SKIP - Viennale Guide

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DOKUMENTARFILME

WERNER HERZOG

INTERVIEW: CHRISTOPH ZEPPETZAUER

FOTOS: ANDREA MÜHLWISCH (1) / VIENNALE (2)

Menschen, keine Monster WERNER HERZOG, gebürtiger Bayer, weltberühmter Regisseur, Tausendsassa und 1991 selbst VIENNALEDirektor, beehrt das Festival heuer als Stargast (am 26. 10. bei Into the Abyss) und präsentiert seine großartige Doku-Reihe über die Implikationen der Todesstrafe.

„Als Deutscher mit unserer Nazi-Vergangenheit kann ich keinem Amerikaner erzählen, wie er über die Todesstrafe zu denken hat.“ (Werner Herzog)

SKIP: Wie stehen Sie persönlich der Todesstrafe gegenüber? WERNER HERZOG: Ich denke, dass kein Staat – unter welchen Umständen auch immer – jemals das Recht haben sollte, einen Menschen hinzurichten. Krieg ist die einzige Ausnahme, wo ein Staat über Leben und Tod eines Feindes entscheiden dürfen kann. Aber das hängt davon ab, ob sich der Staat verteidigt oder als Angreifer fungiert. Und auch das ist natürlich sehr, sehr diskussionswürdig.

Warum haben Sie sich für Texas als Schauplatz entschieden? Ich mag Texas. Man findet dort Leute, die sehr bodenständig sind und innerlich sehr integer. Ich mag dieses amerikanische Heartland sehr und kann die Art, wie die US-Eliten von den Küsten auf diese Leute herabschauen, nicht ausstehen. Außerdem ist Texas sehr medienfreundlich, genau wie Florida. Und beides sind Staaten, die ihre Todeskandidaten auch tatsächlich hinrichten. Die allermeisten Todeszellen-Insassen gibt es übrigens in Kalifornien – weil sie dort nicht wirklich hingerichtet werden, es gibt da ein Moratorium.

lange nicht mögen muss. Sie mochten mich alle – weil ich geradeheraus war und ihnen nichts vorzumachen versuchte. Sie fragen Ihre Protagonisten nach ihren Träumen. Warum? Wenn man 23 Stunden am Tag in einem kleinen Betonraum eingeschlossen ist und einmal in der Woche in Käfigen im Freien sein darf, dann lebt man in seiner Fantasie. Die Menschlichkeit der Insassen verdichtet sich sozusagen in ihren Träumen. Das hat mich interessiert und fasziniert. Wie war die Arbeit mit diesem Material? Ich habe wieder zu rauchen begonnen. Und ich konnte nur maximal fünf Stunden pro Tag daran arbeiten, dann habe ich Abstand gebraucht. Normalerweise arbeite ich acht Stunden am Tag.

Sie zeigen Schwerstverbrecher, Vergewaltiger, Mörder … wie grenzt man sich da ab und verhindert, zu sehr zu sympathisieren? Die Verbrechen sind monströs, aber die Täter selbst sind niemals Monster, sondern immer Menschen. Das ist meine prinzipielle Attitüde. Ich versuche nicht, zu ihren Gunsten zu emotionalisieren. Ich habe z. B. in Into the Abyss sofort klar gemacht, dass ich meine Interviewpartner zwar respektiere, deshalb aber noch

Death Row DOKU. USA 2012. LÄNGE: 208 Min. REGIE: Werner Herzog. KAMERA: Peter Zeitlinger. SCHNITT: Joe Bini.

Schon in Into the Abyss (heuer ebenfalls im VIENNALE-Programm) hat sich Werner Herzog intensiv mit Insassen texanischer Todeszellen beschäftigt. Daraus entstand die Idee für eine vierteilige TV-Serie, in der Menschen, die für brutale Verbrechen zum Tode verurteilt wurden, porträtiert werden. Herzog geht dabei äußerst intuitiv und ohne vorbereitete Fragen vor – immer darauf aus, mit seiner Persönlichkeit das Vertrauen und die Gesprächsbereitschaft seiner „inmates“ zu wecken. Die VIENNALE zeigt alle vier Episoden von Death Row am Stück. SO. 04. 11., KÜNSTLERHAUS, 13.30 UHR

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