Fallbeispiel: Köln

4. Fallbeispiel: Köln Im Fokus des Fallbeispiels sollen die Kölner Skater stehen, die bis Juli 2011 auf der Domplatte skateten und, ebenfalls seit Juli 2011, eine Alternative hierzu in der Skateplaza „Kap 686“ am Rheinauhafen gefunden haben. Ich habe dieses Beispiel aus mehreren Gründen gewählt. Zunächst handelt es sich bei den betroffenen Skatern um Street-Skater, die bis zum Zeitpunkt des Umbruchs, an das Skaten im Zentrum einer Großstadt gewöhnt waren. Ist es gelungen, diesen Personen eine adäquate Alternative aufzuzeigen, die weder direkt im Zentrum liegt, noch als ein Street-Spot von Ihnen angesehen wird? Weiterhin hat der Platz über die lokale Dominanz nationale und zum Teil sogar internationale Bedeutung. Ist es gelungen den Skatern einen Ersatz zu bieten, der sie über den Verlust „ihrer Domplatte“ hinwegsehen lässt, und wie konnte das gelingen? Hat die Stadt ihre Ziele erfüllen können und inwiefern profitiert die Stadt von diesem Umbruch? Des Weiteren war mir der Platz zuvor von einigen Besuchen bekannt. Somit kannte ich in etwa die von den Skatern genutzten Flächen, welche Nutzungsformen sonst noch an dem Platz vorzufinden sind und in welchem Kontext der Platz steht. Schlussendlich handelt es sich hier um ein sehr aktuelles Beispiel, und in dieser Form um eine neue Herangehensweise der Stadt an einen Nutzungskonflikt zwischen Skatern und Anderen.

4.1. Methodisches Vorgehen Die für das Thema relevanten Informationen kommen zum größten Teil aus dem Internet und Zeitschriften rund um das Thema Skateboarden wie zum Beispiel dem Monster Skateboard Magazine, welches seinen Redaktionssitz in Köln unweit der Domplatte hat. Zudem wurden mehrere Experteninterviews geführt. Ursprünglich geplant waren Experteninterviews mit je einem Vertreter der Stadt, der Skateboarder und der Domanlieger. Da einer der Hauptakteure des Konflikts seitens der Domanlieger wohl das Domhotel war, war auch dieses meine erste Wahl. Jedoch wurde mir nach dreimaligem Weitervermitteln an andere Mitarbeiter ein Interview schlussendlich doch verwehrt. Auch beim Traditionsgasthof „Früh“ unweit des Roncalliplatzes, war die Geschäftsführung „zu keinen Äußerungen zu diesem Thema bereit“. Auch zu allgemeinen, subjektiven Eindrücken welche den Roncalliplatz betreffen, war bei beiden Unternehmen niemand zu Äußerungen bereit. Der einzige 35


Methodisches Vorgehen Domanlieger, der einverstanden war mir ein Interview zur Domplatte zu geben war ein Mitarbeiter der Buchhandlung Kösel, welche sich direkt neben der hauptsächlich von den Skatern beanspruchten Fläche befindet. Jedoch wurden hierbei die Fragen nach den vorherigen Erfahrungen bewusst nicht direkt auf die Skateboarder bezogen. Die Fragen behandelten im Wesentlichen den Roncalliplatz im Allgemeinen. Das Skateboardthema, wurde dabei von dem Interviewpartner recht schnell von alleine angesprochen. Seitens der Skateboarder hatte ich schnell mehr Erfolg. Als Interviewpartner standen mir Mitarbeiter von zwei verschiedenen Skateboardshops, ein Chefredakteur des Monster Skateboard Magazines und zwei Skateboarder, welche beide aktiv bei der Planung der neuen Skateplaza mitwirkten und sich im Dom-Skateboarding e.V. engagierten. Seitens der Stadt wurde mir ein Interview mit der Haupt-Sachbearbeiterin beim „Amt für Kinder, Jugend und Familie“ zugesagt. Dieses musste jedoch leider krankheitsbedingt ausfallen. Ein weiterer Mitarbeiter des Amtes, der sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigte, konnte mir aus zeitlichen Gründen leider nur auf Fragen via Email antworten. Die einzelnen Interviews waren (Reihenfolge, wie Befragung): Interview – Kösel: Als Interviewpartner stand mir ein Mitarbeiter der „Buchhandlung Kösel“ bereit. Das Interview fand in der Buchhandlung, während der Geschäftszeit statt. Um wenigstens einige Informationen über die brisante Thematik der Skater auf der Domplatte zu erhalten entschloss ich mich die Fragen auf generelle Eindrücke an der Domplatte zu beschränken. Die Skater wurden dabei recht schnell von allein zum Thema. Transkription des Interviews siehe Anhang. Interview – Pivot:

In dem bekannten Kölner Skateshop „Pivot“ ließ sich einer der Mitarbeiter von mir zu dem Thema interviewen. Auch hier fand das Interview in dem Laden zur Geschäftszeit statt.

Interview – Patrick Bös: Der in Deutschland nicht unbekannte Skater aus Köln, der früher selbst viel an der Domplatte skatete und sich stark im „Dom-Skateboarding e.V.“ engagierte wurde vor Ort am Kap686 befragt. Der Lehramtsstudent hatte kurz zuvor seine Zulassungsarbeit im Fach Geographie über den Rheinauhafen fertiggestellt und konnte mir außerhalb des Interviews zudem einige Informationen aus geographischer Sicht hierzu geben. Transkription des Interviews siehe Anhang.

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Methodisches Vorgehen Interview – Wasted Box: Nach einem kurzen Gespräch über das Thema der Arbeit erklärten sich zwei Mitarbeiter des Kölner Skateshops „Wasted Box“ bereit das Interview gegen Ende der Öffnungszeiten in dem Laden zu führen. Interview – MSM:

Das Interview mit dem Chefredakteur des ältesten, noch existierenden Skateboardmagazins „Monster Skateboard Magazine“ (kurz: MSM) mit Redaktionssitz in Köln erfolgte telefonisch. Das MSM berichtete unter anderem über die Ereignisse an der Domplatte.

Interview – Christian Schakat: Wie Patrick Bös zählt auch Christian Schakat zu der Gruppe der Skater, die schon lange auf der Domplatte fuhren. Auch er engagierte sich im „Dom-Skateboarding e.V.“, wo er als erster Vorsitzender oftmals der Ansprechpartner für die Stadt war. Das Interview mit ihm erfolgte per Skype-Videogespräch via Internet. Interview – Stadt Köln: Leider konnte ein Interview mit den Ansprechpartnern beim Amt für Kinder, Jugend und Familie aus zeitlichen Gründen seitens der Stadt nicht erfolgen. Herr Widmann aus der Abteilung für Kinderinteressen, die auch mit der Planung der neuen Skateplaza betreut war, erklärte sich jedoch dazu bereit mir einige Frage via Email zu beantworten. Fragen und Antwort Email siehe Anhang. Interessant hierbei ist die Tatsache, dass die Skater, deren Handeln im öffentlichen Raum häufig an den Rand der Legalität stößt, weitaus offener über den Konflikt und die Resultate sprachen, als die Domanlieger, die den Konflikt aus ihrer Sicht klar für sich gewannen. Die doch recht strikten Absagen zeigten auch, dass der Konflikt anscheinend kein unbedeutendes Problem darstellt. Ebenfalls scheinen die Geschäftsführungen der einzelnen Unternehmen sehr großen Wert darauf zu legen, nichts zu diesem Konflikt zu kommunizieren, was sie eventuell ein einem schlechten Licht darstellen könnte. Schließlich bekam ich immer wieder Eindrücke von Tourguides des Kölner Tourismusbüros, Passanten, Bekannten und Verwandten geschildert, denen ich von meiner Arbeit erzählte und welche daraufhin eigene Erfahrungen zu schildern. Diese Gespräche wurden nicht aufgezeichnet und nur ein zwei Fällen ein Gedächtnisprotokoll niedergeschrieben. Jedoch halfen auch diese Gespräche von „Außenstehenden“ das Bild zu vervollständigen. 37


Methodisches Vorgehen Die Domplatte befindet sich im linksrheinischen Teil der Innenstadt ist das Wahrzeichen Kölns. Als „Domplatte“ wird meist der Roncalliplatz im Süden des Doms bezeichnet. Angrenzend an den Platz finden sich neben dem Dom im Norden Hotels, Museen und Einzelhandelsunternehmen, sowie gastronomische Betriebe. Jahrzehntelang prägten auch die zahlreichen Skater das Bild des weitläufigen Roncalliplatzes. Dies erzeugte jedoch eine Vielzahl an Problemen, welche verschiedene Gegenmaßnahmen der Stadt hervorriefen und schließlich mit einem Skateverbot auf der Domplatte endete. Als Ausgleich dafür wurde in Kooperation mit den Skatern eine neue Skateplaza im Rheinauhafen geplant und umgesetzt, welche zeitgleich mit Inkrafttreten des Skateverbots am Roncalliplatz eingeweiht wurde. Die neue Skateplaza besitzt heute viele Elemente, welche sich früher auch in ähnlicher Form auf der Domplatte fanden. Zudem fügt sie sich baulich recht gut in das neue Bild des Rheinauhafens ein, welches innerhalb Kölns eine Sonderposition einnimmt und sonst eher durch Exklusivität hervorsticht.

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Methodisches Vorgehen

Abbildung 16: Kartenausschnitt KÜln. Quelle: Verändert nach GoogleEarth.

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Skater auf der Domplatte

4.2. Skater auf der Domplatte Mangels konkreter Daten und Informationen, wie sie in anderen Sportarten eventuell durch Vereinsarchive zugänglich wären, stützen sich die Informationen dieses Kapitels fast ausschließlich auf Aussagen aus Skateboardmagazinen und den geführten Experteninterviews. Dieser Umstand ist nicht zuletzt der Skateboardkultur an sich geschuldet, die im Allgemeinen wenig von geschichtlichen Fakten hält. „Wir wollen hier auch nicht den altklugen, Hornbrillen tragenden Geschichtslehrer raushängen lassen, der euch ohne Punkt und Komma mit Fakten und Jahreszahlen vollmüllt. slack injiziert euch lediglich eine sanfte historische Auffrischungsspritze“ (slack 07. 2007: 38). Unter dem Titel: „Drei Dekaden Dom – Eine Retrospektive“ schreibt das Monster Skateboard Magazine: „„Das deutsche EMB“ wurde die Kölner Domplatte oft genannt. Als einer der besten Spots der gesamten Republik hat „der Dom“ seiner Heimatstadt nicht nur jahrelang das Prädikat „Deutsche Skate-Hauptstadt“ beschert, nein: Er war auch ein Zuhause für Skater und andere Sonderlinge, ein Spielplatz aus feinstem Marmor, ein Wohnzimmer für ein notorisches Ensemble, ein ständiger Motor für Streetskaten und ein Schauplatz jener Geschichten, aus denen später urbane Legenden werden. Fast vierzig Jahre, nachdem die erste Rolle den wahrscheinlich besten Boden des Landes berührt hat, wandern die Jünger aus dem Schatten der zwei Türme in den Skateplaza am Rheinufer ab“ (Monster Skateboard Magazine. Ausgabe 302/2011: 42). Dieser kurze Text zeigt neben einer gewissen Nostalgie einige wichtige Merkmale der Skateboardszene, die neben einer sehr internationalisierten Kultur auch einen starken Hang zum Lokalen hat. Dies wird gleich zu Anfang des Zitates deutlich: Als „EMB“ kennen Skateboarder weltweit einen bekannten Skatespot in San Francisco. Wie auch bei „der Domplatte“ wird die Zusatzinformation, in welcher Stadt sich dieser Ort befindet, unter Skatern in den meisten Fällen nicht benötigt. Sie sind beide international bekannt und beschränken sich auf einen kleinen Raum innerhalb einer Großstadt, welcher durch eine lokale Skateszene – den „Locals“ - einen bestimmten Charakter bekommt. Im Falle des Doms handelte es sich bei diesen Locals um eine Gruppe von Kölner Skatern, die als „Domposse“, oder kurz „Posse“, bezeichnet wurden. Die Bezeichnungen „Spielplatz“, „Zuhause“ und „Wohnzimmer“ drücken die besondere Beziehung der Skateboarder zu dem Spot aus.

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Skater auf der Domplatte „Es war einfach so der Treffpunkt des sozialen Lebens. […] Man konnte halt ohne Probleme einen Tag dort verbringen – Von morgens bis abends“ (Interview MSM). Obwohl es sich nur um eine kurze Einleitung für einen kompletten Artikel handelt, werden jedoch sofort die architektonischen Besonderheiten hervorgehoben. Allerdings sind diese für die Skateboarder nicht die Kulisse vor dem Wahrzeichen und Touristenmagneten Kölns – dem Dom, welcher hier nur auf die schattenwerfenden „zwei Türme“ reduziert wird - das charakteristischste Element sondern der „wahrscheinlich beste Boden des Landes“ aus Marmor.

