

AKTEN UND TEXTE ZUM ORDEN
DER RITTER UND BRÜDER
ST. JOHANNIS DES EVANGELISTEN
AUS ASIEN IN EUROPA. EINE REPRÄSENTATIVE AUSWAHL
Herausgegeben von Helmut Reinalter (Koordination), Karlheinz Gerlach, Reinhard Markner und Florian Maurice
Schwabe Verlag
Publiziert mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung Köln, der Stiftung zur Förderung der Masonischen Forschung an Hochschulen und Universitäten Köln, dem Vizerektorat für Forschung der Universität Innsbruck, dem Verein Modestia cum Libertate in Zürich, Christoph Meister (Quatuor Coronati Bayreuth), Peter Volk, Freiburg/Br. und dem Institut für Ideengeschichte in Innsbruck.

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ISBN Printausgabe 978-3-7965-5402-5
ISBN eBook (PDF) 978-3-7965-5407-0
DOI 10.24894/978-3-7965-5407-0
Das eBook ist seitenidentisch mit der gedruckten Ausgabe und erlaubt Volltextsuche. Zudem sind Inhaltsverzeichnis und Überschriften verlinkt.
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Inhalt
Vorwort
Einleitung: Geschichte der «Asiatischen Brüder» (Helmut Reinalter)
Zeugnisse zur Ordensgeschichte
1. Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen: Zum ewigen Gedächtnis (1790) (Reinhard Markner)
2. Franz Joseph Molitor: Geschichte des Ordens der Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa (1828) (Reinhard Markner)
Organisationsstruktur
1. Verzeichnis der Ordensschriften (Florian Maurice)
2. Allgemeine Gesetze (Karlheinz Gerlach)
3. Synedrionsgesetze samt Nachträgen (Karlheinz Gerlach)
Gradsystem
1. Ritual Probestufe I (Florian Maurice)
2. Instruktion die sieben Kapitel enthaltend (Florian Maurice)
3. Ritual Hauptstufe I (Florian Maurice)
4. Erläuterung der drei Tapis (Florian Maurice)
5. Aufnahme und Einweihung in die III. Hauptstufe (Reinhard Markner)
Kontroversen um jüdische Mitglieder
1. Auszüge aus: Hans Carl von Ecker und Eckhoffen: Werden und können Israeliten zu Freymaurern aufgenommen werden?
2. Circulare des hochwürdigsten General-Kapitels
Ausgewählte Korrespondenz (Reinhard Markner)
Vorwort
Diese vorliegende Aktenedition ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts des privaten Forschungsinstituts für Ideengeschichte (IfI) und des Instituts für Geschichtswissenschaften und Ethnologie der Universität Innsbruck. Unter Leitung und Koordinierung von Helmut Reinalter wurden die Akten und Dokumente von Karlheinz Gerlach, Florian Maurice und Reinhard Markner unter Mithilfe von Brigitte Egger und Hanna Lüfter (beide Mitarbeiterinnen von Helmut Reinalter am Institut für Ideengeschichte) ausgewählt und bearbeitet. Das Projekt wurde im Zeitraum von 1. Juli 2022 bis 30. Juni 2024 durchgeführt. Da aber neue Quellendokumente aufgefunden werden konnten, wurde das Projekt bis Mitte 2025 verlängert. Als neue Mitarbeiterin arbeitete in diesem Zeitraum Hanna Lüfter am Projekt organisatorisch mit.
Das Ergebnis des Projekts stellt wegen seiner Quellenbreite ein Desiderat der Forschung dar. Wegen der Menge an Dokumenten musste hier eine repräsentative Auswahl getroffen werden. Das Projekt konnte nur durch die finanzielle Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung Köln, der Loge Modestia cum Libertate in Zürich, der Universität Innsbruck und des privaten Forschungsinstituts für Ideengeschichte zu einem guten Abschluss gebracht werden. Die Ergebnisse erscheinen in einem Band im Schwabe Verlag in Basel. Für die finanzielle Unterstützung der Drucklegung danke ich der Fritz Thyssen Stiftung Köln, der Stiftung zur Förderung der Masonischen Forschung an Hochschulen und Universitäten Köln, dem Vizerektorat für Forschung der Universität Innsbruck, dem Verein Modestia cum Libertate in Zürich, Christoph Meister (Quatuor Coronati Bayreuth), Peter Volk, Freiburg/Br. und dem Institut für Ideengeschichte in Innsbruck.
Der Band enthält Zeugnisse zur Ordensgeschichte, Dokumente zur Organisationsstruktur, zum Gradsystem, zu Kontroversen um jüdische Mitglieder, eine Briefauswahl und ausgewählte Biographien, die sich zum Teil in der Einleitung und in den Fußnoten der Kommentare befinden. Am Schluss findet sich ein Literaturverzeichnis. Die Recherchen waren wegen der zahlreichen Archive und Bibliotheken, deren spezifische Bestände benutzt wurden, sehr umfangreich: Archiv des Dänischen Freimaurer-Ordens Kopenhagen (ADFO), Archiv des Schwedischen Freimaurer-Ordens Stockholm (ASFO), Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin (GStA PK), Bibliotheca Klossiana Den Haag (Vrijmetselarij Museum), Ungarisches Nationalarchiv Budapest, Staatsarchiv Hamburg, Staatsarchiv Amberg, Burgunder Archiv der Loge Modestia cum Libertate Zürich, Deutsches Freimaurermuseum Bayreuth, Archiv der Großloge von Wien, Österreichisches Staatsarchiv Wien (Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv), Dänische Königliche Bibliothek Kopenhagen und Staatliche Bibliothek (Provinzialbibliothek) Neuburg an der Donau. Für die Zurverfügungstellung verschiedener Akten gebührt auch der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, der Großen Loge Royal York zur Freundschaft in Berlin, der Loge Carl zur gekrönten Säule e. V. und der Freimaurerstiftung Dresden (Loge zum goldenen Apfel Or. Dresden) großer Dank.
In dieser Aktenedition werden erstmals die zentralen Schriften zur Organisationsstruktur, zu Ritualen sowie Instruktionen zum Gradsystem und wichtige ausgewählte Briefe der «Asiatischen Brüder» abgedruckt. Die beiden ersten Zeugnisse befassen sich mit der Geschichte des Ordens der «Asiatischen Brüder». Der wissenschaftliche Mehrwert der Aktensammlung liegt darin, dass auf ihrer Basis eine umfassende Geschichte des Ordens geschrieben werden kann. Weitere Freimaurerforschungen können auf diesem Quellenmaterial aufbauen.
Was die Editionsprinzipien betrifft, wurden die Orthographie und Interpunktion der Originale beibehalten und Hervorhebungen (durch Unterstreichung, Sperrung usw.) einheitlich in Kursivschrift wiedergegeben. Die Seitenzählung bzw. die Paginierung der Originale wurde in eckigen Klammern im Text gekennzeichnet. Die hebräischen Texte wurden nach SBL General Purpose transkribiert, nicht aber bei eingebürgerten Schreibweisen. Bei der ersten Erwähnung einer Person mit Namen bzw. Ordensnamen sind – soweit ermittelbar – biographische Daten angegeben, Datierungen in der Zeitrechnung des Ordens wurden in eckigen Klammern aufgelöst, ebenso auch Chiffren im Text. Bei den Briefen sind Kürzungen nur im Text selbst angemerkt, nicht am Briefanfang und Briefende. Die Briefauswahl enthält überwiegend ordensinterne Korrespondenz, aber gelegentlich auch
zeitgenössische Briefe mit Bezug auf die «Asiatischen Brüder». In der Regel sind keine Aufnahmeoder Beförderungsgesuche berücksichtigt worden, weiters auch keine Briefe in dänischer Sprache. Vor allem wurde darauf verzichtet, die sehr umfangreiche offizielle Korrespondenz etwa zwischen Synedrion und Generalkapitel abzubilden. Die Auswahl hat daher mehr privaten Charakter. Die Kommentierung der Texte und Briefe wurde auf das Notwendigste gekürzt. Kurzbiographien über die Mitglieder der «Asiatischen Brüder» finden sich in den laufenden Texten bzw. Anmerkungen.
