Einsatzkarten PSNV-E für Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen mit hilfreichen Informationen für Einsatzkräfte im täglichen Dienst
Hendrik Meisel (Hrsg.)
Anmerkungen des Verlags
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05 Präventive Psychoedukation und eigene Ressourcen
06 Integration psychosozialer Primärprävention in Aus- und Fortbildung
Im Einsatz
07 Psychische Störungen und Symptomatik
09 (Posttraumatischer) Stress und Psychotraumatologie
12 Versorgungsmöglichkeiten bei Traumafolgestörung
13 Deeskalation im Einsatz
15 Überbringen einer Todesnachricht durch die Polizei
17 Trauer
19 Grundlegender Umgang mit Betroffenen im Notfall
20 Umgang mit Angehörigen nach Suizid
21 Intervention bei angedrohtem Suizid (Talk Down)
24 Umgang mit Spontan- und Ersthelfenden
25 Umgang mit psychisch erkrankten Menschen
27 Umgang mit Menschen nach Gewalterfahrungen
29 Belastungsfaktor: Einsätze mit Kindern
31 Umgang mit Kindern in Notfällen
33 Hilfsangebote für Angehörige und Betroffene
Nach dem Einsatz
35 Todesfall in Kollegium/Kameradschaft
36 4-Schritt-Schema für die PSNV-E
37 Psychosoziale Elemente in der Einsatznachbesprechung
39 Psychoedukation für Einsatzkräfte
41 Sensibilisierung von Angehörigen
43 Psychohygiene und hilfreiche Strategien
44 Segen für Einsatzkräfte
45 Hilfsangebote für Einsatzkräfte
46 Autoren und Herausgeber
Vorwort
Die vorliegenden Einsatzkarten für die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E) sind als begleitende Hilfe für die Arbeit mit Einsatzkräften in Prävention, Einsatzbegleitung und Intervention/Nachsorge gedacht.
Die Kapitel zur Prävention (Vor dem Einsatz) zeigen Inhalte, die im Rahmen präventiver Schulungen oder Fortbildungen vermittelt werden sollten.
Sodann bieten die Karten Hilfe und gezielte Unterstützung für den Dienst von Einsatzkräften (Im Einsatz), die im Selbststudium erarbeitet oder als Fortbildungsinhalt geboten werden können. Hier helfen kompakte Informationen zu psychischen Erkrankungen, Deeskalation, Umgang mit Kindern im Einsatz sowie verschiedene Checklisten.
Gleichzeitig stellen die Karten die wichtigsten Informationen für PSNV-E-Kräfte für die Intervention (Nach dem Einsatz) und Fortbildung zusammen.
Diese Einsatzkarten stellen sich also der hochkomplexen Aufgabe, Unterstützung für die PSNV-E und zugleich Merkhilfe für Einsatzkräfte zu sein und diese Aufgaben trotzdem immer klar abzugrenzen. Eingängige Piktogramme auf den einzelnen Seiten zeigen an, für welchen Personenkreis die jeweiligen Empfehlungen vorrangig gedacht sind:
PSNV-E-Einsatzkräfte Einsatzkräfte generell
Angehörige
Wichtig: Die psychosoziale Notfallversorgung für Betroffene (PSNV-B), z. B. durch Notfallseelsorge und Krisenintervention, ist nicht Teil dieser Karten. Hier sei auf die Einsatzkarten für PSNV-B verwiesen (ebenfalls im S+K-Verlag erschienen). Jedoch enthalten die vorliegenden Karten Handlungsempfehlungen für Einsatzkräfte zum Umgang mit Angehörigen, Betroffenen etc. bis zum Eintreffen der PSNV-B vor Ort.
PSNV-E
Ich danke den Autoren, die mit ihren Beiträgen dieses Projekt und sein Ansinnen bereichert haben. Sie haben sich mit mir der Aufgabe gestellt, Informationen in dieser Form zu komprimieren und darzustellen. Gleichzeitig bedanke ich mich für alle Gespräche und Überlegungen, die damit verbunden waren.
Dem S+K-Verlag, besonders Herrn Robert Beyer, danke ich für die erneute Zusammenarbeit und Unterstützung dieser Idee, das kompakte Format „Einsatzkarten“ nun für den Bereich PSNV-E nutzbar zu machen. Philipp Jann danke ich für das wissenschaftliche Lektorat der kompletten Einsatzkarten und Martin Remke für seine hilfreichen Anregungen.