Abbildung 17: Skater an der Domplatte während der "Abschluss-Session" im Juli 2011. Quelle: http://www.redbull.de/cs/Satellite/de_DE/Article/Skaten-inK%C3%B6ln-Eine-neue-%C3%84ra-beginnt-021243057443948

Als Domplatte wird generell der Fußgängern vorbehaltene Bereich um den Kölner Dom bezeichnet. Der für dieses Fallbeispiel relevante Teil beschränkt sich jedoch zum größten Teil auf den Roncalliplatz im Süden des Doms, sowie die direkt daran angrenzenden Treppen. In seiner heutigen Form existiert der 5875m² große Roncalliplatz, welcher nach Papst Johannes XXIII benannt wurde, seit 1968. Zuvor war auf dieser Fläche ein Grünstreifen, eine Straße und ein Parkplatz, welcher sich auch noch über das Gelände des heutigen Römisch-Germanischen Museums erstreckte (vgl. http://www.bilderbuch-koeln.de/Fotos/113820). Bereits Mitte der der siebziger Jahre fuhren die ersten Skateboarder auf der Domplatte. Dank der großen Fläche, des guten Untergrundes und der zentralen Lage stieg die Zahl der Skater, die regelmäßig auf der Domplatte skateten, bis Mitte der 80er laut Monster Skateboard Magazine auf „bis zu 100 Skater“ pro Tag. Anfang der 41


Skater auf der Domplatte 90er kam Skateboarden eine Zeit lang aus der Mode und es fanden sich erheblich weniger Skater auf der Domplatte (vgl. Monster Skateboard Magazine, Ausgabe 302/2011: 45f).Aus Interviews mit Kölner Skatern ging hervor, dass in den Jahren vor 2008, je nach Wetterlage, zwischen 10 und 200 Skater über den Tag hinweg an der Domplatte skateten. Nicht nur die Anzahl der Skater war stark von den nationalen und internationalen Trends beeinflusst. Auch die verschiedenen Skaterichtungen veränderten sich mit der Zeit und wurden durch die, für Skateboarding relevanten Medien wie Zeitschriften oder Skatevideos, beeinflusst. So befuhren die ersten Skater auf der Domplatte noch hauptsächlich die Fläche des Roncalliplatzes, auf der sie zur „Grab-Zeit“ Jumpramps aufstellten, und einige niedrige Treppen. Als Ende der 80er modernes Streetskaten populärer wurde und durch einzelne Videos, wie das ‚Hokus Pokus‘ Video von HStreet 1989, machte dieser Trend auch vor den Kölner Skatern nicht halt. Trotzdem werden die Kölner Skater im nationalen Maßstab noch als Vorreiter angesehen: „Am Dom wurde schon Street gefahren, da ist der Rest der Republik noch Jumpramps geskatet“(vgl. Monster Skateboard Magazine, Ausgabe 302/2011: 45). „So funktioniert das hier am Dom und so funktioniert das überall. Überall, wo eine Skateszene vorherrscht, die nicht nur auf sich guckt, sondern über den Tellerrand hinaus […] Da wir uns alle an internationalen Skateszenen orientieren“ (Interview mit Patrick Bös). Um dieses progressive Skaten für Deutschland weiter zu verbreiten, spielten auch hier die oben angesprochenen Medien eine große Rolle. Zum einen verhalfen hierzu das in Köln ansässige Monster Skateboard Magazine und der bekannte deutsche Skateboardphotograph Helge Tscharn. Zum anderen verstärkten der berühmte Dom und die Kombination von gutem Bodenbelag und den markanten Curbs den Wiedererkennungswert der Domplatte als Skatespot. „Jeder kannte auf der Welt die Domplatte. Also wenn Du Amis gesagt hast: Domplatte – Okay, kannten sie nicht. Dann sagst Du: Hier, große Kathedrale, Marmorboden oder Natursteinboden mit Natursteincurbs […]. Dann: Aaah! Ja! Klar! Super Platz! Kannte jeder natürlich. Also war schon international bekannt. Grad wegen dem Dom“ (Interview mit Patrick Bös). Neben den baulichen Eigenschaften der Domplatte und der, aus Sicht der wichtigen Skateboard-Medien, günstigen Lage spielte der Standort eine entscheidende Rolle. Die Domplatte befindet sich nicht am Standrand, in einem beliebigen Industriegebiet, wo nichts los ist, sondern mitten im Herzen Kölns. Dadurch wurde der Platz aus mehreren Gesichtspunkten attraktiv. Die Skater konnten den Platz den gesamten 42


Skater auf der Domplatte Tag schnell und einfach erreichen und die umliegenden Einkaufsmöglichkeiten, Imbisse und Schnellrestaurants nutzen, welche sich in fünf Minuten Fußweg nach Südwesten in Gestalt der Fußgängerzone und nach Nordosten in Form des Hauptbahnhofes und der dazugehörigen, typischen Bahnhofsumgebung ergaben. [eventuell Bahnhofsumgebungstypisierung] Die zentrale Lage bedeutete zusätzlich die große Diversität an anderen Personen und Aktionen in unmittelbarer Umgebung. „Es sind hier […] auch [.] Straßenmusikaten oder hier gibt's auch immer mal […] Flashmobs. Manchmal dann auch so Straßenmaler und so“ (Interview mit Buchhandlung Kösel). Zudem zieht der Dom Tag für Tag eine große Zahl von Touristen an, die zum Teil sehr unterschiedlich auf die Skateboarder reagierten. Während sich einige gestört fühlten, schenken einige den Jugendlichen kaum Beachtung. Eine große Zahl jedoch blieb während der Stadtbesichtigung gerne ein paar Minuten stehen und beobachtet die Skateboarder und deren „Kunststücke“ (Gedächtnisprotokoll aus einem Gespräch mit einem Tourguide des Kölner Tourismusbüros). „Das Geklappere der Skateboards zieht Zuschauer an, nervt aber die Anlieger etwas“ (Haffner, 2005: 156). „Something happens because something happens“ (Gehl, 2010, S.75). Dieser Logik folgend fanden sich auch meist viele Skater auf der Domplatte ein, welche, umgekehrt, ebenfalls tagtäglich die verschiedensten Leute und Persönlichkeiten zu Gesicht bekamen. Je mehr Skater dort waren, desto sicherer konnte man auch sein dort jemanden vorzufinden, mit dem man fahren konnte. Als Folge daraus mussten Skater sich nicht zwangsläufig zu einer Session verabreden, sondern kamen einfach an den Dom und trafen dort andere Skater. All diese Umstände sorgten dafür, dass die Skater sich auf der Domplatte wohl fühlten und mit ihr „einen Spielplatz aus feinstem Marmor, ein Wohnzimmer“ hatten.

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Die aktuellen Veränderungen

4.3. Die aktuellen Veränderungen Das allgemeine Wohlbefinden der Skater auf der Domplatte sorgte für eine große Zahl an Skatern die jeden dort jeden Tag skateten und dafür, dass diese sich auch jeweils über einen längeren Zeitraum an der Domplatte aufhielten. Die Art und Weise wie die Skater dabei auffielen unterschied sich dabei häufig. Für viele Personen, die nicht einmal unbedingt aus Köln selbst kamen „gehörten die Skater einfach zur Domplatte“. Sie belebten den Platz, lieferten zusätzlich zum Dom etwas, was den Platz ausmachte. Viele Leute blieben stehen und sahen sich die Skater und die zum Teil spektakulären Figuren an. „Ich glaube, dass die Mehrheit uns als positiv empfindet - und empfunden hat auf der Domplatte“ (Interview – Christian Schakat). Jedoch gab es auch immer wieder Situationen in denen sich Passanten von der Präsenz der Skater eingeschüchtert fühlten. Jugendliche, die mit dem Skateboard springend und bei hohen Geschwindigkeiten an älteren Menschen vorbeifahren, fielen nicht wenigen Leuten unangenehm auf. Bei ca. 100 Skatern auf der Domplatte verwundert es deshalb nicht, dass Teilweise von einer „Dominierung einer Minderheit“ auf der Domplatte gesprochen wurde (vgl. Interview – Kösel). Dabei bediente sich die besagte Person zufällig sogar dem Vokabular Lefèbvres der "dominanten Räume“, welche im Gegensatz zu „angemessenen Räumen“ eher als „schlechte Räume“ zu bezeichnen sind (vgl. Lefèbvre, 1991: 164f). Dass die Skateboarder dabei meist jedoch ihr Können nicht überschätzen und in solchen Situationen in den allermeisten Fällen niemand physischen Schaden davon trägt, brachte am Dom eine hohe Diversität an Äußerungen hervor. Ein Tourguide der KölnTourismus GmbH äußerte sich zunächst empört, dass es ohne die Skater auf jeden Fall besser sei, und dass es „schon gefährlich“ war. Auf die Frage nach beobachteten Unfällen entgegnete er jedoch: „Weiß nicht, ob tatsächlich mal was passiert ist“. „Da wurden halt zum Teil die Fußgänger angefahren“ (Interview - Kösel). „Ich meine klar ist ab und zu mal ein Board weggerollt und vielleicht in die Füße... aber so oft ist das nicht passiert. Weil wir sind halt eben immer in Ecke Also die Posse, sag ich mal so, geskatet. Wir sind halt auch da geskatet, weil da halt weniger Leute waren“ (Interview - Pivot). „Es gab auch mal eine Frau, die hat der Zeitung erzählt, dass ein Skater über sie gesprungen wäre. Ja, und dann haben die Skater natürlich auch gelacht. Ist 44


Die aktuellen Veränderungen ja unmöglich. Und da sieht man ja, ob das jetzt wahr ist, oder nicht“ (Interview Pivot). Neben diesen zum Teil schon sehr unterschiedlichen Aussagen, war es jedoch vor allem der konstante Lärm, welcher von den Skateboards ausging, hervorgerufen durch die verschiedenen Figuren. Der Umgang mit dem Geräuschpegel allerdings unterschied sich stark. Während alle Domanlieger gleichermaßen über Lärmbelästigung durch die Skateboarder klagten, war für die Skateboarder das Geräusch der Skateboards einfach Teil einer lebendigen Stadt. Dass es für die meisten Domanlieger als störend empfunden wurde, war den Skatern zwar bewusst, jedoch nicht immer verständlich. Zusätzlich zu den Schäden die unmittelbar durch die Figuren entstehen, gab der Hoteldirektor des Domhotels der Kölnischen Rundschau an, dass jährlich Sachschäden in Höhe von ca. 5000€ an den Fensterscheiben durch die Skater entstünden (vgl. http://www.rundschau-online.de/servlet/OriginalContentServer? pagename=ksta/ksArtikel/Druckfassung&aid=1273839806780). Auf Grund der Summe der Beeinträchtigungen durch die Skater wurde jedoch zunehmend der Ruf nach einem Skateverbot auf der Domplatte lauter. Im Zuge des Konflikts versuchten Anlieger immer wieder auf eigene Faust, das Skaten zum Beispiel durch das Ausstreuen von Streusalz zu unterbinden. „Die Skater gehören zur Domplatte wie das unsägliche Domhotel und die kalte unpersönliche Fläche, die die Domplatte darstellt. Nicht wenige Touristen kommen auch wegen der Lebhaftigkeit, die der Roncalliplatz ausstrahlt. Architektur und Aussehen der Domplatte sind von einem Größenwahn gezeugt, der ohne den Kontrapunkt, den Skater und die damit verbundene Subkultur aufweichen und menschlicher machen, kalt und steril wäre. Wer ins Zentrum der Stadt zieht, kann hier keine Dorfruhe erwarten, jede andere Forderung ist albern und unrealistisch“ (Leserkommentar zu einem Artikel auf der Homepage der Kölnischen Rundschau http://ocs.zgk.de/mdsocs/mod_extcomm_comm/ extcomm_id/1273839806780/ocs_ausgabe/kr/index.html). Um die Interessen der Dom-Skater besser vertreten zu können „machten [diese] also etwas für ihre Szene völlig untypisches: sie gründeten einen Verein, der innerhalb kurzer Zeit über 500 Mitglieder hatte“ (www.metrobox.org/projekt-skatepark.html). Der im Oktober 2007 gegründete Dom-Skateboarding e.V. versteht sich als „Organisation aller Skateboard-Begeisterten in Köln und Umland / vertritt die Interessen der hiesigen Skater“ (vgl. http://www.dom-skateboarding-ev.de/).

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Die aktuellen Veränderungen Das Hauptanliegen war dabei schon 2007 die Schaffung einer Alternative zur Domplatte, da die Skater den sich verstärkenden Konflikt wahrnahmen und von sich aus die Initiative ergreifen wollten, eine Lösung des Problems herbeizuführen. Mit ihrem Anliegen wandten sich die Skater, die nun organisiert auftreten konnten, zunächst an die Politik. Nachdem diese Kontakte wenig Erfolg versprachen, fanden die Skater schließlich Gehör beim „Amt für Kinder, Jugend und Familie“, mit denen die gesamte Planung begann. Die Abteilung für Kinderinteressen dieses Amtes befasst sich unter anderem mit der Planung von „Spielflächen im weitesten Sinn“ (vgl. Interview – Stadt Köln). „politische Parteien versuchen so etwas dann gerne gegeneinander auszuspielen. Also, das bringt wenig. Der richtige Anlaufpunkt war dann im Endeffekt das Amt für Kinderinteressen […] da war einfach immer ein offenes Ohr und sehr viel Vertrauen“ (Interview - Patrick Bös). Im Juni 2008 veranlasste die Stadt das Einfräsen der Curbs, welche dadurch ‚unskatebar‘ wurden (vgl. Abbildung 15). „Das war ein ziemlicher Schock für uns. Die Domplatte wurde vom Topspot zum Flopspot, von heute auf morgen“ (Monster Skateboard Magazine Ausgabe 302/2011: 51). Schließlich gab die Roncalli-Gesellschaft ein Rechtsgutachten bei der Kölner Kanzlei Lenz und Johlen in Auftrag, welches im Juni 2010 vorgelegt wurde. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass Gehwege und Fußgängerbereiche nach aktueller Rechtslage zwar von Skateboards in angemessener Geschwindigkeit befahren werden dürfen, die Nutzung dieser Bereiche „zur Vorführung von Sprüngen, „Tricks“ und sonstigen Übungen“ sei aber nicht zulässig. Es handele sich dabei auch um eine „Sondernutzung im Sinne des Straßenrechtes“, welche durch Zusatzschildern, die auf die Unzulässigkeit hinweisen, von der Gemeinde unterbunden werden können (vgl. Johlen, 2011: 173). Unterdessen liefen die Planung und der Bau der neuen Skateplaza mit dem Namen „Kap686“ bei der Abteilung Kinderinteressen des Amtes für Kinder, Jugend und Familie, unter Zusammenarbeit mit der lokalen Skateszene, weiter. Diese wurde am 23. Juni 2011 feierlich eröffnet. „Doch es wird schon mehr als ein neues Skate-Gehege brauchen, um die Domliebe der Kölner zum Erlöschen zu bringen. In den nächsten zwei Jahren stehen einige bauliche Veränderungen am Dom an. Und wer weiß, vielleicht tun sich dort nach drei Jahrzehnten sogar noch neue Skate-Möglichkeiten auf“ (Monster Skateboard Magazine, 302/2011: 51). 46


Die Skateplaza „Kap686“

4.4. Die Skateplaza „Kap686“

Abbildung 18: Logos des Kap686, dem Dom-Skateboarding e.V., dem Architekturbüro "metrobox" und der Stadt Köln. Quelle: Verändert nach http://www.northbrigade.de/news/2011/herzlich-willkommenim-dschungel/ .

Das Kap686 ist nach seiner Lage am Rheinkilometer 686 benannt (http://www.stadtkoeln.de/2/kind-jugend/08671/). Es befindet sich am südlichsten Ende des neuen Rheinauhafenviertels und liegt dabei auch im Überflutungsgebiet des Rheins, was zusätzliche Überlegungen bei der Planung bedingte. Der Rheinauhafen erstreckt sich über eine Länge von ca. 2km entlang des linken Rheinufers. Das ca. 15,4ha große Areal wird dabei im Süden von der Südbrücke begrenzt und bietet Platz für eine Reihe von exklusiven Dienstleistern und Einzelhändlern (vgl. http://www.rheinauhafen-koeln.de/Uebersicht). Auch Wohnungen finden sich im Rheinauhafen. Besonders die Wohnungen in einem der drei Kranhäuser spiegeln die Exklusivität des Viertels mit bis zu 8000€/qm Kaufpreis wider (vgl. exporeal.iz.de).

Abbildung 19: Karte des Rheinauhafens. Quelle: http://www.rheinauhafen-koeln.de/Uebersicht .