Die Herausgeber danken den erwähnten Archiven und Bibliotheken für die Benutzungserlaubnis der vielen Dokumente und folgenden Personen für wertvolle Hilfestellungen: Christine Ziegler, Vinia Rutkowski und Katja Dziakowski (Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz Berlin), Ulf Åsén (Schwedischer Freimaurerorden Stockholm), Peter Raabye und Søren Ingvard Nielsen (Dänischer Freimaurerorden Kopenhagen), Thad Peterson (Deutsches Freimaurermuseum Bayreuth), Thomas Just und Gerhard Gonsa (Österreichisches Staatsarchiv Wien) sowie Daniel Gerhards (Burgunder Archiv der Loge Modestia cum Libertate). Dank gebührt auch den Mitarbeiterinnen am Institut für Ideengeschichte Brigitte Egger und Hanna Lüfter für organisatorische Hilfestellungen und Schreibarbeiten sowie Christian Barth vom Schwabe Verlag für die gute Zusammenarbeit.
Innsbruck, im Juni 2025 Helmut Reinalter (Leiter des Projekts)
Einleitung: Geschichte der «Asiatischen Brüder»
In dieser Aktenedition geht es um den Freimaurerbund der «Asiatischen Brüder», ein Hochgradsystem, das 1782 von Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen gegründet wurde und besonders in Österreich, in Norddeutschland, in Dänemark und in Schweden Verbreitung fand. Die volle Bezeichnung der Vereinigung lautet: «Orden der Ritter und Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa» (auch St. Johann genannt). Die Geschichte dieses Ordens war ein Teil der Emanzipation der Juden im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Mit der Gründung des Ordens wurde der Versuch unternommen, sowohl Juden als auch Christen aufzunehmen.1
Die europäische Spätaufklärung
Die Aufklärung im 18. Jahrhundert wurde als bürgerliche Emanzipations- und Bildungsbewegung mit der höfisch-aristokratischen Kultur des Barocks verglichen und davon abgegrenzt. Dabei wurde allerdings übersehen, dass im 18. Jahrhundert noch die Aristokratie politisch und kulturell dominierte. Doch erhöhte sich die Zahl der bürgerlichen Gelehrten, Schriftsteller, Künstler und Pädagogen, die alle – statt von ihrem sozialen Status – von einer spezifischen Welt- und Lebensanschauung geprägt waren, die als bürgerliche Mentalität bezeichnet wurde. Darunter verstand man vor allem die Betonung der Persönlichkeit, die nicht durch Geburt und Zugehörigkeit, sondern durch die unveräußerliche Menschenwürde, durch Leistung und Verdienst bestimmt war.2
Die Aufklärung setzte sich auch mit Problemen der gesellschaftlichen und politischen Ordnung auseinander. Im späten 18. Jahrhundert wurde der schon in den 1770er Jahren einsetzende Politisierungsprozess durch die politische Öffentlichkeit und die daraus resultierende Aufspaltung in ideologisch-politische Strömungen (Liberalismus, Demokratismus, Republikanismus und Konservativismus) verstärkt. Diese Einzelbewegungen waren bereits zu diesem Zeitpunkt klar voneinander abgegrenzt.
1 Vgl. auswahlweise Karl R. H. Frick: Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Graz 1973; Jacob Katz: «Der Orden der Asiatischen Brüder», in: Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, hg. von Helmut Reinalter, Frankfurt a. M. 1983, 240 ff.; Jacob Katz: Jews and Freemasons in Europe, 1723–1939, Cambridge/Mass. 1970; Jacob Katz: Zwischen Messianismus und Zionismus. Zur jüdischen Sozialgeschichte, Frankfurt a. M. 1993, 72 ff.; Gabor Kiszely: Freimaurer-Hochgrade. Lehrarten und Pseudoriten, Innsbruck 2009, 111 f.; Ferdinand Runkel: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd. 2, Berlin 1932; Georg Schuster: Die geheimen Gesellschaften, Verbindungen und Orden, Bd. 2, Leipzig 1906 (Wiesbaden 1991); August Wolfstieg: Ursprung und Entwicklung der Freimaurerei. Ihre geschichtlichen, sozialen und geistigen Wurzeln, Berlin 1920; Gerald Fischer-Colbrie: «Mozart und die Asiatischen Brüder», in: Mozart und die geheimen Gesellschaften seiner Zeit, hg. von Helmut Reinalter, Innsbruck 2006, 89 ff.; Eugen Lennhoff/Oskar Posner/Dieter A. Binder: Internationales Freimaurer Lexikon, München 2006, 448 ff.; Fritz L. Fröhlich: «Der Orden der Ritter und Brüder St. Johannes der Evangelisten aus Asien in Europa», in: QC-Berichte 2 (1975), 2. Aufl 2009, 4 ff.; Friedrich Kneisner: Landgraf Carl zu Hessen und seine Wirksamkeit in der deutschen Freimaurerei, Berlin 1917; Heinrich Lachmann: Geschichte und Gebräuche der maurerischen Hochgrade und Hochgradsysteme, Manuscript für Engbünde, Braunschweig 1866; René Le Forestier: Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, Bd. 4, Leimen 1992; Titus Malms: «Carl Bohemann und der Untergang des Ordens der ‹Asiatischen Brüder› in Pyrmont», in: QC- Jahrbuch 24 (1988), 71 ff.; Gershom Scholem: «Ein verschollener jüdischer Mystiker der Aufklärungszeit. Ephraim Joseph Hirschfeld», in: Yearbook 7 of the Leo Baeck Institute 1962, 247 ff. 2 Vgl. dazu Helmut Reinalter: Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit. Reform, Umbruch und Modernisierung in Aufklärung und Französischer Revolution, Düsseldorf 1989, 17 f.; Helmut Reinalter: Der aufgeklärte Mensch. Das neue Aufklärungsdenken, Würzburg 2016, 13; Helmut Reinalter (Hg.): Aufklärungsprozesse seit dem 18. Jahrhundert, Würzburg 2006, 11 ff
Die bürgerliche Welt- und Lebensanschauung manifestierte sich zur Zeit der Aufklärung auch in neuen Geselligkeits- und Vergesellschaftungsformen. Zu ihnen gehörte eine Vielzahl unterschiedlicher Sozietäten, darunter auch die Freimaurerei und Geheimgesellschaften, die sozial von der höfischen Welt bis in das gebildete und besitzende Bürgertum hineinreichten. Allen Gesellschaften war das Bekenntnis zu den Ideen der Aufklärung, zur Verwirklichung des Gemeinwohls, zur Förderung der Wissenschaften und zur Gewinnung neuer Erkenntnisse gemeinsam. Innerhalb der bürgerlichen Emanzipation bildeten sie eine eigene Entwicklungsstufe zwischen feudaler Korporation und bürgerlicher Assoziation und trugen wesentlich zur Entstehung der Öffentlichkeit bei. Die Freimaurerei und die Geheimgesellschaften, wie z. B. die Rosenkreuzer, verfolgten auch esoterische Ziele und entzogen sich durch ihren Geheimcharakter allerdings der Öffentlichkeit. Sie galten als Aufklärungsgesellschaften und bildeten eine Erscheinungsform eines tiefgreifenden Transformationsprozesses, der die Entstehung der modernen bürgerlichen Gesellschaft beeinflusste. Nur auf der Grundlage des sich langsam herausbildenden modernen Staates mit seiner Bürokratie und der Emanzipation des Bürgertums in Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft konnten sich diese Gesellschaften konstituieren, in denen erstmals über konfessionelle, staatliche und ständische Interessen hinweg für die ganze Gesellschaft verbindliche gemeinsame Anliegen vertreten wurden.3
Die Aufklärung bildete sich zeitlich dort am stärksten heraus, wo sich das Bürgertum bereits sozioökonomisch etabliert hatte und die politische Auseinandersetzung mit der ständisch-feudalen Ordnung und dem Absolutismus aufnahm. Eine wichtige Grundlage dafür war das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit. Dazu zählten nicht nur Zeitschriften, Broschüren und Bücher, sondern auch die neuen Formen der Vereinsbildung. Eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zeitschriften und der gesamten aufgeklärten Buchproduktion bildete die Pressefreiheit, die die Aufklärer von Staat und Kirche forderten. Eine wirkliche Pressefreiheit gab es jedoch im «Aufgeklärten Absolutismus» bzw. in der Spätaufklärung nur in einem sehr eingeschränkten Sinne. Da sich Gelehrtendiskussionen seit Ende der 1770er Jahre auch auf politische Gebiete erstreckten, berührten die Öffentlichkeitsforderungen zwangsläufig auch den Staat. Das Postulat nach Öffentlichkeit entsprach mit seiner politischen Konsequenz dem aufklärerischen Denken, das Verständigkeit und Hinwendung zum Publikum beabsichtigte.4
Der gesellschaftspolitische Anspruch und das soziale Selbstverständnis der Aufklärung bildeten keinen Gegensatz zu ihrer sozialen Realität. Die Aufklärung entwickelte sich zwar im Rahmen der ständischen Gesellschaft, ging aber gleichzeitig über sie hinaus, indem sie entscheidenden Einfluss auf den gesellschaftlichen Wandlungsprozess nahm und sogar zum sozialphilosophischen und publizistischen Medium dieser Veränderung wurde. Die Aufklärung hatte wesentlichen Anteil an der zunehmenden gesellschaftlichen Pluralisierung und Differenzierung, und sie war von ihren Intentionen her sogar eine zum Teil ständetranszendierende gesellschaftliche Bewegung. Zwar gehörte nicht jeder zur Gesellschaft der Aufklärer, doch sollte grundsätzlich jeder die Möglichkeit haben, ihr anzugehören. Die zeitgenössische Verwendung des Begriffs «bürgerliche Gesellschaft» war daher nicht sozialständisch gemeint, sondern zunächst als eine Entgegensetzung zum fiktiven natürlichen Zustand zu verstehen und später als Gegenbegriff zur höfisch-ständischen Gesellschaftsordnung aufzufassen.5
Die Freimaurerei und die Geheimbünde verstanden sich stärker als Gegenprogramm zur Aufklärung, die keine einheitliche Bewegung war und Ambivalenzen aufwies. Das ging schon aus den Begriffen «geheim» und «Geheimnis» hervor. Sie beschrieben Kenntnisse, die der Allgemeinheit verborgen waren und auf einen engen Kreis von Wissenden bzw. Eingeweihten beschränkt blieben. Der B egriff «Geheimlehre» bezeichnete eine esoterische Lehre, die nach innen gerichtet war. Meist enthielt sie religiöse oder philosophische Ideen, die den «Uneingeweihten» nicht mitgeteilt werden konnten. Für die meisten Geheimbünde, wie auch die Freimaurerei, war die Struktur der Geheimhaltung von
3 Helmut Reinalter (Hg.): Aufklärungsgesellschaften, Frankfurt a. M. 1989; Ulrich Im Hof: Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, München 1982; Richard van Dülmen: Die Gesellschaft der Aufklärer, Frankfurt a. M. 1986.
