RECHT
ARBEITSPLATZ RETTUNGSDIENST
Sexuelle Belästigung: Oft verschwiegen und verharmlost Autor: Ralf Tries Oberstaatsanwalt, Rettungsassistent, Koblenz
Abb. 1: Sie hilft – Wer hilft ihr?
Alleinstehende und auszubildende Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sind überproportional häufig betroffen von anzüglichen Bemerkungen, taxierenden Blicken, scheinbar zufälligen Berührungen, unerwünschtem Zeigen pornografischer Darstellungen und schließlich auch sexuellen Nötigungen männlicher Arbeitskollegen. Die Folgen für die betroffenen Frauen sind vielschichtig und können sowohl seelische als auch körperliche Probleme sein. Häufig bleibt nur die Flucht aus dem einst erwählten Traumberuf, um weiteren Belästigungen zu entgehen. Dieser Traumberuf kann auch Rettungsassistentin sein. Zunehmend sind in den letzten Jahren nämlich auch Frauen im Rettungsdienst tätig.
Was ist eine sexuelle Belästigung? Wann eine sexuelle Belästigung vorliegt, ist in § 3 Abs. 4 des am 14.8.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umschrieben. Eine sexuelle Belästigung ist jedes unerwünschte, sexuell bestimmte Verhalten. Dazu gehören sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, entsprechende körperliche Berührungen oder Bemerkungen sowie das Zeigen bzw. sichtbare Anbringen von pornografischen Darstellungen. Dabei bezweckt oder bewirkt die Belästigung, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Das sexuell bestimmte Verhalten muss sich nicht unmittelbar an die Belästigte richten; es genügt ein nicht umgehbares Klima der Belästigung am Arbeitsplatz. Wie schnell die Grenze vom Flachsen, über Geschmacklosigkeiten zur sexuellen Belästigung überschritten ist, soll mit Beispielen aus der Rechtsprechung verdeutlicht werden: • Vorzeigen eines Sexkatalogs mit einer Bemerkung wie „Das gefällt Dir doch“. • Beim Anziehen der Einmalhandschuhe der Ausspruch „Die Handschuhe habe ich schon an, dann fehlt nur noch die Vaseline und du musst dich bücken“. • Unvermitteltes Anheben des T-Shirts, um das Tattoo auf dem Rücken zu sehen. • Hinweis auf ein Loch vorn in der Hose mit dem Spruch „So geht es auch schneller“. • Die Frau unvermittelt auf den Arm nehmen, und zwar in der Art, wie man eine Frau über die Schwelle trägt. • Erfragen der BH-Größe. • Frage nach der bevorzugten Stellung beim Sex. • Berührung des Gesäßes, der Brust oder eines Oberschenkels, aber auch anderer Körperteile (z.B. unvermittelte Massage des Rückens).
Welche Pflichten hat der Arbeitgeber? Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beschäftigte vor sexuellen Belästigungen – wie auch sonstigen Benachteiligungen wegen eines Diskriminierungsmerkmals – zu schützen. Dieser Schutz umfasst insbesondere vorbeugende Maßnahmen. Was jeweils „erforderlich ist“, richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten. Der Arbeitgeber soll insbesondere bei der Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen. Außerdem ist der Arbeitgeber verpflichtet, das AGG im Betrieb bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann z.B. durch Aushang, Auslage oder Einstellen in das Intranet erfolgen. I 58 I
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