



DieVorarlbergerinstudierteinWienEnglisch,GeschichteundGesang(beiHildade Groote),bevorsie2003ihrSologesang-Studium(beiAndreasLebedaundThomasKerbl) amBrucknerkonservatoriumLinzmitAuszeichnungabschloss.
1947–fünfJahrenachderersten,dreiJahrenachder letztenEintragung inihremTagebuchwurdedieersteBuchausgabedesTa gebuchesder
AnneFrankveröffentlicht.DieAutorinwäredamals 18Jahrealtgewesen.
SeitherhatdieserTextausdemjüdischenMädchenimH interhofversteck einesAmsterdamerHauseseinebiographischeIkonegem acht.
IhrWunsch,spätereinmalalsSchriftstellerintätig undanerkanntzusein, hatsichallerdingsnicht–odernuraufdiesemUmweg –erfüllt. ErmordetwurdesieimAltervon16Jahren- kahlgeschoren,ganz ausgemergeltundentkräftet,inLumpen .IhrLebenswillewarvöllig gebrochen.
AnnesBerichtüberdasLebenimVersteckeinesAmste rdamer HinterhausesinvölligerIsolationundständigerAngs tisteinesder bekanntestenundbewegendstenDokumenteüberdasLei dderJudenin Europa,aberaucheinermutigendesZeichendesLebens willensundein TriumphderMenschlichkeit.
ImAugust1944wurdenAnneundihreFamilieindem Versteckentdeckt undinKonzentrationslagerdeportiert,imMärz1945 starbAnneFrankim VernichtungslagerBergen-Belsen.
NachderVerhaftungderFamiliewurdezwischenBüchern und ZeitschriftendasTagebuch,dasAnneseitihremdre izehntenLebensjahr inholländischerSprachegeführthatte,gefunden.
DerInhaltdesTagebuchesbringtnureinenkleinenun dsubjektiven AusschnittausdemTerrorderShoah,istabervielleic htgeradedeshalb umsoeindringlicher:Esistnichtnurdurchdiebeschr iebenenErlebnisse, StimmungenundÄngstevonderartigerWirkung,sonder nvielleichtumso mehrdurchdas,waszwarersehnt,abernichtbeschriebe nwird,weil esnichtmehrerlebtwird.DasmachtdasTagebuchder AnneFrankzu einemanklagendenZeugnisungelebtenLebens.Dassw irnichteinmal denTodestagimKonzentrationslagerBergen-Belsenwi ssen,machtdieses MädchenschicksalvollendszumSymbol.
NebenOpern-EngagementsbeiMusiktheaterVorarlberg,MusikwerkstattWien,Opera daCameraLinz,OperetteDresdenunddemsireneOperntheaterWien,istNinaPla ngg vorallemimBereichOratoriumundKirchenmusikbeschäftigt,unteranderem unter ManfredHoneck,MartinSieghart,MatthiasKrampe.BesonderesInteressegiltjedoch der zeitgenössischenMusik.
ThomasKerbl
wurde1965inOberösterreichgeboren.ErstudierteKlavieramLinzerBrucknerkonservatoriumundamMozarteuminSalzburg.ImRahmeneinerregenKonzert tätigkeit interpretierteeru.a.dasgesamteKlavier-,Lied-undKammermusikwerkvonClaude Debussy,mitKlavierkonzertenvonMozartbisMartinu.Andie500Liederabende führtenihnalsgefragtenLiedbegleiterdurchdiemeistenLänderEuropas,alsGa stbei verschiedeneninternationalenFestivals.Seit1990betreuterdenOpernsommer Schloß WildbergalsmusikalischerLeiter,unddirigiertedortu.a.OpernvonCarlOrffundGian CarloMenotti.Seit1998intensiviertesichseineKarrierealsDirigent.1999gründet eerdas EnsembleSonareLinz.
KristineTornquist
NachderGeburtinGraz1965,MaturainLinz,Chemiestudium,Goldschmiedlehreun d StudiumderMetallbildhauereiinWien(DiplommitAuszeichnung1994anderUniv ersität fürAngewandteKunstbeiRonArad)kreistKristineTornquistfreizwischenBildender Kunst,TheaterundTexten-inderfestenÜberzeugung,daßGrenzen zwischendenKünsten nurinderEinbildungexistieren.GründungslustunddasBedürfnisnachZusammena rbeit mitanderenKünstlernführtezurKunstgruppe31.Mai(1986-1991),späterzu rGründung desTheateramSofa(1998-2000)unddessireneOperntheaters(seit2000).
JakobScheid
wurde1966inWiengeboren.1993schlossJakobScheidseinStudiumanderHochschule fürAngewandteKunstinWien,MeisterklassefürProduktgestaltung–Metall, beiProf.Carl AuböckundProf.PaoloPivamitAuszeichnungab.