4 Vgl. dazu Reinalter: Freiheit–Gleichheit–Brüderlichkeit, 17; Reinalter: Der aufgeklärte Mensch, 14.
5 Reinalter: Der aufgeklärte Mensch, 14.
besonderer Bedeutung, wobei sich diese auf ganz verschiedene Aspekte bezog. Die Mitglieder von Geheimgesellschaften kannten sich zwar untereinander, traten aber in der Öffentlichkeit nicht als geschlossene Gruppe auf. Die Geheimhaltung konnte auch gesellschaftliche Gründe haben, insbesondere dann, wenn der betreffende Geheimbund kritisiert oder verfolgt wurde. Wenn die Geheimhaltung die Inhalte betraf, ging es meistens um Ziele, Rituale und Symbole der jeweiligen Organisation. Manchmal konnte sich die Geheimhaltung auch auf sehr begrenzte Bereiche beziehen, oder sie war bei gewissen Sachverhalten oder Erfahrungen notwendig, weil häufig spirituelle Phänomene nicht in Worten mitgeteilt werden konnten. Dies traf insbesondere auf Mysterien und Initiationen zu.6 Aus soziologischer Sicht boten sich besondere Kategorien für Geheimbünde an. Sie konnten philanthropisch-humanitäre, revolutionäre und reformerische, politisch-patriotische, religiöse, mystische und okkulte, militärische und ritterliche sowie gesellige Organisationen sein. Das Wort «geheim» trat schon seit dem 15. Jahrhundert als Adjektiv im deutschen Sprachraum auf. Darunter verstand man ursprünglich «zum Haus gehörig», «vertraut». Man fasste das Geheimnis auch unter dem Begriff «Esoterik» bzw. «Hermetik» zusammen, die sich vom «Mysterium» unterschied: Das esoterische Geheimnis wurde bewusst verborgen, während das Mysterium nicht rational erklärt werden konnte. Das Geheimnis stellte eine im Grunde sensible Information dar, die nur Eingeweihte kannten. Im politischen Bereich hatte der Begriff auch die Bezeichnung «klandestin», das vom Lateinischen «clandestinus» (heimlich, geheim) hergeleitet wurde. Das Geheimnis war daher den Mitgliedern der Geheimbünde ein besonderes Anliegen, weil es auch einen Schutz gegenüber der profanen Gesellschaft bot.7
Häufig wurden unter Geheimwissenschaften zwei oder mehrere Geheimlehren zusammengefasst, darunter die ideengeschichtlich älteren Geheimlehren der Magie und Astrologie in der Antike und im Mittelalter sowie die jüngeren Lehren der Alchemie, Theosophie und Kabbala in der Neuzeit. Die jüngeren Geheimlehren wurden als theistische Spekulationen eingestuft, die Pansophie war pantheistisch oder panentheistisch ausgerichtet und beeinflusst von den kosmologischen, theologischen und jüngeren philosophischen Spekulationen über die Natur sowie den Lehren der Gnosis und des Neuplatonismus.8
Mit den Geheimlehren und dem Geheimwissen hängen auch der Okkultismus und der Obskurantismus zusammen. Der zweite Begriff wurde von Aufklärern im 18. Jahrhundert häufig als rhetorisches Mittel benutzt. Man verstand darunter eine oft metaphysische oder auch religiöse Denkweise, die im Gegensatz zu den Ideen der Aufklärung stand. Unter «Okkultismus» verstand man eine unscharfe Sammelbezeichnung für Verborgenes, Verdecktes und Geheimes, für Praktiken, Rituale und weltanschauliche Systeme. Dieser Begriff fand auch für unterschiedliche esoterische Strömungen der Neuzeit Verwendung. Im 16. Jahrhundert sprach man sogar von okkulten Wissenschaften, worunter die Astrologie, Alchemie und Magie gemeint waren. Zur Zeit der Aufklärung wurde der Okkultismus als antiaufklärerisch abgelehnt.9
Über die Entstehung der Freimaurerei haben sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Theorien, Mythen und Legenden entwickelt. In der älteren Freimaurerforschung wurden direkte Linien zwischen den heutigen Logen und den antiken Mysterienbünden vermutet, um die esoterisch-hermetischen Wurzeln der Freimaurerei zu erklären. Als wesentlich stichhaltiger erwies sich allerdings die These, die Vorstufen der modernen Freimaurerei seien die beruflichen Zusammenschlüsse der Handwerker und Bauleute und deren Bruderschaften gewesen. Vor allem enthält das Brauchtum dieser Vereinigungen schon maurerisches Gedankengut. Für die weitere Entwicklung der Freimaurerei wurde dann die Tatsache bedeutsam, dass die Maurergilden in England auch andere Berufsgruppen in ihre Reihen aufnahmen. Nach der englischen Definition ist die spekulative Freimaurerei, im Unterschied zur Werkmaurerei, der sie entsprang, ein humanitäres System, das durch Allegorien und Symbole gekennzeichnet war. Mangels eines eigenständigen wirtschaftlich starken Bürgertums und
6 Vgl. dazu Helmut Reinalter: Geheimbünde, Ditzingen 2020, 1 ff.
7 Ebd., 2 f
8 Ebd., 3 f.
9 Ebd., 6 ff
durch die strukturelle Krise des späten Absolutismus wurde allerdings die Freimaurerei, die die Aufklärungsbewegung unterstützte, langsam zurückgedrängt. Im Niedergang spaltete sie sich schließlich in verschiedene Richtungen auf. Dabei entstanden teilweise entgegengesetzt orientierte Geheimbünde, wie die Rosenkreuzer und die Illuminaten.10
Bei den Rosenkreuzern muss man zwischen der älteren Rosenkreuzer-Bewegung und der jüngeren Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer unterscheiden.11 Der Geheimbund der Rosenkreuzer fasste eine «Generalreformation der Welt» ins Auge. Zu seinen Mitgliedern zählte die damalige geistige Elite. Der Geheimbund erlangte in der Frühen Neuzeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für Politik und Wissenschaft und nahm seinen Ausgangspunkt von den rosenkreuzerischen Traktaten bzw. Manifesten des Johann Valentin Andreae. Die Rosenkreuzer wollten eine Gelehrtenrepublik gründen, um das umfassende Wissen der Zeit ans Licht zu bringen. Im Mittelpunkt der Traktate stand die Person des Christian Rosenkreuz, auf den wahrscheinlich die Gründung der Bruderschaft zurückgeht.12 Zwischen der älteren Rosenkreuzerbewegung und der im 18. Jahrhundert entstandenen Bruderschaft der «Gold- und Rosenkreuzer» bestand personell kein direkter Zusammenhang, wohl aber in geistiger Hinsicht. Der erste Hinweis auf die Gold- und Rosenkreuzer war die Schrift von Sincerus Renatus (Samuel Richter) aus dem Jahre 1710: Die wahrhaffte und vollkommene Beschreibung des philosophischen Steins der Bruderschaft aus dem Orden des Gülden- und Rosenkreutzes denen Filiis Doctrinae zum Besten publiciret von S. R. (d.i. Sincerus Renatus) 13 Die Verbindung von Rose und Kreuz mit dem Gold stand für die Zweiteilung des rosenkreuzerischen Geheimwissens in Theologie und Philosophie.
