DONNERSTAG, 24. DEZEMBER 2015
DAS JAHR 2015 BEI DER SPÄTLESE
Davongekommen
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Die Oma durchs Wasser gezogen
Im Paddelboot knapp eine Havarie mit der Polle-Fähre vermieden
Schwimmtraining mit Enkelinnen bringt „Gold“
VON DIETMAR KAMPE
Landkreis. 2015 war für mich
ein erfolgreiches Jahr. Die guten Momente haben die schlechten um ein Vielfaches übertroffen. Doch an einem Tag hat nicht viel gefehlt – alles wäre dann vielleicht ganz anders gekommen. Es war ein Tag im Mai. Ich wollte mit drei Freunden eine Kanutour auf der Weser machen. „Achtet besonders auf die Fähre bei Polle“, hatte der Bootsverleiher noch gesagt. „Das ist eine Seilfähre. Wenn die erst abgelegt hat, kann sie weder bremsen noch ausweichen.“ Wir hörten nur mit einem halben Ohr zu, schließlich hatten wir schon oft in einem Paddelboot gesessen. Es versprach dann auch, ein schöner Tag zu werden. Aus den vergangenen Regentagen war die Weser gestärkt hervorgegangen und schob uns kräftig voran. Wir genossen die flotte Fahrt in einem der schönsten Flusstäler Deutschlands. Bald erblickten wir hoch droben die Burgruine von Polle.
VON VERA WEDIG
Landkreis. Seit den Geburten
Dietmar Kampe (rechts) mit einem Freund im Paddelboot.
Noch eine Flussbiegung und dann sahen wir die Fähre friedlich am rechten Ufer liegen. Wir waren vielleicht noch 30 Meter entfernt, als wir zu unserem Entsetzen bemerkten, dass sie sich vom Steg löste. Mit erschreckender Geschwindigkeit näherten wir uns unaufhaltsam dem Schiff. Drohend wie ein gezogenes Schwert
kam die Rampe der Fähre auf uns zu. Die Angst verlieh uns Bärenkräfte, und so huschten wir gerade noch am Bug der Fähre vorbei ins sichere Wasser. Noch völlig benommen von der überstandenen Gefahr kletterten wir mit wackligen Beinen an der nächsten Anlegestelle aus den Booten. Wir brauchten
pr.
jetzt unbedingt ein stärkendes Getränk. Der Kellner, der unsere Bestellung entgegennahm und das Ganze wohl beobachtet hatte, fragte uns, ob wir denn nicht wüssten, wie gefährlich solch eine Fähre sei. Als wir ihm die Antwort schuldig blieben, drehte er sich nur kopfschüttelnd um. Was hätten wir auch sagen sollen?
„Dem besonderen Schutz empfohlen“ Zeitungsbericht von 1984: Forstverwaltung soll sich um Brauns-Denkmal kümmern VON URSULA STUMM
Landkreis. Im November be-
richtete die „Spätlese“ über ein fast vergessenes Denkmal im Deister oberhalb von Barsinghausen. Inzwischen ist die Geschichte weitergegangen, und die Ereignisse sind für die Brauns-Nachfahren richtig spannend geworden. In den Unterlagen eines Familienmitglieds fand sich ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1984, der seinerseits wiederum weit in die Vergangenheit zurückreicht. Berichtet wird von der Planung
eines Festes, das im Sommer 1892 stattfinden sollte: anlässlich der Enthüllung und Übergabe eines Denkmals „zum Ehrengedächtnis für den im September vorigen Jahres verstorbenen Maurermeister Ernst Brauns aus Hannover“. Derselbe Artikel endete mit einer ausführlichen Schilderung des Festes, das einige Tage vorher tatsächlich stattgefunden hatte: „Die erhebende Feier“ wurde eingeleitet und beendet vom Männergesangverein Concordia. Verschiedene Redner schilderten „das liebensswürdige, stets für
seine Mitmenschen sorgende Wesen des Entschlafenen“ und stellten „ihn als Muster und Vorbild für die Überlebenden hin“. Das danach enthüllte Denkmal wurde „dem besonderen Schutz der Forstverwaltung empfohlen“. Das Ereignis, von dem vor mehr als 30 Jahren berichtet wurde, lag damals seinerseits auch bereits mehr als 90 Jahre zurück, und der Zahn der Zeit hat seitdem ganze Arbeit geleistet. Heute ist der Text auf dem „Obelisk-Stein“ kaum noch zu lesen. Und das auf dem alten Foto noch zu sehende „Brauns-Me-
daillon“ ist verschwunden, ebenso wie der das Ehrenmal umgebende Metallzaun. Ob die Forstverwaltung in den unruhigen Zeiten, die der Enthüllung des Denkmals im folgenden Jahrhundert folgten, mit dem „besonderen Schutze“ doch wohl überfordert war? Eine Familieninitiative stellt nun sich – aber auch der Stadt Barsinghausen – die Frage: Was kann man tun, um dem alten Denkmal und damit auch dem Hannoveraner, dem es gewidmet war, wieder etwas mehr Würdigung zu schenken?
