NZZ-Verlagsbeilage Swiss ECS 2014

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Dienstag,  2. September 2014 · NZZ-Verlagsbeilage zum SwissECS

Praxis

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Generationenprojekt für 200 Milliarden Wer finanziert eigentlich die Energiewende?

Die Energiestrategie 2050 des Bundes benötigt Investitionen von über CHF 200 Milliarden. Pensionskassen und Lebens­ versicherer sind bereit, in die Energieinfrastruktur zu inves­ tieren und damit einen Teil der Energiewende zu finanzieren. Erfolgreiche Beispiele für partnerschaftliches Zusammen­ arbeiten mit der Energiewirt­ schaft stimmen zuversichtlich. Dr. Andreas Schlatter Die Energiestrategie 2050 des Bundes ist ein Generationenprojekt. Für den Bau und Betrieb neuer Kraftwerke müssen in der Schweiz bis ins Jahr 2050 schätzungsweise CHF 67 Milliarden aufgewendet werden. Für die Erneuerung des bestehenden Kraftwerkparks rechnet der Bundesrat mit Investitionen in der Höhe von CHF 126 Milliarden. Und für den Um- und Ausbau der Stromübertragungs- und -verteilnetze wird mit geschätzten Investitionen von CHF 18 Milliarden Franken gerechnet. Dies summiert sich zu einem Investitionsvolumen von über CHF 200 Milliarden.

Neue Finanzierungsquellen Die Schweizer Energieversorger waren bis anhin in der Lage, die finanziellen Mittel selbst zu beschaffen, um ihre Netze und Kraftwerke à jour zu halten. Da die anstehenden Investitionen jedoch sehr gross sind, muss die Finanzierung der Energieinfrastruktur in Zukunft breiter abgestützt werden. Vermehrt wird deshalb über das Engagement

von institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Lebensversicherer gesprochen, die angesichts sehr tiefer Zinsen nach langfristigen Anlagen mit attraktivem RisikoRendite-Potenzial suchen.

Risiken bei der Finanzierung Worin bestehen die besonderen Risiken für Investoren, die in die Energieinfrastruktur investieren möchten? Anleger sind vorab auf ein stabiles und vorhersehbares regulatorisches Umfeld angewiesen. Denn solche Anlagen haben in der Regel sehr lange Laufzeiten und werden entsprechend langfristig finanziert. Investoren müssen sich deshalb darauf verlassen können, dass einmal gesprochene Fördermassnahmen – wie etwa die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen – für die gesamte Laufzeit des Projekts gelten. Aus Investorensicht interessieren Projekte, die bereits heute ohne Förderung konkurrenzfähig sind. Dazu zählt etwa der Wärmebereich. Holzheizwerke verbrennen Holz und erzeugen Wärme, die sie an Industrie, Hotellerie oder Privathaushalte zu konkurrenzfähigen Preisen verkaufen. Mit solchen Projekten können Investoren eine angemessene Rendite bei geringem Risiko erzielen. Angesichts nach wie vor tiefer Zinsen in der Schweiz ist dies gerade für Pensionskassen besonders attraktiv.

Renditeerwartungen von Investoren Was ist für institutionelle Anleger eine attraktive Rendite? Die Renditeerwartungen von Pensionskassen für Infrastrukturinvestments setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. So kann die langfristige, risikolose Zinserwartung in Schweizer Fran-

ken auf rund 2,0 bis 2,5 Prozent angesetzt werden. Dazu kommt ein Risikoaufschlag für Regulierungs- und operationelle Risiken von 2,0 bis 2,5 Prozent und eine Illiquiditätsprämie von um 1,0 Prozent. Davon kann eine Renditeerwartung zwischen 5,0 und 6,0 Prozent abgeleitet werden. So viel sollten Energieinfrastrukturanlagen mindestens abwerfen, damit hiesige Pensionskassen im heutigen Umfeld interessiert sind zu investieren.

