Die Geschichte des Hotel Stefanie Wien

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marion

Seit 1600 erste Adresse für Wiener Gastlichkeit

Das älteste Hotel Wiens in Familienbesitz seit Generationen

Die GescHicHte Des Hotel steFanie ****

schick hotels WieN

luGer

Originalausgabe

© Schick-hotelS Betriebs Gmbh, Wien 2016

Konzept, Recherche, Redaktion, Lektorat: Mag.a Marion luger, www.geschichtswert.at

Grafik: claudia Molitoris

Druck: Druckerei Berger, 3580 horn

Printed in the eU

Besonderer Dank an: Magic christian, www.magicchristian.com

Dr. helga Maria Wolf

für die freundliche Unterstützung

Inhalt

Vorwort ................................................................................................................................. Seite 5

Das hotel SteFAN ie: in der Gegenwart leben und die Vergangenheit spüren ............................................... Seite 7

Die taborstraße als Verkehrsknotenpunkt, das hotel SteFAN ie an dessen Schnittstelle ............................................................ Seite 8

Die leopoldstadt als Schmelztiegel der kulturen, das hotel SteFAN ie als konglomerat der kulinarischen Vielfalt .......................... Seite 14

Die leopoldstadt und das hotel SteFAN ie ... als Zentrum der jüdischen kultur ................................................................................. Seite 18

... als ort des Vergnügens und des Feierns ....................................................................... Seite 22

... als Schauplatz von krieg und Frieden .......................................................................... Seite 26

Das hotel SteFAN ie: Die tradition in ehren halten Seite 30

Die hAUSBeSitZer/iNNeN Seit 1600 ..................................................................... Seite 34

Das haus in der taborstraße 12 im Wandel der Zeit Zur Besitz- und Baugeschichte Seite 36

eine neue Ära beginnt: Das haus unter der regie der FAMilie WitZMANN-Schick................................ Seite 46

cArl WitZMANN: Von der „WeiSSeN roSe“ zum hotel SteFANie.................................................... Seite 48

MAthilDe WitZMANN: Grande Dame mit tatendrang ......................................... Seite 50

SteFANie Schick führt das hotel durch Zerstörung und krieg.............................. Seite 54

Dr. SteFAN Schick treibt den Wiederaufbau voran ................................................. Seite 56

Das hotel SteFANie in den 1970er-Jahren: Das damals größte Wiener First-class-hotel erstrahlt in Farbe und Glanz ................ Seite 62

Die 1980er-Jahre: Gruppen-reisen und American Flair ................................................ Seite 64

Das hotel SteFANie heute: 4-SterNe-StADthotel mit österreichischer Gastlichkeit, Wiener charme und lebendiger tradition............. Seite 66

Anmerkungen ....................................................................................................................... Seite 76

Quellen und literatur Seite 84

Bildnachweis Seite 87

liebe Gäste und Freunde des hotel SteFANie, es ist mir eine große Freude, ihnen dieses Buch präsentieren zu dürfen.

Aus vielen einzelteilen, die seit langem in unserem Archiv schlummern, und nach intensiven historischen Forschungen ist ein Buch entstanden, das einerseits die Geschichte unseres hotel SteFANie darstellt und andererseits viele Geschichten und „Gschichterln“ rund um Wien und die Wiener hotellerie enthält.

Das Besondere ist die tatsache, dass es bereits im Jahr 1600 an gleicher Stelle einen herbergswirt gab und dass in den über 400 folgenden Jahren durchgehend ein Beherbergungsbetrieb in den häuserverzeichnissen und Grundbüchern eingetragen war. Das „SteFANie“ ist somit nachweislich das älteste hotel Wiens, welches sich seit Generationen im Familienbesitz befindet. Geschichte und Jahreszahlen werden oft rasch „aus dem hut gezogen“. Wir jedoch haben die Dokumente und Beweise zu unserer Vergangenheit. Sie finden sie in diesem Buch.