ErwurdeMitbegründerdesAteliersfürexperimentellesDesign Produktgestaltung im WienerWUK,freierMitarbeiterbeiCoopHimmelblauundhatseit1999Lehrauftrag an derUniversitätfürangewandteKunstinWien,StudienrichtungDesign.
JakobScheidlebtundarbeitetalsfreischaffenderKünstlerundDesignerinWien.
Leseram7.Juni:GünterRupp
Leseram10.Juni:RobertSchindel
OrchesterderAntonBrucknerPrivatuniversitätLinz
Flöte:MartinSeidler,Klarinette:SebastianBals/Alexej Fedotov,
Fagott:BarbaraHiesböck,Violine:WolframWincor, Violoncello:IrinaLvova,Kontrabass:KrunoKovacevic,
Schlagwerk:SeverinHöfer,Trompete:DavidKlingler,
Klavier:AndreaLinsbauer
DerimJahre1915inSt.PetersburggeboreneGrigoriFridstud ierteam MoskauerKonservatorium.Dasseit1960inderUdSSRbekannt eTagebuch derAnneFranknahmFridalsVorlagefürseineKomposition.E rbegann imJuni1969dieArbeitundlegtebereitsimAugust1 969eine„Partitur fürKlavierundGesang“vor:Dasca.einstündige,zweitei lige,durchvier SzenenunterteilteMono-Dramavollziehtsichin21Episoden. 1972wurde dasWerkalsOrchesterfassungfür26MusikerinMoskauuraufge führt.1978 gelangtediePartiturindieU.S.A.undwurdezueinem festenBestandteil derinternationalenBühnen.1999bearbeiteteFriddieParti turfürneun Soloinstrumente.
SonähertsichGrigoriFriddemTagebuchmitdemErschreckenun ddem PathosseinerZeit,wenneresalseinbleibendaktuelle s,philosophisches undzutiefstethischesWerkcharakterisiert:
MusikalischeLeitung:ThomasKerbl
Regie:KristineTornquist
Bühne:JakobScheid
Dramaturgie:AloisHofinger
Technik:GeryMaurer/MartinKnaupp
„FreiheitundWürdedesMenschen,derVorrangdesGeistesvor demKörper unddesBewusstseinsvorderMaterie,dieEinsamkeitder Jugend,dieihre Positionenverteidigenmuss,zueinerZeit,inderalleI dealeSchiffbruch erleiden,wodieMenschenanderWahrheitundderGerechtigkei tzweifeln, undschließlichauchdasWesendesMenschen,desseneige ntlicheNatur erstimVerhalteninkonkretenSituationenzutagetritt.
eineKoproduktionvon
Jugendstiltheater-VereinzurFörderungderKulturinderPsy chiatrie
EnsembleSonareLinz
sireneOperntheaterWien
StadtHohenems
DasWichtigstewar,keinWortamTextzuändern,nichts hinzuzudenken, aberauchdieMontagederEpisodendieDramaturgieaufzubau en.So begierigwarichdarauf,dieseMusikzumachen,dassicha mAbend,andem ichdieersteLibretto-Seitefertighatte,sofortdieNotenda zugeschrieben habe.“
RespektfürpsychischKrankezeigtemandarüberhinaus,ind emmanbei derEinweihungvon„Steinhof”imsogenanntenGesellschafts hausauch einTheatereröffnete.KunstundKulturhattfürdiePsychiat riedieselbe Funktion,diesieauchfüreinenKurorthat.
MitdemJugendstiltheater-demzehntgrößtenTheaterraumWie ns–ist unseinhistorischesErbeüberlassen,welchesinwenigerli beralenZeiten –anfangder30erJahre–eingestelltwurdeundanschließ endfastfünfzig JahrelangweitgehendinFunktionslosigkeitverfiel.
ZuvorjedochhatteeseinregesKulturprogrammgegeben;einProgra mmzettel ausdemJahr1927verweistaufdie50.Musiktheatervorstell ung.Aufden ProgrammzettelnistsogareineigenesAnstaltsorchesterziti ert.
Erstab1979,alsdiePsychiatrieneueWegederBehandlu ngundÖffnung einschlug,wurdedasJugendstiltheaterreaktiviertundren oviert.Unsere Definitionfür„offenePsychiatrie“lautetunteranderemda hingehend,dass siesichfüreinEngagementandererGeschäfts-gruppender StadtWien öffnet
IndenletztenJahrenwurdevonderGeschäftsgruppeKulture insolches Engagementpraktiziert.SeitherkommenBesuchernichtnurwe gen derOttoWagnerKircheaufdieBaumgartnerHöhe;auchKonzert-, OpernabendelockenGästevon„draußen“indieeinstmals geschlossene Anstalt.