Blick in die Mülltonne Wie Nachbarn im In- und Ausland ihren Abfall entsorgen VON DORIS GOERGES
Landkreis. Müll war das Spät-
lese-Thema im September. Die Müllentsorgung ist ein globales Problem, wie der Blick über den Gartenzaun zeigt. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) hält es wie der „Alte Fritz“: Sie lässt jeden nach seiner Fasson selig werden. Hauseigentümer entscheiden selbst, wieviel Trennung sie wünschen. Abgefahren wird einmal wöchentlich. Oldenburg verfährt wie Schaumburg. Altkleider und Sondermüll werden einmal jährlich abgeholt. Bonn entsorgt ebenfalls so. Bioabfälle werden immer in Papier eingewickelt. Diese kann
man professionell reinigen lassen, was die Hausgemeinschaften gern bezahlen. In Argentinien wird der Müll täglich abgefahren. Zusätzlich sammeln „Cartoneros“ vor den Häusern abgestellte Kartons ein. Auch Thailand produziert erhebliche Müllmengen. Die Thais sind besonders von Plastiktüten und Verpackungen aller Art fasziniert. Das Recycling klappt perfekt. Müll wird täglich abgeholt, auch sonntags. In den Mülltonnen bleibt nichts Verwertbares, da sie vorher mehrmals von Müllsammlern durchsucht werden, die alles Brauchbare in kurzer Zeit einsammeln und abends verkaufen. Das bringt Tagesein-
Prachuap ist ein thailändischer Müllsammler. goe
nahmen von ungefähr 3,50 Euro bei einer Arbeitszeit von 14 Stunden. In abgelegenen Gegenden wird der Müll auf dem Feld verbrannt.
In Kairo haben sich zwei Systeme etabliert. In gutbürgerlichen Vierteln wird der Müll täglich von den sogenannten Zabbalin abgeholt, die ihn mit nach Hause nehmen, sortieren und die verwertbaren Reste verkaufen. Über den Vierteln, in denen sie leben, hängt ein unerträglicher Gestank. In den armen Stadtteilen wachsen Müllberge in den Himmel. Manche Straßen liegen durch den festgetretenen Müll 1,50 Meter höher. Erdgeschosse wurden zu Kellerwohnungen. Wird man in ein solches Viertel eingeladen, steigt man zwar über vermüllte Wege und Treppen, kommt aber in eine pieksaubere Wohnung.
meiner zwei Enkelinnen hat jede in der Woche einen OmaTag. Als sie ihren ersten Geburtstag hinter sich hatten, begann ich, mit beiden Mädchen Babyschwimmkurse zu besuchen. Emilia bekam ihr Seepferdchen mit sechs Jahren in der Badewonne, Mimi zwei Jahre später im Tropicana. Beide sind echte Wasserratten. In den folgenden Ferien bei der Oma schafften beide das Bronze-Abzeichen. Ausdauertraining brachte inzwischen beiden „Silber“ ein. Im Hinterkopf von uns Dreien schwirrte immer das GoldAbzeichen. Das Mindestalter dafür beträgt neun Jahre. Mimi wurde das im April, und ab da gingen wir beide dieses Thema ganz locker an. Jeden Freitag traf man uns im Nord-Ost-Bad in Hannover an. Es war ein Wochenende im August, an dem ihre Eltern verreist waren. Meine Enkelin wollte sie unbedingt überraschen. Der Bademeister war sofort bereit, dem Kind zur Seite zu stehen um ihr die zehn Gold-Disziplinen abzunehmen. „Womit möchtest du anfangen“, fragte er sie. Mit 15 Meter Streckentauchen. Es folgten Tieftauchen von der Wasseroberfläche (drei Tauchringe hochholen), 50 Meter Brustschwimmen in höchstens 70 Sekunden, 25 Meter Kraul-
schwimmen und 50 Meter Rückenschwimmen mit Grätschschwung ohne Armtätigkeit. Das war für den ersten Versuch genug. Am folgenden Freitag ging es weiter. 50 Meter Transportschwimmen (schieben oder ziehen): Die Person, die sie beförderte, war die Oma. Nun mussten noch 600 Meter in höchstens 24 Minuten zurückgelegt werden. Dafür hat sie sechs Anläufe benötigt. Es kamen die Ferien, und wir mussten das Schwimmbad wechseln. Im Stadionbad Hannover hat der Bademeister auf die Sekunde genau 600 Meter in 24 Minuten gestoppt. Dann noch der Sprung vom Drei-Meter-Brett und die Baderegeln aufsagen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Stolz präsentierte Mimi kurz darauf ihren Eltern das Gold-Abzeichen.