es gibt viele hotels in Wien, aber die Geschichte, eines der wenigen Dinge im leben, die man sich nicht kaufen kann, macht das hotel SteFANie einzigartig. Nur wenn man diese pflegt, bleibt sie uns erhalten. Wir tun das mit leidenschaft und lassen unsere Gäste vergangene Zeiten im ganzen haus spüren. Noch nie war die Vergangenheit für unsere Familie ein ruhepolster und investitionen für die Zukunft tätigen wir mit gleich großer Begeisterung. So erleben Sie das älteste Wiener hotel, ausgestattet für alle Bedürfnisse der heutigen Zeit, jung und bereit für die Zukunft.

ich wünsche ihnen viel Spaß beim lesen und freue mich, wenn ich ihnen damit das hotel SteFANie und unser schönes Wien ein wenig näherbringen kann.

es grüßt Sie herzlichst ihr Dr. Martin Schick

- 5die geschichte des hotel stefaNie

Beinahe ein Jahr hat es benötigt alle Details zusammenzutragen, um Sie zu einer reise durch die 400 jährige Vergangenheit des hotel SteFANie einladen zu können.

Nach intensiver recherche (auch von Seiten des Zauberkünstlers Magic christian), dem Durchforsten von Dokumenten, dem Sortieren von Fotos und langen Gesprächen ist ein Buch entstanden, das die beeindruckende entwicklung des ältesten hotel Wiens bis in die heutige Zeit erzählt.

Das lesen dieses Buches möge ihnen ein Vergnügen sein!

Mag.a Marion luger

historikerin und Autorin der Geschichte des hotel SteFANie geschichtswert e.U.

- 6die geschichte des hotel stefaNie
In Stein gemeißelt: Mehr als 400 Jahre Geschichte heißen Sie im hotel SteFANie willkommen.

Das hotel stefaNie

In Der GeGenwart leben unD DIe verGanGenheIt spüren.

„TradiTiOn sOll ein sprungbreTT sein, kein ruhekissen.“ Harold Macmillan, I. Earl of Stockton und britischer Premierminister

Getreu dem Motto des englischen Politikers harold Macmillan (1894–1986) haben die eigentümerinnen des trADitioNShotelS SteFANie (vormals: „WeiSSe roSe“) die Vergangenheit stets hochgehalten – und befanden sich zugleich immer auf der höhe der Zeit. ihr Gastgeber Dr. Martin Schick, inhaber in vierter Generation, ist dieser Maxime treu geblieben: im haus in der taborstraße Nr. 12 hat er mit seinem team das Wiener Flair der Donau-Monarchie mit jenem der technikaffinen Moderne zu einer harmonischen einheit verschmolzen.

das hOTel sTefanie isT ein haus der superlaTive:

Um 1430 wird erstmals ein hausbesitzer-ehepaar am heutigen Standort erwähnt. Von den rund 50 häusern, die zu jener Zeit in Wiens 2. Bezirk standen, befand sich also eines bereits am jetzigen Platz. Seit dem Mittelalter ist ein Gebäude am jetzigen Standort verbürgt.

im Jahre 1600 scheint erstmals ein „Gastgeb“ an jener Adresse im Grundbuch auf. Auch die nachfolgenden hauseigentümerinnen werden als „Gastgeb“, „bürgerlicher Wirt“ oder „hotelbesitzerin“ tituliert. Das Haus wird seit mehr als 400 Jahren als Herberge (zunächst „Einkehrgasthof“, dann „Hotel“) geführt.

Das Gebäude erstreckt sich seit je von der taborstraße (früher: „kremser-“ bzw. „hauptstraße“) bis in die Große Mohrengasse (zuvor: „Große hafnergasse“). Diese langgezogene Bauweise eignete sich besonders für die einfahrt und Unterbringung von Pferdefuhrwerken. Sie kann somit als Vorform des Motels gelten. Das hOTel sTefanie ist wohl der einzige Beherbergungsbetrieb Wiens, an dessen baulicher Anlage sich noch die typische Struktur eines ehemaligen Einkehrgasthofes der Wiener Vorstadt ablesen lässt.