DasssichaufdemProgrammimmerwiederdieNamenzeitgenös sischer Komponistenfinden,diesichinstilvollemRahmenpräsenti eren,beweist MutundSelbstbewusstsein.Eigenschaftenübrigens,die manauchden ständigen„Bewohnern“derBaumgartnerHöhewünschtundfürdie man sichkonsequenteinsetzt.
DiePatientenhabenzuallenAufführungenfreienZugang unddamitdie MöglichkeitzurTeilnahmeamkulturellenLeben.
VieleBesucherhabendasBedürfnis,derInnenstadtundd erHektikzu entfliehenundsuchenunserKulturangebotundunserAmbient egerneauf. MitderFahrtaufdenHügel,demarchitektonischenAmbiente undeiner OpernvorstellungläßtsogareinenHauch„Bayreuth“verspüren.Di eStadt inderStadthatnichtzuletztdurchdiesesTheaterweitg eöffneteTore. UndvondortistesnichtweitzudenHerzen.
EineschöneVorstellung:einundsechzigHäuserundVillen; umgebenvon einerschützendenEinfriedungundgenährtvoneinerintakt enInfrastruktur;eineertragreicheLandwirtschaftmitSchweinen,Kühenun dGeflügel,eineFleischerei,eineSelcherei,eineGärtnerei,ein eWäscherei,eine Großküche,einPostamt,eineelektrischeZubringerbahnundei neeigene Müllverbrennungsanlage.DieKircheunddieKegelbahn,die Tennisplätze, dasSchwimmbad,denParkunddieBibliotheknichtzuverge ssen.Eine eigenekleineStadtalso,amRandeeinerStadtgelege n,unddochkein GhettofürseineBewohner.
EinkühnesModellfürdieBehandlungGeisteskrankeristdi esesProjekt „Steinhof“–soderVolksmund–fürwahr;eines,dasdurchAut orenwie ThomasBernhardoderEliasCanettisogarindieLiteratureing egangenist. DasseszudemauseinerZeitstammt,diederunserenau fvielfältigeWeise vorauswar,erstauntimmerwieder.Alsmandieüber144 Hektargroße AnlagezuBeginnunseresJahrhundertskonzipierte,wardas Verständnis fürpsychischKrankemindestenssoentwickeltwieheute.Ma nmußteerst eineReihevonReformenhintersichbringen,umwiederdend amaligen Standzuerreichen.
UndNiveaubewiesmanimJahre1903nichtnurdadurch,daß mannebenCarlovonBoogauchdendamalsschonprominentenundberühm ten ArchitektenOttoWagnermitderPlanungderAnlagebeauftra gte.Seine Kirche,die„Steinhof“unddengesamtenWestteilWiensm ajestätischüberblickt,zähltnichtnurzudenHöhepunktenseinerKunst,son derngiltin derKunstgeschichtealsbedeutendsterSakralbauseinerZeit schlechthin –wiediePavillonsüberhauptdenWienerJugendstilauf vielfältigeund originelleWeisespiegeln.Jedereinzelnevonihnenfügt sichspielerischin diestrengsymetrischeEinteilungdesArealsundistfü rsicheinUnikat.In denVillen„Leopold“,„Wienerwald“oder„Austria“lässts ichdieschwere ZeitdesKrankseinsleichterertragen–undnichtvonungefä hrwarhier einstdiegeisteskrankeVerwandtschaftdeseuropäischenG eld-undHochadelszuGast.
AlsOttoFrank1945alseinzigerÜberlebenderseinerFamil ienach Amsterdamzurückkehrte,umnachdenSpurenseinerAngehörigen zu suchen,warereingebrochenerMann.Alleshatteerversucht,u mseine Familiezuretten–undnunstandervordemNichts.
KeinVorstellungsvermögenkannsichausmalen,wasinihm vorging,als MiepGiesihmdieTagebücherseinerTochterüberreichte–Text eeinerviel zufrühgereiftenjungenFrau,diedochnocheinKindwar,un ddieüber dasGeschehenmiteinererbarmungslosenKlarsichtundSelbst reflexion schriebundurteilte.DasGeschehenaußerhalbdesVerstecks aberauch dasDramaeinerFamilie,inderalleKonfliktedesZusamm enlebens, derPubertätunddesHeranwachsens,derEheundderFreundsc haft, derFamiliengeheimnisseundTabus,derLiebeundderGe fühlskälteauf wenigenQuadratmeternausgetragenwerdenmussten,ohnePriv atsphäre undRäumedesRückzugs,ohneFluchtmöglichkeitaußerhalbde r Phantasie.