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Die Skateplaza „Kap686“ Wie passt in solch ein Viertel nun eine Anlage für Jugendliche, die andernorts nicht länger erwünscht sind weil sie zu laut sind, zum Teil bedrohlich auf Passanten wirken und so Manchem selbst in der bunt durchmischten Innenstadt Kölns als Personenkreis ein Dorn im Auge sind? Neben der Randlage und dem Schienengüterverkehr, der regelmäßig über die Südbrücke rollt und dabei die Skateboarder bei weitem übertönt, ist mit Sicherheit die Konzeption des Platzes als „Skateplaza“ ein entscheidender Faktor. Skateplazas haben sich aus der selben Problematik heraus entwickelt, wie sie die Skater an der Domplatte und dem Rest der Welt schon am eigenen Leib erfahren hatten. Streetskaten gehört seit etlichen Jahrzehnten zur Skateboardingkultur und ist aus dieser nicht wegzudenken. Jedoch verkleinert sich die Zahl der Spots, an denen sich Sessions, die so wichtig für das Streetskaten sind, entwickeln können von Jahr zu Jahr. Grund hierfür sind die Konflikte um diese Plätze. Diese Konflikte bestehen dabei zwar seit jeher, doch in jüngster Zeit wird mit zunehmender Härte auch gegen die Skater vorgegangen. Solche Prozesse haben ihren Ursprung vorwiegend im Kapitalismus, der im weitesten Sinne der nicht-kommerziellen Nutzungen des öffentlichen Raums gegenübersteht. Auf der Suche nach Alternativen, die in einem kapitalistischen System eine Zukunft haben, kam die Idee der Skateplazas auf. “Recreational skateparks, which include street courses, mini-ramps, and bowls, will always be a part of skateboarding, but they will never play a part in keeping skaters off the streets of their communities. Not to mention that most of these recreational parks are built by people who don’t know anything about any type of skateboarding. If 80% of skateboarding is real street, then 80% of the places built for skateboarders should duplicate real street. Like it or not, the standards for modern skateboarding have been developed in urban architecture” (http://robdyrdekfoundation.org/about/). Neben den Vorteilen, die Skateplazas den Skatern bieten, bringen sie auch für die Stadtplanung gewisse Annehmlichkeiten. Durch den Street-Charakter, welchen die Plazas haben, ist es möglich, diese in das bestehende Stadtbild einzugliedern. Das wird von den Skatern sogar gewünscht. Hierdurch verstärkt sich das „Real-StreetGefühl“ für die Skater. Auch Pflanzbeete oder Wasserläufe erhöhen eher den Wert der Plazas. In konventionellen Skateparks würden solche Elemente keine Verwendung finden, da hier der Platz oftmals knapp bemessen ist und deswegen meist die komplette Fläche versiegelt wird. Am Kap686 hingegen wurde darauf jedoch bewusst Wert gelegt. Auf der 2000qm großen Fläche befinden sich drei Pflanzbeete. Der Bodenbelag wurde in 48


Die Skateplaza „Kap686“ hellen Farbtönen den modernen Belägen der Fußgängerflächen des Rheinauhafens angepasst. „Die Grundkörper sind Skate-Objekte aus Beton und stehen, wie vom Wasser umspülte Steine, in einem Fluss aus Steinplatten. Die Bodenfläche tritt über ein Muster in Dialog mit den Skate-Objekten“ (vgl. http://www.metrobox.org/projektskatepark.html).

Abbildung 20: Blick in Richtung Südbrücke auf das Kap686. Zu erkennen sind die Pflanzbeete, die unterschiedlichen Bodenbeläge und die helle Farbgebung. Quelle: Eigenes Foto.

Einer der wichtigsten Planungspunkte einer Skateplaza ist jedoch in jedem Fall die Einbindung der lokalen Skateszene. In Köln zum Beispiel ging es den Skatern vorrangig um einen adäquaten Ersatz für die Domplatte. Da die Dom-Skater vor allem Curbs und Flat befuhren, waren diese die wichtigsten Elemente für die neue Skateplaza. Auf den meisten Skateplazas finden sich keine Transitions, die auch in den architektonischen Formen einer Stadt meist nicht anzutreffen sind. So auch am Kap686. „Für mich hätte hier ne Rampe das ganze Bild extrem zerstört muss ich ehrlich sagen“ (Interview - Patrick Bös).

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Die Skateplaza „Kap686“ Hierdurch entstanden jedoch während der Planungsphase immer wieder kleinere Konflikte unter den Skatern. Viele (insbesondere jüngere) Skateboarder kennen das ‚richtige Streetskaten‘ in Innenstädten heute nicht mehr. Dies liegt zum Großteil daran, dass sie mit Skateparks aufgewachsen sind und aus oben genannten Gründen beispielsweise von ihren Eltern auch immer zu diesen gefahren wurden. Für sie bedeutet Skaten unter Umständen nicht viel mehr als der Sport an sich. Da hierfür gut gebaute Skateparks einen exzellenten Raum darstellen, ziehen sie diese den öffentlichen Räumen der Innenstädte vor. Da fast keine Skateparks ohne Transitions existieren, war es für Viele schwer verständlich, warum ausgerechnet ‚ihr Park‘ keine Transitions bekommen sollte. Auch viele Skater, die bereits in anderen Skateparks ‚zu Hause‘ waren bemängelten das Fehlen von Transitions. Fakt ist jedoch, dass das Kap686 eine Alternative für die Domplatte darstellt und hauptsächlich für die Skater, die auf der Domplatte fuhren und sich bei der Planung aktiv beteiligten, gedacht ist. Und obwohl es für die meisten Skater mehr Park als Street ist, schätzen diese die neue Plaza und sind stolz auf ‚ihr Kap‘.

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Auswirkungen und Evaluierung

4.5. Auswirkungen und Evaluierung Die Skateboarder Kölns, welche zuvor am Dom skateten, haben mit dem Kap686 einen adäquaten Ersatz von der Stadt erhalten, der ihren Ansprüchen an Raum auf den ersten Blick gerecht wird. In Bezug auf die Nutzung dieser neuen Skateplaza durch Skateboarder konnte die Sportart sogar einiges hinzugewinnen. Mehr Obstacles bieten mehr Möglichkeiten. Mehr Möglichkeiten der Nutzung bieten mehr Möglichkeiten der kreativen Entfaltung der Skateboarder und eine steilere Lernkurve beim Zugewinn an Fähigkeiten auf dem Skateboard. Dies zeigt der enorme Erfolg des Kap686, welcher sich vor allem in der Zahl der Skateboarder ausdrückt, die Tag für Tag dort skaten. Eigene Zählungen vor Ort ergaben beispielsweise an einem Schönwettertag Ende September zwischen 50 und 60 Skater, welche sich gleichzeitig am Kap686 befanden. An einem kalten, windigen Tag Ende November immerhin noch 30 Skateboardbegeisterte.

Abbildung 21: Volle Skateplaza mit Blick auf das Kap am Südkai. Quelle: Eigenes Foto.

Doch ging dieser Zugewinn für den Sport einher mit einem Verlust für die Skateboardkultur? Der Nutzung des Urbanen? Dem Widerstand gegen kapitalistische Mechanismen, welche sich in der Privatisierung innerstädtischer Flächen äußern? 51


Auswirkungen und Evaluierung „Was einer Gesellschaft, die auf Tauschwert basiert, zuwiderläuft, ist eine Vorrangstellung des Gebrauchs“ (An Architektur 01, Material zu Henri Lefèbvre, Die Produktion des Raums, 2002: 19). „Natürlich passiert es auch, dass ein Gegen-Raum oder ein Gegen-Projekt bereits existierenden Raum simulieren, diesen parodieren und seine Grenzen aufzeigen, ohne trotz alledem seinen Klauen zu entkommen“ (ebd.: 21). Im Falle des Kap686 scheint genau dieser Fall eingetreten zu sein. Das scheinbare „Gegen-Projekt“ – ein Raum zur Freizeitgestaltung innerhalb des neuen Rheinauhafenviertels, welches geradezu einen Gegenpol darstellt. Eine Sportart, die den Gebrauchswert von urbanem Raum über den Tauschwert des Bodens oder der Gebäude stellt, findet sich auf dem teuersten Baugrund Kölns neben exklusiven Einzelhändlern und Dienstleistern. Doch der Hintergrund dieses Projekts – die Vertreibung und Umsiedlung der Skateboarder von der Domplatte – deutet eigentlich auf eine eher negative Tendenz im Hinblick auf die kulturelle Vielfalt im Stadtzentrum hin. Im Fall der Domplatte an sich stimmt diese Annahme auch. Ebenfalls die Tatsache, dass die Domplatte heute leerer wirkt, wird sogar von den direkten Domanliegern wahrgenommen. Auch wenn diese den Skatern sonst nichts Positives abgewinnen konnten. „Ja, die haben den Platz zwar belebt. Das ist schon richtig. Aber […] da wurden zum Teil Fußgänger angefahren, es ist ein unglaublicher Lärmpegel […]“ (Interview – Kösel). Jedoch sehen auch die Skater in jeder Skateplaza, wie perfekt sie auch immer urbane Flächen kopieren zu versucht, eine Skateplaza und nicht den eigentlichen urbanen Raum. Dieser wird auch bei allen Anstrengungen der Stadt nicht aus dem Skateboarding wegzudenken sein. Alle Interviewpartner, die selbst Skateboard fuhren bestätigten, dass das Kap686 eine hervorragende Möglichkeit sei, sein Können weiter zu verbessern. Und das in einer Umgebung, die dabei so gut wie möglich dem realen Vorbild entspricht und dieses dabei noch übertrifft. Dies war nur realisierbar, indem die Skateboarder und ihre Bedürfnisse in der Planung berücksichtigt wurden. Dabei gehen die Bedürfnisse der Skater weit über das reine Platzangebot hinaus. Die Auswahl und Anordnung der Obstacles müssen den jeweils lokalen Bedürfnissen angepasst werden. Trotzdem betonten alle Befragten, dass sie weiterhin „Real Street“ in der Kölner Innenstadt fahren würden. Vor allem das Filmen, welches im Skateboarding heutzutage selbst für die Jüngsten schon dazu gehört, findet nach wie vor abseits der Parks und Plazas statt.

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Auswirkungen und Evaluierung Das Projekt der Stadt ist somit gelungen, ohne dabei die Skateboardkultur der Kölner Szene zu zerstören. Die Skateplaza wird sehr gut angenommen und von den meisten besser als die Domplatte empfunden. Die Domplatte als Spot ging den Skatern zwar verloren, jedoch wird das Skateverbot weitestgehend akzeptiert. Nicht zuletzt, weil der Dialog zwischen der Stadt und den Skatern stattfand und erfolgreich war. Auch die Abteilung für Kinderinteressen der Stadt Köln wertet das Kap686 als vollen Erfolg und hebt besonders hervor, dass sich nach dem Projekt alle Beteiligten sich „weiterhin in die Augen sehen“ können. Gemeinden mit Ähnlichen Problemen gibt sie die Empfehlung, es wie Köln zu machen um eine Lösung zu finden, mit der alle im Endeffekt zufrieden sein können (vgl. Interview – Stadt Köln).

53


Fazit

5. Fazit Unsere Städte befinden sich in Zeiten fortschreitender Privatisierung des öffentlichen Raums und einer damit einhergehenden Nutzungsentmischung zugunsten einer Kommerzialisierung der öffentlichen Räume. Zusätzlich nimmt die Kontrolle und Überwachung des öffentlichen Raums immer weiter zu. Und wie bereits durch Lefèbvre und Harvey beschrieben werden urbane Räume immer homogener und fragmentierter produziert, wie es sich in unzähligen Beispielen (darunter auch Köln) belegen lässt. Einzelne Nutzungsformen werden untersagt. Für sie werden andernorts extra Flächen ausgewiesen. Und das in einer Zeit in der sich immer mehr verschiedene und individuellere Freizeitgestaltungen entwickeln und die Flächenversiegelung eigentlich minimiert werden sollte. Wie an der Skateboardingkultur gezeigt wurde, widersetzen sich einige (Jugend)Kulturen diesen Prozessen und nutzen die Stadt nach wie vor auf eine eigene, hedonistisch anmutende Weise. Sie machen die homogenisierten urbanen Räume zu ‚ihren Spielplätzen‘ und beleben dabei selbst die ‚schwarzen Löcher‘, die von den meisten Stadtbewohnern sonst nicht beachtet und somit ungenutzt bleiben. Zusätzlich stehen Skater im krassen Kontrast zur Kommerzialisierung der Räume indem für sie einzig Gebrauchswert der Räume, nicht aber ihr Tauschwert zählt. Jedoch verursachen Skater fast überall Nutzungskonflikte. Vor allem die Zerstörung von Objekten durch das Grinden oder Sliden und die starke Lärmbelästigung durch die knallenden Bretter beim Vorführen von Sprüngen bergen ein hohes Konfliktpotenzial. Hierdurch sehen Städte sich oft gezwungen, zu handeln und den Skatern Ausweichflächen bereitzustellen. Die Anlage von Skateparks, die von den Gemeinden mit den Herstellern der Rampen ausgehandelt werden, nicht aber mit den Skatern selbst haben oft zur Folge, dass diese Anlagen nicht angenommen werden, da sie nicht den Ansprüchen der Skater gerecht werden. Trotz hoher Kosten für solche Anlagen, die in den meisten Fällen fünfstellige Beträge verschlingen, können die Ziele der Städte nicht erreicht werden. Wichtig für ein gutes Gelingen ist in jedem Fall der Dialog mit den Skatern und die Auseinandersetzung der Stadt mit der Kultur der lokalen Skateszene. Dass solche Projekte Erfolge für alle Beteiligten sein können, zeigt das Beispiel Kölns, wo heute kaum mehr Skater auf der Domplatte fahren, die neue Skateplaza überragend gut von den lokalen Skatern angenommen wird und schon nach wenigen Monaten bei Skatern in ganz Deutschland als Vorzeigeprojekt und großartiger Spot bekannt war. Ebenfalls zeigte das Beispiel Kölns, dass die Planbarkeit von Freizeitaktivitäten, die sich im öffentlichen Raum abspielen, nur bedingt planbar sind, da sie von der 54


Fazit urbanen Umgebung leben und sich über diese identifizieren und entwickeln. Wird dennoch eine räumliche Verlagerung dieser Aktivitäten gewünscht, ist eine kulturelle Annäherung und der Dialog mit den Betroffenen eine Notwendigkeit. Das besondere an der Skateboardkultur ist jedoch, dass sie die geänderten Bedingungen, wo geskatet werden darf und wo nicht, zwar weitestgehend akzeptiert, aber trotz eines gewissen Verdrusses gegenüber der Geschichte der eigenen Szenekultur sich dessen bewusst ist, woher Skateboarding kommt und was es bedeutet. Streetskateboarding wird nichts von seiner Bedeutung verlieren und Skater werden nach wie vor öffentliche Räume nach ihren Bedürfnissen nutzen. Dadurch, dass Skateboarding mehr ist als der Sport und für Skater eine Lebenseinstellung darstellt, werden sie weiterhin die Freiheit genießen, die Stadt so zu nutzen, wie sie wollen, und sich dabei auch über rechtliche Restriktionen hinwegsetzen. Damit werden sie, und Anhänger anderer urbaner Funsportarten, auch weiterhin zu einer Durchmischung und Belebung dieser Räume beitragen.