1782 tagte in Wilhelmsbad bei Hanau ein internationaler Freimaurerkonvent, der wegen der Ausuferung der regulären schottischen Hochgradmaurerei, des Auftretens unseriöser Konkurrenten, neuer Ursprungssuche, Fehlentwicklungen in System und Ritual und Abspaltungsversuchen sowie Legitimationsproblemen einberufen wurde. Alle diese Bestrebungen weckten in Freimaurerkreisen die Hoffnung auf eine schon längst notwendige Neuordnung. Auf dem Konvent traten daher sehr heterogene esoterisch-ideologische Strömungen hervor. Die drei Hauptgruppen umfassten die Anhänger verschiedener hermetisch-alchemistischer Traditionen, die französischen Vertreter des mystisch-spiritualistisch-martinistischen Lyoner Systems sowie die Rationalisten und Aufklärer. Nach diesem Konvent entstand der «Eklektische Bund» in Frankfurt, der vorsah, dass nur mehr die drei Johannisgrade (Lehrlings-, Gesellen- und Meistergrad) künftig als verbindlich anerkannt werden sollten. Auf dem Konvent setzte sich schließlich das Lyoner System durch. Dies bedeutete das Ende der Templerlegende und des Templerzeremoniells. Auch die Auffassung über die Herkunft der Freimaurerei vom Templer-Orden wurde aufgegeben.14 Ecker und Eckhoffen wollte auf dem Konvent eine größere Rolle spielen, was aber von dem Berliner Rosenkreuzer Johann Christoph von Wöllner verhindert wurde.
In Österreich erließ Kaiser Joseph II. am 11. Dezember 1785 ein Handbillett, mit dem die Logen der Polizeiaufsicht unterstellt wurden. Man wollte die österreichische Freimaurerei von Alchemisten und «Asiatischen Brüdern» säubern. Mit der Gründung der Österreichischen Großen Landesloge
10 Über die Geschichte der Freimaurerei vgl. auswahlweise Charles Bokor: Winkelmaß und Zirkel. Die Geschichte der Freimaurer, Wien 1980; Dieter A. Binder: Die diskrete Gesellschaft. Geschichte und Symbolik der Freimaurer, Graz 1988; August F. Fleck: Das Freimaurertum. Sein Wesen, seine Geschichte, Hamburg 1950 (Erg.- Bd. 1971); Helmut Reinalter: Freimaurerei, Politik und Gesellschaft. Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes, Wien 2018.
11 Vgl. dazu auswahlweise Frick: Die Erleuchteten; Roland Edighoffer: Die Rosenkreuzer, München 1995; Clemens Zerling: Die Rosenkreuzer. Geschichte einer Idee zwischen Mythos und Wirklichkeit, Graz 2009; Horst Möller: «Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer. Struktur, Zielsetzung und Wirkung einer anti-aufklärerischen Geheimgesellschaft», in: Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, hg. von Helmut Reinalter, Frankfurt a. M. 4. Aufl 1993, 199 ff.; Reinalter: Geheimbünde, 14 ff.
12 Reinalter: Geheimbünde, 14 ff.
13 Ebd., 18.
14 Vgl. dazu grundlegend Helmut Reinalter/Reinhard Markner/Claus Oberhauser/Peter Volk (Hg.): Aktenedition über den Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent 1782, 2 Bde., Basel 2018 und 2021.
1784 wurde die Einigung und Zusammenfassung sämtlicher Logen in der Habsburgermonarchie –mit Ausnahme der österreichischen Niederlande – vollzogen. Dabei spielte Ignaz von Borns Tätigkeit in Richtung einer einheitlichen freimaurerischen Organisation eine wesentliche Rolle. Mit der Vereinigung aller Logen schüttelten diese die Abhängigkeit vom Ausland (von Berlin) ab, was ganz den Intentionen Josephs II. entsprach.15
Das Verhältnis der Freimaurerei zum Judentum war trotz Aufklärung und Toleranz im 18. Jahrhundert problematisch. Die soziale Gleichstellung der Juden war im Gegensatz zu England noch von Ablehnung gekennzeichnet. Die Befürwortung einer stärkeren Einbeziehung von Juden in Staat und Gesellschaft rief auch noch in der Spätaufklärung Zweifel und Ablehnung hervor. Die gesellschaftliche Vermischung von Juden und Nichtjuden wurde sogar als sittenwidrig bezeichnet, obwohl schon seit den 1770er und 1780er Jahren in Berlin und Königsberg die Haskala, die jüdische Aufklärung, entstand und sich von dort aus auch verbreitete. Diese Bewegung baute auf den Ideen der europäischen Aufklärung auf und trat für Toleranz und gleichberechtigte Stellung der Juden ein.16 In Hamburg wurden teilweise Juden als Besucher in den Logen zugelassen. Allerdings konnten die Juden nur Mitglieder von «irregulären» Logen werden. Im Jahre 1783 entstand die Loge «Zum flammenden Stern», die 1785 ihren Namen «Zum glänzenden Felsen» und 1787 zu Ehren von Herzog Ferdinand von Braunschweig «Ferdinand zum Felsen» annahm. Als deren Gründer trat Hans Karl von Ecker und Eckhoffen, der Rosenkreuzer war, hervor.17
Die Gründung und historische Entwicklung des Ordens
Diese gesamte Entwicklung mit ihren krisenhaften Zügen bildete auch den Hintergrund der Gründung des Ordens der «Asiatischen Brüder». Am Beginn der Geschichte des Ordens, der sich «Orden der Ritter und Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa» (häufig in den Quellen auch als St. Johann bezeichnet) nannte, soll hier zunächst auf dessen Lehre, Ziele und Aufgaben kurz hingewiesen werden.
«In mystisches Dunkel seine angebliche Herkunft aus dem Orient verhüllend, pries der ‹Orden von Memphis› seine Lehren als die geheimen Quellen tiefster Weisheit an, kleidete sich in ein pomphaft aufgeputztes Gewand von zahlreichen Graden und Klassen, legte seinen Leitern und Würdenträgern in verschwenderischer Fülle die abenteuerlichsten orientalischen Namen bei und bot, indem er zugleich Freimaurern aller Systeme bereitwillig seine Pforten offenstellte, Alles auf, um nach Taschenspieler-Art durch lockenden Aufputz Leichtgläubige zu blenden», polemisierte ein Beitrag in der Zeitschrift Latomia. 18 Der eigentliche Inhalt der Lehren ist in der General-Instruktion festgelegt. In Paragraph 1 heißt es dort:
«Jeder Bruder, sei er welcher Religion, von welchem Stand und System er immer wolle, wenn er nur sonsten ein edeldenkender, rechtschaffener und echter Biedermann ist, kann im Orden eintreten, hauptsächlich weil das Wohl und die Glückseligkeit der Menschen der einzige Endzweck unsers System, nicht von der Religion, in der wir geboren, noch von dem Stande, in dem wir erzogen worden sind, im Geringsten abhängen kann».
15 Vgl. dazu Helmut Reinalter (Hg.): Die Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit, Frankfurt a. M., Bern, New York, Paris 1991; Helmut Reinalter: «Kaiser Joseph II. und die Freimaurerei», in: ders.: Kaiser Joseph II. und seine Zeit, Innsbruck 2023, 141 ff.; Helmut Reinalter: «Kaiser Joseph II. und die Freimaurerei im Lichte zeitgenössischer Broschüren», in: ebd., 164 ff.
16 Vgl. dazu auswahlweise Christoph Schulte: Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte, München 2002; Jacob Allerhand: Das Judentum in der Aufklärung, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980; Jacob Katz: Aus dem Ghetto in die bürgerliche Gesellschaft. Jüdische Emanzipation 1770–1870, Frankfurt a. M. 1986.