DieWeltseinerTochter,diesichOttoFrankbeimLesende sTagebuches öffnete,mussfürihnaucheinAbgrundgewesensein.Zud enSchuldgefühlen, seineTöchterundseineFraunichtgerettethabenzukönnen ,kamnunder BlickzurückinalleKonflikteeinenurmühsamzusammenge haltenen Familie–ausderPerspektiveeinerscharfsinnigenjungen Schriftstellerin.
Als1947das„TagebuchderAnneFrank“zuersterschien,i neinerins NiederländischeübersetztenAusgabe,dahatteOttoFrankdi eFluchtnach vorneangetreten.ErverstanddieErbschaftseinerTochterals Auftrag,als AuftragfreilichdeneifersüchtighüteteunddessenInterp retationermit niemandemteilenwollte.
SeineEditiondesTagebuches,diebisindieneunzige rJahreverbindlich blieb,durchalleMassenauflageninallenSprachendieser Welthindurch, wardurchausvonheftigenEingriffenindenTextgekennze ichnet–ein Umstand,denHolocaustleugnergernedazunutzten,dasTag ebuchals DokumentinFragezustellen.
DasNiederländischeInstitutfürKriegsdokumentationsahsic hschließlich gezwungeneinehistorisch-kritischeEditionallerOriginalman uskripte inihrenverschiedenen,vonAnneselbstschonmehrfachüberarbe iteten FassungenineinerwissenschaftlichenAusgabezuveröffe ntlichen.
DochmitdemHolocausthattenOttoFranksEingriffewenigzut un. ErzensiertedenfreizügigenUmgangseinerTochtermitFrag enihrer sexuellenEntwicklung,mancheallzudrastischeDarstell ungderfamiliären Konflikte,ihredurchausdespektierlichenSchilderungenderMut ter,aber auchAnnesganzoffeneDiskussiondarüber,wieschweres erfiel,mitihrer deutschenHerkunftumzugehen,ausdersienundurchdieNaz isalsJüdin gewaltsamherausgeworfenwar,einezugleichinnereZerissen heit,diein Sarkasmusumschlug,dievielleichtindiesemMomentgesü ndesteHaltung –angesichtsdessen,wasgeschah.
ÜberOttoFranksZugriffaufdasVermächtnisseinerTochterkam esin denfünfzigerJahrenzumerstenMaleoffenzumStreit.Meye rLevin,ein jüdisch-amerikanischerSchriftstellerhatte,vonderLektürede r1949 erschienenenfranzösischenAusgabetiefbewegt,OttoFrank geholfen, dasBuchaufdenamerikanischenMarktzubringenundesdort zueinem Erfolgzumachen.UnderüberzeugteOttoFrank,dassder„St off“auchfür eineBühnenfassungtaugenwürde.Erbotsichan,dieDrama tisierungzu übernehmen.
DochüberdenCharaktervonAnnesBotschaftkamesschließlic hzum offenenZerwürfnis:MeyerLevinwollteAnneFrankalsInkarn ationder jüdischenKatastrophedesZwanzigstenJahrhundertsaufdieBühn ebringen, OttoFrankwolltesiealsInkarnation„desMenschen“schlecht hin. DochauchwennAnneselbstsichimTagebuchdanachsehnte, endlich wiederMenschundnicht„nurJude“zusein,ermordetwurdes ieschließlich nichtals„Mensch“,sondernalsJüdin.
VorallemaberwollteOttoFrankeineoptimistischeBotschaft. „Trotz allemglaubeichandasGuteimMenschen!”,dieseaufm unterndeSentenz sollte„seine”AnneamEndedenMenschenaufdenWegg eben:Anneals TrösterinnachderKatastrophe,alsdiejenige,die„trotzallem ”verzeiht undversöhnt.
ObOttoFrankdamitnichtauchseineigenesSchuldgefühlbe ruhigen
mitGott.Dennich,ichglaubewirklich,dassdieNaturzulindernvermagjegliches Leiden.
WennichindenHimmelschaue,danndenkeich,dassalldieseGrausamkeiten aucheinmaleinEndehabenwerdenundaufderErdewiederRuheundFrieden herrschenwerden.
DochbisdahinmussmanseineIdealehochhalten.NichtdenMutverlieren. Schwachefallenum,dieStarkenwerdenstandhalten.MitFreudenbinichbereit, michaufzuopfernfürdieZukunft.UndwennderliebeGottmichamLebenlässt, dannwerdeichfürdieMenschenarbeiten.