Beim Begriff „PSNV“ folgen wir der Definition der DGUV (DGUVInformation 205-038, S. 13):
„Psychosoziale Notfallversorgung ist die Gesamtheit aller Aktionen und Vorkehrungen, die getroffen werden, um Einsatzkräften und notfallbetroffenen Personen (Patienten, Angehörige, Hinterbliebene, Augenzeugen und Ersthelfer, Ersthelferinnen) im Bereich der psychosozialen Beund Verarbeitung von belastenden Notfällen bzw. Einsatzsituationen zu helfen. PSNV beinhaltet die Gesamtstruktur und die Maßnahmen der Prävention sowie der kurz-, mittel- und langfristigen Versorgung im Kontext von belastenden Notfällen bzw. Einsatzsituationen.“
Die Bedeutung und Wichtigkeit der PSNV-E ergibt sich aus dem Rechtsanspruch von Beschäftigten auf Sicherheit und Schutz vor Gefährdungen u. a. aus psychischen Belastungen bei der Arbeit im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 5 Abs. 3 Nr. 6. Somit hoffen auch wir, diese Arbeit in Prävention, Information, Fortbildung und Intervention mit diesen Karten zu unterstützen und zu fördern.
Besonders danke ich meiner Frau Eva, meiner Familie, meinen Freundinnen und Freunden sowie meinen geschätzten Kollegen Matthias Rausch und Ralf Radix, ohne deren gemeinsame Unterstützung, Ermutigung, Ideen und Förderung es dieses Projekt und das Format „Einsatzkarten für die PSNV“ nicht geben würde.
Hendrik Meisel
Westfalen,
zu Ostern 2025
Alkoholabhängigkeit – Prävention und Hilfen
MERKE
Alkoholabhängigkeit ist eine der häufigsten psychischen Störungen in Deutschland und geht oft mit mangelnder Problemeinsicht, illusionärer Kontrollüberzeugung oder Scham einher.
BEACHTE
• Bei PSNV-E ist vor allem ein (oft sozial akzeptierter) gesteigerter Alkoholkonsum als Bewältigungsversuch nach belastendenden Einsätzen problematisch.
• Erfahrung bei Konsum: Alkohol reduziert kurzfristig die Belastung → Gefahr schleichender Chronifizierung mit erheblichen körperlichen, psychischen und sozialen Folgen.
CHECKLISTE: TYPISCHE ANZEICHEN (nach ICD-11)
• Verlangen nach Alkohol: häufig und stark (engl. Craving)
• verminderte Kontrollfähigkeit: mehr/länger trinken als gewollt; gescheiterte Abstinenzversuche
• Anbindung an eine Einrichtung der Suchthilfe in der Region
• nach Möglichkeit Einbindung des sozialen Umfelds
• medizinische Abklärung bzgl. körperlicher Folgeerscheinungen und ggf. medikamentöser Unterstützung bei der Abstinenz
• psychologische Begleitung (und ggf. Seelsorge) suchen und annehmen.
EMPFEHLUNG FÜR EINSATZKRÄFTE
Alkoholkonsum ist deshalb nach (belastenden) Einsätzen kontraindiziert.
1. Alkoholkonsum als Bewältigungsstrategie wird gelernt und im Suchtgedächtnis neuronal verankert. Nutzen und besprechen Sie (präventiv) alternative Bewältigungsmöglichkeiten → PSNV-E (▶ 05/43 , Einsatznachgespräche (▶ 37 ), Seelsorge in der Organisation(▶ 45 ),
2. Alkohol beeinträchtigt die Gehirnleistung. Komplikationen in der Gedächtnisverarbeitung werden wahrscheinlicher.
Klären Sie als PSNV-E-Kraft die Einsatzkräfte darüber auf.
Raum für das soziale Miteinander sollte dennoch geschaffen und aktiv gefördert werden.
MERKE
Alkohol steht oft im Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen (▶ 07 ) und Suizidalität (▶ 03 ). Alkoholabhängigkeit ist nur eine von vielen Süchten. Unterschieden werden substanzbezogene Abhängigkeiten (z. B. Alkohol, Cannabis, Tabak, Opioide) und verhaltensbezogene Abhängigkeiten (z. B. Glücks-, Computerspiel).
Suizidprävention für Einsatzkräfte
MERKE
Ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken/-versuche bei Einsatzkräften ist wissenschaftlich gut belegt. Ein erhöhtes Suizidrisiko wird daher vermutet.
