Die Freistellung des Arbeitnehmers

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11.  Ordentliche Kündigung und Sperrfristen

OR rechtsmissbräuchlich sein kann760. Ein rechtsmissbräuchliches Geltendmachen des zeitlichen Kündigungsschutzes wird je nach Umständen bei sehr kurzen, unbedeutenden Arbeitsverhinderungen angenommen, ferner, wenn der Arbeitnehmer gar keine andere Stelle antreten will oder auf das ursprüngliche Vertragsende eine neue Stelle antreten kann761. Das Ziel des zeitlichen Kündigungsschutzes nach Art. 336c OR besteht im Wesentlichen darin, dem Arbeitnehmer nach der Kündigung durch den Arbeitgeber die Stellensuche in arbeitsfähigem Zustand zu ermöglichen762. Ob der Arbeitnehmer während dieser Zeit freigestellt ist oder nicht, kann daher keine Rolle spielen. Von Rechtsmissbrauch ist auch beim freigestellten Arbeitnehmer nur mit Zurückhaltung auszugehen763.

11.3. Sperrfristen nach Art. 336d OR Im Gegensatz zu Art. 336c OR schränkt Art. 336d OR die ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer ein. Dieser darf das Arbeitsverhältnis nicht kündigen, wenn ein Vorgesetzter, dessen Funktionen er auszuüben vermag, oder die Arbeitgeberin selbst wegen obligatorischer Militär- oder Zivilschutzdienstleistung (Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. a OR) an der Ausübung der Tätigkeit verhindert ist und der Arbeitnehmer dessen Tätigkeit während der Verhinderung zu übernehmen hat. Es versteht sich von selbst, dass sich eine Arbeitgeberin nicht in guten Treuen auf diese Schutzbestimmung berufen kann, wenn sie den Arbeitnehmer zuvor freigestellt hat. Immerhin ist denkbar, dass sich die Arbeitgeberin für die Zeit ihrer Abwesenheit in der Freistellungserklärung einen Abruf vorbehält.

Streiff/von Kaenel, Art. 336c OR N 2; Kuhn/Koller, 2/8.3.3.3, Aktualisierung März 1997; BGE 115 V 437, 442 E. 3d; Obergericht des Kantons Zürich, 11. Januar 1999, EAZ 97/98 Nr. 18 (Auszug); Kantonsgericht St. Gallen, 26. März 2004, SAE 2004, 56; eingehend: von Kaenel, Besprechung, 192 f. 761 Brühwiler, Kommentar, Art. 336c OR N 7. 762 BGE 115 V 437, 441 E. 3b. 763 Arbeitsgericht Zürich, 27. Februar 2002, EAZ 2004 Nr. 21; Arbeitsgericht Locarno Campagna, 27. April 2005, SAE 2005, 56. Das Kantonsgericht St. Gallen bejahte im Urteil vom 26. März 2004 (SAE 2004, 56) das Vorliegen von Rechtsmissbrauch bei einer sechs Monate dauernden Kündigungsfrist, während der ein Arbeitnehmer eine Woche lang krank war. Dass der Arbeitnehmer während gut zwei Monaten freigestellt war und ihm 31,5 Tage zur Stellensuche zur Verfügung standen (gegenüber 12 Tagen ohne Freistellung), hat die Bejahung des Rechtsmissbrauchs offenbar unterstützt. 760

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