Undnunweissich,dassTapferkeitundLebensfreudedasallerwichtigstebedeuten. AufReichtumundRuhmkannmanwirklichverzichten.DerSeelenfriedekann jedochnurfürkurzeZeitverblassen,dennerwirdwiedererwachenundunsein LebenlangerfüllenmitGlück.
SolangeschauenwirohneFurchtindenHimmel...
AnnesletzterTagebucheintragstammtvom1.August1944. Am4.AugustvormittagswurdendieachtuntergetauchtenJudenvon der„Grünen Polizei“abgeholt,angeführthatdieseRazziaderösterreich ischeSS-Oberscharführer KarlJosefSilberbauer.
ZweiHelferderUntergetauchten,MiepGiesundBepVoskuijl, stelltennochamTag
derVerhaftungdieTagebüchersicher,diesieimnachW ertsachendurchwühltenund verwüstetenHinterhausamBodenliegendfanden.Wertsachen undGeldwaren entwendet.
MiepGiesbewahrtesieauf,bisfeststand,dassAnnenich tmehrlebte.Dannübergab siedieAufzeichnungenundTagebücherungelesendemeinzi genÜberlebenden,Otto
Frank.
MenschenzweifelnanWahrheit,anGerechtigkeit,anGott.
Ideale,schöneTräume,leuchtendeHoffnungenkommennichtmehrbeiunsauf.
Undwennsiedochentstehen,sowerdensiesofortzerstörtvonderfürchterlichen Wirklichkeit.
WelcheinWunder,dassichnochnichtjeglicheHoffnungverlorenhabe.Ichsehe, wiesichunsreWeltlangsamverwandeltineineleereWüste.
EsnahtdasGewittermitDonnergewaltundwirdunsmitSicherheittöten.Mir kommtesvor,alssässenwiraufdemletztenFleckchenblauenHimmelsinmitten finstererGewitterwolken.DieDunkelheitrücktimmernäherundnäher,siewill unsverschlingen.Verzweifeltbemühenwiruns,ihrzuentgehenundstossen, bedrängenunddrückeneinander.WirsehenMenschen,diemiteinanderkäpfen, undschauenhinauf,woGlückundFriedenherrschen.DenWegdorthinversperrt jedocheinfesterundundurchdringlicherVorhang.Errücktimmernäherals unüberwindlicheWand,umunsletztenEndeszuzermalmen.Undmirbleibtnichts übrigausserzubeten.
Ichmöchtefort,weitfortvonallem,amliebstenfortvondieserWelt.
(Lesung)
21.Finale
EsscheintdieSonne,blauistderHimmel,strahlendblau.Wirhabenungewöhnlich gutesWetter.DrumsteigeichmorgenszumLuftholenaufdenDachboden.Von hieraus,vonmeinemLieblingsplatzauskannichdieschmalenBänderderKanäle sehen.DenschmalenKastanienbaummitdenglitzerndenTautropfendaran.
WeisseMövensehichundauchandereVögel,siescheinenimTiefflugwieaus Silberzusein.DurchdasoffeneFensterblickeichundkannfastganzAmsterdam überschauen.EinMeervonDächern,dasweitbisandenHorizontreicht.
Solangeesdasnochgibt,solangeichdasnocherlebe–diesenSonnenschein,diese vortrefflicheErde-darfichnichttraurigsein.
WennjemandgrossenKummerhat,sicheinsamfühltundunglücklichist,dannist dasbesteMittelhinauszugehen,womanmitsichalleineist,mitderNatur,allein
wollte?AnnesTagebuchjedenfallsgibteinesoeinfache Botschaftnichther, inihmstehenHoffnungaufeinebessereZukunftundtiefe Einsichtenin dienochgarnichtverstehbareAbgründigkeitdesBösen,das ihrgeschieht, gänzlichunversöhntgegenüber–undgenaudieseSpannung istes,die eigentlichdieKraftihresSchreibensformte.
1955kamAnneFrankschließlichaufdenBroadway,ineine mStück,dass OttoFranksSegenhatteunddasPublikumbaldauchinDe utschland begeisterte,weilesgenausdasbot,wonachmansichgera dedortsehnte: dasGefühl,dass„wiralle“Opfersind,einStück,das behauptete,dassjeder undjedeeineAnneFrankseinkönnteunddassdasGute amEndeauf jedenFallsiegt,wenigstensmoralisch.
AnnealsMärtyrerin,alssinnstiftendesOpfer:eineamEn dedochrecht christlicheInterpretationeinessehrjüdischenTodes.1959ta tderKinofilm vonGeorgesStevenseinÜbriges,ausAnneeineinternati onaleKultfigurzu machen.Schondasöffentlichundinternationalausgeschriebe neCasting fürdieTitelrollemachtedeutlich:inAnnesollsichjeder ,undjedenfalls jedesMädchen,hineinfühlenkönnen.