Der Urgroßvater des derzeitigen hausherrn, carl Witzmann, übernahm das hotel im Jahr 1888. Seit rund 130 Jahren befindet sich das hOTel sTefanie in Besitz derselben Familie.

herr Alfred reiman, geb. 1921, war von 1945 bis zu seinem tod im Jahr 2012 als Buchhalter im hotel SteFANie beschäftigt. Mit 67 (!) Jahren Dienstzeit ist der treue Buchhalter des hOTel sTefanie sicher bis heute der längstdienende Mitarbeiter in der Geschichte der Wiener Hotellerie.

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stefaNie seit 1600
Ältestes
Hotel
WieNs
hotel

DIe taborstrasse als verkehrsknotenpunkt, Das hotel stefaNie an Dessen schnIttstelle

Die radierung zeigt die befestigte Stadt, den heutigen 1. Bezirk, mit seinem Umland. Die einzige Brücke, die über die Donau nach Norden führt, mündet direkt in die taborstraße.

Diese über 400 Jahre alte Ansicht war lange im hotel SteFANie abgebildet: Sie hing hinter der rezeption (sh. S. 63).

Der 2. Wiener Gemeindebezirk, die leopoldstadt, in der das hotel SteFANie seinen Standort hat, wurde früher „Unterer Werd“ genannt („Werd“ = mhd. „insel“). in der tat handelte es sich um eine von zahlreichen Donauarmen durchzogene inselgruppe; ein Auengebiet, das vorwiegend als Jagd- bzw. Weideland genutzt wurde und Bau- bzw. Brennholz für die Stadt lieferte.

Vom Zentrum führte der Weg über die taborstraße durch den Auenwald (links im Bild) in die nördlichen reichsteile der Donau-Monarchie.

Grundrissplan von Wien, erstmals mit Vorstädten, 17062, Ansicht von Westen

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Vogelschau auf Wien von Norden (im unteren Bildrand die Leopoldstadt), 16091

Die Vorläuferin der Schwedenbrücke, die 1819 bis 1909 bestehende Ferdinandsbrücke Bilderuhr – ein Gemälde mit diskret integrierter Uhr – von Carl Ludwig Hofmeister, 1825

Wo sich heute – in nächster Nähe des hotel SteFANie – der Donaukanal windet, floss im Mittelalter der unregulierte hauptarm des Stromes. Der Fluss wurde intensiv für die Schifffahrt genutzt, da dies in vorindustrieller Zeit „das weitaus leistungsfähigste Verkehrsmittel“3 war. Deshalb stellte es einen bedeutenden Vorteil für den Fernhandel dar, dass die reichs- und residenzhauptstadt direkt an den Ufern des Donaustromes lag: „im Vormärz kamen (...) etwa 7.000 lastschiffe jährlich in Wien an, und viele beförderten auch reisende.“4 Diese logierten zahlreich in den herbergen der Stadt oder nächtigten – weil es hier oft kostengünstiger war –in den einkehrgasthöfen außerhalb der Stadtmauern (z. B. im späteren hotel SteFANie).

Die Brücke, die jahrhundertelang (1368 bis 1782) als einzige (!) die Stadt mit dem Unteren Werd verband, führte geradewegs in die taborstraße. Dieser kam dadurch besondere Bedeutung zu. einerseits fungierte sie als hauptdurchzugsstraße, andererseits diente sie als wichtigster handelsweg. So berichtet der Verfasser der „Geschichte des unteren Werds, oder der heutigen leopoldstadt“, Alois Groppenberger von Bergenstamm, im Jahre 1812:

„Schon im Jahre 1619 war der Werd nicht nur wegen seiner vortheilhaften Lage zum auswärtigen Commercial, sondern auch wegen seines Absatzes nach Wien der wichtigste Handlungspunct. (...) Der zwischen Wien und der Leopoldstadt geleitete Donaucanal, und die durch die Leopoldstadt laufende Hauptstraße (= Taborstraße, Anm.) nach Hungarn, Mähren, Böhmen und Pohlen machen diese Vorstadt zu einem wichtigen Commercial-Platze. Immer werden hier Güter aus- und aufgepackt, und auf dem Wasser nach Hungarn bis Semlin (heutiger Stadtbezirk von Belgrad, Anm.) ab- und auf der Art wieder zugeführt. Immer werden die breiten Straßen für die Frachtwägen zu enge, die Ausladungsplätze für Güter zu klein, und die Einkehrörter für Fremde von allen Nationen zu wenig.“6

Das Donauufer bot zahlreiche Anlegeplätze vor den toren der Stadt. Auch an der heutigen Schwedenbrücke5 spielte sich das bunte treiben ab.