GRUNDLAGEN
Berufsbezogene Belastungen, etwa die Konfrontation mit potenziell traumatischen Ereignissen (▶ 09 ) oder mit Suizidversuchen/Suiziden (▶ 20/21 ), sowie Schichtdienst mit möglichen Auswirkungen auf Schlaf und Belastungen für familiäre/partnerschaftliche Beziehungen (▶ 41 ) gelten als Risikofaktoren für suizidales Erleben und Verhalten.
Weitere Risikofaktoren:
• erleichterter Zugang zu Tötungsmitteln und bestehendes Wissen über (erfolgreiche) Tötungsmethoden
• Hilfesuchendes Verhalten wird vielfach durch falsche Berufszuschreibungen/-einstellungen („tough und hart“, oder „Beschützer und nicht Opfer“ sein) erschwert.
Schutzfaktoren:
Kameradschaftserleben, familiäre Unterstützung, Organisationsunterstützung und der Eindruck, etwas Sinnvolles zu tun. Daher: Mit Suizidprävention genau hier ansetzen!
BEACHTE
Suizidales Erleben lässt sich nur im Gespräch erkennen und klären. Fragen Sie insbesondere dann nach, wenn Kollegen nach traumatisierenden Einsätzen belastet erscheinen, sich stärker zurückziehen, aggressiv/aufbrausend/feindselig wirken. Bieten Sie auch dann ein Gespräch an, wenn es Hinweise auf Schlafprobleme, „Burn-out“ oder familiäre/partnerschaftliche Konflikte gibt. Achten Sie besonders auf Berufseinsteiger.
PSNV-E
Tobias Teismann
VORGEHEN BEI VERDACHT AUF SUIZIDALES ERLEBEN
1. Gespräch suchen: entweder selbst oder eine Person darum bitten, die einen besseren Zugang zur/zum Betroffenen hat: „Ich glaube …… geht es sehr schlecht, wenn ich ihn besser kennen würde, hätte ich ihn heute darauf angesprochen. Du kennst ihn doch besser, magst du ihn nicht mal fragen, was los ist?“
2. Eigenen Eindruck und persönliche Sorge schildern:
„Ich habe den Eindruck, dass es dir in letzter Zeit überhaupt nicht gut geht.“
3. Offen nach Suizidgedanken fragen:
„Vielleicht liege ich ja völlig falsch, aber kann es sein, dass du auch daran denkst, dir das Leben zu nehmen?“
4. Verständnisvoll reagieren, erzählen lassen und zuhören: „Mir war gar nicht klar, dass es dir so schlecht geht! Gut, dass du mir das sagst! Was kann ich für dich tun? Kann ich dich irgendwie unterstützen?“
5. Zur Inanspruchnahme weiterer Hilfen motivieren/suizidales Erleben gleichzeitig normalisieren:
„Du weißt gar nicht, wie viele von uns schon an dem gleichen Punkt gestanden haben. Aber da muss es nicht enden! Es ist gut und hilfreich, sich Hilfe zu holen. Möchtest du, dass ich dich ggf. begleite?“
MERKE
Hilfe kann in vielfältiger Weise geleistet werden: Intensivierung der team- oder organisationsbezogenen Unterstützung (Vertrauenspersonen, ▶ 41 ), Psychoedukation (▶ 39 ), (Online-) Paartherapie, (Online-)Psychotherapie (▶ 33 ), ggf. DGUV (▶ 12 ).
Deeskalation im Einsatz
GRUNDLAGEN
• Gewalttätiges, wütendes, provozierendes oder nicht-konformes Verhalten kann überall auftreten, wo Menschen zusammentreffen. Es ist häufig Ausdruck von Stress, Überforderung oder Hilflosigkeit.
• Gruppendruck kann dieses Verhalten verstärken, jedoch ist es meist nicht auf eine direkte Verletzungsabsicht ausgerichtet.
• Frühes deeskalatives Handeln ist entscheidend – je früher Sie eingreifen, desto effektiver, erfolgreicher und sicherer ist die Situation zu kontrollieren.
• Nicht persönlich nehmen! Das unangemessene Verhalten richtet sich gegen Ihre Funktion, Uniform oder Rolle, nicht gegen Sie als Person.
• Fluchtwege offen halten (nicht mit dem Rücken zur Wand stehen)
• Kontrolle bewahren: nicht versuchen, angespannte Menschen zu kontrollieren; stattdessen sich selbst und die Situation unter Kontrolle halten
• Ruhe bewahren, Hektik und Zeitdruck vermeiden (soweit möglich), auf die eigene Atmung fokussieren
• Schaulustige entfernen (lassen), um Eskalationen zu reduzieren.
