Die Energie- und Klimapolitik der Europäischen Union - Grundlagen, Strategien und Rechtspakete

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2 Grundlagen und Begriffe 2.1 Rechtliche Grundlagen Die EU als supranationale Organisation verfügt nicht über die gleiche Legitimation, Rechte und Pflichten zu regeln, wie klassische Staaten. Die Legitimation ergibt sich aus dem Einverständnis der Mitgliedstaaten, Teile ihrer Souveränität abzutreten. Diese Abtretung von Rechten oder Kompetenzverschiebung zugunsten der supranationalen Organisation basiert auf Verträgen. Nur dank einstimmig beschlossenen völkerrechtlichen Verträgen durch alle Mitgliedstaaten generieren Organe auf überstaatlicher, europäischer Ebene ihre Legitimation und ihre Handlungskompetenzen sowie die Kompetenz, rechtsetzende Bestimmungen zu erlassen. Das Rechtsgebilde der EU lässt sich auf drei Ebenen zusammenfassen: Es gibt das «Primärrecht», das «Sekundärrecht» und «politische Papiere». Ähnlich dem schweizerischen System unterscheiden sich die Ebenen in der Bedeutung der Erlassformen. Das Primärrecht entspricht einer Verfassung, das Sekundärrecht kann mit Gesetzen und Verordnungen verglichen werden und politische Papiere entsprechen staatlichen Stellungnahmen beziehungsweise können mit formellen und informellen staatlichen Verfahren verglichen werden. 2.1.1

Das Primärrecht der Europäischen Union

Das Primärrecht bildet die zentrale Quelle des europäischen Rechts im engeren Sinne. Es besteht aus den zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträgen. Die wichtigsten primärrechtlichen Verträge sind heute der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Aktuelle Fassung für beide ist der am 13. Dezember 2007 durch die Mitgliedstaaten angenommene und am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon. Dieser löste den Vertrag von Nizza vom 1. Dezember 2000 ab. Daneben ist nach wie vor der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag) in Kraft. Ebenfalls zum Primärrecht gehören die den Verträgen beigefügten Anhänge und Protokolle, welche jeweils spezifische Rechtsbereiche regeln. Diese gelten «als Bestandteil der Verträge» und als rechtlich gleichwertig mit den Bestimmungen von EUV und AEUV (Art. 51 EUV).

Primärrecht Vertrag über die Europäische Union (EUV), Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

Sekundärrecht Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Entscheidungen

Politische Papiere Während sich die Rechtsetzung der EU im Energiebereich zuvor lediglich aus anderen Sachbereichen – insbesondere aus dem Wettbewerbsrecht – ableiten liess, wurden im Vertrag von Lissabon erstmals primärrechtliche energie- und klimapolitische Zielsetzungen formuliert. Sie bringen die Zuständigkeiten der EU in den beiden Politikbe-

Ausgabe August 2015

Grünbücher, Weissbücher, Stellungnahmen

Ebenen des EU-Rechts

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