Finanzierung der Energieinfrastruktur Als grösster Asset Manager der Schweiz sehen wir aus eigener Erfahrung, dass institutionelle Kunden grundsätzlich daran interessiert sind, in die Schweizer Energie­ infrastruktur zu investieren. Wir haben letztes Jahr eine Anlagelösung für institutionelle Investoren aufgelegt, die es ihnen ermöglicht, in die Energieinfrastruktur der Schweiz zu investieren. Wir erwarten, während der zwölfjährigen Laufzeit dieser kollektiven Anlage, eine Rendite von um die 5,0 Prozent pro Jahr zu erzielen. Diese Anlagelösung trifft auf reges Interesse. Wir durften bereits Zusagen in der Höhe von rund CHF 400 Millionen entgegennehmen. Auch auf der Investitionsseite sind Erfolge zu verbuchen. So konnten wir von der BKW Energie insgesamt 23 Solarkraftwerke für den Fonds übernehmen. Unter diesen Anlagen findet sich auch das Solardach auf dem Stade de Suisse in Bern. Die Zusammenarbeit sieht vor, dass BKW weiterhin den Betrieb dieser Solaranlagen sicherstellt. Auch wurden für den Fonds Investitionen im Bereich der Wärmeversorgung getätigt. So haben wir beispielsweise in das Holzheizwerk in Göschenen investiert, das auch Hotels und Ressorts in Andermatt mit Heizwärme und Warmwasser versorgt.

Solarkraftwerke wie im Stade de Suisse werden heute teilweise über Fonds finanziert.

Fazit und Ausblick Die genannten Beispiele zeigen, dass die Partnerschaft zwischen Investoren und der Energiewirtschaft zum beidseitigen Vorteil bereits Früchte trägt. Damit Anleger noch vermehrt in die Energieinfrastruktur investieren und sich die erfolgreiche Partnerschaft mit der Energiewirtschaft intensiviert, müssen die Rahmenbedingungen langfristig vorhersehbar und stabil sowie Renditen von mindestens 5,0 bis 6,0 Prozent erzielbar sein. Wird von der Politik ein vermehrtes Engagement von institutionellen Investoren bei der Finanzierung der Energieinfrastruktur gewünscht, so sollten die entsprechenden Eigenmittelvorschriften sowie Anlagericht­ linien für gewisse institutionelle Investoren entsprechend angepasst werden. Dazu sind zwei Massnahmen denkbar: Infra­strukturanlagen könnten genauso als

Quelle: UBS

separate Anlageklasse geführt werden wie etwa Immobilien. Zudem könnten die Vorschriften zur Eigenkapitalunterlegung von Infrastrukturanlagen bei Lebensversicherern das dieser Anlageklasse im Schweizer Umfeld zugrunde liegende Risikoprofil berücksichtigen. Dies würde es institutionellen Anlegern ermöglichen, vermehrt Kapital für diese langfristigen und wenig liquiden Investments zur Verfügung zu stellen und damit einen nachhaltigen Beitrag zur breiteren Abstützung der Finanzierung der Schweizer Energieinfrastruktur zu leisten.

Dr. Andreas Schlatter ist Leiter UBS Global Asset Management Schweiz und unter anderem Mitglied der Eidgenössischen BVG-Kommission.

Geschäftsideen erfolgreich lancieren

Die Initiative Climate-KIC fördert das Unternehmertum, um den Klimawandel zu verlangsamen Climate-KIC fördert Innovationen zur Verlangsamung des Klima­ wandels. Das europaweit aus über 240 Partnern bestehende Netzwerk bringt nicht nur die besten Forscher und engagier­ testen Unternehmer zusammen. Es fördert auch Start-up-Unter­ nehmen und bietet vielfältige Unterstützung für den Markt­ eintritt von Erfindungen und Ideen. Dr. Anaïs Sägesser Die Herausforderung Klimawandel erfordert Querdenker, Innovatoren und Pioniere – kurzum Leute, die die Chancen für die grosse Transformation erkennen und nutzen. Die Climate Knowledge and Innovation Community (Climate-KIC) bietet diesen Leuten die ideale Plattform und unterstützt sie dabei, damit sie mit ihren innovativen und zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen eine gesellschaftliche Umorientierung einleiten können. Climate-KIC ist eine europäische Initiative, deren Ziel ist, den Klimawandel zu verlangsamen und Anpassungsstrategien durch Fortschritt und Unternehmertum zu ermöglichen. Climate-KIC baut auf marktwirtschaftlichen Prinzipien auf und entfaltet seine Wir-