MERKE
Bedürfnisse erkennen und aktiv reagieren (Ängste ernst nehmen, proaktiv Informationen bieten)! Aggression ist oft eine Kommunikationsform – Menschen beruhigen sich, wenn sie sich verstanden fühlen.
BEACHTE
1. Grundhaltung:
• Professionelles Verhalten basiert auf Empathie, Respekt, Wertschätzung und Transparenz.
• Verständnis zeigen: Angespannte/aggressive Personen befinden sich häufig in einer Ausnahmesituation oder seelischen Notlage.
2. Auftreten:
• Ruhig, selbstbewusst und professionell bleiben.
• Unsicherheit, Dominanz oder Gereiztheit vermeiden.
• Nicht provozieren lassen, Selbstbeherrschung bewahren.
3. Körpersprache, Stimme und Sprache:
• Mimik und Gestik bewusst einsetzen, ruhige Stimme mit neutraler Wortwahl und klaren Akzenten.
• Drohungen, vorwurfsvolle Formulierungen und provozierende Gesten vermeiden.
• Kommunikation bewusst deeskalierend gestalten (IchBotschaften senden, fragen statt mutmaßen, offene Körpersprache, aktiv zuhören, keine Phrasen, Empathie ausdrücken).
4. Verhalten:
• Defensiv bleiben – jetzt ist nicht der Zeitpunkt, Lektionen zu erteilen oder soziale Hierarchien zu klären.
• Ihr Status ist klar: Sie sind Profi und da, um zu helfen, nicht selbst betroffen. Unterstatus gezielt nutzen, z. B.: „Ich verstehe Sie.“, „Ich spüre, dass Sie unzufrieden sind.“
5. Eigene Sicherheit:
• Handlungsoptionen und Risiken einschätzen – Deeskalation ist nicht immer sicher erwartbar.
• Rechtzeitig Hilfe holen (nachalarmieren, mehr Einsatzkräfte).
• Abstand – schützt Sie und gibt Zeit zum Reagieren.
Überbringen einer Todesnachricht durch die Polizei
VORBEREITUNG
• Polizei alarmiert PSNV-B (Notfallseelsorge/KIT)
• Vereinbarung Treffpunkt (Polizeiwache oder vor Ort mit Abstand)
• Polizei führt Recherche durch (Fragen der Checkliste unten klären).
GRUNDLAGEN
• Polizei überbringt die Nachricht! PSNV-B übernimmt die Begleitung nach der Überbringung!
• keine telefonischen Benachrichtigungen
• Identitätscheck der Angehörigen
• nie an der Haustür überbringen; Gegenüber soll sich setzen
• Verarbeitungszeit geben, dann weiteren Verlauf erklären
• auf Fragen warten und nur diese beantworten
• an PSNV-B übergeben und Verabschiedung der Polizei.
TIPPS
• gute Vorbereitung und Absprachen mit PSNV-B
• so viele Infos wie möglich einholen (s. Checkliste)
• Nach der generellen Todes-/Unglücksnachricht immer nur auf Fragen der Angehörigen antworten, die sie auch stellen (beugt Überforderung vor)! Gleichzeitig PSNV-B-Kräfte gut informieren für Fragen, die ggf. nach Abrücken der Polizei aufkommen könnten.
MERKE
• Zeit nehmen für gute Vorbereitung! Rollen klären (Polizei überbringt die Todesnachricht, PSNV-B ist für die Zeit danach da)!
• Bei Unfall/Todesfall mit großem medialem Interesse bzw. Verbreitung über Soziale Medien ist schnelles Handeln/ Überbringen notwendig!
• Keine Floskeln, kein Smalltalk!
• Prüfen: Ist eine Verabschiedung der Angehörigen von Verstorbener/m vor der Beschlagnahme möglich? Situationseinschätzung vornehmen (z. B. bei häuslichem Todesfall, Suizid), ggf. Verabschiedung ermöglichen, weil diese die Verarbeitung für Angehörige begünstigt!
CHECKLISTE
Die/den Verstorbene/n betreffend:
• Steht die Identität zweifelsfrei fest?
• Alter, Familienstand, Angehörige?
• Ist die Todesursache bekannt?
• Sind die Todesumstände (Unglück, VU) bekannt?
• Wo ist die/der Verstorbene jetzt?
• In welchem Zustand ist der Leichnam?
• Wohin wird die/der Verstorbene gebracht?
• Was passiert mit den persönlichen Gegenständen der/des Verstorbenen, ggf. Fahrzeug?
• Gibt es die Möglichkeit, die/den Verstorbene/n zu sehen? (Staatsanwaltschaft: Freigabe? Wie lange? Zeitliche Einordnung?)