Sgraffito an der Karmeliterkirche, Taborstraße 19, 1020 Wien7

Wie die unter dem Sgraffito angebrachte erläuterung verrät, wurde der Verkehrsweg erstmals 1409 als „kremser Straße“ urkundlich erwähnt. Die spätere Bezeichnung „taborstraße“ rührt von einer Befestigungsanlage her, die herzog Albrecht V. zu Beginn des 15.Jahrhunderts zur Abwehr der hussiten in Form einer Brückenschanze (tabor) errichten ließ.8

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Ansicht der Taborstraße in Richtung Süden, 16839

Würde man das Bild nach unten verlängern, könnte man den Standort des hotel SteFANie (früher: „WeiSSe roSe“) erkennen. er war weit genug vom Donaustrom entfernt, um vor den ständigen Überschwemmungen geschützt zu sein, und lag zugleich nah genug, um vom Schiffsverkehr zu profitieren.

Noch im Jahr 1859 verfügte die leopoldstadt mit 11 hotels über beinahe ebenso viele Beherbergungsbetriebe wie die gesamte innere Stadt (17) und über mehr hotels als sämtliche andere relevante Vorstädte zusammen: Wieden (5), Mariahilf (2), landstraße (2), Alservorstadt (1).

Derselbe herzog Albrecht V. von Österreich (seit 1438 König Albrecht ii.), welcher der taborstraße zu ihrem Namen verhalf, hatte im Jahre 1433 anordnen lassen, dass Durchreisende in herbergen zu übernachten hatten.

Als konsequenz – und da der Ansturm von reisenden an der Verbindungsbrücke gewaltig war – siedelte sich vor allem in der taborstraße eine beträchtliche Anzahl von Beherbergungsbetrieben an (vgl. auch S. 40):

Auskunft über Hotels im „Wiener Cicerone“, einem Beiblatt des Wochenblattes „Figaro“ vom 18. Juni 1859

Die Fremden, die zumeist per Schiff oder kutsche anreisten, bezogen gerne direkt am handels- und Verkehrsknotenpunkt taborstraße ihr Quartier.

Vor den toren der Stadt fanden sie auch weitläufige Abstellmöglichkeiten für ihre Pferdefuhrwerke und Waren vor, während innerhalb der Stadtmauern oft kein Platz dafür war.

Blick auf die Taborstraße von Norden, 1725 Hinter der Kirche der Barmherzigen Brüder linkerhand liegt das Hotel, ab 1621 „ZUr WeiSSeN roSe“ genannt

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im 19. Jahrhundert entstanden mit dem Bau des Nord- und des Nordwestbahnhofs – beide unweit des hotel SteFANie gelegen – zwei zentrale Drehscheiben für den reiseverkehr. Der 1838 eröffnete Nordbahnhof sollte zum größten und wichtigsten Bahnhof des habsburgerreiches werden; die von hier ausfahrende kaiser-Ferdinands-Nordbahn war die erste Dampfeisenbahn der Donaumonarchie.

Zugleich brach in Wien das Zeitalter der tramway an: Seit 1882 führte eine Straßenbahnlinie über die damalige Ferdinandsbrücke in die taborstraße hinein und weiter bis zum Nordwestbahnhof. Zunächst wurde sie von Pferden gezogen, im Jahr 1900 ging die elektrifizierte tram in Betrieb.

Die kaiser-Ferdinands-Nordbahn verband Wien mit den industriegebieten in Mähren und Schlesien und verkehrte etwa im Jahre 184811

„Von Wien nach

A Brünn, Olmütz, Prag, Leipnik, Ostrau, Oderberg (...) um 6 Uhr Früh und 7½ Uhr Abend.