17 S. dazu Martin Papenheim: Kleine Geschichte der Freimaurerei in Hamburg, Eisfeld 2023, 58 f.
18 Latomia 20 (1861), 208; vgl. dazu auch die Texte zur Organisationsstruktur in der vorliegenden Edition, S. 27 ff.
In Paragraph 2 wird betont: «So ein Bruder muss aber durch eine ordentliche gesetzmäßige Melchizedek oder St. Johannisloge als Freimaurer, Ritter und Meister legalisirt sein.»19 In Paragraph 3 wird auf die Melchizedek-Loge hingewiesen:
«Unter dem Namen: Melchizedek-Loge verstehen sich […] jene Logen, in welchen Juden, Türken, Perser, Armenier, Kopten usw. arbeiten, deren viele in Europa als in Italien, Holland, England, Portugal und Spanien existiren, der Orden aber für Europa zum grossen Werke der Einheit bestimmt ist. Die St. Johanneslogen bestehen, wie bekannt, nur aus Christen.»20
Paragraph 6 der Instruktion enthält eine besondere Erklärung:
«a) dass er keine andern Geheimnisse als die echten moralischen und physischen Aufschlüsse der Hieroglyphen des sehr ehrwürdigen Ordens der Ritter und Brüder Freimaurer besitze, weil der Orden ausser diesen keine Wahrheiten kennt; b) dass der Orden selbst nichts anderes als eine brüderliche Vereinigung aller rechtschaffenen und getheilten Menschenkinder sei, welche einmüthig bemüht sind, die Vervollkommnung des Menschen in seinem natürlichen Zustande, sodann alle Heilungsmittel natürlicher Dinge zu erforschen, zu deren Erlangung der Orden einem Jeden nach seiner Art die Anweisung gratis geben wird.»21
Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen schreibt zum Orden:
«Wir müßen […] ein für allemal bemercken, daß der Ordens übrigens – Lehren, Unterweisungen, und Rath und That wohl Brüdern an Handen geben, aber den Geist der Lehre, Ihren wahren Sinn und Verstand in allen seinen Verhältnissen aber nur jene mittheilen kann, der auch die schwächsten Geschäfte der Materie bis zur Erkenntniß des Edelsten der Sterblichen zur erhabenen Macht hat. Denn die Kräfte des Ordens reichen nicht so weit, daß er aus einer Eule in menschlicher Gestalt, in eben dieser gestalt einen Phœnix machen könne.»22
In den Allgemeinen Gesetzen des Ordens, Art. 1, heißt es über Ziel und Zweck des Ordens:
«Jeder Bruder, sey er welcher Religion, welches Standes und von welchem System er immer wolle, wenn er nur sonst ein edeldenkender, rechtschaffener und ächter Biedermann ist, kann im Orden eintreten; Hauptsächlich, weil das Wohl und die Glückseeligkeit der Menschen der einzige Endzweck unsers Systems nicht von der Religion, in der wir gebohren, noch von dem Stande, in dem wir erzogen worden sind, im geringsten abhängen kann.»23
Im Art. 3 der Allgemeinen Gesetze wird darauf hingewiesen, dass der Orden eine
«brüderliche Vereinigung edeldenkender, frommer, gelehrter, erfahrener und verschwiegener Männer, ohne Rücksicht auf Religion, Geburt und Stand seyn, welche bemühet sind, nach den Anweisungen des Ordens die Geheimnisse und Erkenntnisse aller natürlichen Dinge, zum Besten der Menschheit zu erforschen.»24
19 Latomia 20 (1861), 210; vgl. dazu auch die Texte zur Organisationsstruktur in der vorliegenden Edition, S. 27 ff.
20 Latomia 20 (1861), 210.
21 Latomia 20 (1861), 210 f.; vgl. dazu auch die Texte zur Organisationsstruktur, S. 27 ff.
22 Akten und Texte zum Orden der Ritter und Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa, Zeugnisse zur Ordensgeschichte, Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen Zum ewigen Gedächtnis (1790), S. 3 ff.
23 Allgemeine Gesetze, Texte zur Organisationsstruktur, S. 31 ff.
24 Ebd.
Im Grunde waren die «Asiatischen Brüder» eine Absplitterung der Rosenkreuzer ohne kirchliche christliche Elemente. In die Lehre wurde die Zahlensymbolik des Martinismus mit kabbalistischen Bezügen der Rosenkreuzer verbunden. Als Vorstufe des Ordens galt der «mächtige und weise Orden der Ritter und Brüder des Lichts», dessen Gründer Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen (1750–1790) war, der sich aber von den Rosenkreuzern trennte.25 Er war deutscher Adeliger, königlich-polnischer Geheimer Rat und seit 1788 herzoglich braunschweigischer Landdrost, weiter auch Freimaurer und Rosenkreuzer. Durch kabbalistische Elemente im Ritual ermöglichte er die Aufnahme von Juden. Darauf aufbauend begründete er 1782 mit Unterstützung des Landgrafen Karl von Hessen den Orden der «Asiatischen Brüder».
Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer
Die älteste Quelle über die Gold- und Rosenkreuzer-Bruderschaft Aureum Vellus seu Iunioratus Fratrum Rosae Crucis von einem Mitglied der «Prager Assemblée» stammt aus dem Jahre 1761. Sie enthält Statuten sowie ein Ritual und wurde zum Teil wörtlich aus der 1749 in Leipzig erschienenen Schrift von Johann Heinrich Schmidt (alias Hermann Fictuld) abgeschrieben. Zwei Mal wird darin eine «Societät der Goldenen Rosenkreutzer» erwähnt. Vor 1767 bestand die Bruderschaft aus einem Kaiser und einem Vizekaiser, die aber nach der Ordensreform nicht mehr erwähnt werden, und aus sieben Klassen, die sich aus 77 Magi, 700 Majoratsmitgliedern, 1000 Adepti exempti, 1000 Jüngern sowie aus den zuletzt aufgenommenen Personen zusammensetzten. Spätere Organisationsformen waren bereits in ihrer Grundstruktur angelegt. Laut Statuten war die Aufnahme von Deisten und Heiden verboten, während Juden in Ausnahmefällen beitreten durften. Der Orden wurde 1764 durch die Aufhebung des Prager Zirkels öffentlich bekannt. In diesem Kreis war bereits eine enge Verbindung zwischen den Rosenkreuzern und der Freimaurerei entstanden, was auch aus der Bezeichnung «Loge zur schwarzen Rose» und aus der Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft hervorgeht. Die Integration der Rosenkreuzer in die Freimaurerei wurde vor allem durch das Hochgradsystem begünstigt, das allerdings den aufgeklärten Zielen der Maurerei widersprach. Die Rosenkreuzer gaben sich innerhalb dieses Systems als die höchste Stufe der Freimaurerei aus. So wurde z. B. in dem 1777 erlassenen zweiten Hauptplan betont, zur besseren Verbergung der oberen Klassen seien drei unterste Klassen der Freimaurerei als Pflanzschule zu höheren Wissenschaften errichtet worden. Die Mitgliedschaft in der Freimaurerei wurde zur Voraussetzung für die Aufnahme in die Rosenkreuzer-Bruderschaft.26
Das Herrschaftssystem des Ordens wurde durch eine Hierarchie des Wissens ideell gefestigt. Dieses System gliederte sich in neun Grade, die dem jeweiligen Stand in der rosenkreuzerischen Ausbildung und der praktischen sowie theoretischen Kenntnis der Lehre der Rosenkreuzer entsprachen. Im Jahre 1777 zählte der Orden bereits 5856 Mitglieder, die sich nun – wie erwähnt – auf neun Grade verteilten: 7 Magi, 77 Magistri, 777 Adepti exempti, 788 Majores, 799 Minores, 822 Philosophi, 833 Practici, 841 Theoretici und 909 Juniores. Die Mitglieder der Bruderschaft waren Naturforscher, Ärzte, höhere Offiziere, Philosophen, Theologen und Abenteurer und stammten vorwiegend aus höheren bürgerlichen oder adeligen Schichten.27
Die Ziele des Ordens waren vorwiegend religiöser Natur. Im Zentrum stand eine pansophische Emanationslehre, wonach die Natur ein «Ausfluss der Schöpferkraft Gottes und somit selbst ein Stück Gottheit» war. Sein Lehrgebäude und seine Aufgaben bestanden aus Überlegungen zu den Kräften der Natur, aus Kommunikation mit den Geistern der Verstorbenen, aus Transmutation von unedlen Metallen in Gold, aus der Suche nach dem Stein der Weisen sowie aus mystischer Union mit Jesus
25 Zur komplizierten Vorgeschichte des Ordens vgl. Frick: Die Erleuchteten, 454 ff.; s. auch den Text in der vorliegenden Edition, Zeugnisse zur Ordensgeschichte, Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen Zum ewigen Gedächtnis (1790), S. 3 ff