Die Angehörigen betreffend:
• Wer sind die nächsten Angehörigen und wo wohnen sie?
• Wie viele und welche Personen leben unter dieser Adresse? (Kinder/Senioren → weitere PSNV-B-Kräfte alarmieren!)
• Wohnen weitere Angehörige in der Nähe? (Kinder/Geschwister/Eltern als Unterstützung)
• Weitere Kontexte für PSNV-B: Schule, Arbeitsplatz, Verein.
Todesfall in Kollegium / Kameradschaft
GRUNDLAGEN
• Tod von Kameraden oder Kollegen betrifft Familie/Freunde, aber auch die ganze Organisation.
• Todesnachrichten werden an Hinterbliebene durch die Polizei mit der PSNV-B (Notfallseelsorge/KI) überbracht (▶ 15 )
• Zeitnah werden Kollegium und Kameradschaft durch die Führungskraft informiert.
MERKE
Wenn jemand im Dienst verstirbt, PSNV-E durch Führungskraft alarmieren und ggf. für Ablösung oder Außerdienstnahme betroffener Einheit(en) sorgen.
CHECKLISTE
• Den Angehörigen persönlich kondolieren durch die Leitung der Feuerwehr oder Hilfsorganisation (ggf. mit Fw-Seelsorge), auch im Namen des Kollegiums/der Kameradschaft.
• Angebot von Gesprächen und praktischen Hilfen für Hinterbliebene (klären, ob über PSNV-E oder -B ▶ 42 )!
• Gedenken der/des Verstorbenen (mit Unterstützung der Seelsorge) und Einrichten eines Gedenkorts (z. B. Bild mit Trauerflor); Klärung von Dauer/Rückbau des Gedenkortes.
• Später: Absprache mit Angehörigen, ob Feuerwehr oder Hilfsorganisation bei der Trauerfeier präsent sein oder mitgestalten soll (Eskorte, Spalier, Ehrenwache, Sargtragen, Kranz).
• Gedenken an Todestagen, ggf. Kontakt zu Hinterbliebenen.
WICHTIG
Wille der Hinterbliebenen hat immer Vorrang (Angebote der PSNV/Dienstherren dürfen auch abgelehnt werden), Kondolieren ist Führungsaufgabe. Nur Zusagen machen, die man auch halten kann! Aktivität, Selbstbestimmung und Kommunikation helfen. Rollentrennung klarmachen zwischen Begleitung von Angehörigen und Unterstützung von Einsatzkräften!
4-Schritt-Schema für die PSNV-E
Dieses 4-Schritt-Schema wird seit vielen Jahren im PSNV-EKontext (CISM/SbE) genutzt. Ihm folgen auch die gängigen Gesprächsleitfäden für Einsatznachsorge.
1. Sicherheit geben (Stabilisierung)
• Distanz zum Einsatz (zeitlich + räumlich)
• sicherer Raum (ruhig und ungestört), sichere Zeit
• physische und psychische Reaktionen einordnen und so normalisieren (▶ 39 )
4. Perspektive entwickeln (Perspektive)
• hilfreiche Bewältigungsstrategien und Ressourcen aufzeigen/stärken,
• Positives fokussieren, Verabredungen zum weiteren Vorgehen
• weitere Angebote, Weitervermittlung.
MERKE
Einsatznachsorge-Gespräche werden von speziell dafür ausgebildeten Psychosozialen Fachkräften und geschulten Kollegen durchgeführt (▶ 45 ).
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der SbE-Bundesvereinigung.
Hendrik Meisel (Hrsg.)
Einsatzkarten PSNV-E für Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen mit hilfreichen Informationen für Einsatzkräfte im täglichen Dienst
Einsatzkräfte der PSNV-E (Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte) begleiten Angehörige von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst nach belastenden Situationen im Dienst, etwa nach Großeinsatzlagen, Gewalterfahrung oder dem Tod eines Kameraden. Diese Einsatzkarten dienen ihnen als (Erinnerungs-)Stütze vor und während eines Einsatzes. Sie fassen die wichtigsten Inhalte für die psychosoziale Unterstützung für häufige Einsatzindikationen zusammen, weisen auf Beachtenswertes hin und geben Tipps und Formulierungshilfen an die Hand. Zugleich weisen sie Einsatzkräfte selbst auf hilfreiche Strategien und Angebote hin. Das handliche Format macht die Karten für beide Gruppen zum Einsatzhelfer in der Jackentasche. ISBN 978-3-96461-086-7