A Stockerau um 6½ Uhr Früh, 10 Uhr Vormittag, 3½ Uhr Nachmittags und 7 Uhr Abend.

(An Sonn- und Feiertagen auch um 1 Uhr Nachmittag.) Nach Wien von

A Prag um 5 Uhr Früh und 6 Uhr Abend

Blick auf die neue Ferdinandsbrücke

(heute: Schwedenbrücke) in Richtung

Innenstadt, 1911

im Jahre 1909 war die alte Brücke abgetragen worden, zwei Jahre darauf konnte sie – als damals größte Überquerung des Donaukanals – wieder eröffnet werden. Bereits einen tag nach der eröffnung, am 29. April 1911, fuhr auch die Straßenbahn wieder darüber – und transportierte erneut Gäste ins hotel SteFANie.10

A Oderberg nach Ankunft des Zuges von Ratibor, um 7 Uhr Früh, und nach Ankunft des Vereinszuges von Hamburg und Stettin, um 10 Uhr Abend.

A Prerau um 2 Uhr, 5¼ Uhr Früh und 3½ Uhr Nachmittags.

A Brünn um 6½ Uhr Früh und 3¼ Uhr Nachmittags.

A Stockerau um 5 und 8 Uhr Früh, 2 ¼ Uhr Nachmittags und 6½ Uhr Abend. (An Sonn- und Feiertagen auch um 9 Uhr Abends.“)

(Aus dem „Fremden-Blatt der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien“ vom 20. Juli 1848.)

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Historische Ansichtskarte des Nordbahnhofes, um 1900 Copyright Wien Museum

Als Gast des hotel SteFANie befinden Sie sich in der tat an einem historischen Dreh- und Angelpunkt des Wiener Nah- und Fernreiseverkehrs: in nächster Nähe des Stadtzentrums sowie der Donau im ältesten hotel Wiens einlogiert, genossen schon frühere Gäste die Vorteile bester Verkehrsverbindungen.12 reisten die Gäste damals per kutsche an, so wählen Sie heute einfach das Flugzeug oder die intercity-Bahn.

in 30 Minuten ist der Flughafen Wien (Vie) zu erreichen, zum Wiener hauptbahnhof benötigen Sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur 15 Minuten. Die U-Bahn-Stationen Schwedenplatz (U1/U4) oder

Das hotel SteFANie, zwischen der Kirche der Barmherzigen Brüder und der Produktenbörse (im Stil der Neorenaissance gebaut) gelegen, inmitten mannigfaltiger Mobilität um 1900

taborstraße (U2) liegen fünf Gehminuten entfernt, die haltestelle der Straßenbahn – von den Wienerinnen und Wienern liebevoll „Bim“ genannt – befindet sich quasi vor der haustür.

Die innenstadt mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Wiens entdecken Sie am besten zu Fuß. Vom hotel SteFANie aus sind Sie in etwa zehn Gehminuten beim Stephansdom, wo Sie die Gelegenheit zu einer nostalgischen Fahrt mit dem Fiaker haben. oder Sie flanieren über die Schwedenbrücke, genießen die entspannte Atmosphäre am Donaukanal und lustwandeln wie anno dazumal.

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- 13die geschichte des hotel stefaNie 1600 1700 1800 1900 2000
Das hotel SteFANie um 1910 ... ... und 100 Jahre später

DIe leopolDstaDt als schmelztIeGel Der kulturen, Das hotel stefaNie als konGlomerat Der kulInarIschen vIelfalt

Wie bereits die Nationalhymne Österreichs anklingen lässt, ist es nicht unwesentlich, welche historische Bedeutung die geografische lage der kleinen republik –und früheren Großmacht – für die Geschicke europas einnimmt:

„Heiß umfehdet, wild umstritten liegst dem Erdteil du inmitten, einem starken Herzen gleich.“

2. Strophe der österr. Bundeshymne (Auszug), Paula Preradović, 1947

Ähnliches lässt sich für die residenzstadt Wien behaupten. im jahrhundertelangen politischen Zentrum der habsburgermonarchie vereinten sich Sprachen und kulturen, Menschen und Mächte zu einem bunten Potpourri.