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Literaturverzeichnis

IV.

Literaturverzeichnis

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56


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58


Anlagen

V.

Anlagen

a. Messwerttabelle der Schallpegelmessungen

59


Transkription: Interview – Kösel

b. Transkription: Interview – Kösel Könnten Sie mir bitte kurz sagen wer Sie sind, was sie hier machen und ein wenig über das Geschäft erzählen. #00:00:15-4#

Mein Name ist Guido K.. Ich bin von Beruf Buchhändler. Und, ja. Ich arbeite in der Buchhandlung Kösel hier direkt am Dom. Ja, und es ist eben ein echtes Traditionsgeschäft hier am Dom. Also in der Domumgebung ist das Geschäft seit 1919.

Zwar

jetzt

nicht

im

gleichen

Gebäude,

weil

dieses

hier

ja

ein

Nachkriegsgebäude ist. Es ist halt 'ne Buchhandlung mit einem theologischen Schwerpunkt; Aber auch viel Köln und Umgebung. Und natürlich auch viel Domliteratur. #00:00:53-0#

Zum Roncalliplatz selbst erstmal. Also jetzt gerade eben sehe ich ja, ist hier der Weihnachtsmarkt. Und ich war jetzt aber erst vor zwei Monaten auch schon hier und da ist mir aufgefallen, dass der relativ leer wirkte. Hatte ich da nur einen doofen Zeitpunkt erwischt? #00:01:08-6#

Ja, also dieses Jahr hat es ja einen großen Einschnitt hier auf dem Platz gegeben. Also bis dato war das ja halt immer auch ne große Spielfläche für die Skater. Und die haben jetzt ja ein neues Gelände bekommen im Rheinauhafen. Und von daher sind die jetzt hier auch weg. Was schon sehr positiv ist. Weil es halt schon ein großer Lärmeinschlag war. Aber es ist grundsätzlich so, dass halt die Domumgebung eigentlich nicht sehr - äh - menschenfreundlich gestaltet ist. Also es gibt hier auf dem Platz keine Bänke. Es gibt hier eigentlich keine wirklichen Ruheräume. Es gibt auch keine, dass man jetzt mal sagt, Blumenkübel; Oder irgendwie einen Fixpunkt auf dem Platz. Man hat die Südsicht auf den Dom. Das ist eigentlich so der schönste Blick, den man haben kann auf den Dom. Aber der wird eigentlich nicht genutzt. Aber das ist natürlich auch ein Problem der Stadt Köln, dass da an den Plätzen nicht viel gemacht wird. #00:02:08-7#

Ja. Und wenn Sie jetzt sagen - Also, Sie haben das ja gerade angefangen mit "früher waren da die Skater". Und haben dann gesagt, das war ja eigentlich eher negativ aufgefallen. Aber dann haben die schon auch den Platz irgendwie belebt. #00:02:1960


Transkription: Interview – Kösel 6#

Ja, die haben zwar den Platz belebt. Das ist richtig. Aber es war schon - äh, sagen wir mal: Die Dominierung einer Minderheit auf diesem Platz, weil es war einfach nix anderes mehr möglich, ne? Da wurden halt zum Teil die Fußgänger angefahren. Es ist ein unglaublicher Lärmpegel - dieses Springen, dieses Klacken, ne? Also, wenn man hier dann halt so steht - und grad im Sommer - dann waren die teilweise 80 bis 100. Also das war schon echt heftig. Von daher sind wir halt froh, dass sich das jetzt verlagert hat in den kölner Süden. Die haben halt 'nen speziellen, neuen Platz bekommen. Also auch mit viel Geld gebaut. Da haben die auch selber mit dran gewirkt und haben jetzt auch ihre Sprunggeräte. Und es hat sich eigentlich schon zum Positiven gewendet. #00:03:05-2#

Okay. Also um jetzt noch einmal auf den Platz zurückzukommen: Was ich erlebt habe - dass es leer wirkt. Fällt das dann negativ auf, dass da jetzt quasi so gar nichts mehr los ist? #00:03:14-4#

Naja. Also das mit dem "leer" muss man schon differenzieren. Es sind hier ja teilweise halt auch schon Straßenmusikaten oder hier gibt's auch immer mal so alle möglichen Flashmobs und halt auch... Ähm. Auch ne ganze Menge sitzen halt auch Leute auf der Platte, wenn das Wetter schön ist im Sommer. Manchmal dann auch so Straßenmaler und so. Also es ist schon so, dass hier zum Teil auch was los ist. Aber es wird halt meines Erachtens nach, wird der Platz halt eben - sagen wir: Es können sich halt die Leute auf den Boden setzen. Aber so Bänke. Und halt eben mal einfach Fixpunkte mit halt vielleicht ein bisschen grün. Das wäre schon halt nicht schlecht. Also, so ist es halt doch ne recht leere urbane Fläche. Auch wenn man jetzt so alte Aufnahmen sieht. Also Vorkriegsaufnahmen. Diese Domplatte ist ja erst in den 60er - 70er Jahren gebaut worden. Früher war das ja viel tiefer gelegt. Also wie hier am Domhof [südlich des Roncalliplatzes. Anm. des Autors]. Und da gab es dann halt einen großen Brunnen. Und alles mögliche. Und hier ist ja jetzt drunter das Parkhaus. Und diese Domplatte ist auch nur sehr dünn. Die haben hier halt auch immer Probleme mit der Drainage. Und also die Stadt Köln ist da auch andauernd da irgendwelche Abfliess-Systeme am machen, weil das alles nicht so funktioniert. #00:04:40-9# 61


Transkription: Interview – Kösel

Sie haben ja auch gerade gemeint, dass zum Beispiel keine Bänke da sind und so. Fehlt ihrer Ansicht so etwas denn? Oder ist es okay, dass es ein großer, offener Platz ist der in erster Linie eben den Dom ein bisschen präsentiert? #00:04:55-4#

Also ich fänd's schon ganz schön, wenn der ein bisschen strukturiert wäre. Also man muss ja jetzt nicht alles zustellen mit Bänken. Aber wenn man's so ein bisschen einfach. Also einfach ein bisschen Merkmale setzen würde, so Fixpunkte. Das wäre schon.... Fänd' ich sehr positiv. #00:05:19-8#

Was fällt Ihnen denn positiv - also baulich, rein baulich - an dem Platz auf? #00:05:23-5#

[lacht] Ja, das ist schwierig. #00:00:07-7#

[kleine Unterbrechung, Frage wird erneut gestellt] - "...was Ihnen positiv auffallen würde..." #00:00:12-2#

Also nicht wirklich viel. Ich mein' weder das Museum ist besonders schön. Also, die Aussengestalt. Ich meine dieses Gebäude [das Gebäude der Buchhandlung. Anm. des Autors] geht noch so. Aber das wird ja auch in ein paar Jahren abgerissen. Da weiss man halt auch noch nicht, was da hinkommt. Und - ähm - ja, ich meine das Domhotel ist natürlich schon auch ein ganz guter Baukörper. Aber ansonsten ist es hier dann doch - muss man auch sagen - verwahrlost. #00:00:37-6#

Würden Ihnen jetzt - mal abgesehen davon, das das alles kostet und ob die Stadt so etwas will. Würden Ihnen irgendwelche Sachen einfallen, die man hier zum Beispiel verbessern könnten an dem Platz. Um es lebendiger zu machen, oder - wie auch immer. #00:00:49-9#

Ja, also ich würde allein schonmal einfach den Bodenbelag wechseln. Also der ist schon sehr... Ähm... sagen wir 'mal - sehr steril. Also ich will jetzt nicht sagen, dass man da Kopfsteinpflaster reinmacht. Bringt ja auch immer Probleme mit sich. Aber irgendwie vielleicht doch - ähm - farblich vielleicht doch etwas verändern. Ein 62


Transkription: Interview – Kösel bisschen mehr Struktur reinbringen. Ja. Dann halt wäre ich durchaus auch mal dafür vielleicht mal einen Brunnen, oder so etwas, auf den Platz zu bringen. Und.... Ja. Wie gesagt - Bänke und vielleicht auch so ein bisschen Blumenbeete und so ein bisschen... Das wäre schon sicherlich sehr sinnvoll. #00:01:29-9#

Sie haben gerade hier am Anfang diese Straßenkünstler und so angesprochen. Bleiben da auch Leute stehen. Also - belebt so etwas auch den Platz? #00:01:40-7#

Doch, das belebt schon den Platz. #00:01:41-1#

Also, nicht nur, dass die präsent sind, sondern dass das vielleicht auch Touristen anlockt, oder... #00:01:46-0#

Ja, was heißt "anlockt"...Aber Leute bleiben stehen und gucken halt schon. Doch, doch - das ist schon..... #00:01:48-3#

War das zum Beispiel bei den Skatern auch so, dass da Leute stehen geblieben sind, oder? Haben die NUR Probleme gemacht, sozusagen? #00:02:00-2#

Naja, da gab's natürlich schon manchmal Leute, die es sich halt doch angeguckt haben. Aber - Ähm... Man muss sagen, diese Szene selber ist doch sehr - sagen wir - in sich geschlossen. Also, die beobachten sich dann halt meist selber. #00:02:193#

Gut. Also für den Moment fällt mir jetzt nichts mehr ein. Das war es dann auch schon. Vielen, vielen Dank. Einen schönen Abend noch; Und ein gutes Weihnachtsgeschäft. #00:02:26-0#

Ja, danke. Ihnen auch einen schönen Abend und viel Glück mit der Arbeit. #00:02:31-0#

63


Transkription: Interview – Pivot

c. Transkription: Interview – Pivot Hallo! Wenn Du mir bitte zuerst sagst, wer Du bist und - über den Laden vielleicht etwas. #00:00:17-4#

Also mein Name ist F. . Ich arbeite hier ab und zu in dem Laden [Pivot - ein Skateladen. Anm. des Autors]. Ich fahr auch für Pivot, also für den Skateshop. Also ich werd' gesponsort. Und Robotron, das ist 'ne Skateboardfirma. Auch von den Leuten von Pivot. Und ja - ich bin halt mit den Chefs von hier aufgewachsen, sag ich mal. #00:00:36-4#

Okay. Dann wollte ich Dich fragen, ob Du mir vielleicht was über diesen "DomSkateboarding"-Verein sagen kannst. Und zwar - Ob Du da irgendwelche speziellen Aufgaben hast, zum Beispiel. #00:00:50-2#

Also ich hab keine speziellen Aufgaben. Der Verein wurde gegründet damit halt kein Mist gebaut wird. Damit die Stadt nicht irgendeinen Scheiß macht. Damit die Skater entscheiden können, was sie haben wollen. Und das auch anständig ist. Und schön ist. Und wir haben da Stimmen gesammelt. Und diesen Verein gegründet. Also, da siehst Du halt, dass es denen wichtig ist. Und jahrelang daran geplant. Und auch dafür gesorgt, dass es gemacht wird. #00:01:21-2#

Und, weißt Du wann der Verein gegründet wurde? #00:01:21-2#

Das weiß ich nicht. #00:01:23-2#

Und ungefähr auch nicht? #00:01:23-2#

Vor, hmm... zwei Jahren!? #00:01:26-2#

Und weißt Du wie viele Mitglieder es ungefähr sind? Oder so die Dimensionen? #00:01:39-0#

[Pause - schüttelt den Kopf] #00:02:08-2# 64


Transkription: Interview – Pivot

Weißt Du, seit wann auf der Domplatte geskatet wurde? #00:02:06-8#

Uh, das ist schon lange. Ich kenne auch Fotos von 1990. Und davor wurde aber auch schon..... ja - also 1990. #00:02:18-8#

Okay. Und hast eine Ahnung, wie viele Skater ihr durchschnittlich am Dom wart? An einem guten Tag; Und an einem schlechten Tag. #00:02:28-3#

An einem guten Tag waren es locker 30. Auf jeden Fall 30. Oder ein bisschen mehr. #00:02:39-4#

Und an einem eher schlechten Tag? #00:02:41-9#

Fünfzehn - Zehn. #00:02:44-1#

Okay. Also trotzdem schon immer so ein Grundstock an.... #00:02:47-4#

Bei Regen, Sonne - Immer am Dom! #00:02:54-3#

Und wie war da so die Stimmung untereinander? #00:02:56-4#

Das war eigentlich ziemlich - sag ich mal - "cool". Ja, das war halt der Treff, so. Da hat man sich getroffen. Man wusste da ist immer jemand. Deswegen ist man da hingefahren. Sehr zentral. Und natürlich zum Skaten war es auch super. #00:03:105#

Was habt ihr dort hauptsächlich zum Skaten genutzt? #00:03:18-3#

Skateboards. [lacht] #00:03:20-5#

Nein. Ich meinte von der Domfläche. #00:03:20-6#

Ja - einmal die Fläche. Das Flat. Und die Curbs. Diese Blumenkästen. - ... Und die 65


Transkription: Interview – Pivot Stufen natürlich! Da hat man ja eine größere Auswahl gehabt. #00:03:42-2#

Dann habe ich eine Frage. Und zwar - ob Trends im Skateboarden auch am Dom spürbar waren. Also dass es mal abgeflaut ist im Skateboarden; Mal wieder mehr geworden ist... Oder auch zum Beispiel Kleidungsstile oder so was. #00:03:55-1#

Ja, Kleidungsstile... Ist ja unterschiedlich. Da gibts viele unterschiedliche Skater. Aber klar hat man gesehen, was sich so ein bisschen durchgesetzt hat. Also - bei den kleinen Kiddies immer. Da kommt zum Beispiel ein neues Video raus. Von einer Firma. Kennst Du zum Beispiel [Namen von Skatevideos]? Und die Kleinen sind da hinter her, weil sie's einfach cool finden und kaufen natürlich den Stuff. Ziehen sich so an wie die. Das ist eher bei den kleineren so. #00:04:25-9#

Und auch so Sachen wie... Das Skateboarden wurde ja mal berühmter, populäre und so weiter. Hat man das Deiner Meinung nach auch gemerkt am Dom, dass das mal mehr und mal weniger wurde? Oder ist das ziemlich konstant geblieben? #00:04:384#

Nee, ist immer konstant geblieben. - Also bei den richtigen Skatern. Dann gibts halt immer so Kiddies, die wollen dann Skater sein für zwei Wochen und haben dann keinen Bock mehr. Aber eigentlich immer Konstant geblieben. War cool; Ist cool; Wird immer cool bleiben. #00:04:53-6#

Was würdest Du sagen: Welche Rolle hat die Domplatte gespielt für die Kölner; Und für die deutsche Skateboardkultur? #00:05:04-5#