DaesinihremTagebuchvorallemanderen–unterdemBrenng las derEingeschlossenheitundineinerWeltohneAusgang–um dasganz „normale“DramaderPubertätunddesErwachsenwerdes,derFa milieund derIndividuationgeht,eröffnetAnnesolcherIdentifikation jedenZugang. Nur–umdenHolocaustgehtes dabei nicht.
Unddoch:dassAnneFrank(genauer:dasDramaihrerGefühle ihren Elternundsichselbstgegenüber)zum„Vorbild“ganzerGen erationenvon jungenHeranwachsendenwurde(undihrTagebuchzumSchreibanla ssfür hunderttausendevonTagebüchern),hatdieVernichtungdereurop äischen JudentieferinsGedächtniseingebrannt,mehrunbeantworte teFragen hinterlassen,mehrEinsichtenindasBösealsindasGute provoziert,alses OttoFranksichvermutlichhatträumenlassen.
InzwischenenthältdasTagebuchinseinenMassenauflagen auchdie einstmalszensiertenPassagenunddasAndenkenderFa milieFrankhat darunternichtgelitten.
WasAnnesTagebuchinjederGenerationanneuenVerstörunge noder Einsichtenhervorbringenmag,istoffen.DieLektüregehtwe iter.
DieWirklichkeitstehthiergegendieKunst.Allessträubtsichgegeneine Gestaltung.DieseWirklichkeitverwehrtsichgegenVerkünstlichung,gegeneine sentimentaleReiseinvergangeneDramatik,gegenInstrumentalisierung.Das SchicksaldesMädchensAnneFrankebensowiedasMillionenandererMenschen stehtsounberührbarinseinerSchrecklichkeitundUnfassbarkeitda,dassalles davorverstummenmuss.
UnddochverwehrtsichdieWirklichkeitnochmehrgegeneineVerdoppelungauf derBühne,dieniemalseineseinkann,dieniemalsetwasandereseinkannals: Nachäffen,Anmassen,Verflachen.
Nein.TheatermussineinembescheidenenunddeutlichenAbstandhintersolcher Wirklichkeithergehen,sichbeugen,dieausdrucksloseMienederDienertragen, einerWirklichkeitdieSchleppehalten,dieüberjedeInterpretationerhabenist.
Amschwierigstenjedoch,dassdieserTeilderWirklichkeit,denGrigoriFrids VertonungvonAnneFranksTagebuchausdemVersteckbeleuchtet,nichtdie ganzeGeschichteist,sondernnureineVorgeschichte,dieihreeigentlichePointeim Dunkelnbelässt.DasZentrumdieserGeschichte-derHolocaust-liegtausserhalb ihrerselbst.WasAnneFrankinAuschwitzundBergen-Belsenerfahrenhat,wissen wirnurausäusserstspärlichenZeuginnenberichten.Siehatdort,dasjedenfalls wissenwir,diegrosseTapferkeit,ihrenWitz,ihrenWillenzumGlückundLeben, derausjederZeiledesTagebuchesatmet,restlosverloren.
DiesegrausamePointemussnichtdargestelltwerden,weilsieallgemeinbekannt ist.Aberdiesedunkle,riesige,unsichtbarePointebeschattetauchdiesichtbare kleineGeschichte,diehieraufderBühneerzähltwird.
DasPublikum,dieZuschauerselbstsindmitihremvorausgreifendenWissender Schatten,deraufdieseGeschichtefällt.
ImTheaterheuteebensowiedamalsinderWirklichkeit.
16.IchdenkeanPeter
Undabendsspät,wennichinmeinemBettbin,denkeichanPeterundauchan jenesschüchterne,zärtlicheSehnen,daswirunsnochnichteinzugestehenwagen. DieLiebe,zukünftigesGlück!
Unddann,danndenkeichnichtanmeinenKummer,sondernandasWunderbare, dasausserihmnochaufderWeltexistiert.DennallenMenschenbleibtstetsdas Schöneerhalten:dieNatur,dieSonne,dieFreiheit...
WaskönnteesbesseresaufderWeltgebenalsschweigendausderDachbodenluke zuschauen,zuhörenwiedraussendieVögelsingen,dieSonnezufühlenund schweigendzustehen,geschmiegtaneinanderganzstilldazustehen.
17.AnderrussischenFront
DieLageanderFrontwirdimmerbesser!DieRussenstartetengesternihre Offensive.EsgibtmassenhaftGefangene,dieSowjets,siestehenschonander GrenzezuPolen!WegendervielenSiegeanrussischenFrontensindwirallerecht optimistisch.WirwartentäglichaufausserordentlicheNachrichtenausMoskau. InMoskauwirdoftSalutgeschossen,dassdieganzeStadterzittert!Ichweissnicht, obdieRussengerneschiessen,alsseidieFrontschonwiedernäheroderobsie nichtwissen,wiesieihreFreudeanderszeigenkönnen.