26 Reinalter: Geheimbünde, 18 f.
27 Ebd., 20 ff
und seinen Engeln.28 Im Zuge der Entstehung politischer Richtungen in der Aufklärungszeit politisierte sich der Orden stärker als vorher. Dabei standen eine ausgeprägte Personalpolitik und die Bildung einer sozialintegrierenden älteren Gruppe im Vordergrund. Das Beispiel Johann Christoph von Wöllners (1732–1800) zeigt allerdings, dass die Rosenkreuzer auch nach der Politisierung des Ordenszweckes religiös orientiert blieben. Die Auseinandersetzung mit der Aufklärung, die die rosenkreuzerische Politik prägte, war ein ausgeprägter Kampf gegen Irreligiosität, Deismus und Naturalismus. Politisches Gesicht gewann der Orden vor allem in Preußen und mit Abstrichen auch in Bayern.29
Nach 1767 breiteten sich die Rosenkreuzer rasch aus und gewannen zunehmend an Einfluss, insbesondere in Süddeutschland, Wien, Sachsen, Schlesien, Berlin und weiteren Gebieten in Norddeutschland, in Schweden und Dänemark, in Russland und Polen. Mit der Herrschaft König Friedrich Wilhelms II. von Preußen (1744–1797) erreichte der Orden seinen Zenit, doch bald setzte dann aufgrund seiner verstärkten politischen Aktivität sein Niedergang ein. Intern kam zudem Kritik auf, da versprochene Wunder ausblieben und der Beschluss des Wilhelmsbader Freimaurer-Konvents von 1782 das Hochgradsystem der Strikten Observanz innerhalb der Freimaurerei und damit den Einfluss der Rosenkreuzer schwächte.30
Nach 1787 trat der Orden nicht mehr in Erscheinung, er wirkte aber nach. In diesem Jahr wurde ein sogenanntes «Silarium», der einstweilige Stillstand der Arbeit, verfügt. Das genaue Ende der Rosenkreuzer-Bruderschaft ist wie ihr Anfang leider nicht exakt zu datieren. Er spielte aber bei der Gründung des jüdischen Hochgradsystems der «Asiatischen Brüder» eine wesentliche Rolle. In der Forschung wurde auch die These vertreten, dass dieses Hochgradsystem aus der Rosenkreuzer-Bruderschaft hervorgegangen sei, wobei hier besonders das geheime Wissen, die Mischung aus kirchlichen Reformideen und mystischer Alchemie, eine zentrale Rolle spielte. Das Eindringen der Rosenkreuzer in die Freimaurerei wurde allgemein vor allem durch das Hochgradsystem begünstigt.31 Der erste Hinweis auf die Gold- und Rosenkreuzer ist die bereits erwähnte Schrift von Sincerus Renatus (Samuel Richter) von 1710. Das Hochgradsystem der «Asiatischen Brüder» war ursprünglich eine Abspaltung der Gold- und Rosenkreuzer, die auf persönliche Auseinandersetzungen innerhalb des Ordens zurückgeführt werden konnte.
Die «Asiatischen Brüder» entwickelten allerdings ein eigenes Ordenssystem, wie die Akten zeigen. Ihr Begründer war, wie bereits erwähnt, Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen. Persönliche Gründe machten Ecker zum Gegner der Gold- und Rosenkreuzer, obwohl er ein Anhänger der mystischen Freimaurerei war und geblieben ist. Er war in Wien Gründer und auch Mitglied der alchemistisch-rosenkreuzerisch arbeitenden Loge «Zu den sieben Himmeln» und Mitglied der Loge «Zum Hl. Joseph».32 Die Loge «Zu den sieben Himmeln» wurde am 18. August 1780 gegründet und 1782 auf Loge «Zur Beständigkeit» umbenannt. Ecker und Eckhoffen war Deputierter Meister dieser Loge.33 Er und sein Bruder Hans Karl (1754–1809) waren im Orden sehr aktiv, wobei Hans Heinrich auch Mitglied der Rosenkreuzer in Sulzbach war. Die Brüder wurden schon sehr früh unter dem Ordensnamen Nichneri Veckorth (auch Nicherrri Vockort) und Victor Enakenus (auch Hosmopina Neb(e)rus) in den Orden der Gold- und Rosenkreuzer aufgenommen. Es war vor allem die mystische Freimaurerei, die Hans Heinrich an den Rosenkreuzern besonders interessierte. Er wurde allerdings dann aus dem Rosenkreuzerorden ausgewiesen und veröffentlichte 1781 die Streitschrift Der Rosenkreuzer in seiner Blösse. Zum Nutzen der Staaten hingestellt durch Zweifel wider die wahre Weisheit der so genannten ächten Freymäurer oder goldnen Rosenkreutzer des alten Systems, «in der die Rosenkreuzer und Temp-
28 Vgl. dazu Gabor Kiszely: Freimaurer-Hochgrade. Lehrarten und Pseudoriten, Innsbruck 2009, 107 ff.
29 Reinalter: Geheimbünde, 21 f.
30 Ebd., 22; Helmut Reinalter/ Reinhard Markner/Claus Oberhauser/Peter Volk: Aktenedition über den Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent 1782.
31 Helmut Reinalter: Die Freimaurer, München 2000, 79 f.
32 Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) KA, Vertrauliche Akten 72/7/11, 72/7/12; vgl. auch Günter K. Kodek: Brüder, reicht die Hand zum Bunde. Die Mitglieder der Wiener Freimaurer-Logen 1742–1848, Wien 2011, 62 f.
33 Günter K. Kodek: Von der Alchemie zur Aufklärung. Chronik der Freimaurerei in Österreich und den Habsburgischen Erblanden 1717–1867, Wien 2011, 131 f., 145, 92.
ler als Marionetten dargestellt wurden, deren Puppenspieler die Jesuiten waren.»34 Dazu gibt es ein Fragment der Suspendierung Hans Heinrichs von Ecker und Eckhoffen aus dem Orden der Goldund Rosenkreuzer wahrscheinlich aus dem Jahre 1781. Dort heißt es u. a.:
«Es ist durch unmittheilbare Wege hierorts die wahrhafte Anzeige geschehen, wienoch in WIEN ein gewisser Eckhof, deput. Mstr von der dortigen ▭ zu 7 Himmeln, neue Confusionen machet, durch seine Aussagen die in der jüngst gedrukten Schmähschrift über Jes. Fmr. u deutsche R. C. den Ons. Vorstehern angedichteten Beschuldigungen zu bestättigen, andurch sich Anhang zu verschaffen suchet, u vorgibt, den allein ächten Fm Ord. zuzugehören, bey welchem einem jeden 2ten /Candidaten ?? Agn./ alle falschen Systemen kennbar gemachet, wieder dieselben Warnungen gegeben, u. bey der Aufnahme biblische Wunderwirkungen sammt der projection gezeiget würden.
Er gibt vor alle NEUN R. C. Gr. zu besitzen, u nicht nur alle dortortigen, sondern auch viele auf verschiedenen anderen Plätzen etablierte BBr zu kennen, nennet einen Jefrex, einen Cephalum u. andere öffentl. mit Namen, bedauert solche als Betrogene, kurz er predigt wieder unsern hochheil. On. eben so, als wie der Verfasser der oberwehnten Schmähschrift.
Ob nun zwar der On. auf alle derley Verläumdungen u ihre Urheber mit Verachtung hinabzusehen gewohnt ist, u trotz aller Stürme, die des Lucifers finstern Lügenreich wieder denselben zu erwerken sich unaufhörl. beeifert, durch die mitwirkende Seegensgnade des Himmel bis aufs Ende der Zeiten zum Wohl der Menschheit immerhin unschütterl. verbleiben wird, so erfordern doch die wahren Gottesfurcht, u reine nächsten Liebe, u unsere ersten u fürnehmsten Eydes Pflichten, daß – gleichwie der obgedachte Eckhof jener excludierte Sectierer, u. jener von einem hohen Ons. Generalat wegen seinen in BAIERN zu BURGHAUSEN u MÜNCHEN, auch anderen Orten zum Betrug u Schaden seiner Nebenmenschen ausgeübten Graderdichtungen, Systemen-Schmiedereyen, falschen Receptionen u Geldschneidereyen etc. längstens durch die ganze Welt proscribirte 3 gradige Junior practicus Nichneri Veckort, vulgo Heinrich v. ECKER UND ECKHOFEN ist, durch dessen täuschende Naturgaben nicht nur schwache Glieder des inneren Ons. geärgert u wankend gemacht, sondern auch gute BBr des Vorhofes fortwährend verführt, betrogen u in Schaden gebracht werden könnten – seinen Betrügereyen durch das dortortige Hw. O. H. Dum. unverzügl. u dergestalt Einhalt geschehe, damit alle BBr u ▭ ▭ wieder dessen Schalkheit, List, Täuschungen, u allen daraus erwachsenden Schaden u Nachtheil für die Zukunft gesichert seyn mögen.»35
Es folgt dann die Aufzählung von acht notwendigen Konsequenzen für die begangenen Freveltaten und die Begründung für den Ausschluss Eckers. Zu den «Rosenkreuzern in der Blösse» wurde auch eine Schrift verfasst, um zu belegen, wer diese Schrift eigentlich geschrieben hat.36
Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen schuf 1776 in Burghausen den Orden «Rotae et aureae crucis», der ursprünglich auch an der Universität Ingolstadt Resonanz fand.
