Hinterbliebenen-Nachsorge - Absturz der Birgenair-Maschine in der Dominikanischen Republik 1996

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D ˘ Katastrophenbewältigung

Interessengemeinschaft (IG): Ansprechpartner Fritz Hitzfelder, Tel. 07422 / 75 77, Fritz.Hitzfelder@freenet.de Sybille Jatzko, Sybille@Jatzko.de, Tel. 06307 / 993006 Peter Leimbach, Tel. 030 / 3656616, Peterleimbach@t-online.de Edmund Menk, Tel. 02761 / 41 63, emenk@t-online.de Heidi Schalek, Tel. 06691 / 71503 Die Betroffenen der Hinterbliebenen-Gruppe sind aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland bunt zusammen gewürfelt. Es sind Menschen, die vorher nie etwas miteinander zu tun hatten, die völlig verschiedene Charaktere, Berufe und Interessen haben. Diese Personen haben sich nicht gesucht, wie das bei Gleichgesinnten in Vereinen der Fall ist, sondern das Schicksal hat sie durch diesen Unfall zusammengeführt. Niemand der Hinterbliebenen hatte in seinem Leben eine solche große Katastrophe (amtlich »Großschadensereignis« genannt) mitmachen müssen, und niemand wusste Bescheid, wie man mit einer solchen Katastrophe umzugehen hat. Ein Beispiel: Wenn eine Person geborgen, identifiziert und damit der Name zugeordnet wird, bekommt man eine Sterbeurkunde. Was aber, wenn eine Person nicht geborgen wird? Woher bekommt man dann die Sterbeurkunde? Denn ohne diese Sterbeurkunde können Sie weder bei Banken, Versicherungen oder anderen Instanzen Ansprüche erheben. Rechtlich dürfen Sie nicht einmal die Zeitung kündigen. Ungefähr einen Monat nach dem Unglück trat eine Frau, die ihre Mutter bei dem Flugzeugabsturz verloren hatte, in der Fernsehsendung Schreinemakers auf. Am Schluss dieser Sendung wurde ihre Telefonnummer eingeblendet. Hier konnte man erfahren, dass ein Treffen der Hinterbliebenen am 13. April 1996 in Cottbus geplant war. Es kamen dann sehr viele Personen nach Cottbus, von denen nicht alle Hinterbliebene waren. Es waren auch einige Presseleute, die sich nicht zu erkennen gaben, und ein Fernsehteam dabei. Es wurde beschlossen, gemeinsam gerichtlich gegen mögliche Schuldige vorzugehen. Hier wurden auch die Adressen der Hinterbliebenen gesammelt, wobei es oft schwierig war, Hinterbliebene von Presseleuten und neugierigen Personen herauszufiltern. Von staatlicher Seite wurde die Bekanntgabe der Adressen aus Datenschutzgründen verweigert. Kurz danach kam ein Brief von der Gesprächstherapeutin Sybille Jatzko. Sie lud alle Hinterbliebenen ein, Anfang Mai 1996 an einer psychologischen Runde im Frankfurter Raum teilzunehmen. Bei den ersten Treffen wurden auch zwei weitere Psychologen hinzugezogen. Wieder kamen viele Hinterbliebene, die sich zum Teil schon von Cottbus her kannten. Jeder hatte es wohl dringend nötig. So eine psychologische Runde wühlt das Geschehene nochmals derart auf, dass man glaubt, der Unfall wäre erst gestern gewesen. Das tiefe Loch, in das man wieder fällt, die tiefe Trauer, die einen wieder einholt, machen es aber leichter, sich die Gefühle und Ängste von der Seele zu reden. Wichtig war zu hören, was die anderen außerdem bedrückte, und wichtig war auch, sich den anderen innerlich zu öffnen. Hier wurde man von jedem verstanden, weil alle das gleiche Schicksal erlitten hatten, und man durfte auch Trauer und Tränen zulassen. Dies sind Dinge, die allen bis dahin fremd gewesen waren und die einige Teilnehmern Überwindung kostete. Was anfänglich niemand von uns

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23.04.2007 14:05:53 Uhr


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