Sonderausgabe Gemeinwohlarbeit

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Ein: Blicke

Sonderausgabe 1/2010

Endlich wieder am Werk Werner Kutzborski hatte als Langzeitarbeitsloser eigentlich keine Chance mehr auf einen Job. Doch er raffte sich auf und ergatterte mit Hilfe von Gemeinwohlarbeit eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt. Jetzt hat er einen regulären Arbeitsvertrag und ist eine tragende Säule seines Betriebs.

Er hat wirklich Spaß an der Arbeit: Werner Kutzborski beim Pflastern.

E

rwerbsbiografien können sehr kurz sein: Eintritt in die Firma, 40 Dienstjahre, ab in die Rente. Im Lebenslauf kommen da nicht viele Zeilen zusammen. Bei Werner Kutzborski sieht es anders aus: Im Leben des 54-Jährigen gab es beruflich immer wieder Brüche. Gelernt hatte er eigentlich Koch, musste aber schon früh wegen einer AltfettAllergie umsatteln. Er schuftete lange auf den Zechen Rheinpreußen und Pattberg. Dann zog er mit seiner Frau ins Innsbrucker Land, arbeitete als Holzfäller. Irgendwann kehrte er nach Moers zurück, verdingte sich als Elektrohelfer und Gartenpfleger.

Schließlich ließ er sich von Zeitarbeitsfirmen als Bagger- und Radladerfahrer vermitteln. Dann stellte man fest, dass er massive Blutkreislaufprobleme hatte, einen Blutdruck von 240. Werner Kutzborski wurde ein Reha-Fall. Ein halbes Jahr lang untersuchte man ihn in einer Gefäßklink. Die Ärzte verschrieben ihm Tabletten, 32 Stück am Tag. An Arbeit war nicht mehr zu denken. Kutzborski konnte aber nicht ohne Arbeit. „Ich habe es zu Hause nicht ausgehalten“, erzählt der 54-Jährige. Also sei er „der Knappschaft auf die Nerven gegangen“. Man

gestattete ihm zunächst nur ein paar Stunden – ohne anstrengende Tätigkeiten natürlich. „Eigentlich hätte ich gar nix mehr machen können“, meint der vierfache Familienvater, der in Meerbeck nur ein paar Hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt wohnt. In dieser Situation entschied er, sich an den SCI:Moers zu wenden und war willens, auch einen sogenannten Ein-Euro-Job anzunehmen. „Ich hatte das Glück, dass ich an die Frau Struben geraten bin“, erinnert er sich. Die Arbeitsvermittlerin des SCI fand etwas für ihn, das passte: eine landschaftsgärtnerische Aufgabe der Gemeinwohlarbeit bei dem

Moerser Betrieb Sebastian. Dessen Chef Hans-Jürgen Sebastian nahm Kutzborski zur Probe – und war begeistert: „Der Werner hat wirklich Freude an der Arbeit, das sieht man, und er verbreitet hier gute Laune.“ Nach drei Wochen wurde Kutzborski fest angestellt. Inzwischen duzen sich Kutzborski und sein um zwei Jahre jüngerer Chef, der ihm einen regulären, aber befristeten Arbeitsvertrag gab. „In unserem Bereich sind unbefristete Arbeitsverträge derzeit kaum möglich“, relativiert Sebastian, „wir sind sehr von den Wetterverhältnissen und der aktuellen Wirtschaftslage abhängig.“ Wenn es irgendwie gehe, werde er seinen neuen Mitarbeiter aber halten – der sei inzwischen eine tragende Säule des Sechs-Angestellten-Betriebs. Eines kann Kutzborski dabei einbringen, was nicht jeder hat: Unmengen an Erfahrung aus einem extrem abwechslungsreichen Berufsleben.

Hans-Jürgen Sebastian: „Mir war schon nach ein paar Tagen klar, dass der Werner in den Betrieb passt.“

Focus Gemeinwohlarbeit – was ist das eigentlich? Die Gemeinwohlarbeit ist ein Instrument, das vor allem Langzeitarbeitslose wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen soll. Es handelt sich um eine verpflichtende Maßnahme, die mit einer Mehraufwandsentschädigung je geleisteter Arbeitsstunde belohnt wird. Der früher oft verwendete diskreditierende Begriff „EinEuro-Job“ ist nicht nur deshalb irreführend, weil die Stundenbeträge höher liegen und zusätzlich zum Arbeitslosengeld II gezahlt werden, sondern auch, weil es sich eben nicht um einen normalen „Job“ handelt: Die Arbeitsgelegenheiten erstrecken sich ausschließlich auf gemeinnützige Arbeitsfelder, müssen wirtschaftlich neutral sein, dürfen also keine bestehenden Arbeitsplätze verdrängen oder auch nur den Aufbau zukünftiger Arbeitsplätze gefährden.


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