«Die Aufnahmesuchenden erhielten bei ihrer Einweihung einen kabbalistischen Ordensnamen und ein Wappen. Anscheinend wurde die Verwendung der Aufnahmegelder für eigene Zwecke des Begründers und Stuhlmeisters Hans Heinrich bald von den Mitgliedern des Ordens durchschaut. Sie forderten ihr Geld zurück.»37
34 Edighoffer: Die Rosenkreuzer, 110.
35 Deg LXX. 43/ Achtserklärung der Nichneri Veckort ddo. 16/10 78/ Agn//in extenso/; Abschrift im ungarischen Staatsarchiv Budapest, P 1134, 1/18.
36 [Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen]: Nichneri Vekorth an Phöbron Chlun über den in der Wahrheit stralenden Rosenkreuzer, Regensburg 1782.
37 Vgl. dazu Frick: Die Erleuchteten, 455 f.
So musste Ecker und Eckhoffen 1779 nach München fliehen, wo er die Arbeiten an der Ordensgründung fortsetzen wollte. In München kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit den Ordensoberen der Gold- und Rosenkreuzer. So war er gezwungen, 1781 nach Wien zu flüchten, zumal ihn der Orden der Gold- und Rosenkreuzer in der Zwischenzeit ausgeschlossen hatte.
«Als Begründung des Ausschlusses […] wurde Mangel an Gehorsam und Verträglichkeit angegeben. Die eigentlichen Gründe dürften wohl die Einbehaltung der Aufnahmegebühren und die Errichtung eines eigenen Ordens gewesen sein. Ob unter dem Pseudonym ‹Magister Pianco› Hans Heinrich oder, wie Ecker und Eckhoffen selbst behauptete, ein gewisser Weiss sich verbarg, kann heute wohl kaum noch nachgewiesen werden.»38
So erschien im Jahre 1781 die erste «Verräterschrift» gegen die Gold- und Rosenkreuzer.39 Was die Geschichte des Ordens betrifft, sind die beiden Schriften von Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen und von Franz Joseph Molitor von besonderer Bedeutung, wobei dem erstgenannten Text noch mehr Gewicht zukommt.40 Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen beginnt seine Schrift mit der Vorgeschichte des Ordens und schildert den langsamen Aufbau des Ordens mit den vielen Verbindungen und Kontakten, die hergestellt wurden. Er weist dabei auch auf Schwierigkeiten und Probleme hin, mit denen der Orden konfrontiert war. So erwähnt er z. B. den Freimaurerkonvent von Wilhelmsbad 1782. Dazu stellt er fest:
«Der Freymaurer-Convent von Wilhelmsbad war Uns ebenfalls nicht günstiger – Auch diese in keinem Betracht verdiente schreckliche unbrüderliche Behandlung ertrugen Wir mit Seelengröße, und Unser Innerste sagte Uns, daß Wir unschuldig litten. Unser Leiden war den kleinen Häufchen Unserer Brüder gewidmet und wir schätzten Uns glücklich für die gute Sache und Sie leiden zu können. Die Folge des Convents war: daß Wir für Unsere Person von Osten bis Westen und von Süden bis ins äußerste Norden, als ein gefährlicher, böser, schwarzer und erklärter Cacomagischer Bruder bekannt wurden. Die [m]eisten Unserer wenigen guten Brüder zogen sich betrübt über diesen Hergang in sich selbst zurück, weil sie (wie sehr natürlich und billig) nicht nöt[h]ig fanden, ihre profane Dienste, ihre Ehre, das Glück ihrer Frau und Kinder und gantzer Familien, dem Haß, der Rache und der schrecklichsten Verfolgung Preiß zugeben. Wir allein blieben an der Spitze allgemein bekannt[,] und die Augen aller Brüder waren auf Uns gerichtet.
Der Einflus des Convents zu Wilhelmsbad auf Unsere Sache, zu welchem sich wohl noch verschiedene andere geselleten – Dies zusammen genommen, war Ursach, daß die beiden O[bern] Brüder [Scharia] und [Nathan] in jedem Betracht eben den so unerhörten als Gesetzwidrigen Schritt (den Sie nie thun dürften und konnten) thaten, und Sich auf eine unbestimmte Zeit vom Synedrion zurück zogen, um das Ungewitter in Ruhe zuzusehen, das dem Orden, fürzüglich aber Unsere Person drohete – Wir konnten diesen so unerwarteten Schritt nicht hindern, und erwarteten übrigens alle Schicksaale der Zukunfft in vollkommenster Ruhe.»41
Er geht dann auf die Ordensgesetze und Pflichten ein und weist auf die alten Konstitutionsbriefe hin, die durch neue ersetzt wurden. Dass auch israelitische Brüder in den Orden aufgenommen wurden,
38 Ebd., 456.
39 [Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen]: Der Rosenkreutzer in seiner Blösse. Zum Nutzen der Staaten hingestellt durch Zweifel wider die wahre Weisheit der so genannten Ächten Freymeurer oder goldnen Rosenkreutzer des alten Systems, Amsterdam (Nürnberg) 1781 (unter dem Pseudonym Magister Pianco erschienen).
40 Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen: Kurtzer Auszug der Schrift betitelt Zum ewigen Ordens Gedächtnis (ADFO Kopenhagen) und Franz Joseph Molitor: Geschichte des Ordens der Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa (1828) (Klossiana Den Haag), beide Schriften in der vorliegenden Edition, S. 3 ff. und S. 17 ff.
41 Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen: Kurtzer Auszug der Schrift betitelt Zum ewigen Ordens Gedächtnis, vorliegende Edition, S. 3 ff.
darunter Ephraim Joseph Hirschel (Hirschfeld), wird besonders hervorgehoben. Weiters werden auch die Geschäfte des Ordens, die Aufnahmen, Lehren, die gesetzmäßige Legalisation und Sanktion und die Instruktionen erwähnt. Breiteren Raum nehmen auch die Aktivitäten der «Asiatischen Brüder» in Wien ein. Auch die vielen Reisen der Brüder in deutsche Städte und deren Aktivitäten werden aufgelistet.
«Seit das Jahr 1743/1783 und 1744/1784 aber datieren Wir die gantze Formirung des Ordens unter unsern Augen. Unter Unserer Leitung haben Wir das Synedrion gesammlet, das General-Kapitel, die Vier Haupt Provinz Kapitel, die Provinz Administrations-Kapiteln des Ordens, die Ober Meisterschafften und Meisterschafften formirt. Wir haben den Orden, Brüder – gute und edle Brüder aus allen Ständen einverleibt. Die ersten edelsten, erhabensten und Ächt unterrichtete Brüder der Europäischen Deutschen Maurerey sind zu gleicher Zeit, die Gesetzmäßigen Oberhäupter des Ordens. Wir haben mit strenger Sorgfalt gewacht daß Einigkeit, Ruhe und Friede im Orden herrsche. Wir haben selbst alles vereitelt, was nur den Schein der Ursache haben könnte, diesen zu stören – Wir haben für richtige Mittheilung der reinen Ordens Lehre gesorgt, gesorgt zu viel nur möglich, daß selbe konnten an ihre Behörden überliefert werden –Und wenn diese Überlieferung noch nicht vollständig geschehen ist; so liegt die Ursache darann (wie Wir schon oft erw[ä]hnten) nur an den Mangel des vertrauten Personale um selbe copiren zu können. Daher haben die Hochwürdigsten und Weisen Väter und Brüder Oberster Ordens Groß Meister Coadjutor Melchisedeck-Ben-Joseph keine Kosten gespart, um die Brüder mit den nöthigsten Acten versorgen [zu] laßen. Man übergab dem Druck immer, was nur möglich war, demselben anzu vertrauen. Man förderte die Copialien nach den Kräfften, und beides in der Absicht, um die Wisbegierde, den Eifer und den Unterricht der Brüder, freimüthig, brüderlich und mit Liebvollen Hertzen entgegen zu gehen. Wir können mit Überzeugung sagen, daß diese Liebe zur edlen Brüderschafft, Ihrem wahren Werth und schönes Geld gekostet hat. Wir wollen nichts weiters darüber äussern, weil Wir glauben, daß ein wahrer Bruder nicht leben – aber dencken soll.»42
Am Schluss der Schrift appelliert der Verfasser an die Mitglieder, die Pflichten und den Inhalt der Gesetze strengstens zu befolgen und auch im Leben zu beachten. Im nachfolgenden «Extractus» finden sich weitere ergänzende Hinweise zur Geschichte des Ordens.
