A ˘ Der Absturz
1988 gründete Mehmet Birgen das Luftfahrtunternehmen Birgenair mit Sitz in Istanbul. Zum Flugzeugpark gehörten neben drei B 757-200 und zwei B 737-300 auch eine DC10 und eine B 767-200 für Langstreckenflüge. Ziel war, gemeinsam mit Reiseveranstaltern wie Öger Tours preiswerte Pauschalreisen von Mitteleuropa in die Türkei anzubieten. Das Geschäft lief gut; deshalb entschloss man sich 1995, das Streckennetz durch Flüge in die Karibik zu erweitern. Speziell zu diesem Zweck wurde eine Tochtergesellschaft von Birgenair in der Dominikanischen Republik mit dem Namen »Alas Nacionales« (spanisch: »nationale Flügel«) gegründet und die einzige B 767-200 in dieses Unternehmen eingebracht. 1995 wurde dieses Flugzeug in der Dominikanischen Republik mit dem Kennzeichen HI-660CA zugelassen. Es war auch dieses Flugzeug, das am 6. Februar 1996 aus Berlin-Schönefeld kam und die 176 Urlauber des Fluges ALW 301 aus Puerto Plata abholen und wieder nach Hause bringen sollte. Bereits während des Fluges von Deutschland in die Dominikanische Republik trat ein Fehler an einem der drei Hydrauliksysteme auf. Nach der Landung auf dem Flughafen von Puerto Plata versuchten Mechaniker von Alas Nacionales, eine fehlerhafte Hydraulikpumpe zu reparieren bzw. auszutauschen (s.u., Kap. A 2.2). Da dies aber so kurzfristig nicht möglich war, entschloss sich Birgenair kurzerhand, auf die am Flughafen geparkte B 757-200, Kennzeichen TC-GEN, zu wechseln. Das ging jedoch nicht so einfach. Da dieses Flugzeug seit dem 23. Januar, also 14 Tage, nicht mehr geflogen war, mussten eine Reihe von Kontrollen durch Abb. 3 ˘ Die abgestürzte Boeing 757 die Flugzeugmechaniker von Alas Naciozwei Jahre zuvor, im Juni 1994, auf dem Düsseldorfer Flughafen nales durchgeführt werden, was geraume Zeit in Anspruch nahm. Zu dieser Vorbereitung gehört auch das Abnehmen aller Blindverschlüsse. Das sind die roten Deckel in den Triebwerkseinläufen, die roten Fähnchen an den Fahrwerken, die Stöpsel für die Bohrungen, die den statischen Druck am Flugzeug messen, und auch die Abdeckkappen für die Staurohre – Pitotrohre genannt –, die anhand der einströmenden Luft die Geschwindigkeit messen. Eins dieser Pitotrohre sollte später eine verhängnisvolle Rolle spielen, weil es, wie sich später herausstellte, verstopft gewesen sein muss. Aufgrund dessen, dass dieses Flugzeug nicht in eins von Puerto Plata nach Berlin-Schönefeld durchfliegen konnte, wurde eine Zwischenlandung in Gander (Kanada) eingeplant. Dazu wurde es mit 55.000 lbs (engl. Pfund) Kerosin betankt. Da die aus Berlin kommende Besatzung der B 767 keine Berechtigung hatte, die B 757 zu fliegen, musste eine neue Besatzung herangeschafft werden. Kapitän Ahmet Erdem und sein Copilot Aykut Gergin sowie ein zweiter Kapitän namens Muhlis Evrenesoglu befanden sich seit dem 27. Januar in einem Hotel in Puerto Plata; sie und zehn Flugbegleiter wurden beauftragt, den Flug nach Berlin durchzuführen. Gegen 23.40 Uhr Ortszeit, in Deutschland war es frühmorgens 4.40 Uhr, war das Flugzeug abflugbereit. An Bord befanden sich 176 Passagiere, darunter 164 deutsche Urlauber, und 13 Besatzungsmitglieder.
16
SK_Birgenair_6.indd 16
23.04.2007 13:57:03 Uhr