18.Razzia Untenklopfteslaut.DannStille!Unddawieder.Lärmvonunten.ImHausSchritte, imLager,inderKüche,inunseremTreppenhaus.WirhieltenalledenAteman, manhörtedasKlopfenvonsiebenHerzen.SchritteaufunsererTreppe–näher, näher,näher!JemandrütteltanunseremGeheimschrank!Unddannnochzweimal Gerüttel.Etwasfälltherunter.DieSchritteentfernensich.Wirerschaudertenalle. NochniewardieGefahrfürunssogrossgewesenwieindieserNacht.Gestapoleute standenvordemSchrankundhabentrotzdemnichtsentdeckt,nichtsentdeckt.
19.Einsamkeit
EigentlichistdieJugendviel,vieleinsameralsdasAlter.DieAltenhabenihre Ansichtenundbrauchennichtzuschwanken,dennsiewissen,wo´slanggeht imLeben.FürunsjungeMenschenistesdoppeltschwer,unsereMeinungzu behaupteninsolchenZeiten,indenenalleIdealezerbrechen,indenendie
12.Interludium (Lesung)
13.DuettderEheleutevanDaan
ZumSpassemöchteichheuteinganzalltäglichesGesprächzitierenzwischen MadamevanDaanundihremMann:Putti(sonenntsieihrenMann),warum werdenwirvondenEngländernnichtmehrbombadiert?-Wahrscheinlich,weil heutedasWettersoschlechtist.-DabeiwargesterndochwunderschönesWetter! -Achhördochaufundrednichtimmernurdasselbe.–Warum?Warumdarf manhierkeineMeinungaustauschen?–Schlussjetzt!–WasheissthierSchluss jetzt?–HaltsMaul,seistill,meinGottnochmal!–Undichglaube,dieInvasion derAlliiertenkommtnicht!–Schlussjetzt!–WasheissthierSchlussjetzt?–N un schweigundhaltdieSchnauze,zumTeufelmitdir!EskommtderTag,andem ichesdirzeigenwerde,dassdirHörenundSehenvergeht!NichtzumAushalten istderQuatsch!MitderNasemüsstemandichdraufstossenaufdeinidiotisches Geschwätz!
DerVorhangfällt.EndeersterAkt.IchkonntemirdasLachennichtverkneifen. Oh,wasmussteichlachen.MutterundPeterkonntensichkaumhalten!
14.Diebe Mittwoch,der4.August1943
ImLagerwurdeeingebrochen.AlleTürenundSchlösserwarenunbeschädigt. WomöglichhattederDiebeineneigenenSchlüssel?Undwennesnuneinervon denLagerleutenwar,derunsjetztanzeigt?!
15.Rezitativ
Wennwirzusammenhocken,ichundPeter,aufunsererKisteimStaubund
GerümpeldesDachbodens, undwirunsganznahsind,dieSchulternaneinandergeschmiegt, undwenndassdieBäumezugrünenbeginnen, undnachdraussenunsruftdieSonne, wennderHimmelsostrahlendblauist, dannspüricheingrossesVerlangen.
1.Vorspiel
2.Geburtstag
AmFreitagwachteichschonumsechsUhrauf.Daswarganzverständlich:eswar meinGeburtstag!AbernatürlichbliebichnochimBett,eswarzufrüh,meine NeugiermussteichbezwingenbisViertelvorsieben.Dochlängerwaresnicht mehrauszuhalten.UmsiebenendlichliefichinsWohnzimmerauszupackendie Geschenke.Dich,meinTagebuch,habeichsofortgesehen.Eswareinesder schönstenGeschenke.VaterundMutterhattenfürmicheinenHaufenGeschenke. Daswärsfürheut.
Achbinichfroh,dassichdichhabe.
3.Schule Sonntag,der21.Juli1941
UnsereganzeKlassebibbert:bald,baldistdochdieLehrerkonferenz.Nämlich HerrKeppler,unseralterMathelehrer,hattesichschonlangeübermichgeärgert, daichwirklichganzschrecklichvielschwatze.Dochichhabenachgewiesen,d ass SchwätzereieineweiblicheGewohnheitsei,dassmeineMutterauchsovielwie ichredeundgegenVererbtesanzukämpfen–derKampfistäusserst,äusserst schwierig...
UnserHerrKepplermusstesehrlachenunderspottete:Queck,queck,Fräulein Schnatterbeck.DieKlasselachteschallend!