Besonders die leopoldstadt bildete Wiens einfallstor für hausierer und Wanderhändler. Zum einen ließen sich hier Zuwanderer aus allen reichsteilen nieder,13 zum anderen befanden sich viele auf der Durchreise und suchten vor der Stadt kost und logis – unter anderem im späteren hotel SteFANie.

Wien in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Die rot gefärbten Bauten sind öffentliche Gebäude und Paläste, das gold eingefärbte Haus bezeichnet das heutige hotel SteFANie.

„Lorberbläterkrämer“

aus dem sonnigen Süden

Verkäuferin von „Limonien“

(Zitronen) aus milderen Gefilden

Teppich- und Decken-Händler aus Tirol

„Bandelkramer“ mit Bändern, Zwirnen, Nadeln und Stoffresten aus dem Waldviertel

Alle vier Abbildungen aus: Johann C. Brand, Kaufruf von Wien, 1775

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Aus: Putzger, Lendl, Wagner: Historischer Schul-Atlas, Wien: ÖBV 1963, S. 98. © Cornelsen Schulverlage GmbH

herr D. Frankel, Kaufmann, von Prag (20.07.1848)

herr A. Benevenoulli & herr F. Müller, Gutsbesitzer, von Regensburg (20.07.1848)

Frau Antoinette v. Potlewska, sammt tochter, Gutsbesitzerin aus Tarnow (01.07.1847)

herr Wenzl kaulich, Deputierter, von Wernersdorf (14.11.1848)

ritter v. Steljer, Justizbeamter, von Lemberg (20.07.1848)

herr Dr. J. haßlwanter, Deputierter & herr A. till mit Gattin, k. k. Militär, von Innsbruck (04.08.1848)

herr J. Mandl, Handelsmann, von Pressburg (20.07.1848)

herr t. Werner samt Familie, von Klagenfurt (20.07.1848)

herr ludwig v. karay, Privatier aus Temeswar (01.07.1847)

Aus Paris: herr ch. effner mit Gattin (04.08.1848), aus russland: herr h. Gologurski, Kaufmann (14.11.1848)

aus: „Fremden-Blatt“, Wien 1847-1919; Plan des Kaisertums Österreich. Österreichisch-Ungarische Monarchie 1815-1919. Aus: Putzger, Lendl, Wagner: Historischer Schul-Atlas, Wien: ÖBV 1963, S. 99. © Cornelsen Schulverlage GmbH

Titel und Namensnennungen

herr l. Amster, Kaufmann, von Czernowitz (03.01.1849)

1848 fand in Wien der so genannte reichstag statt. Zu dieser ersten gewählten Volksvertretung reisten 383 Abgeordnete aus zahlreichen kronländern an. Zwei der Deputierten stiegen nachweislich in der „WeiSSeN roSe“ ab – dem heutigen hotel SteFANie 14

- 15die geschichte des hotel stefaNie 1600 1700 1800 1900 2000
WieN

Mit rund 53 Millionen Menschen auf etwa 676.600 km² bildete die Donaumonarchie bis zum ende des ersten Weltkrieges den (nach russland) zweitgrößten Vielvölkerstaat des europäischen kontinents. Die Bevölkerung parlierte in so unterschiedlichen Sprachen wie Deutsch und Ungarisch, Böhmisch und Polnisch, italienisch und Slowenisch.15

Mit der sprachlichen Vielfalt ging zugleich kulinarischer reichtum einher. Die Menschen, die zahlreich in die reichs- und residenzhauptstadt Wien zogen, brachten aus ihren heimatländern regionale rezepte und Zutaten mit:

A Aus UNGArN kam das gulasch an – ursprünglich ein Suppengericht magyarischer rinderhirten („Gulyás“ = Hirte), das sich in Wien in Form von Paprikafleisch (ungar. „Pörkölt“) durchsetzte.

