Lehrbuch für präklinische Notfallmedizin (NotSan)

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6 Leitsymptome und Notfallbilder ˘ 6.8 Geriatrische Notfälle im Rettungsdienst

Hilfebedarf 1. Waren Sie vor der Erkrankung oder Verletzung, die Sie in die Klinik geführt hat, auf regelmäßige Hilfe angewiesen?

ò Ja ò Nein

1 0

Tab. 124 ˘ Definition und Kriterien für hypoaktives und hyperaktives Delir I. Akuter Beginn: Hinweise für eine akute Veränderung des geistigen Zustandes des Patienten im Vergleich zum Normalverhalten, zum Zustand vor einem Ereignis (z. B. OP, Krankheit ...)?

Akute Veränderung des Hilfebedarfs 2. Benötigen Sie in den letzten 24 Stunden mehr Hilfe als zuvor?

ò Ja ò Nein

1 0

Hospitalisation 3. Waren Sie innerhalb der letzten 6 Monate für einen oder mehrere Tage im Krankenhaus?

ò Ja ò Nein

1 0

ò Ja ò Nein

1 0

Kognitive Einschänkung 5. Haben Sie ernsthafte Probleme mit dem Gedächtnis?

III. Störung der Aufmerksamkeit: Schwierigkeiten, gezielt Aufmerksamkeit zuzuwenden (ist der Patient leicht ablenkbar, antwortet er/sie nicht immer auf Fragen, befolgt Anweisungen nicht)?

ò Ja ò Nein

1 0

Multimorbidität 6. Nehmen Sie pro Tag sechs oder mehr verschiedene Medikamente ein?

IV. Denkstörung: War der Gedankengang desorganisiert?

ò Ja ò Nein

1 0

V. Quantitative Bewusstseinsstörung: Gibt es Hinweise für eine Störung der Bewusstseinslage des Patienten?

Sensorische Einschränkung 4. Haben Sie unter normalen Umständen erhebliche Probleme mit dem Sehen, die nicht mit einer Brille korrigiert werden können?

Abb. 290 ˘ ISAR Identification of Seniors at Risk (Mc Cusker et al.; DGG/DGGG/BVG 2012): 70 Jahre: 2 und mehr Punkte als Trennwert = Risikofaktor »Geriatrie« Wir sprechen davon, dass sich im Alter die Phänomenologie, also das Bild der Erkrankung, ändert. Dieses veränderte Bild zu erkennen, verlangt in jedem Falle eine fundierte Aus- und Weiterbildung in rettungsdienstlichen notfallmedizinischen Belangen (Erkennen und Wissen um die Behandlung des Krankheitsbildes bei »normalaltrigen« Erwachsenen) und darüber hinaus die Wahrnehmung, dass es sich um einen Patienten mit geriatrischem Risikoprofil handelt. Hierzu ist die Wahrnehmung des kalendarischen Alters bei über 80-Jährigen im ersten Schritt ausreichend, bei über 75-Jährigen ist darüber hinaus das »ISAR«-Screening eine von wissenschaftlichen Fachgesellschaften ausdrücklich empfohlene, leichte Möglichkeit, Patienten mit einem geriatrischen Risikoprofil zu identifizieren (s. Abb. 290). Bei diesen Patientengruppen müssen altersspezifische Veränderungen und daraus potenziell entstehende Veränderungen von Krankheitsbildern berücksichtigt werden.

6.8.3

Häufige altersbedingte Erkrankungen

˘ Infektionen

Neben den altersspezifischen Veränderungen spielen die im Alter häufigen Erkrankungen eine besondere Rolle. Hierbei ist vorrangig an Infektionen jeglicher Art, speziell relevant für den rettungsdienstlichen Bereich an Infektionen der oberen Atemwege (spez. Pneumonie) oder des Magen-DarmTraktes sowie an Harnwegsinfekte zu denken.

II. Rasch fluktuierender Verlauf: Veränderung des (abnormalen?) Verhaltens im Tagesverlauf, d. h. kommt es zum Verschwinden und Wiederauftreten von Symptomen, zu Veränderungen deren Schweregrads innerhalb von 24 Stunden?

Hyperaktives Delir: – eher diagnostiziert, für Betreuer problematischer – psychomotorische Unruhe bis zur Erregung, Agitiertheit – erhöhte Irritabilität – Halluzinationen, Angst – vegetative Zeichen (Schwitzen, Zittern, Herzrasen, Bluthochdruck) Hypoaktives Delir: – viel weniger erkannt und behandelt – scheinbare Bewegungsarmut – kaum spontane Kontaktaufnahme – Halluzinationen und Desorientierung erst durch Befragen deutlich – kaum vegetative Zeichen

Das Besondere aller dieser Erkrankungen ist, dass das klinische Bild häufig fast unauffällig, quasi »stumm« sein kann! Der Patient wirkt ohne ganz spezifische Hinweise einfach nur schwer krank und weist häufig Veränderungen im Sinne eines Delirs auf. Ursache für die häufigen Infektionen ist die verminderte Immunabwehr des Patienten. Bei fehlenden Abwehrkräften werden Anfangs-/Abwehrstadien der Erkrankung häufig übersprungen, es tritt direkt ein (septisches) Vollbild der Erkrankung auf. Aufgrund der hierbei entstehenden Stoffwechselveränderungen (insbesondere relativer Sauerstoffmangel) entstehen bei reduzierter Organdurchblutung diverse Probleme, bei auch nur beginnend reduzierter zerebraler Durchblutung oft ein Delir. Dieses Delir ist einfach zu erkennen, wenn es sich um das hyperaktive Delir handelt. Insbesondere das gerade bei älteren Patienten häufigere hypoaktive Delir muss jedoch besonders beachtet werden (s. Tab. 124). Ein Delir führt nicht nur zu verlängerten Krankenhausaufenthalten, sondern erhöht auch die Sterblichkeit von Patienten.

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