kungskraft durch die erfolgreiche Lancierung von neuen Produkten und Dienstleistungen. Climate-KIC besteht europaweit aus über 240 Partnern (aus Privatwirtschaft, dem öffentlichen Sektor, NGO-Bereich und Forschungseinrichtungen). In der Schweiz sind neben der Innovationsschmiede ETH Zürich auch der WWF Schweiz und South Pole Carbon sowie zahlreiche weitere privatwirtschaftliche Akteure Partner von Climate-KIC. Climate-KIC bringt europaweit die besten Forscher, die engagiertesten Alt- und Jungunternehmer zusammen und bietet vielfältige Unterstützung für den Markteintritt von Ideen und Erfindungen. Neben gezielter Startup-Förderung bietet Climate-KIC jedes Jahr über 400 Studierenden im Rahmen von Summer Schools die Möglichkeit, neue Geschäfts­ideen zu entwickeln. In den nächsten Jahren werden Climate-KIC Workshops und Summer Schools für Studierende aller Schweizer Universitäten und Fachhochschulen zugänglich werden. Für die Start-upFörderung wird eine Zusammenarbeit mit allen Inkubatoren der Schweiz angestrebt. Geplante Investi­tionsfonds sowie die Tatsache, dass auch die neuen Länder der EU Climate-KIC-Mitglieder sind, eröffnen für Unternehmer neuer und etablierter Unternehmen aussergewöhnliche Markteintritts­ chancen. Climate-KIC investiert in Themenbereiche, die für die nächsten Jahre die grösste Heraus-

forderung und das grösste Wirkungspoten­zial bieten. Schweizer Partner sind an 16 Innovationsprojekten aus den verschiedenen Themenbereichen von Climate-KIC beteiligt, wo es immer darum geht, neue Dienstleistungen und Produkte an den Markt zu bringen. Ein besonders wichtiges Investitionsfeld stellt der gesamte Bereich ums Bauen dar. 40Prozent aller globalen Treibhausgase entstehen hier, aber auch 10 Prozent des globalen Brutto­sozialproduktes werden hier erwirtschaftet. Mit dem Flagship-Programm «Building Technologies Accelerator» (BTA), unter der Führung der ETH Zürich, fördert ClimateKIC über die nächsten sechs Jahre mit mehreren Millionen Euro Produktentwicklung und Markteinführung von nachhaltigen und innovativen Gebäudetechnologien und Kooperationen. Um dem Klimawandel erfolgreich entgegenzutreten, werden inkrementelle Innovationen nicht ausreichen; es braucht darüber hinaus systemische, disruptive und vor allem soziotechnische Innovationen. Climate-KIC wird in den nächsten Jahren seine systemischen Ansätze ausbauen und insbesondere auch in der Schweiz neue strategische Partnerschaften anstreben. Die Lösungen zum Klimawandel liegen nicht auf der Hand, und es braucht nebst Innovationen im Produkt- und Geschäftsmodellbereich auch Ansätze, um Transformationsbarrieren zu überwinden und am Markt erfolgreich zu sein. (www.climate-kic.org)

Die ETH Zürich ist in der Schweiz neben 17 weiteren Organisatio­ nen der tragende Partner von Climate-KIC. Mitmachen an vorderster Front ist für die Schweiz zentral, sagt ETH Prof. Nicolas Gruber im Interview. Interview: Franziska Richard Herr Gruber, warum ist es wichtig, dass sich die Schweiz und insbesondere die ETH Zürich im Programm von Climate-KIC engagiert? Innovationen sind von zentraler Bedeutung, um das Klimaproblem in den Griff zu kriegen, denn mittel- bis langfristig müssen wir uns vom «fossilen» Zeitalter verabschieden. Das braucht Innovation in sehr vielen Bereichen. Wer diese Alternativen entwickelt und in den Markt bringen kann, wird bei der «grossen Transformation» dabei sein. Es ist deshalb im ureigensten Interesse der Schweiz und der ETH Zürich, bei der Innovation im Klimabereich an vorderster Front mitzumachen. Das ClimateKIC ist eine ideale Plattform, gerade in Bereichen, für die der Markteintritt schwierig und langwierig ist. Zudem bieten sich durch das pan-europäische Netzwerk viele Möglichkeiten an, Ideen schnell in anderen Märkten zu testen und vom lokalen Know-how zu profitieren.

Was sind die wichtigsten Projekte und Ziele für die nächsten drei Jahre? Nach einer starken Wachstumsphase, in welcher das Climate-KIC von einem Investitionsvolumen der EU von wenigen Millionen auf fast 90 Millionen Euro gewachsen ist, folgt nun die Konsolidierungsphase. Eine zentrale Rolle werden in den nächsten Jahren die sogenannten Flagship-Projekte spielen, bei denen das Climate-KIC durch das Konzentrieren auf einige Kernthemen versucht, den Innovationsprozess wesentlich zu beschleunigen. Die ersten dieser Projekte sind nun angelaufen, unter ihnen das Projekt «Building Technologies Accelerator», das unter Führung der ETH Zürich steht.

Prof. Nicolas Gruber ist Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich und Mitglied des Governing Board des Climate-KIC.


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