A Aus rUMÄNieN stammen die palatschinken (eierpfannkuchen) ab – sie werden in Wien auch gerne als Suppeneinlage (nun Frittaten genannt) genossen.

A Das berühmte Wiener schnitzel wurde der legende nach von Feldmarschall radetzky aus itAlieN mitgebracht.

A Der WieNer kaiserhof sorgte schließlich für kaiser Franz Josephs leibgericht: den aus gekochtem rindfleisch bestehenden Tafelspitz.

A Die köstlichkeiten der Wiener Mehlspeisenküche –wie powidltascherl oder apfelstrudel – sind v. a. köchinnen aus BÖhMeN (tschechien) zu verdanken.

Zuwanderinnen aus Böhmen und Mähren waren es auch, die im 19. Jahrhundert einen Großteil des Wiener Dienstpersonals stellten, „und die böhmische köchin (...) war fast in jedem großbürgerlichen haushalt vertreten“. im hotel „WeiSSe roSe“ stammten im Jahre 1857 zwei der Mägde aus Böhmen; eine der köchinnen kam aus dem königreich Ungarn.16

Auch die Gäste des späteren hotel SteFANie reisten zu jener Zeit vorwiegend aus den kronländern der k. u. k. Monarchie an;17 einige trafen zudem aus dem damaligen Ausland ein: aus dem Deutschen reich, dem Fürstentum Moldau (heute rumänien), aus dem heutigen italien, Frankreich und dem Zarenreich.18

Dieser multikulturellen klientel versuchten die Wiener hotels mit internationalen Speisekarten zu entsprechen;19 noch in den 1970er-Jahren bot das hotel SteFANie mondäne Spezialitäten an:

Als horsd’œuvre gab es Matjesheringfilet „helgoland“, danach Scampi à l’Americaine oder Piccata „romana“, als Abschluss französischen käse oder crêpes „Grand Marnier“.20

heute besinnt sich das hotel SteFANie wieder auf die Wurzeln der Wiener küche zurück – und offeriert von regionalen Produkten jeweils das beste Stück.

„La Belle Chocolatière de Vienne“ („Das Schokoladenmädchen“), Pastell auf Pergament, berühmtestes Bild des Schweizer Künstlers Jean-Étienne Liotard, vermutlich 1744

Liotard war 1743 an den Wiener Hof gekommen, um Maria Theresia und ihre Familie zu porträtieren. Ehe er abreiste, fertigte er das Porträt dieses namenlosen Stubenmädchens an. Die Magd bot eine kulinarische Kostbarkeit dar: „Heiße Schokolade war im 18. Jahrhundert noch der High Society vorbehalten.“21

- 16die geschichte des hotel stefaNie 1600 1700 1800 1900 2000

Alt-Wiener Schm A nkerl- r ei S e im

r e S tAur A nt StefA nie

ein kulinarischer Streifzug durch die kronländer der Donaumonarchie

GeNieSSeN Sie iN reMiNiSZeNZ AN GlANZVolle ZeiteN: kalbs-gulasch mit Salzstangerl rindsuppe mit frittaten und kaiserschöberl Wiener schnitzel mit erdäpfelsalat Tafelspitz mit „G’rösten“, Schnittlauchsoße und Apfelkren powidltascherl, apfelstrudel, kaiserschmarren

Was hat das Wiener Schnitzel mit Generalfeldmarschall radetzky zu tun? kommt das ungarische Gulasch vielleicht doch aus Wien? Wie kommt der kaiserschmarren zu seinem Namen? ist der tafelspitz tatsächlich das beste Stück vom rind?

All diese kulinarischen köstlichkeiten und die entsprechenden Antworten servieren wir ihnen täglich bei unserer Alt-Wiener Schmankerl-reise im restaurant Stefanie.