Also... Aus Köln kommen ja viele Leute, die auch in Deutschland berühmt sind. Und Ja. Da hat man halt seine Tricks gelernt, sag ich ma. Also dadurch, dass man zum Dom gehen konnte - und da waren immer Leute - hatte man Lust zu Skaten. Und es sind halt nie weniger geworden. Immer ist es mehr geworden. Also einfach dadurch, dass viele Leute da waren. Man hat gesagt: Ich geh nicht alleine Skaten. Ich geh immer dahin. Da sind meine Leute, meine Homies. Dann kann ich mit denen Skaten. #00:05:37-0#

66


Transkription: Interview – Pivot Und würdest Du auch sagen, dass es so überregional 'ne Bedeutung hatte? So dass die Leute gesagt haben: Okay, ich geh jetzt nach Köln, weil ich da am Dom skaten kann. #00:05:48-5#

Ja, es sind viele Leute am Wochenende gekommen. Von außerhalb. Also ich hab das Gefühl, die Kölner kommen halt mit vielen Leuten zurecht. Und die sind auch cool. Das ist halt in anderen Städten anders. #00:06:04-3#

Ja, leider. #00:06:05-5#

Jetzt zum Beispiel über Münster sagt man, die sind ein bisschen Hochnäsig und nichts dahinter. Bei den Stuttgartern ist das ja so "Hollywood-mässig". Das ist auch nich cool. In Köln - da kommste hin und bist sofort down mit denen. Weisste? Wenn Du 'nen Pennplatzt brauchst, bist Du sofort down mit allen. So kenn' ich das. Ich komme ja auch aus Bonn. Da sind wenige Skater. Und ich bin immer am Dom geskatet. Immer am Dom geskatet und ganz selten in Bonn. Einfach weil's so cool war. Weil die Leute da sind. Die Leute cool waren. #00:06:41-0#

Ich habe jetzt halt auch.... Ähm... Ja, hier in der MSM [Monster Skateboard Magazine - Anm. des Autors] waren ja jetzt immer so die ganzen Specials. Jetzt als das irgendwie aufgehört hat und so. #00:06:46-8#

Ja, genau. #00:06:46-8#

Da habe ich auch viel gelesen: Ja, irgendwie die Leute so am Posse-Curb, und so. Von wegen: Ja, das war schon so ein eingeschworener Kreis so mehr oder weniger. #00:06:55-8#

Ja, genau. #00:06:56-7#

Und Du sagst es jetzt gerade eben so ein bisschen anders herum. #00:06:58-5#

Ja, aber das ist so unter den Kölnern. Diese Leute - Die Posse, das sind ja so die... sag ich mal - Die richtigen Skater vom Dom. Und die Älteren kamen mit den 67


Transkription: Interview – Pivot Jüngeren klar, die Jüngeren mit den Älteren. Und wenn einer von außerhalb kam Die wurden immer... sag ich mal... Herzlich Willkommen. Ja. Also da gibts eigentlich auch nix böses drüber zu sagen, muss ich ehrlich sagen. #00:07:26-1#

Okay, cool. Welche Probleme habt ihr in der Vergangenheit gehabt? Also jetzt auch schon - sagen wir mal bevor das jetzt mit dem Skateverbot kam. Gab es da irgendwelche Probleme? #00:07:37-4#

Mit den Hotels halt so'n bisschen weil es so laut war. Mit dem Ordnungsamt. Ist ja auch verständlich. Wegen den Leuten da, die da Angst hatten, das sie irgendwie Boards gegen die Füße bekommen oder so. Was war da noch? ... Ach ganz selten so mit den Punkern, die da besoffen saßen. Aber das waren jetzt nur so Ausnahmen. #00:08:05-8#

Also jetzt grad, wenn Du sagst: Das Ordnungsamt kam - Haben die Euch dann irgendwie 'nen Platzverweis ausgesprochen oder haben die nur gesagt: Macht mal low! #00:08:16-0#

Am Anfang... Es hat sich gesteigert. Am Anfang meinten die wir sollten nicht springen. Was ja natürlich - Also wir gehen da ja nicht hin nur um zu fahren. Dann kam das halt mit den Curbs. Dann durfte man irgendwann auch ne kurze Zeit gar nicht da fahren. Also, wenn die halt gekommen sind hat man kurz aufgehört und wenn sie weg waren konnte man weiterfahren. Das war schon ein bisschen lästig. Es hat sich auf jeden Fall gesteigert. #00:08:48-3#

Und weil Du gemeint hast, dass die Angst hatten, dass Passanten angefahren würden, oder so. Ist das öfter mal vorgekommen? #00:08:54-5#

Dass die angefahren worden sind? #00:08:53-2#

Ja. #00:08:53-5#

Eigentlich nicht so oft. Es gab auch mal eine Frau, die hat der Zeitung erzählt, dass ein Skater über sie gesprungen wäre. Ja, und dann haben die Skater natürlich auch 68


Transkription: Interview – Pivot gelacht. Ist ja unmöglich. Und da sieht man ja, ob das jetzt wahr ist, oder nicht, ne? Ich meine klar ist ab und zu mal ein Board weggerollt und vielleicht in die Füße... aber so oft ist das nicht passiert. Weil wir sind halt eben immer in Ecke - Also die Posse, sag ich mal so, geskatet. Wir sind halt auch da geskatet, weil da halt weniger Leute waren. #00:09:29-9#

Also ich habe jetzt auch schon von anderen Leuten gehört, dass es da immer 'richtig gefährlich' war. Hattest Du denn das Gefühl, dass sich die Leute da schon irgendwie ängstlich verhalten haben, wenn Ihr da jetzt mit dem Board auf die zugerollt seid? #00:09:48-1#

Bei alten Damen kann mir das vorstellen. Wenn's ein bisschen laut ist. Weil die gehen ja geradeaus und von hinten kommt ein Skater. Die wissen ja gar nicht, was da los ist. Aber sonst... Wir hatten auch ... Also die Leute waren auch ziemlich down damit. Also ganz viele. Die haben Fotos gemacht. Die haben sich das angeguckt. Oder auch so... Da werden ja Junggesellen-Partys gefeiert am Dom immer. Und dann kamen die auch und wollten immer Skateboards haben. Waren aber zu besoffen. Also es war eigentlich ziemlich cool, finde ich. #00:10:11-0#

Welche Reaktionen gab es auf das Skateverbot am Dom? Also eurerseits. #00:10:18-9#

Also wir fanden das natürlich scheiße. Is ja klar. Weil das war unser Platz. Da haben wir uns immer getroffen. Und sind da sozusagen aufgewachsen. Aber jetzt - viel gekümmert haben wir uns darum nicht. Weil wir wussten halt nicht, wo wir hin sollten. Deswegen sind wir wieder da hin. Und wie gesagt, wenn das Ordnungsamt kam, dann hat man sich hingesetzt und... Aber man hat da natürlich auch ein bisschen Respekt gehabt. Auch die Curbs, die haben die ja abgesägt damit man die nicht mehr grinden kann. Damit wurde es schon weniger an der Posse. Dann haben die Skater sich am Eishockeyplatz - vielleicht kennst Du das? #00:10:53-6#

Nee. #00:10:54-0#

Da gibt's einen Eishockeyplatz, der ist leer. Der wird auch nicht benutzt. Und da 69


Transkription: Interview – Pivot haben wir dann Curbs hingebaut, dass wir da auch ein bisschen skaten können. #00:11:00-5#

Ist das da auch in der Nähe vom Dom? #00:11:02-0#

Naja, das ist ein paar Stationen mit der Bahn. #00:11:03-8#

Ah, okay - also schon ein Stück weg. Und welche Reaktionen gab es dann als die Stadt sich quasi bereit erklärt hat eben das Kap zu bauen? #00:11:13-9#

Ja, da haben wir uns natürlich gefreut, ne? #00:11:16-5#

Also, ich mein - Habt ihr dann gleich gesagt: Ja, wir möchten da von anfang an dabei sein! Oder habt ihr das sogar initiiert, quasi? Dass ihr gesagt habt: Wir brauchen eine Alternative! #00:11:27-0#

Also erstmal waren wir alle skeptisch. Weil wir halt gesagt haben: So ein Skatepark ist halt nicht cool. Wir gehen ja nicht zum Dom, weil wir Skatepark fahren wollen. Und als wir dann gehört haben, dass das so ein Plaza wird und Street-mässig, waren wir alle down damit. #00:11:40-6#

Okay. Und wenn Du jetzt sagst: Okay. - Ist eine Plaza quasi gleichbedeutend mit Street? Oder ist es schon noch mal eine Abstufung? - Street fahren hat schon nochmal einen eigenen Charakter. #00:11:56-2#

Ja, es ist eine Abstufung. Weil es ist halt wieder nur für Skater. Man denkt halt es ist ein Skateplaza - Also ein Skatepark. Aber unter den Skatern weiß man halt .... wenn man hört, was da so hingebaut wird und dass es so Street-mässig ist dann hat man da schon bock drauf. Also es war schon in Ordnung. #00:12:19-3#

Wenn am Dom jetzt die Curbs nicht eingefräst wären und wenn man da noch fahren dürfte und so weiter. Würdest Du dann lieber am Dom fahren oder an der Plaza? #00:12:35-2#

70


Transkription: Interview – Pivot Ich glaube am Plaza, jetzt. Da hat man mehr Möglichkeiten. Außerdem wurde er ja nicht umsonst gebaut. [lacht] #00:12:51-9#

Weißt du, welche Street-Alternativen es noch in der kölner Innenstadt gibt? Fällt Dir da irgendwas ein? #00:12:56-8#

Ähm, das ist schwer. Ich mein klar geht man mal rum - ein bisschen filmen. Da hat man ein paar Spots. Aber da... geht man jetzt nicht so hin um zu skaten. Also man will einen Trick filmen. Geht da hin. Filmt den... aber so... Sonst in der Innenstadt kenne ich keinen. Außer halt da an diesem Eishockeystadion. Aber den gibt es ja auch erst seit kurzem. #00:13:21-3#

Was ist da so? Halt - Flat denke ich mal... #00:13:24-9#

Ja, Flat ein bisschen. Also: Gutes Flat. Damit man da skaten kann. Und so ein paar Curbs haben wir da hingebaut. #00:13:29-6#

Okay. Die habt Ihr selber da hingebaut? #00:13:31-5#

Die haben wir gebaut. Wurden auch kaputt gemacht. Also so Randale... Aber... dann haben wir sie wieder aufgebaut. #00:13:36-8#

Zwei Fragen habe ich noch. Erstens: Wie findest Du die Situation jetzt heute am Kap? #00:13:48-1#

Ein bisschen zu voll. Überfüllt. Wegen den Kiddies. Da kommen halt kleine Kinder mit Cityrollern. Und da fragt man sich: Wieso sind die hier? Weil es ist ja kein Skatepark. Die wollen ja so Rampen und da gibt es ja keine Rampen. Das ist ja ein Plaza. Da sind ja überall Blöcke und das ist eigentlich für Kiddies ja nicht so cool. Also für richtige Skater ist das ein Paradies, weil Du bock darauf hast und da skaten kannst. Aber wenn Du dann so kleine Kinder mit Rollschuhen siehst, denkst Du: Oh, das ist ja eigentlich nichts für die. #00:14:17-4#

Aber das sind ja dann meistens denke ich mal die Eltern, die die da hin bringen. 71


Transkription: Interview – Pivot #00:14:23-4#

Das stimmt auch. Ja, genau. #00:14:25-9#

Und wüsstest Du, wie man dafür irgendwie Alternativen bauen könnte? #00:14:30-3#

Ja, Skateparks in den verschiedenen Bezirken. Das würde das entlasten. #00:14:339#

Und das Letzte: Also ich habe ja gerad schon mal gefragt, was Du bevorzugst: Domplatte oder das Kap. Und was denkst Du: Was bringt dem Sport - Skateboarden - mehr und was der Skateboardingkultur? #00:14:55-5#

Skateboarding - Auf jeden Fall der Kap. Weil Du da mehr Tricks lernen kannst. Und an verschiedenen Obstacles. Und der Kultur.. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll... Es war einfach cool zum Dom zu gehen und da zu skaten. Weil es war einfach... gechillt. Überall. Du konntest in die Stadt gehen; Du konntest kurz was essen; Du konntest Dir da was holen, da was holen; Du kamst überall schnell hin - zum Dom auch selber. Und es war einfach - wenn Du aus anderen Städten bist... Sag ich mal, Du bist jetzt aus Hannover oder Hamburg. Und Du denkst an kölner Skater, weißt Du sofort: Ah! Domplatte! Weißte? So wie das bei mir war - Ich kam halt zum ersten mal am Dom an und ich fand es halt cool. Weil die Leute einfach cool waren und da gabs halt verschiedene Obstacles auch. Also zum skaten viel. Und Du warst halt so zentral. Du konntest halt da Dir kurz was zu essen holen. Und es war einfach... Es war cool. #00:15:57-0#

Gibt es irgendwie so'n Imbiss? Oder sowas gibt es nicht am Kap? #00:16:01-2#

Nee, das gibt es leider nicht. Das wäre natürlich perfekt, wenn es das geben würde. #00:16:04-1#

Cool! Vielen Dank! #00:16:09-2#

72


Transkription: Interview – Patrick Bös

d. Transkription: Interview – Patrick Bös Hallo! Sag mir doch vielleicht zuerst mal ganz kurz was zu Dir und zu dem DomSkateboarding Verein. Welche Aufgaben hast Du innerhalb des Vereins und wann und warum wurde der Verein überhaupt gegründet? #00:02:15-5#

Also der Dom-Skateboarding e.V. ist im Endeffekt gegründet worden als Interessenvertretung der Skater von der Domplatte. Weil da ja das Skaten verboten werden sollte und die Curbs angefräst wurden. Somit unskatebar wurden und irgendjemand sich als Sprachrohr der ganzen Sache, der Thematik, stellen musste. Und dann haben wir uns gedacht: Gut, machen wir einen Verein. Ein Verein wird akzeptiert. Ist auch etwas, wo man nach außen mit arbeiten kann. Das war zwar schwer,

den

erst

einmal

hinzukriegen

und

den

eintragen

zu

lassen

-

Gemeinnützigkeit, und so weiter. Da gibt es mehrere Probleme, die man da so hat aber es hat alles geklappt. Und im Endeffekt war es super. Also es war, glaube ich, der beste und der einzig richtige Weg. Um in Zusammenarbeit mit den richtigen Stellen der Stadt zu kommen. #00:03:05-0#

