2 Handeln nach Qualitätskriterien ˘ 2.2 Straf- und Zivilrecht
– der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) und – die Pflichtenkollision. Wichtige Entschuldigungsgründe sind: – die Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB), – der entschuldigende Notstand (§ 35 StGB) und – der übergesetzliche entschuldigende Notstand, der auch als entschuldigende Pflichtenkollision bezeichnet wird.
Beispiel Hinter einer verschlossenen und auf andere Weise nicht zu öffnenden Tür liegt eine verletzte, hilflose Person. Ihr kann nur Hilfe zuteil werden, wenn die Wohnungstür unter Inkaufnahme einer Beschädigung aufgebrochen wird. Das Rettungsdienstpersonal entschließt sich, die Tür mit Gewalt zu öffnen, wodurch diese beschädigt wird. Nach § 303 StGB wird bestraft, „wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört“. Hier ist bereits der Tatbestand der Sachbeschädigung nicht erfüllt, weil die Sachbeschädigung nicht rechtswidrig war. Sie war nämlich zur Rettung eines höherwertigen Rechtsgutes (Leben, Gesundheit) gerechtfertigt. Auch kann von der mutmaßlichen Einwilligung des Hauseigentümers ausgegangen werden.
Allgemein kommt es in der Praxis des Rettungsdienstes immer wieder zu Notstandssituationen, in denen die Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter notgedrungen in Kauf genommen werden muss, um den Rettungsauftrag zu erfüllen. Deshalb kommt dem allgemeinen Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB wesentliche Bedeutung zu. Zu beachten sind jedoch stets die Abwägungspflicht und die Angemessenheit der eingesetzten Mittel.
§ 34 StGB: Rechtfertigender Notstand Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn er bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahr, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Im Zusammenhang mit dem neuen Notfallsanitätergesetz hat der Bundesgesetzgeber in den Gesetzesmotiven ausgeführt, dass die Ausbildungszielbestimmung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) NotSanG als Auslegungshilfe für Fälle des rechtfertigenden Notstandes dienen können soll, in denen der Notfallsanitäter invasive Maßnahmen am Patienten durchführt (BT-Drs 17/11689, S. 21; s. Kap. 3.1.3). Nach den Begehungsformen kann eine Tat durch aktives Tun (s. Kap. 2.2.1.1) oder durch Unterlassen (s. Kap. 2.2.1.2) begangen werden. 2.2.1.1
Tun (am Beispiel der Körperverletzung und Tötung)
Gemäß § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) wird bestraft, wer einen anderen vorsätzlich körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Eine höhere Strafe droht gemäß § 340 StGB demjenigen, der als Amtsträger, z. B. als Feuerwehrbeamter, während der Ausübung des Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen lässt.
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