NOTFALLPRA XIS
Abb. 3: Kaiserschnitt im OP: Der Uterus wird genäht
Die Bilanz dieses sicherlich nicht alltäglichen Einsatzes: Trotz aller Widrigkeiten ist alles noch gut abgelaufen. Kommentar Placenta praevia (PP) bezeichnet den tiefen Sitz der Plazenta in der Gebärmutterhöhle, wobei die Plazenta dann teilweise oder komplett vor dem Geburtskanal des inneren Muttermunds liegen kann (1). Diese tiefe Lokalisation der Plazenta liegt in bis zu 0,5% aller Geburten vor und ist mit steigender Häufigkeit bei Mehrgebärenden, Mehrlingsschwangerschaften und bei Gebärenden höheren Alters zu finden. Bei Dehnung des unteren Uterinsegments im letzten Schwangerschaftsdrittel kann es zum Abscheren der Plazenta von der Uteruswand und zu starken Blutungen kommen. Charakteristische Befunde bei diesem Blutungsereignis sind allerdings ein weiches Abdomen und (bei der gynäkologischen Untersuchung) ein weicher Uterus. Die Leitsymptomatik ist also die schmerzlose vaginale Blutung. Sie ernährt sich meist ausschließlich aus dem mütterlichen Kreislauf. Daher besteht Verblutungsgefahr. Es finden sich in der Regel Hinweise im Mutterpass (meist als Abkürzung): PP partialis = teilweise vor dem inneren Muttermund (MM) oder PP totalis = vollständig vor dem inneren Muttermund (MM). Empfehlung zum Vorgehen bei Hinweisen auf eine Placenta praevia Keine vaginale Tastuntersuchung vor Ort wegen Blutungsgefahr! Empfehlung bei allen Blutungen in der Spätschwangerschaft: „Load and run“, also der zügige Kliniktransport unter Voranmeldung im Kreißsaal in Schocklage und Linksseitenlage. Eine weitere präklinische Maßnahme (möglichst ohne Zeitverlust) ist die intravenöse Volumensubstitution bzw. Schocktherapie.
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Was tun bei zeitgleicher Wehentätigkeit? Bei gleichzeitig mit der Blutung bestehender Wehentätigkeit gehen die Meinungen in der notfallmedizinischen Literatur auseinander: Von einigen Autoren wird die medikamentöse Wehenhemmung mit dem Beta2-Sympathomimetikum/Tokolytikum Reproterol (Partusisten) empfohlen (allerdings nur bei entsprechender Erfahrung des Notarztes). Andere Autoren raten davon ab. Eine Wehenhemmung kann insbesondere bei einer klassischerweise mit Wehen einhergehenden Plazentalösung zu einer Verstärkung des Blutverlustes führen. Hier ist eine Klärung des gewünschten Procedere mit dem regionalen Kreißsaalteam anzustreben. AbschlieSSender Kommentar zum aktuellen Fall Schmerzlose vaginale Blutungen im letzten Schwangerschaftsdrittel deuten auf eine Placenta praevia hin. Eine zunächst leichte vaginale Blutung wurde in unserem Fall durch die Betätigung der Bauchpresse verstärkt und führte durch den erheblichen Volumenverlust anschließend zum Kollaps der Schwangeren. Bei den regelmäßigen gynäkologischen Untersuchungen im Verlauf der Schwangerschaft wird die Placenta praevia in der Regel sonografisch dargestellt und ist dann auch im Mutterpass dokumentiert. In unserem Fall ist der Mutterpass (mit Hinweis auf die PP partialis) dann auch am Folgetag zuhause wieder aufgetaucht. Im vorliegenden Fall ist kritisch zu hinterfragen, ob die oben dargestellte Anamnese-Erhebung nicht eher eine vermeidbare Zeitverzögerung für den raschen Kliniktransport gewesen ist, zumal die Verständigung sich sehr schwierig gestaltete.
Literatur: 1. Schneider Th, Wolcke B, Böhmer R (2006) Taschenatlas Notfall & Rettungsmedzin. 3. Aufl. Springer, Heidelberg, S. 316
DER AUTOR Dr. Gerrit Müntefering
ist Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Notfallmedizin und als Sonderbeauftragter Internet/Fortbildung der AGNNW seit mehr als 10 Jahren engagiert für die notärztliche Fortbildung in NordrheinWestfalen.
10 · 2012 I 35. Jahrgang I Rettungsdienst I 996