Zusammenarbeit mit der Stadt. Wie hat das dann so ausgesehen? #00:03:11-3#

Wir haben eigentlich alle Kanäle erst einmal abgeklopft. Also wir sind wirklich in den Rat gegangen; Haben unser Anliegen vorgestellt; Sind zu den einzelnen Parteien gegangen. All das hat wenig gebracht. Also es hat zwar auf die Probleme hingewiesen aber das hat wenig Erfolg gebracht, denn politische Parteien versuchen so etwas dann gerne gegeneinander auszuspielen. Also, das bringt wenig. Der richtige Anlaufpunkt war dann im Endeffekt das Amt für Kinderinteressen. Die machen alles, was so Kinder- und Jugendeinrichtungen angeht. Da sind die so die "Oberkoordinatoren". Und da haben wir zwei sehr, sehr nette Frauen - Frau John (?) und Frau Heinemann kennengelernt und mit denen lief die ganze Zusammenarbeit. Sprich: Von der Problemdarstellung über erste Suche nach Orten, über Konkretisierungen - was kommt da hin, und so weiter. All das haben wir zusammen mit denen gemacht. Also, die Skater haben gesagt, was hier hinkommt. Damit es funktioniert. Aber da war einfach immer ein offenes Ohr und sehr viel Vertrauen, würde ich sagen. Also das war perfekt. #00:04:14-5# 73


Transkription: Interview – Patrick Bös

Und das hat auch immer gut, und vor allem schnell auch vor allem, funktioniert? #00:04:16-5#

So schnell es geht. Also manche Mühlen mahlen langsam. Aber das liegt nicht an uns; Das liegt nicht unbedingt am Amt für Kinder- und Jugendinteressen. Eher gar nicht. Sondern das sind einfach Prozesse, die es gibt. Also ein Bauantrag ist ein Bauantrag. Und da gibt es spezielle Auflagen für den Rheinauhafenbereich. Einmal, weil es natürlich der Rheinauhafen ist. Kölns Prunkmal. Zum anderen ist das hier Hochwasserflutungsgebiet. Und ein Hochwasserflutungsgebiet hat ganz andere Bauauflagen als irgendein Baugrundstück XY im Industriegebiet. Also, DAS waren die Verzögerungen. Die lagen - naja... Die lagen eigentlich nicht... Naja... Normal waren sie. Normal für diesen Baugrund. #00:04:51-2#

Also, da Du auch was mit Geo[graphie] am Hut hast: Weißt Du zufällig, was hier für eine Flächennutzung vorgesehen ist, im Flächennutzungsplan? #00:04:58-8#

Das muss so eine Freizeiteinrichtung sein. Also das ist so Freizeitnutzung dieser Bereich. Ab dem Beachvolleyballfeld bis zur Südbrücke. Und das ist ja - soweit ich das weiß, ich bin ja jetzt auch keiner vom Bauamt. Aber wenn große Flächen bebaut werden, versiegelt werden, muss es auch dementsprechend einen Freizeitausgleich geben. Und das ist sozusagen: Dieser Bereich ist zur Freizeitnutzung da. Also ich glaube, dass wir nicht in Konkurrenz standen mit einem neuen Bürokomplex hier. Also, was ich da bin. Ich war immer Kassenwart beim Verein. Jetzt bin ich erster Vorsitzender. Im Endeffekt teilen wir uns aber alles. Also es ist jetzt nicht so: Ich bin der erste Vorsitzende und ich habe jetzt mehr Rechte als Du. Sondern jeder der sich da engagiert und engagieren möchte kann da seinen Teil so gut er es kann beitragen. Also wer graphischer versiert ist, macht eher solche Sachen. Wer kommunikativer ist macht da was; Und wer gerne irgendwas baut, dem finden wir auch immer irgendeine Aufgabe, wo der gerne sich verwirklichen kann. Also von da her haben wir kein starres Konstrukt. #00:06:03-9#

Wie hängt dieser Blog "Domliebe" mit dem Verein zusammen? Gibt es da überhaupt irgendwelche Verlinkungen oder sind das nur zufällig Leute, die bei beidem aktiv 74


Transkription: Interview – Patrick Bös sind? #00:06:13-3#

Also an sich haben die beiden erst einmal nichts miteinander zu tun. Ich mache den Blog. Bin auch erster Vorsitzender des Vereins. Aber... Im Endeffekt habe ich den Blog immer nur genutzt um hierüber zu berichten. Da wir eine Vereinsseite haben, die nicht so frequentiert ist. Der Domliebe-Blog war viel stärker frequentiert. Da hab ich gesagt: Was soll ich machen? Sollen alle Kinder - oder alle die sich interessieren immer auf die Vereinsseite gucken müssen? Wo sie es eh nicht interessant finden, scheinbar. Dann streu' ich das gerne zwischen den Gossip, den ich da reinmache mit ein. Also es ist einfach nur Informationsorgan würde ich sagen. Aber was da steht ist bitte nicht mit dem Verein gleichzusetzen. Und wenn da steht, dass ich da irgendwas doof finde, dann heißt das nicht der Verein findet das doof. Das ist dann auch eine persönliche Sache. #00:06:55-2#

[...] #00:07:08-3#

Seit wann wurde auf der Domplatte geskatet? Weißt Du das? Oder kannst Du das ungefähr sagen? #00:07:12-7#

Ich glaube, da war ich vielleicht gerade geboren. Also [...] Mitte - Ende der Siebziger. Das war natürlich noch ein ganz anderes Skaten. Also da war ein Skateboard wirklich aus 'nem Holzbrett mit Rollschuhrollen druntergeschnallt und oben Schmirgelpapier draufgeklebt. Aber die ersten Skater wird es so Mitte - Ende der Siebziger darauf gegeben haben. Ich bin jetzt aber auch kein Skatehistoriker. Man müsste gucken, wann der Titus-Typ da jetzt die Ersten importiert hat und kurz danach wird es losgegangen sein. #00:07:42-2#

[...] #00:07:50-5#

Wie viele Skateboarder waren Deiner Meinung nach so durchschnittlich am Dom? Vielleicht so gerad während der Zeit, an der Du da auch gefahren bist. #00:07:56-2#

Also ich skate da eigentlich [...] schon 16-17 Jahre. Und naja, es war halt verschieden. Bei gutem Wetter - über den Tag verteilt 200 - 250. Wenn Du von 75


Transkription: Interview – Patrick Bös morgens bis abends siehst. Manche kommen für ein Stündchen, gehen dann wieder. Manchmal ist ja auch die Domplatte nur so Ausgangspunkt von 'ner Art Skateboardreise durch Köln gewesen. Man fährt dann ja auch noch zu anderen Spots. Aber ich würde sagen im Sommer, Schulferien, so locker 200 - 250. Über den Tag verteilt. Und, ja klar, bei schlechterem Wetter mal keiner. Und wenn’s arschkalt ist auch nur die harten fünf, die unbedingt skaten wollten, weil sie gestern hart gearbeitet haben. Wie auch immer. Also alles dazwischen ist möglich. #00:08:40-9#

[...] Wie war so die allgemeine Stimmung immer am Dom? #00:08:52-2#

Also ich fand es am Dom immer so unter uns sehr entspannt, sehr nett. Jeder hat mit jedem rumgehangen. Wobei - natürlich nicht jeder mit jedem. Dafür sind es dann zu viele Menschen. Aber es war immer sehr positiv. Und ich glaube die Kleinen konnten von den Großen was mitnehmen. Es war so ein bisschen wie ein Aufwachsen mit Älteren, die einem auch so ein bisschen Orientierung geben. Also als ich ein kleiner Wurm war, habe ich die Fresse gehalten und habe halt ein bisschen auf die Anderen gehört. Und so erwarte ich das auch heute. Nicht, dass die die Fresse halten. Aber dass die auch mal sehen: Okay, der studiert. Dann kann ich auch irgendwo was schaffen und kann ein normaler Mensch werden. Ob Skater oder nicht spielt da meiner Meinung nach wirklich gar keine Rolle. Also das ist durch, der Film: Skater sind wie Revolutionäre und Anti-Alles. Also ich bin überhaupt nicht Anti-Alles. #00:09:37-9#

Also so eine Art Respekt vorm Alter? #00:09:49-4#

Ja, vor denen, die einfach vielleicht ein bisschen weiter sind in ihrer Entwicklung. Also, es gibt auch mit 30 welche, die total Banane sind. Es gibt auch 15jährige, die echt weit sind. Aber einfach so ein gegenseitiger Respekt und ein Voneinanderlernen. Das hat auch immer funktioniert. Was so die Stimmung angeht vielleicht mit den Passanten: Die war an sich relativ positiv, würde ich sagen. Also die Beschwerden sind auch meiner Meinung nach eher Wenige gewesen. Aber das sind die einzigen gewesen, die sich beschweren. Also, wer das positiv empfunden hat, die Skater an der Domplatte - der hat sich nicht dran gestört und der ist auch nie zur Stadt gegangen und hat gesagt: Ey, ich stör mich daran. Gar nicht. Ich finde die eher 76


Transkription: Interview – Patrick Bös sympathisch. Man hört immer nur die Beschwerden. Aber ist ja klar. Das ist bei allem so. Also jetzt grad: Der Zug stört mich nicht - Aber wen‘s jetzt stört... [Anm. Durch die immer wieder über die Südbrücke rollenden Züge entstehen regelmäßig Lärmpegel, die das Geklapper der Skateboards, welche nur knappe zehn Meter entfernt sind bei weitem übertrifft.] #00:10:39-3#

Genau da sind wir ja auch schon bei der Frage: Welche Probleme gab es. Also: Wer hat sich denn daran gestört? #00:10:42-9#

Also das waren an sich schon mehrere Parteien, die sich daran gestört haben. Also das Domhotel als super Hotel in der Innenstadt, direkt an der Domplatte. Die Kirche mit der Dombaumeisterin ganz stark. Das Bücher Kösel [...] der auch zur Kirche gehört. Darüber die Etagen gehören auch zur Kirche. Das Römisch-Germanische Museum weiß ich gar nicht, ob die da so extrem Anti waren. Das Früh-Kölsch hat sich auch beschwert. Also die Anlieger generell. Und da gibt es auch so eine Interessenvertretung oder Interessengemeinschaft Domplatte oder sowas. Und die sind natürlich mega mächtig. Ne starke Lobby haben die und die konnten an den richtigen Hebeln ansetzen, so dass das ein relativ geringes Problem für die war. #00:11:27-1#

Ich habe auch versucht, gerade zum Beispiel beim Domhotel etwas rauszukriegen oder beim Früh. Die waren total abgeriegelt: Ne, da wird keine Stellung zu genommen und so weiter. Und auch als ich sie angesprochen hab - es gab ja dieses Gutachten von einer Kanzlei, was generell die rechtliche Situation ist mit Skateboarden und so weiter. Da meinten die auch so: Ja, wir haben nie was davon gehört. #00:11:49-8#

Ja, es gibt glaube ich zwei Gutachten. Das eine besagt, dass es nicht stört oder sowas. Und das andere, was da in Auftrag gegeben wurde besagt, dass es stört. Es gab einmal eins von der FH Deutz glaube ich. Das fiel dann relativ positiv aus. Und ja, ich denke dann kann man das so sehen wie mit den Rating Agenturen: Wer den Auftrag bezahlt, der kriegt auch ein relativ schönes Ergebnis. Oft. Aber ich werfe das jetzt denen auch nicht vor. Die haben auch nur ihre Interessen und wollen die halt verfolgen. Ist ja klar, dass das so läuft. #00:12:29-4# 77


Transkription: Interview – Patrick Bös

Welche Reaktionen gab es denn unter den Skatern auf das Skateverbot am Dom und danach die Alternative. Das eine Alternative eben geboten wurde mit dem Kap. #00:12:46-1#

Das Skateverbot ist ja erst in Kraft getreten, als das Kap schon da war. Also das Skateverbot gab es vorher noch nicht. Im Endeffekt die stärksten Reaktionen waren auf dieses Einschneiden der Curbkanten. Da haben wir so zwei, drei, vier Tage so `ne Art Demo da gemacht. Wir hatten auch so Banner gehangen, die mussten wir nachher natürlich wegmachen. Es gibt da ja auch Auflagen. Ungenehmigte Demonstrationen und so weiter. Wollten wir ja jetzt auch keinem auf die Füße treten. Aber wir haben da schon so drauf aufmerksam gemacht, dass es da welche gibt, die da seit Jahren mega viel Spaß haben. Eigentlich nix Böses im Sinn haben außer ihrem Sport. Und die in Köln keine Alternative dazu haben. Und das war so unser Auflehnen der Skater. Würde ich sagen. Dann haben wir natürlich das an verschiedene Presseorgane aber auch in die Politik und so weiter ... ja, haben wir da unser Anliegen kundgetan. Mehr haben wir auch nicht gemacht. Also wir sind da jetzt nicht so Stuttgart21-mässig über Jahre weg. Dafür fehlt glaube ich die Substanz. Das merkst Du auch, wenn Du so einen Verein hast. Am Anfang sind 30 Leute euphorisch und am bitteren Ende sind es halt immer nur fünf, die immer noch sehr euphorisch dafür fighten und Gas geben. Aber das ist ja bei allem so. Also da möchte ich mich auch gar nicht beschweren. Das war uns vorher klar, dass es so ist. Im Endeffekt hat es ja trotzdem geklappt. Deswegen - perfekt! #00:14:02-4#

Gerade dazu, dass es geklappt hat: Gab es denn - auch wenn das jetzt nur ein - zwei Leute waren - so Leute, die gesagt haben: Okay, das ist hier ein Skateplaza - also wir können hier Street- skaten. Aber es ist trotzdem nicht Street. Und die sich dann quasi immer noch so ein bisschen gewehrt haben? #00:14:24-9#

Also ich glaube, dass das nicht Street ist, das sage ich auch. Also das kann es nicht sein. Weil wir es geplant haben. Und wir haben es auf Skaten ausgelegt. Wir haben versucht es so angenehm und so ästhetisch wie möglich zu machen. Aber das es nicht Street ist, ist auch klar. Und das es noch Leute gibt, die immer noch Streetskaten gehen möchten ist auch klar. Und das werde ich auch immer noch tun. 78


Transkription: Interview – Patrick Bös Aber es ging ja primär um die Domplatte. Das man nicht mehr an der Domplatte skatet. Und das wollten wir damit schaffen. Und ich glaube, dass das gelungen ist. Die, die noch an der Domplatte skaten sind die, die eigentlich gar nicht wirklich skaten würde ich sagen. Das ist so `ne andere Fraktion von Skatern. Das ist: Ich hab ein Skateboard und will jetzt so‘n bisschen dieser Jugendkultur angehören. Aber verbringe auch den ganzen Tag mit diesem Skateboard neben mit und trink‘ vielleicht eher drei Bier, die ich noch mitgebracht habe. Und will so‘n bisschen jugendliche Revolution. Ich glaube, die die wirklich Interesse haben am wirklichen Skaten, am Sport, an der Bewegung, am Tricks lernen, am besser werden, die kommen hier [um das Kap - Anm. des Autors] nicht drum rum. Also wirklich viele Kids, die früher am Dom geskatet sind, die sind jetzt jeden Tag hier. Wobei Streetskaten nicht aussterben wird deswegen. Also das wäre Quatsch. Wäre auch schlimm. #00:15:408#

