RECHT
Zertifizierte Fortbildung
RLP; Art. 18, 19, 20 BayRDG). Der Leitstellendisponent nimmt entsprechend auch als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation hoheitliche Aufgaben wahr. Die Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetze sehen ebenso wie die einzelnen Landesdatenschutz gesetze vor, dass eine Weitergabe von Daten zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr in allen Bundesländern grundsätzlich zulässig ist (exemplarisch §§ 35 VI FwG BW; § 39 III Nr. 1, 4 LBKG RLP, § 13 II d, h LDSG NRW; § 15 II Nr. 5, 8 LDSG BW; § 13 II Nr. 1, 2 LDSG RLP). Diese gesetzlichen Regelungen sind Ausprägungen der in Art. 35 GG niedergelegten Pflicht der Behörden zur gegenseitigen Rechts- und Amtshilfe. Die Befugnis der Leitstelle zur Weitergabe von Informationen an die Polizei muss jedoch in jedem Einzelfall dahingehend überprüft werden, ob Patienteninteressen betroffen sein können.
Beispiel 2: Erkundigt sich die Polizei im Nachgang zu einem Verkehrsunfall mit mehreren Verletzten, die seitens der Rettungskräfte medizinisch versorgt wurden, nach dem Unfallhergang, so können Patienteninteressen tangiert sein. Dann steht der grundsätzlichen Mitwirkungspflicht gegebenenfalls die in § 203 StGB niedergelegte Schweigepflicht des Leitstellendisponenten entgegen.
Die ärztliche Schweigepflicht verpflichtet gem. § 203 I Nr. 1, III StGB Ärzte, die Angehörigen anderer Heilberufe, deren Berufsbezeichnung an den erfolgreichen Abschluss einer staatlichen Ausbildung anknüpft, die berufsmäßig tätigen Gehilfen und diejenigen, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind. Dies umfasst alle Mitarbeiter des Rettungsdienstes, die Notärzte, die Rettungsassistenten, die künftigen Notfallsanitäter, die Rettungssanitäter, die Rettungshelfer, ehrenamtliche Kräfte und die Auszubildenden und gilt auch, wenn die Rettungskräfte vor Ort oder etwa auf der Leitstelle selbstständig tätig sind (3). Sie alle unterliegen autonom der Schweigepflicht. Sie leitet sich nicht von derjenigen des Arztes ab (4). Die Schweigepflicht umfasst dabei alle „fremden Geheimnisse“, worunter jede Tatsache zu verstehen ist, die nicht allgemein, sondern nur einem bestimmten Personenkreis bekannt ist und an deren Geheimhaltung der Patient ein sachlich begründetes und damit schutzwürdiges Interesse hat (5). Die Schweigepflicht umfasst bereits den Anruf bei der Leitstelle, die Umstände der Erkrankung und alle Angaben zu den persönlichen Lebensumständen eines Patienten. Sie besteht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, sämtlichen Dritten und natürlich auch gegenüber Berufskollegen, die nicht in die Versorgung des Patienten eingebunden sind (6). Öffentlich bekannte und vollständig anonymisierte Tatsachen werden von der Schweigepflicht nicht erfasst (7). Die Schweigepflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Tatsachen, die der Disponent während der Dienstausübung erfährt (8). Der Geheimnisträger kann die Rettungskräfte jederzeit von ihrer Schweigepflicht entbinden. Dies kann ausdrücklich oder konkludent, durch schlüssiges Verhalten, geschehen.
Die Schweigepflicht des Leitstellendisponenten (1) 1. Grundlagen Die Schweigepflicht möchte das aus Art. 1 I, 2 I GG abgeleitete Grundrecht eines jeden Patienten auf Schutz seiner höchstpersönlichen Informationen vor der Preisgabe an unberechtigte Dritte sichern. Damit soll das für jede Behandlung unverzichtbare Vertrauen des Patienten in seinen Arzt sichergestellt werden (2). Die Verletzung der Schweigepflicht kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, geahndet werden.
Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall mit Personenschäden sind stets potenzielle Patienteninteressen betroffen. Es ist dem Disponenten zumeist nicht bekannt, ob der Patient im Einzelfall mit der Weitergabe von Informationen an die Behörden einverstanden ist. Der Disponent teilt der Polizei daher lediglich den Patientennamen mit, denn den darf die Polizei von jedem Unfallbeteiligten ohnehin erheben, und gibt den Verbringungsort bekannt, damit die Behörden ihre eigenen Ermittlungen führen können. Weitere Informationen, insbesondere zum Erkrankungsbild, dem Unfallhergang, einer etwaigen Alkoholisierung oder dergleichen mehr, werden nur herausgegeben, wenn der Polizei eine Entbindung
Beispiel 1: Richten die Strafverfolgungsbehörden eine Anfrage an die Rettungsleitstelle, wie der Anrufer hieß, der den Wohnhausbrand X gemeldet hat, und wurde anlässlich dieses Brandes niemand seitens der Rettungskräfte medizinisch versorgt, so ist nicht ersichtlich, inwieweit bei dieser Frage Patienteninteressen betroffen sein könnten. Die Leitstelle hat daher in gesicherter Form entsprechende Informationen herauszugeben.
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2 · 2013 | 3. Jahrgang | BOS-LEITSTELLE AKTUELL | 100