2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
Beispiele – Ein auf der Trage liegender und noch nicht angeschnallter Patient beleidigt die RTW-Besatzung, die daraufhin die Trage umkippt. Der Patient fällt auf den Boden und zieht sich eine Unterarmfraktur zu. Die Notfallsanitäter haben den Tatbestand der gemeinschaftlich begangenen vorsätzlichen Körperverletzung erfüllt. Sie haben billigend in Kauf genommen, dass sich der Patient beim Herunterfallen von der Trage verletzt. Die Körperverletzung ist nicht nach § 34 StGB gerechtfertigt, weil der Angriff auf die Ehre der Notfallsanitäter, zumal durch einen Kranken, nicht das Zufügen einer Verletzung rechtfertigt. – Schläge durch einen Rettungssanitäter in das Gesicht einer psychisch kranken Patientin können nicht als Überprüfung und Anregung der Vitalfunktionen der Patientin gerechtfertigt werden (LG Hannover, Rettungsdienst 2001, S. 168).
Die Körperverletzung einer anderen Person kann gemäß § 229 StGB auch fahrlässig erfolgen.
Beispiel Das Rettungsdienstpersonal versäumt es, den Patienten auf der Trage anzugur ten. Beim Transport rutscht der Patient von der Trage und zieht sich eine Gesichtsverletzung zu. Die Körperverletzung war fahrlässig, weil beim Transport die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Der KTW-Besatzung war es nämlich möglich, den Patienten anzuschnallen. Sie hat durch den Transport ohne Angurten des Patienten auch gegen die einschlägigen Dienstanweisungen verstoßen (z. B. § 26 Abs. 2 der Bayerischen Musterdienstanweisung für den Rettungsdienst, www. beck-online.de)
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Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Tod eines Patienten verursacht wurde. Hier kommt eine Bestrafung nach § 212 StGB(Totschlag) oder § 222 StGB (fahrlässige Tötung) in Betracht.
Beispiele – Die Notärztin zieht fahrlässig den auch um das Kinn gelegten Kopf-Druck-Verband des blutenden und intubierten Notfallpatienten zu fest und erdrosselt ihn hierdurch. Die Notärztin wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt (s. den von Heide et al. in Rechtsmedizin 2004, S. 37 dargestellten Fall). – Eine Rettungsassistentin transportierte eine nicht angegurtete ältere Patientin in einem Rollstuhl eine abschüssige Rampe vorwärts hinab. Dabei winkelte sie den Rollstuhl nach hinten auf die großen Räder der Hinterachse an. Dann setzte sie durch Vorkippen des Rollstuhls diesen zu zügig wieder auf die Vorderräder, sodass die Patientin vorwärts ungebremst aus dem Rollstuhl fiel. Die hierbei erlittenen Verletzungen führten in Verbindung mit einer Lungenentzündung infolge der Bettlägerigkeit zum Tod der Patientin. Die Rettungsassistentin wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt (LG Hagen, Rettungsdienst 2010, S. 1088).
Schwieriger wird die Beurteilung von fehlerhaft durchgeführten invasiven Heil eingriffen am Notfallort oder auf dem Transport, die nachweislich zu einer Schädigung des Patienten geführt oder diesem Therapiechancen genommen haben (z. B. Fehlintubation mit Kieferverletzung). Invasive Heileingriffe stellen sich tatbestandsmäßig nach der gegenwärtigen Rechtslage grundsätzlich als Körperverletzung (§ 223 StGB) dar, die nur durch die Einwilligung oder mutmaßliche Einwilli-