Welche Street-Alternativen gibt es denn in der Innenstadt jetzt noch? #00:15:44-8#

Es gibt schon so einige Spots. Das ist halt alles nichts Großes mehr. Das sind halt so kleinere Sachen, verteilt durch die Stadt. Man kann an der Uni ganz gut skaten sogar noch. Also da zwischen den Hauptgebäuden, so Philosophikum und so weiter. Bertus-Mannus-Platz, oder wie das heißt. Dann gibt‘s auf der Richard Wagner Strasse vor so `nem Berufskolleg, gibt es so drei Curbs zum Beispiel, die da stehen. Dann gibt es den Pfennig am Friesenplatz. Diese Metall, kreisrunde StahlskulpturDings. Das ist so ein Kicker. Am Ebertplatz gibt es so ein Mäuerchen, wo der Boden darunter schräg runter geht, so ein Curb. Ähm, ja, was noch so in der Innenstadt? Hmm, hmm... #00:16:24-8#

Irgendwo habe ich mal was von einem Wassergap gelesen... #00:16:26-4#

Achso, das Wassergap. Das ist im Rheinpark. Das ist, wenn in diesem WasserBrunnen-Konstrukt... Wenn da das Wasser raus ist, ist nur noch am Rand in so `ner Art Beet Wasser drinne. Und dann ist das halt das Wassergap. Die Philharmonie. Ich weiß jetzt nur nicht, ob da auch das Skateverbot gilt. Keine Ahnung, ob das zur Domplatte direkt gehört. Das weiß ich nicht. Aber da sind halt so Schrägen. Ja, es gibt eigentlich schon immer mal wieder so kleine Sachen nur das kannste so - ja, 79


Transkription: Interview – Patrick Bös zehn Minuten, Viertelstunde skaten und dann wirst Du meistens weggeschickt. #00:16:57-2#

Also richtige Sessions entwickeln sich da nicht? #00:16:59-2#

Nee, nicht wirklich. Also vor dem Kap. Bevor es das Kap gab hatten wir ja auch aus Gründen des nicht-Fahrens am Reichelspergerplatz, da wo das Eis- und Schwimmstadion neu gebaut wurde, so ne alte Brachliegende Hockeyplatzfläche. Und da haben wir halt Rampen - So Holzcurbs - hingestellt. Und da sind wir dann halt so die letzten zweineinhalb Jahre würde ich sagen effektiv geskatet. Bevor das hier war. Seitdem bin ich auch nicht mehr da gewesen. Also es gibt schon was, aber... vereinzelt. #00:17:30-3#

Wie würdest Du jetzt heute die Situation hier am Kap bezeichnen? #00:17:34-0#

Möchtest Du wissen, ob die Leute hier zufrieden sind? Oder wie die Stimmung ist? #00:17:40-1#

Ja, also wie es Dir auch so persönlich geht. #00:17:42-1#

Also ich bin sehr, sehr froh. Ich weiß am ersten Tag, als ich die Bauabnahme war und wir das erste Mal hier drüber rollen durften. Das war einen Tag vor der Eröffnung. Da konnten wir fünf, die da so aktiv waren mal so eine Proberunde - weil eh auch - es mussten Fotos gemacht werden. Pressesachen und so weiter. Und die sollten an unbenutzten Curbs sozusagen stattfinden. Und seitdem bin ich eigentlich gleich glücklich. Also ich fand das geil. Es war einfach so: Wow - Jetzt ist das Ding da; Du hast da jahrelang dran gearbeitet und es hat geklappt. Und ich denke, dass wir da alle sehr, sehr stolz auf uns sind, dass wir das geschafft haben. Nicht jetzt: Wir sind die Geilsten! Sagt uns alle Danke! Sondern einfach: Wow, es hat geklappt. Hat kaum jemand dran geglaubt. Und es hat sich ausgezahlt - die Arbeit. Die Stimmung hier ist würde ich sagen, wie am Dom. Sehr positiv - eher noch besser. Weil es keine Passanten mehr gibt, die einen nicht mögen. Also man kommt sich hier nicht ungewollt oder unerwünscht vor. Sondern man kommt sich hier erwünscht vor. Und bei schönem Wetter, wenn hier viele Leute flanieren, schauen die auch die ganze 80


Transkription: Interview – Patrick Bös Zeit zu. Die finden das interessant. Also mir gefällt es, dass es Menschen gefällt was wir machen. Nicht, dass ich von denen irgendwie auf die Schultern geklopft werden möchte; Die sagen: Geil! Sondern einfach so ... naja... Dass man halt nicht mehr negativ auffällt. Das finde ich sehr, sehr gut. Und für die Skateboarder hier... Die haben alle Spaß. Geben Gas. Die lernen. Also ich denke mir, das ist auf jeden Fall sehr produktiv hier. Die Leute werden immer besser. Also ein perfekter Trainingsplatz für Skater jeglichen Könnens. Würde ich sagen. Und das finde ich ... ja... zeichnet diesen Platz aus. Das hier jeder was für sich findet. Spaß haben kann. Und ich glaube, Du kannst hier tagelang abhängen - Du wirst hier keinen sehen, der sich aufs Maul haut. Das gibt es nicht. Wir wollen halt nur skaten. #00:19:27-0#

Weil Du jetzt gerade gesagt hast: Also es gibt ja schon auch einige Park-Skater, die es zum Beispiel gerne gesehen hätten, dass hier irgendwie eine Transition reinkommt, oder so. #00:19:36-4#

Genau. Die gibt es bestimmt. Das Problem ist, dass der Dom-Skateboarding e.V., Das hatte ich ja vorhin auch gesagt - gerade deswegen gegründet wurde um die Skater vom Dom, die immer nur Curb und Street gefahren sind zu vertreten. Deren Interessen zu vertreten. Und das Problem mit der Domplatte möglichst gut zu beheben. Und dementsprechend haben wir uns um die Streetskater gekümmert. Da gibt es mit Sicherheit auch andere Skater. Die haben zum Beispiel die Lohsestraße [eine Miniramp nahe der U-Bahnstation Lohsestraße - Anm. des Autors], da kümmern die sich drum. Und da redet auch von uns keiner denen rein und sagt: Ey, jetzt müsst ihr aber ein Curb hier hinstellen. Nein, nein, nein. Das ist euer Bier; Das ist unser Bier. Wir machen unseres so gut wir können. Ihr macht euers so gut ihr könnt. Und im Idealfall werden beide Lager so gut es geht bedient. Nur man darf nicht von mir verlangen, - als Streetskater - dass ich mich hier jetzt um solche Sachen kümmere. Also im Endeffekt hoffe ich doch, dass da keine Ablehnung untereinander existiert. Aber es darf auch kein... "Ihr habt jetzt schon Lobbyarbeit geleistet, ihr seid da weit voraus. Jetzt macht für uns mit. So funktioniert es nicht. Wir haben auch alle ein Leben und müssen arbeiten, studieren. Und jeder muss seine Interessen vertreten. Also es gibt keine Steine von den Anderen in den Weg. Aber es kann auch nicht so sein, dass wir alles erledigen. Für mich hätte hier ne Rampe das ganze Bild extrem zerstört muss ich ehrlich sagen. Also ich könnte mir vorstellen eine 81


Transkription: Interview – Patrick Bös Miniramp oder ein Bowl oder so was hier in der Nähe zu haben. Aber das würde ich dann komplett... Optisch müsste das zumindest voneinander getrennt sein. Also wenn der Bowl an der Haltestelle liegen würde, wäre mir das egal. Den sehe ich nicht mehr. Dann hat das hier diesen Street-Charakter. Und das Andere hätte eben den anderen Charakter. Aber beides zu vermengen hat für mich so eine SportplatzAtmosphäre. Wir klatschen jetzt alles nebeneinander. Multifunktional. Das hätte für mich, meiner Meinung nach, gar nicht funktioniert. Ästhetisch auch nicht. Und hätte bestimmt den Erfolg geschmälert. Weil es nicht mehr so Street ist, wie es dann doch noch Street ist hier. #00:21:35-4#

Ich habe ganz oft im Internet gelesen, und jetzt auch schon von einigen Leuten gehört hier, dass sie es hier ein bisschen überfüllt finden. Findest Du das auch? #00:21:44-8#

Also jetzt heute natürlich nicht. Aber heute ist es auch kalt und windig und rau. Wenn man hier an einem Wochenende speziell oder in den Ferien oder bei echt gutem Wetter herkommt dann trifft einen der Schlag. Also wenn ich hinten um die Ecke komme, beim Toilettenhäuschen, hier hin gucke und mehr Menschen als Fläche sehe. Und das ist echt so. Das ist, Gott sei Dank so. Also schön, dass es viele Skater gibt. Schön, dass sich jeder zwischen drei, wo er laufen kann und 55, so lange er noch skaten könnte theoretisch hier hin traut und hier Spaß hat. Darüber sind wir alle sehr glücklich. Das ist aber echt... Also an manchen Tagen hältst Du es nicht aus. Also wenn Du hier hinkommst, möchtest wirklich skaten. Und skaten mit `nem Anspruch. Und Tricks versuchen. Und auch ein bisschen schneller fahren als Schrittgeschwindigkeit. Und das ist Skateboardfahren. Skateboardfahren besteht nicht aus auf dem Platz stehen und sich nicht bewegen. Dann ist es wirklich schlimm. Dann fährst Du halt mehr Kinder mit `nem Puky-Rad oder auf Inlines oder auf Kickboards um, als Du glaubst. Also... natürlich tust Du es nicht. Weil Du die siehst sie... Aber... Wenn Du wirklich skaten wollen würdest, würde das in Harakiri ausarten. Schön ist das nicht. Also: Schön, aber auch unschön. Hat eher zwei Seiten, würde ich sagen. #00:23:17-3#

Ich glaube, wir haben es gleich geschafft. Das ist die letzte Frage, glaube ich. Inwiefern kann man die Domplatte mit dem Kap vergleichen. Das haben wir ja jetzt 82


Transkription: Interview – Patrick Bös eigentlich schon ein bisschen angesprochen. Aber viel wichtiger fände ich jetzt gerade eben: Was brachte dem Sport mehr und was der Skateboardingkultur? Oder ist das vielleicht beides dasselbe?#00:23:17-7#

Also ich würde sagen: Die Domplatte im intakten Zustand, sprich dass man diese Curbs fahren konnte und dass man halt diese Banks und alles Drumherum fahren konnte, war es fast so ideal wie hier. Ich würde sagen hier ist es noch idealer. Weil wir hier halt Curbs - oder, ja, Objekte - haben, die Du mit vasalem Können oder fast keinem Können befahren kannst. Die Du aber auch auf hohem Niveau befahren kannst. Am Dom war es schon... Du musstest schon mehr können um da zu skaten als hier. Also da war die flacheste Mauer auf die Du springst schon um einiges höher als hier die flacheste Mauer. Und hier denkst Du ja, was den Sport angeht; Was das Können; Das Verbessern angeht ist das hier tausendmal besser. Definitiv. Also auch vielfältiger. Was den Flair angeht - Naja gut, die Domplatte mit der Kirche davor und allem... Ich finde das ist schwer zu toppen. Wir haben es hier echt schon schön abgekriegt. Im Sommer gerade. Keine Ahnung. Da unten fahren die Boote. Hier fahren Leute mit dem Fahrrad. Die Leute flanieren dahinten. Echt tolle, neue Gebäude. Mit dem Hafencharakter, dem alten. ...hat auch seinen absoluten Flair. Ich denke der Platz braucht noch ein bisschen Zeit. Also man muss... Ja, keine Ahnung. Also ich vermisse den Dom nicht, muss ich sagen. Aber auch, weil die letzten drei Jahre scheisse waren dort. Und langweilig. Das Ambiente - Ganz klar, wenn ich da vorbeigehe, gucke ich mir immer noch gerne die Kirche an und sag: Wow. Geil. Sieht das geil aus hier. Aber ja... Hier ist es besser und hier hast Du halt auch keine Passanten, die Dir im Weg sind. Und die waren am Dom ja nicht da um Dir im Weg zu sein. Aber sie waren im Endeffekt erst mal im Weg. Ungewollt. Und hier gibt es das nicht. Hier sind die Jungs oder die Mädels, die den Sport untereinander ausüben wollen. Und die sind sich selber im Weg. Aber das... ja gut. Das ist normal und das macht ja auch jeder. Also dann geht man halt mal aus dem Weg. Für die Skateboardkultur. Beides gleich gut. Also ich wüsste nicht, was es hier weniger gibt. Oder am Dom mehr gab. Oder anders herum. Hier können sich die Jugendlichen oder alle, Welchen Alters auch immer, treffen. Zusammen Spaß haben. Gruppen bilden. Sich im Leben ein bisschen weiterhelfen. Das werden sie ja auch untereinander machen. Freundschaften fürs Leben werden hier geschlossen. Und das wurde am Dom auch. Ich war neulich auf `nem Geburtstag von einem Kumpel, 83


Transkription: Interview – Patrick Bös der ist jetzt 37 geworden. Der fährt auch immer noch Skateboard. Ist auch aktiv im Verein zugange. Und da waren auch noch... die sind dann 39- 40 und die fahren immer noch ein bisschen Skateboard. Und kennengelernt hat man sich dann mit 12 an der Domplatte wahrscheinlich. Aber das wird hier genauso passieren. Gar keine Frage. Hier eher noch mehr, weil noch mehr Leute hier skaten. Weil hier jeder sein Kind auch... traut es hier herzulassen. Also viele Leute gehen hier mit ihren Kindern hin und beim fünften Mal lassen sie ihre Kinder alleine hier hingehen. Weil sie merken, hier ist nichts gefährlich. Hier sind keine Junkies. Hier sind keine Penner. Hier passiert ja nix. Und an der Domplatte war das schon so ein bisschen riskanter. Also da war es jetzt bestimmt nicht ein heißes Pflaster. Aber schon anders. Also Hauptbahnhofnähe. Alle Leute, die in die Stadt gehen kommen dran vorbei. Mit Sicherheit mehr Armut zu sehen. Mehr Gefahren - theoretisch. Hier - Also ich sehe hier keine Gefahr, wenn Du nicht bei Rot über die Ampel läufst. #00:26:32-4#

Was ich noch fragen wollte. Am Dom - Waren Trends im Skateboarden auch am Dom spürbar? #00:26:46-5#

Ja natürlich. Also Skateboardfahren ist, würde ich sagen, 80% Sport, 20% Lifestyle, Fashion, was weiß ich was... Also Du kannst total der geilste Skater sein und wenn Du Dich scheisse anziehst dann kommste auch nicht soweit, wie wenn Du Dich ordentlich anziehst. Also Skateboardfahren ist mehr als nur Skaten. Das ist schon Fashion. Und wir sind alle irgendwo Fashion-Victims. Und das ist schon krass. Und das was in der Welt des Skatens sich so abgespielt hat, das hat sich genauso am Dom abgespielt. Also da kopiert man. Naja so wirkliche Trendsetter gibt es ja eh nur wenige auf der Welt. Aber das wurde da aufgegriffen und fortgeführt. Und hier wird das genauso gemacht. Also wenn Du hier das neue Hemd hast, was der und der in dem und dem Video hatte, dann biste wahrscheinlich als 14jähriger auch cooler, als der der es nicht hat. Ganz klar. Tricks genauso. Also es gibt auch Tricks die gerade In sind, und die man macht. Und Tricks die man eher nicht macht. Den Trick, den Du heute nicht machst den machste Du in drei Jahren, da ist der wieder so up-to-date, dass Du der heißeste Typ der Welt wärst. So funktioniert das hier. So am Dom. So funktioniert das überall. Überall wo eine Skateszene vorherrscht, die nicht nur auf sich guckt, sondern halt über den Tellerrand hinaus, da ist das so. Da wir uns alle an einer internationalen Skateszene orientieren. Also Skateboardfahren ist ja nix, was 84


Transkription: Interview – Patrick Bös nur in Köln irgendwie ist. Oder nur für sich Berlin. Oder nur für sich Hamburg. Sondern der Kölner weiß, was in Hamburg los ist. Der Hamburger, was in Berlin los ist. Und der Berliner, was in Köln los ist. Und genauso international. Wir greifen auch alles auf. #00:28:29-3#

Jetzt habe ich wirklich die Letzte. Das ist: Was für eine Rolle spielte die Domplatte für die Kölner, beziehungsweise für die deutsche Skateboardkultur. #00:28:38-2#

Also ich würde sagen die Domplatte war über eine ganze Zeit lang schon der berühmteste Spot in Deutschland. Daran kommt nur in Berlin die "Baustelle". Die Baustelle

ist

diese

Museumsecke

in

Berlin.

