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editorial Fliessende Übergänge Die Begriffe «Grundlagenforschung» und «anwendungsorientierte Forschung» werden im forschungsWalter Leimgruber politischen Alltag seit Präsident der Abteilung Geistes- und Langem routinemässig Sozialwissenschaften und häufig in antagodes SNF nistischer Perspektive verwendet: Erstere strebt nach neuen Erkenntnissen, Letztere nach vermarktbaren Produkten. Eine solche Gegenüberstellung macht heute in der Forschung keinen Sinn mehr, die Übergänge sind fliessend. Viele Projekte haben als Ziel eine Anwendung in einem breiten Sinn, ohne dass damit eine kommerzielle Verwertung gemeint wäre, wie z. B. sozial- und kulturwissenschaftliche Forschungsvorhaben zu Integration und Gleichstellung oder technische und naturwissenschaftliche Forschungsarbeiten etwa in der Robotik. Häufig sind zudem Praxispartner in die Forschungen eingebunden. Um diesen Entwicklungen Rechnung tragen und in der Forschungsförderung adäquate Beurteilungskriterien schaffen zu können, führt der SNF die Kategorie «anwendungsorientierte Grundlagenforschung» ein. Das mag als Begriff etwas sperrig wirken, steht aber für eine Welt der vielfältigen Übergänge, Vermischungen und Hybridisierungen. Die Forschung widerspiegelt in diesem Sinne auch die gesellschaftliche Entwicklung.
NR. 13 > juni 2011
I n f o r m a t i o n e n d e s S c h w e i z e r i s c h e n N a t i o n a l f o n d s f ü r Fo r s c h e r i n n e n u n d Fo r s c h e r
Welche Schubladen für die Forschung? Der SNF operiert aus förderungspolitischen Gründen mit verschiedenen Kategorien wissenschaftlicher Forschung. In seinem Mehrjahresprogramm 2012–2016 legt er die künftige Kategorisierung im Rahmen der Gesuchsevaluation dar. Angelika Kalt , Stv. Direktorin des SNF
Der SNF fördert in erster Linie Grundlagenforschung, sein Auftrag ist jedoch nicht auf diese beschränkt. Zwar unterstützt der SNF keine anwendungsorientierte Forschung, die auf die unmittelbare Verwertung von Resultaten für kommerzielle Zwecke zielt, er fördert aber jene, die trotz Fragestellungen aus der Praxis den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn in den Vordergrund stellt. Diese Art von Forschung bezeichnet der SNF in Zukunft nach der Klassifikation von Stokes (1997) als «anwendungsorientierte Grundlagenforschung», auch wenn die Grenzen zu den beiden erstgenannten Kategorien nicht scharf zu ziehen sind.
Erkenntnis und Anwendung Zum einen trägt der SNF mit der Kategorie «anwendungsorientierte Grundlagenforschung» der Tatsache Rechnung, dass wissenschaftliche Forschung mit den Komponenten Erkenntnisgewinn und Anwendung national und international immer mehr an Bedeutung gewinnt. Zum anderen möchte er mit dieser «Etikettierung» eine adäquate Evaluation von Gesuchen aus der anwendungsorientierten Forschung gewährleisten, insbesondere auch im Hinblick auf die bevorstehende Integration des bisherigen, auf Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen ausgerichteten Programms DORE (DO REsearch) in die Projektförderung. Bei Gesuchen mit Anwendungsorientierung wird die ausserwissenschaftliche Bedeutsamkeit
© SensorScope/EPFL
Wissenschaftliche Forschung, die sowohl den Erkenntnis gewinn als auch eine Anwendung anstrebt, gewinnt nati onal und international immer mehr an Bedeutung.
(broader impact) in die Beurteilungskriterien integriert, und externe Gutachterinnen und Gutachter aus der Praxis werden hinzugezogen. Um Verwirrung im Zusammenhang mit der Kategorisierung zu vermeiden, wird der SNF künftig auf die beiden während langer Zeit vewendeten Begriffe «freie Forschung» und «orientierte Forschung» verzichten. Diese kennzeichneten lediglich die interne Organisation des SNF bezüglich seiner Förderungsinstrumente, wurden aber oft fälschlicherweise als Forschungskategorien verstanden.
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