Zeilenweise - An der Grenze

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Sozialpolitik versuchen die beiden großen Parteien der Linken das Wasser abzugraben. So liest man im Grundsatzprogramm der SPD des Jahres 2007 von "Arbeit, die gerecht entlohnt wird", "Existenz sichernde(n) Mindestlöhne(n)" und "gleichen Lebenschancen für alle". Im aktuellen Regierungsprogramm der CDU/CSU ist von einer "verlässliche(n) Rente" die Rede und von einem "Kinderbonus von monatlich 50 Euro". Die Politologin Dr. Viola Neu kritisiert den Überbietungswettbewerb und warnt vor sozialen Wohltaten seitens der Linken, "den die Parteien, die in politischer Verantwortung stehen, überhaupt nicht eingehen können, ohne sich selbst in ihrer Existenz zu gefährden". Die Linke fordert und besonders die beiden Volksparteien müssen nachziehen, um nicht noch mehr Protestwähler an diese zu verlieren. Dabei sind soziale Aspekte für die Bevölkerung wichtiger denn je. Nicht nur die Zahl der Empfänger von Sozialleistungen ist höher als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Auch der Lebensstandard der Durchschnittsbevölkerung eilt dem der Ärmeren davon. Laut des im Mai veröffentlichten Armutsberichts der Bundesregierung sind 26 Prozent der Bürger arm oder werden durch Sozialleistungen vor der Armut bewahrt. Viele Forderungen der Linken sind daher mittlerweile von der Regierung umgesetzt worden: längeres Arbeitslosengeld, höheres Wohngeld, Begrenzung der Privatisierung, Reichensteuer. Die Forderung der Linken nach Mindestlöhnen lässt die anderen Parteien ebenfalls nicht kalt. Die SPD schloss sich bereits im Sommer letzten Jahres an. Nach ursprünglich vollständiger Ablehnung, stimmte nun auch die Union zumindest einem branchenbeschränkten Mindestlohn zu. Fünfparteiensystem verlangt nach neuen Ideen Die Linkspartei mag für eine sozialere Politik verantwortlich sein, sie löst andererseits ein Aufbrechen der Parteigrenzen aus. Nach Jahrzehnten des Vierparteiensystems hat mit der Linken nun eine weitere Partei die Bühne betreten. Sie erhält die Zustimmung vieler Wähler und zwingt die anderen Fraktionen in ein schwieriges Koalitionspoker. Nötige Mehrhei-

ten für Schwarz-Gelb oder Rot-Grün fehlen. Das führt laut Neu dazu, dass Entscheidungen "entsprechend der Machtverhältnisse gefällt" werden und Dreier-Konstellationen zukünftig nicht ausgeschlossen seien. An die Linke als ein vorübergehendes Phänomen glauben die meisten Deutschen nicht. 55 Prozent von ihnen denken laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts Anfang des Jahres nicht nur, dass die Linke stark sei, sondern erwarten, dass sie noch stärker werde. Dessen ist sich auch die SPD bewusst. Davon zeugen die intensiven parteiinternen Debatten um eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Linken. Die einen - wie der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit - plädieren dafür, es dürfe "kein Tabu" geben. Andere - wie Parteichef Franz Müntefering - setzen sich währenddessen für eine klare Koalitionsabsage an die Linke ein. "Kein Tabu" In dieser Frage, wie auch in der programmatischen Ausrichtung, brauche die SPD eine klare Linie, denn der "Zick-Zack-Kurs macht sich", laut Wahlforscher Probst, "auf keinen Fall bezahlt". Generell sieht dieser die Notwendigkeit für ein Überdenken der eigenen Positionen seitens der Parteien. Diese "müssen wieder schärfer eigenes Profil entwickeln". Entscheidend ist, wie sich CDU und SPD wieder auf ihre konservativen, beziehungsweise sozialen Wurzeln besinnen. Neue Situationen erfordern neue Strategien. Und diese im neuen Fünfparteiensystem zu finden, wird die wichtigste und größte Aufgabe vor den Bundestagswahlen 2009 sein. Besonders für die SPD mit ihrer neuen Führung Steinmeier/ Müntefering. Denn diese Wahlen könnten überraschende Ergebnisse bringen. Ole von Beust und Christa Goetsch haben den Farbtopf angerührt. Gemeinsam mit Andrea Ypsilanti haben sie den ersten Schritt in Richtung einer bunten Koalitionslandschaft gemacht. Bei den Wahlen im kommenden Herbst könnte es deshalb sogar ungewöhnlich farbenfroh werden: Rot-Gelb-Grün, Schwarz-Gelb-Grün oder sogar RotRot-Grün. Johannes Musial und Dominik Schmidt

Eine wie Keine

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Eine Glosse von Johannes Musial

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Farbkasten rausgeholt und Rot mit Gelb, Grün und Schwarz gemischt. Ocker ergibt das und ist der Ausweg aus dem Parteien- und Farbenwirrwarr. Das Fünfparteiensystem hat ausgedient. Laut, teuer, unübersichtlich und überflüssig ist es. Zurück zur Einheitspartei ist die Devise. Eine Gute ist besser als fünf Zerstrittene! Die Vorteile lassen sich schnell finden. Eine Einheitspartei ist vor allem billiger. Weniger Personal, geringerer Verwaltungsaufwand. Mit den jährlich eingesparten 32 Millionen (Baukosten für Verhandlungssäle mit großem Fassungsvermögen exklusive) könnte man dann mal eben die A7 modernisieren, den Berliner Schuldenberg pro Jahr um 0,0005 Prozent abtragen oder jedem zweieinhalbmillionsten Bundesbürger einen Scheck über eine Million Euro überreichen. Auch auf lange Wahlkämpfe mit falschen Versprechen und lästigen Infoständen muss sich der Bürger dann nicht mehr einlassen. Ebenso wenig auf ständig wechselnde Regierungen. Nicht zu vergessen: mehr Freizeit. Viel Zeit fordert das Lesen und Anschauen der Parteimeldungen. Die Einheitspartei macht es da leicht. Das heißt: weniger informieren über verschiedene Parteimeinungen und dafür schon früher in die Kneipe. Dort wird man bei politischen Diskussionen auch nie mehr schlecht da stehen. Das Dutzend wichtiger Parteifunktionäre und die alle Bereiche abdeckende Parteilinie sind schnell verinnerlicht. Eine einmalige Gelegenheit wäre der politische Wandel auch für die Medien. Mehr Traumschiff und Musikantenstadl statt trockener Polit-Berichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen. Knut und Konsorten statt Angie auf Seite 1 der FAZ oder der Süddeutschen. Selbst der sich dahinquälenden Wiedervereinigung würde die Einheitspartei gut tun. Die DDR-Nostalgiker würden sich endlich wieder heimisch fühlen. Eine unabdingbare Voraussetzung für eine gesunde Harmonie im deutschen Staat. Für die Zukunft brauchen wir also keineswegs schwarz sehen. Auch nicht rot, gelb oder grün, sondern ocker!


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