RETTUNGSDIENST 3/2009

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DROGENNOTFÄLLE

FORTBILDUNG

Abb. 9: Engelstrompete

Biogene Drogen werden gern unter dem Begriff „Rausch aus dem Gewürzregal“ zusammengefasst, da sie sehr leicht zugänglich und billig zu beschaffen sind

vergessen wird. Letztendlich kommt es bei Temperaturen von > 41° C und Dehydratation zur Rhabdomyolyse mit Niereninsuffizienz, intravasaler Gerinnung und somit zum Multiorganversagen (13). Auch weitere Komplikationen wie Hyponatriämie, Leberversagen und psychiatrische Entgleisungen können jederzeit auftreten. Durch die Vielseitigkeit der möglichen Symptome erfolgt die rettungsdienstliche Beurteilung des Patienten zunächst nach dem ABCD-Schema. Meist zeigt sich eine Mundtrockenheit, Tachykardie und Mydriasis. Zudem finden sich euphorische Stimmungsbilder mit ausgeprägtem Rededrang (Logorrhoe). Bei Atemdepression und Kreislaufstörungen sollte stets eine Mischintoxikation oder eine begleitende neurologische Komplikation in Betracht gezogen werden, da diese für Ecstasy untypisch ist (13). Eine spezielle Antidot-Therapie steht nicht zur Verfügung. Die rettungsdienstliche Behandlungsstrategie liegt in der Sicherung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen. Besonders wegen der meist vorausgegangenen körperlichen Anstrengung beim Tanz oder Rave sollte eine Volumensubstitution erfolgen, die auch einer drohenden Hyperthermie entgegen wirkt. Im ausgeprägten Fall der Hyperthermie kann präklinisch die aktive Kühlung mit Coldpacks oder gekühlten Infusionen erfolgen. Bei durch Ecstasy ausgelösten Tachykardien können Beta-Blocker zum Einsatz kommen (13). Bei Krampfanfällen können Benzodiazepine verabreicht werden. Klinisch kann zur genauen Stoffbestimmung und zur Bestimmung weiteren Drogenkonsums ein Drogenscreening durchgeführt werden.

Schläfrigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit. Weiter werden Übelkeit, Erbrechen, Hypotonie, Atemnot und Verwirrtheit bis hin zu Halluzinationen beschrieben. Bei unklarer Bewusstlosigkeit, vor allem bei jungen Patienten in der Partyszene, muss immer an Mischintoxikationen von GHB und anderen Stoffen gedacht werden (14). Eine Antidottherapie steht auch hier nicht zur Verfügung, weswegen der Rettungsdienst seine Bemühungen situationsund symptomorientiert ausrichten muss. Oberste Priorität haben hier die Wiederherstellung und Sicherstellung der Vitalfunktionen. Bei tiefer Bewusstlosigkeit oder Atemdepression erfolgt die Sicherung der Atemwege durch die Anwendung supraglottischer Atemwegshilfen. Krampfanfälle werden mit Benzodiazepinen unterbrochen, wobei immer in Betracht gezogen werden muss, dass dadurch die bestehenden Bewusstseinsstörungen weiter vertieft werden, so dass sich auch hier anschließend eine endotracheale Intubation anbietet.

„Liquid Ecstasy“/GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) ➔

Biogene Drogen

GHB ist eng verwandt mit dem menschlichen Neurotransmitter GABA (Gamma-Amino-Buttersäure). Chemisch lässt sich GHB als C4H8O3 beschreiben und hat durch seinen chemischen Aufbau nichts mit Ecstasy (MDMA) zu tun. In der Medizin kommt GHB bei der Durchführung von Kurznarkosen zum Einsatz. Doch in der Drogen- und Partyszene taucht GHB als Liquid Ecstasy, Liquid E, Liquid X, Fantasy oder G-Juice auf (14). Vor allem in Kombination mit Alkohol sind auch in Deutschland Fälle von tiefem Koma beschrieben worden, wenn GHB wissentlich oder unwissentlich eingenommen wurde. Besonders durch beschriebene Vergewaltigungsfälle erlangte GHB als „K.-o.-Tropfen“ traurige Bekanntheit. GHB wird, wie der Name bereits sagt, flüssig konsumiert, wobei die Wirkung dosisabhängig ist und sich mit anderen Drogen oder Genussmitteln potenzieren kann. Die psychoaktive Wirkung geht mit Euphorie und Entspannung einher. In hohen Dosen kommt es zur

Biogene Drogen werden oftmals auch unter dem Begriff „Rausch aus dem Gewürzregal“ zusammengefasst, da sie sehr leicht zugänglich und billig zu beschaffen sind. Auch findet man sie unter dem Begriff „Taschengelddrogen“. Viele biogene Drogen sind durch den Rauschgiftbegriff bereits treffend charakterisiert, wobei das Wirkungsspektrum je nach Pflanze von mild sedierend, relaxierend über halluzinogen oder angeblich sexuell stimulierend reichen kann. Aber auch Pflanzen, bei denen die Giftwirkung im Vordergrund steht, werden als biogene Drogen genutzt.

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Psychoaktive Pflanzen und deren Alkaloide ➔ In der

Vergangenheit wurde an verschiedenen Stellen darüber berichtet, wie die Engelstrompete als biogene Droge missbraucht wird. Verantwortlich für die psychoaktive Wirkung der Pflanze sind deren Tropanalkaloide. In der Literatur werden hierfür Atropin, Scopolamin und Hyoscyamin I 53 I

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