4.GesprächmitdemVater MeinVateristinletzterZeitziemlichvielzuhause.ErdarfnichtmehrinsKontor gehen.Wieschrecklichmussessein,sichüberflüssigzufühlen.Erstkürzlich, alser mitmirspazierenging,fingeranmitmirzuredenüberunserenUnterschlupf.Er sagte,eswürdeunssicherlichsehrschwerfallen,abgeschnittenvonderWelt
zuleben.WirwollennichtindieHändederFaschistenfallen.AusdiesemGrund verschwindenwirvonselbstundwartennicht,bisdieSSunsabholt.
Ach,hoffentlichistdieserTagnochinweiterFerne.
Mittwoch,der8.Juli
Esistsovielgeschehen.AlshättesichdieWeltumgedreht!FürVaterkameine VorladungvonderGestapo!DasbedeutetKZ!!!MutteristzuvanDaansgegangen, umzubesprechen,obwirschonmorgenuntertauchensollen.
DasVersteckbefindetsichinVatersKontor.VanDaanswerdenauchmituns verschwinden,wirwerdensiebensein,wirwerdenseiebensein,wirwerdensieben sein....
(Lesung)
Samstag,der11.JuliinunseremVersteck
Vater,MutterundMargotkönnensichnichtgewöhnenandenGlockenklangdes Westerturmes.Abermirgefälltersogar,esklingtsehrschön,besondersdesNachts.
UnserHinterhausisteinidealerUnterschlupf.Undobwohleshieretwasfeucht istundschrägdieDeckengebautsind,kannmaninHollandkeinbequemeres Versteckfinden,nein,sichernicht.
DieseStillehierimHausmachtmichfürchterlichnervös,besondersdesAbends unddesNachts.
LangsamwächstdieAngst,dasswirdasHinterhausniemalsmehrverlassen können,dasswirentdecktunderschossenwerden.
IchsitzeamFensterundschauedurcheinenSpalt,wasalleslosistaufderStrasse. Seltsamzusehen,dalaufendieLeute.Scheinbarhabensallefurchtbareiligfort zukommenundstolpernüberihreeigenenFüsse.DiesisteinArbeiterviertel,die Menschensehenarmaus,dieKindersindallesoschmutzig...
HieramFenstergibt’snochvielzusehen:schnelleAutos,Kähne,Regen.Versteckt sindalleunterRegenschirmen.
Mansagtemir,dassZeitzeugennachdemKriegRomaneundauchTagebücher publizierensollte.Stelldirvor,wieinteressant,wennichherausgäbedenRoman „DasHinterhaus”.Allewürdendenken,diesesseieinKriminalroman!Wennder Kreigvorbeiist,klingtesvielleichtgarnichtmehrglaubhaft,wennerzähltwird, wieunserLebenwar...
EineschlechteNachricht:einAngestellterausdemLagerhatVerdachtgeschöpft, dashierjemandhaust.Wirhoffennur,dasservertrauenswürdigist,dieserMensch. Garnichtmehrglaubhaft,wennerzähltwird,wiehierunserLebenwar.
9.Verzweiflung
AufmirlastenschwereGewichteundzieh´nmichindenAbgrund!Ichhabedas GefühlwieeinSingvogel,dieFlügelbrutalabgeschnitten,derimKäfigflattert, flattertundimDunkelnringsumandieGitterstäbestösst!Nachdraussen,nach draussen–soschreitesinmir–ichmöchteatmenundlachen!
Dochichweisswohl,dasseskeineAntwortgibt.
Drumgehichschlafen,umsomitirgendwiezuverkürzenalldieStundenvoll unheimlicherAngstundStille.
10.Erinnerung
WennichanmeinlebenbiszumJahre1942denke,willmirallessounsiwrklich scheinen.EswardasLebeneineranderenAnne.EinganzerLebensabschnittistfür immervorbei.Diesorglosen,unbekümmertenSchultagekehrenniemehrzurück.
11.Traum
Gesternabendsspät,ichwolltegeradeeinschlafen,dasahichplötzlichvormir meineFreundinLies.Wiesiedavormirstand,ganzausgemergeltundentkräftet, inLumpen...TrotzderDunkelheitsahichesgenau,wiesehrsieabgemagertwar. IhregrossenAugen,dieschautenaufmichvollerVorwurf.Liessahmichan,als wolltesiesagen:Anne,warumhastdumichverlassen?Ach,sohilfmirdoch!Anne, rettemichausdieserHölle!Undichkannihrgarnichthelfen.Ichkannnur zuGottbeten,dassersiebeschützenmöge.LieberGotthilfihr,dasssiezuuns zurückkommt.LieberGott,hilfihr,dasssiezuunszurückkommt...