Kulturforum,

Nationalgalerie,

Philharmonie und so weiter. Die sind alle am Potsdamer Platz lokalisiert. Das ist auch als ein Spot ebenbürtig der Domplatte gewesen. Also diese zwei Spots dominierten - und würden auch bis heute, würde es die Domplatte noch geben. Würden Skateboard-Deutschland definitiv als Spots dominieren. Und es hat sich auf jeden Fall an der Domplatte eine Szene entwickelt, die sehr, sehr gut war. Also Leute, die andauernd in Videos, in Magazinen waren. Also für Deutschland schon mit zur Elite der Skater gehören. Also das ist auch hier immer noch so. Hier skaten auch Leute, die super gut sind. Also die in vielen Magazinen Fotos haben, die gesponsert sind und so weiter. Aber ich sage mal, wäre die Domplatte jetzt irgendwo am Arsch der Welt gewesen, wäre das bestimmt auch nicht so krass gewesen. Du brauchst natürlich auch die Menschen, die Skaten und eine Masse an Menschen, die Skaten um dabei richtig gute Leute zu haben. Je mehr Skater, desto mehr gute Skater sind es natürlich. Verstärkt durch so einen tollen Spot entwickelt sich dann natürlich eine mega krasse Szene. Jeder kannte auf der Welt die Domplatte. Also wenn Du Amis gesagt hast: Domplatte – Okay, kannten sie nicht. Dann sagst Du: Hier, große Kathedrale, Marmorboden oder Natursteinboden mit Natursteincurbs, das und das. Dann: Aaah! Ja! Klar! Super Platz! Kannte jeder natürlich. Also war schon international bekannt. Grad wegen dem Dom. #00:30:25-5#

[...] Bei Skateboarden geht ja auch vieles über das Visuelle. Grad, dass die ganzen Trends, die wir vorhin angesprochen haben, dass die über Videos und über Magazine halt einfach nur weiterkommen und auch ... Auch Sticker zum Beispiel. Also hier vielleicht noch nicht so, aber... #00:30:49-2# 85


Transkription: Interview – Patrick Bös

Ja, hier hoffentlich nie. Also dieser Spot der gehört ja zum Rheinauhafen. Das Kap. Und der Rheinauhafen ist an sich ein sehr cleaner, ordentlicher Bereich. Und wir Skater - Oder zumindest die, die da in der Planung aktiv waren - Und auch ein großer Teil der Skater möchte, dass das hier reinpasst. Also wir haben das ja schon von der Gestaltung sehr dem Rheinauhafen angepasst. Das Kopfsteinpflaster haben wir aufgegriffen. Das rostige Metall. Wie in so einem rostigen, alten Metallhafen. [...] Also wir haben hier jetzt nicht einfach irgendetwas genommen und dann hier hingepflanzt. Also es sollte in das ganze Konstrukt reinpassen. Und so möchten wir auch, dass das so bleibt. Also klar gibt es Gebrauchsspuren, diese dunklen Stellen. Die sind unvermeidbar. Aber Graffitis finden wir hier drauf echt nicht gut. Und diese ganze Stickerei auch nicht. [...] Also Streetspots werden generell auch nicht bestickert. Also wenn Du irgendwo ein Foto siehst, an einem Streetspot und da hat einer einen Aufkleber draufgemacht - ekelhaft! Also das soll schon so sein, wie es ist. Wenn das natürlich in `nem Abrissgelände ist mit ganz viel Graffiti, dann ist das auch richtig, dass da Graffiti ist. Aber es muss halt immer... Wir übernehmen das sozusagen. Wir wollen das gar nicht anpassen. Sondern das ist halt so, wie es ist. Das wird genutzt durch Skater. Und dann wird es aber auch so wieder gelassen. Meiner Meinung nach. Also bestickert - bitte im Leben nicht. Genauso, wie wir hier keinen Müll haben wollen. Wenn hier die Kinder ihren Müll liegen lassen, dann sage ich denen: Hallo, wie zu Hause und überall anders, wirft man den Müll bitte in den Mülleimer. Hier gibt es jetzt mittlerweile ... [zählt]… fünf Mülleimer. Die fünf Schritte, die Du immer gehen kannst um hier zum Skaten Anlauf zu nehmen, die kannst Du auch gehen um den Müll wegzuwerfen. Und das ist halt so. Das dauert. Aber das funktioniert. Und das ist mit Stickern und allem auch. Also wir wollen, dass das hier sauber bleibt und ordentlich. Und dass man uns auch nicht... Also die Skater nicht als irgendwas, was hier nicht hingehört oder hinpasst sieht. Sondern als normale Menschen, die einfach Spaß haben auf vier Rollen, mit einem Skateboard, durch die Gegend zu fahren. #00:33:01-1#

Würdest Du dann zum Beispiel sagen... Also, weil Du jetzt gerade gemeint hast, dass man Streetspots nicht bestickern soll. Und ja, jetzt wenn man etwas grindet. Okay, klar, dass dann ein bisschen Abnutzungsspuren zu sehen sind ist schon dabei. Aber würdest Du dann sagen, dass dieser Ausdruck "Skate and Destroy" irgendwie 86


Transkription: Interview – Patrick Bös überholt ist heutzutage? #00:33:15-8#

Ne. Es gibt bestimmt noch irgendwelche Leute, die das so sehen. Aber es ist auf jeden Fall nicht der Großteil. Also ich würde sagen "Skate and Have Fun" ist meiner Meinung nach... Skaten, Spaß haben. Also ich glaube die Wenigsten machen etwas um den Anderen oder dem Establishment; Den Besitzern von irgendwelchen Häusern da etwas Schlimmes zu tun. Also ich skate nur einen Streetspot, weil der einfach so gut ist und ich den gerne Skaten möchte. Und möglichst mit wenig Schaden zu hinterlassen. Wenn es geht gar keinen. Also ich fahre lieber ein Curb mit einer Metallkanter darauf, wo ich nachher weiß: Das sieht nach drei Tagen, wenn es drauf geregnet hat und noch einmal leichter Rost angesetzt hat, sieht das genauso aus wie vorher. Dann habe ich ein besseres Gewissen als wenn ich da jemandem was kaputt mache. Also ich möchte echt nichts kaputt machen. Und wenn Leute sich beschweren... Also ich würde sagen der Großteil der Skater bittet um fünf Minuten länger. Und sagt, ich möchte den Trick noch schnell schaffen und geht danach. Also Mittelfinger zeigen und provokant werden ist der falsche Weg. Definitiv. Kompromisse, miteinander sprechen. Mit Anwohnern oder mit Hausbesitzern, oder was auch immer, bringt - und das hat die Erfahrung echt gezeigt - tausend mal mehr. Bringt halt auch mehr Akzeptanz und eine positivere Grundeinstellung Skatern gegenüber. Und ich glaube davon lebt das extrem. #00:34:50-0#

Ähm. Ja. Cool. Ich glaube so im Großen und Ganzen war es das. #00:34:53-0#

87


Email-Antwort der Stadt Köln auf Fragen

e. Email-Antwort der Stadt Köln auf Fragen 1.) Das „Amt für Kinder, Jugend und Familie“ war mir bisher noch aus keiner anderen Stadt bekannt. Könnten Sie mir die Struktur und Aufgaben des Amtes kurz erläutern? Seit wann existiert es? Das Amt für Kinder, Jugend und Familie ist das Jugendamt, das es eigentlich in jeder Kommune gibt. Was es allerdings nicht in jeder Kommune gibt – und das meinten Sie glaube ich auch – ist das Amt für Kinderinteressen in Köln. Eine solche Institution ist meines Wissens in Deutschland sehr selten, wenn nicht einzigartig. Leider existiert diese Verwaltungseinheit mittlerweile nicht mehr als Amt, sondern ist jetzt nur noch eine Abteilung. Die Aufgaben haben sich allerdings weitestgehend nicht verändert. Das Amt für Kinderinteressen wurde 1990 gegründet als Auskoppelung aus dem Jugendamt mit dem Hintergrund, alle Aufgaben mit Relevanz für Kinder zu bündeln. Aufgaben

sind

u.a.

- die Planung von Spielflächen im weitesten Sinn, also Spielplätze, Bolzplätze, Freizeitflächen, -

Beteiligung

Skateranlagen, der

späteren

BMX-Anlagen

Nutzer

vor

dem

etc. bzw.

im im

Stadtgebiet

Planungsprozess

(Beteiligungsverfahren) - diverse pädagogische Programme (zb mobile Spielangebote, Rathausschule)

-

Wie fügt sich der Planungsprozess des Kap686 in die Aufgaben des Amtes ein

s.o. Im Rahmen der genannten Aufgabenfelder ist Kap686 ein Projekt zur Herstellung einer Freizeitsportfläche. Auch hier wurden die Skater unmittelbar und intensiv beteiligt. Hier muss allerdings ergänzt werden, dass die Skater auch massgeblich an der Initiative für Kap686 bzw für die Errichtung einer Fläche für Streetskating und an der Standortsuche beteiligt waren

88


Email-Antwort der Stadt Köln auf Fragen -

Hat das Amt zuvor auch schon die Planung von Skateparks betreut?

Jein. Bisher keine Anlage dieser Größe, aber durchaus auch einzelne Ramps etc., so z.B. auch die überregional bekannte ‚Lohserampe‘ in Nippes

2.) Wie hat die Zusammenarbeit mit den Skatern funktioniert? – Organisatorisch / Wie gut? Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert, nicht zuletzt deshalb, weil es ja im eigenen Interesse der Skater war, die Anlage zu realisieren. Darüber hinaus hatten sich die Skater einen Verein gegründet (Dom Skateboarding e.V.  vgl. website) mit dem Ziel der Realisierung der Skateranlage. Schon daran sieht man, dass die Kölner Streetskater sehr findig und tatkräftig sind. Die Skater haben auch in Eigenregie die Formen

der

Curbs

entwickelt

und/oder

haben

bei

international

beliebten

Skateobjekten Maß genommen.

3.) Wissen Sie, welche Rolle die „Roncalli-Gesellschaft“ in dem Konflikt um die Domplatte spielte? (Ich konnte da leider nichts herausfinden)

Ganz genau weiss ich das leider auch nicht. Bin auch erst seit Mai vergangenen Jahres bei der Stadtverwaltung. Grundsätzlich war ja das Problem, dass sich die Kölner Streetskater auf dem Roncalliplatz südlich des Doms regelmäßig getroffen hatten und die Anlieger (Bistum, Dompropst, Domhotel, Museum, Buchhandlung) sich durch diese Form der Nutzung gestört fühlten, u.a. wegen akustischer Störungen

während

Gottesdiensten.

Durch

diese

Anlieger

wurde

die

Stadtverwaltung immer wieder gebeten, das Skaten auf dem Roncalliplatz zu unterbinden.

-

Welche Akteure gab es Ihrer Ansicht nach generell in dem Konflikt?

s.o

89


Email-Antwort der Stadt Köln auf Fragen 4.) Welche baulichen Auflagen bestanden für den Skateplaza? Welche Nutzung ist für den Platz im Flächennutzungsplan vorgesehen? Die Fläche ist ursprünglich als öffentliche Grünfläche ausgewiesen. Ursprünglich gehörte die Fläche auch der HGK (Häfen und Güter Köln) und wurde zum Bau der Skateplaza der Stadt Köln zur Verfügung gestellt bzw. wird mittelfristig übertragen. Bauliche Auflagen bestanden in dem Sinn nicht. Es wurde ein Lärmgutachten erstellt, es musste eine Baugenehmigung beantragt werden, es war eine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich (wg. Der Lage im hochwassergefährdeten Bereich) sowie eine deichaufsichtliche Genehmigung.

5.) Würden Sie das gesamte „Projekt“ als erfolgreich abgeschlossen sehen? Warum? Definitiv erfolgreich abgeschlossen. Der Kostenrahmen wurde eingehalten, die Bauzeiten verliefen nach Plan, die Eröffnung fand zum vorgesehenen Zeitpunkt statt. Auf der Domplatte /Roncalliplatz sind die Skater weg (bis auf wenige einzelne), weil die Bedingungen auf der Skateplaza viel viel besser sind. Die Plaza ist immer (auch bei 5°C) in Benutzung, im Sommer teilweise sogar zu voll. Es ist ein neuer SkaterTreffpunkt entstanden und eine neue Attraktion für Skater der internationalen Szene. Auch ein wichtiger Punkt in Hinblick auf ‚erfolgreich‘: Alle Beteiligten können sich weiterhin in die Augen sehen – manchmal ist es bei solchen Projekten ja dann so, dass nach der Umsetzung schlechte Stimmung herrscht, weil sich der eine oder andere Beteiligte in dem Projekt nicht wiederfindet. Das ist hier definitiv nicht so. Die Qualität der eingesetzten Materialien ist so gut, dass die Anlage auch nach einem intensiv bis exzessiv durchskateten Sommer in einem hervorragenden Zustand ist.

6.) Welche Handlungsempfehlungen würden Sie an Städte mit ähnlichen Problemen, wie sie die Stadt Köln auf der Domplatte mit den Skatern hatte, geben? Machts wie in Köln. Redet miteinander und sucht gemeinsam eine Lösung. Beteiligt die späteren Nutzer und fragt sie was sie brauchen. 90


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