Mimi beim Training im Nord-OstBad Hannover – zusammen mit dem Bademeister. vw
Hilfreiche Müsli-Riegel Brautmutter-Rückblick: Tränen vergießen andere VON RENATE JESCHKE
Landkreis. Eine Hochzeit ist et-
was Bedeutsames und Wunderbares, besonders in der Rolle der Brautmutter. Die freudige Ankündigung ließ in mir sofort romantische Bilder entstehen: Ich sah mich mit lila Hütchen und Tränen der Rührung in der Kirche das Geschehen genießen. Dass aus der gedachten Sommerhochzeit eine Oktober-Trauung wurde, lag an der späten Planung: Alle Restaurants waren ausgebucht. Aber so blieb mehr Zeit für die Vorbereitungen. Im September bat mich meine Tochter, mit ihr das Brautkleid auszusuchen, was ich natürlich gern annahm. In einem Brautausstatter-Atelier inmitten rauschender Tüllberge erkundigte sich die Verkäuferin nach dem Hochzeitsdatum. Auf die Auskunft „Im Oktober“ fragte sie sachlich: „In welchem Jahr?“ Wir lernten beschämt, dass der übliche Vorlauf mindestens acht Monate beträgt und wir offensichtlich nicht normal waren mit unseren Vorstellungen. Trotzdem
fanden wir schließlich noch ein schönes Kleid. Auch nicht „normal“ – wenngleich heute nicht selten – ist die Familiengründung vor der Hochzeit. Meine muntere Enkelin von 20 Monaten wurde mir während der Zeremonien überantwortet. Die wichtige Botschaft „Mama und Papa heiraten“ beeindruckte sie wenig. Als das Brautpaar feierlich in die Kirche einzog und mein großer Gerührtsein-Augenblick gekommen war, rief sie energisch: „Hunger“. Offenbar hatten die Eltern in der Aufregung die Fütterung der Kleinen vergessen. Mein umsichtig eingepackter Müsli-Riegel war hilfreich. Inzwischen stand das Paar vor dem Altar – und weitere Riegel wurden nötig. Das entschiedene „Mehr“ übertönte beinahe das sichere „Ja“ der Brautleute. Tränchen vergossen andere Gäste. Ich hatte Mühe, mein Lachen zu verbergen. Es wurde eine fröhliche Hochzeit. Zum entspannten Genießen kam ich zwar nicht, aber am Ende war ich fast so glücklich wie die Braut.
Eine perfekt organisierte Reise Prächtige Gebäude und antike Bauwerke: Unvergessliche Eindrücke einer Studienfahrt nach Zypern und in die Türkei VON URSULA AMELUNG
Landkreis. Im März buchten
wir eine Zypern- und TürkeiReise. In Ercan, im türkischen Teil von Zypern, empfing uns der sehr gut deutsch sprechende Reiseleiter. Am nächsten Tag begaben wir uns nach Kyrenia, eine der attraktivsten Städte an der Nordküste. Besichtigt wurde
hier eine der bekanntesten Kreuzritterburgen. Danach ging es weiter nach Bellapais, wo wir die Abtei des Klosters anschauten. Auf den Spuren des Apostels Barnabas kamen wir nach Famagusta. Zuerst besuchten wir die Ausgrabungsstätte Salamis. Das Theater, das Gymnasium und weitere Bauwerke aus der
römischen Zeit sind noch gut erhalten. Die Reisegruppe besuchte ein Ikonenmuseum, das archäologische Museum und die Kapelle, die über dem Grab des Apostels Barnabas erbaut wurde. Am vierten Tag fuhr uns der Reisebus nach Nikosia. Dort erwartete uns ein weiterer Höhepunkt. Zyperns größte Stadt ist nach dem Fall der Berliner Mau-
er die letzte geteilte Hauptstadt Europas. Der historische Stadtkern bietet mit dem Girne-Tor, der osmanischen Karawanserei und der Selimiye-Moschee ein einzigartiges orientalisches Ambiente. Wir verließen die Insel und begaben uns am fünften Tag nach Aphrodisias. Der Aphrodite-Tempel und das große Thea-
ter in der antiken Siedlung waren absolute Highlights. Das in der Nähe gelegene Marmoraufkommen lieferte das Material für eine der berühmtesten Bildhauerschulen ihrer Zeit. Der nächste Tag führte uns in die Türkei ins Taurusgebirge und Pamukkale (Unesco-Weltkultur- und Naturerbe). In einer Teppichknüpferei begeis-
terte die Gruppe die Vielfalt, Machart und Farbenpracht der Teppiche. Der letzte Tag führte uns nach Antalya. Nach einer Stadtrundfahrt hatten wir die Gelegenheit, eine Schmuck- und Ledermanufaktur zu besichtigen. Die Reise war perfekt organisiert und hat unvergessliche Eindrücke hinterlassen.