In der zweiten Schrift von Franz Joseph Molitor wird gleichfalls die Geschichte des Ordens geschildert. Hans Heinrich spielte bei den Rosenkreuzern eine wichtige Rolle und machte auch wertvolle Bekanntschaften mit Logenmitgliedern in Wien. Dort lernte er Pater Justus Bischoff (1729–1786) kennen, Apotheker beim Franziskanerkloster in Wien. Er gehörte entweder selbst zum Orden der Rosenkreuzer oder trieb doch auf allen Fall alchemistische Arbeiten. Er besaß aber noch andere Kenntniße, die er aus dem Orient mitgebracht hatte, indem er lange Zeit zu Jerusalem im Kloster gewesen war. Er war hier oder anderwärts im Morgenlande mit kabbalistischen Juden bekannt geworden, und namentlich mit einem gewissen Asaria, welcher ursprünglich Kaufmann war, seinen Handel hernach seinen Söhnen übergab, und sich bloß den Wissenschaften widmete. Asaria gehörte zu einer kabbalistischen Judensecte, die in den drei Theilen der alten Welt verbreitet ist, und reiste nach aufgegebener Handlung in Angelegenheiten dieses seines Ordens in den verschiedenen Ländern umher. Bei Justus nun wurde Eckhofen in die Jüdischen mystischen Kenntniße eingeweiht, ohne jedoch besondere Fortschritte im theoretischen Theile derselben zu machen; desto mehr Praktisches aus Alchemie und Magie hatte er selbst von den Rosenkreuzern mitgebracht. Ob er sofort erst eine Verbindung zu solchen geheimen Arbeiten in Wien stiftete, oder ob solche schon P. Justus errichtet hatte, ist ungewiss; Eckhofen aber brachte sie vollkommen in Gang, und zwar anfänglich unter den Namen der Brüder des Lichts. Das Ritual derselben war kabbalistisch, wie denn z. B. die zwey Säulen mit den Sephirennamen Nezach und Hod belegt wurden. Als man diese Form nicht mehr passend fand, so
gab man dem Orden eine andere, und er trat unter dem Namen der Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa hervor.»43
Als Stifter des neuen Ordens wirkte, wie in der Schrift betont wird, Hans Heinrich von Ecker und Eckhoffen. Pater Justus beriet ihn als Lehrer und trat nicht in den Vordergrund, Asaria wirkte als Lehrer von Justus und engagierte sich allerdings nicht aktiv im Orden. Um diesen aufzubauen und geeignete Mitglieder anzuwerben, trat Ecker und Eckhoffen eine Reise an, die ihn auch nach Österreich, nach Wien und Innsbruck führte, wo er Joseph Hirschel (Hirschfeld) (1758–1820) kennenlernte. Ephraim Joseph Hirschfeld, Geburtsname Ephraim Joseph Hirschel, wurde als Sohn des talmudisch ausgebildeten Kantors Joseph Hirschel geboren, besuchte das Gymnasium in Karlsruhe und studierte anschließend an der Universität Straßburg Medizin, er schloss aber das Studium nicht ab. Im Zeitraum von 1779 bis 1781 hielt er sich in Berlin auf, wo er als Buchhalter und Hofmeister von David Friedländer arbeitete und Kontakte zu Moses Mendelssohn und zum Kreis der Haskala pflegte. Im Jahre 1782 reiste er nach Innsbruck und arbeitete dort in der Salzniederlage Gabriel Uffenheimers als Buchhalter.44 Dort war er auch an der Gründung der Loge «Zu den drei Flammen» beteiligt.45 Nachdem Hirschfeld mit Gabriel Uffenheimer in einen Konflikt geriet und nach einem Rechtsstreit vom Gericht eine hohe Geldsumme zugesprochen bekam, war er bei einigen Innsbrucker aristokratischen Familien fallweise Lehrer und Buchhalter. «In Zusammenhang mit seiner Arbeit kam er auch mit dem Vizepräsidenten des Oberösterreichischen Landesguberniums in Innsbruck, Graf Leopold Franz von Künigl, in Kontakt. Künigl war […] Stifter der Innsbrucker Freimaurerloge ‹St. Johannis Loge zu den drei Bergen›.»46 Graf Künigl beauftragte Hirschfeld, den Schriftverkehr des Ordens zu kopieren. Anschließend ging er nach Wien, wo er für den Orden wirkte. Da die «Asiatischen Brüder» 1785 verboten wurden, zogen Ecker und Hirschfeld mithilfe des Landgrafen Karl von Hessen auf dessen Besitz nach Schleswig, wo eine Gruppe der «Asiatischen Brüder» bestand. 1790 kämpfte Hirschfeld mit juristischen Problemen, die aus Auseinandersetzungen mit Ecker resultierten und zu seinem Hausarrest führten. Franz Thomas von Schönfeld befreite ihn 1792 aus dem Hausarrest durch Zahlung von 550 Talern. Schönfeld reiste anschließend nach Paris, wohin ihm Hirschfeld folgte. Dort tobte bereits die Französische Revolution, der Schönfeld durch die Guillotine zum Opfer fiel. Hirschfeld reiste dann nach Frankfurt und Offenbach weiter, wo er von 1792 bis zu seinem Tod lebte. In den letzten Jahrzehnten blieb er noch in Kontakt zum Offenbacher Hof der Frankisten und zum christlichen Kabbalisten Franz Joseph Molitor. Als jüdischer Kabbalist und Freimaurer dürfte bei ihm die Haskala eine größere Rolle gespielt haben. Gershom Scholem nannte Hirschfeld «einen verschollenen jüdischen Mystiker der Aufklärungszeit». In Wien trat Hirschfeld der Freimaurerei bei, was ihn für den Zusammenhang von Kabbala und Esoterik interessant machte. Im Orden der «Asiatischen Brüder» machte er eine rasche Karriere und fungierte gleichsam als Ordens-Ideologe und Impressario, wobei ihm die Kenntnisse der Kabbala hilfreich waren. Sein Wissen über die Kabbala war gut genug, um Rituale und Initiationen praktizieren zu können. «Als Jude mit Kabbala-Kenntnissen hatte Hirschfeld bei den «Asiatischen Brüdern» die Funktion, die Kabbala als Geheimlehre zu hüten und einige ihrer Elemente auf das niedrige Niveau der nicht des Hebräischen Kundigen, christlichen Ordens-Brüder hinunter zu transponieren.»47 Franz Joseph Molitor (1779–1860) war mit Hirschfeld eng befreundet und hat die Geschichte der «Asiatischen Brüder», wie bereits erwähnt, in zwei Versionen aufgeschrieben. Er hatte Talmud, Kabbala und jüdische Philosophie studiert und galt als bedeutender christlicher Kabbalist im 19. Jahrhundert.
Die Zeit für die Juden war damals günstig, weil Kaiser Joseph II. das Toleranzedikt in Böhmen 1781 und in Österreich 1782 erließ. Mit diesem Edikt gab der Kaiser den Bekennern der Augsburgi-
43 Franz Joseph Molitor: Geschichte des Ordens der Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien in Europa (1828), Klossiana Den Haag, 191 D 28, Abschrift von Brönner (auch für das Folgende).
44 Vgl. dazu Thomas Albrich (Hg.): Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol. Vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Innsbruck-Wien 2012, 102 ff.
45 Helmut Reinalter: Geheimbünde in Tirol. Von der Aufklärung bis zur Revolution 1848/49, Innsbruck 2011, 57 ff.
46 Vgl. dazu Albrich: Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol, 102 f.; Reinalter: Geheimbünde in Tirol, 65 ff., 85 ff.
47 Schulte: Die jüdische Aufklärung, 136.