- 17die geschichte des hotel stefaNie 1600 1700 1800 1900 2000
Stefanie restaurant

DIe leopolDstaDt unD Das hotel stefaNie ... als zentrum Der jüDIschen kultur

Die leopoldstadt war vom 17. Jahrhundert bis zum holocaust das herzstück des jüdischen lebens in Wien.22 hier reihten sich tempel, Synagogen und Bethäuser dicht an dicht;23 zahlreiche Sprach- und Bibelschulen sorgten für den im Judentum besonders bedeutsamen Unterricht.24 Direkt vis-à-vis des hotel SteFANie, in der Buchhandlung des Josef Abheiter, taborstraße Nr. 11b, konnte man die dafür benötigten lehrbücher erstehen.25 Sogar im hotel SteFANie selbst war ein Bethaus untergebracht:

Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 (und ersten militärischen Niederlagen der k. u. k Armee im Nordosten des reiches) kamen Massen an Flüchtlingen aus Galizien und der Bukowina (heute: Westukraine/ Südpolen bzw. Nordrumänien) in der hauptstadt Wien an.26 etwa 1/5 der Flüchtenden (bis zu 70.000 Personen) waren Juden/Jüdinnen, die allesamt am Nordbahnhof in der leopoldstadt eintrafen und meist gleich vor ort bei Glaubensgenossen Unterstützung suchten.27

hilfe erhielten sie von mehreren humanitären jüdischen einrichtungen – etwa vom „kranken- und Unterstützungsverein „Der Brodyer“ in Wien.28 Das Bethaus des Vereins wiederum befand sich im hotel SteFANie, wo man so genannte Bet-Sitze anmieten konnte. Dies war durchaus nichts Ungewöhnliches: Da die tempel an Feiertagen meist aus allen Nähten platzten, setzte man unter anderem hotels und kaffeehäuser als Gebetsorte ein.29 Auch das Vermieten von Bet-Sitzplätzen war nicht unüblich: Diese Praxis findet sich zu jener Zeit selbst in der entlegensten Provinz.30

- 18die geschichte des hotel stefaNie 1600 1700 1800 1900 2000

Rückseite des Programms der „Budapester Orpheumgesellschaft“

Ankündigung einer Vorstellung im hotel SteFANie, um 1900

„Budapester Orpheumgesellschaft. Noch vor Beginn der Vorstellung ist der ganze Saal des ‚Hotel Stephanie‘ allabendlich ausverkauft und dies mag als der beste Beweis dafür gelten, wie gut man sich bei den Vorstellungen der ‚Budapester‘ unterhält, denn man kommt wahrlich nicht aus dem Lachen heraus.“

(Aus: Illustriertes Wiener Extrablatt, 8. April 1900, S. 17.)

Zugleich besaß das hotel SteFANie eine beachtenswerte jüdische Theatertradition. Die „Budapester orpheumgesellschaft“, in der zunächst im hotel „Zum Schwarzen Adler“ auf taborstraße Nr. 11 gastiert hatte, war 1896 in das gegenüberliegende hotel SteFANie umgezogen. Das ensemble bestand ursprünglich aus deutschsprachigen künstlerinnen aus Budapest, brachte jedoch Stücke in jiddisch gefärbtem Wienerisch zur Aufführung. Die Darbietungen waren von jüdischer Jargon-komik geprägt und bestanden aus kabarettartigen einaktern sowie unterhaltsamen liedern.

Aus dem „Budapester orpheum“ gingen später viele gefeierte kabarettisten und komiker hervor, ja sogar berühmte Sängerinnen und komponisten. Darunter befinden sich so klingende Namen wie Armin Berg, Paula Walden oder robert Stolz – und nicht zuletzt der beliebte Volksschauspieler hans Moser, der „jüngste Wiener hanswurst“32 (sh. S. 61).

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„Das einzige reelle Theatervergnügen [...], das Wien nach Girardi heute zu bieten hat.“ 31 Karl Kraus, in: „Die Fackel“ vom 2. Juni 1911

Von 1896 bis 1903 bot die „Budapester orpheumgesellschaft“ regelmäßig Vorstellungen im hotel SteFANie. Dafür wurde im hauseigenen Saal eigens eine Bühne errichtet; auch erfuhr der Saal selbst eine Vergrößerung.33

Und die jüdische Theatertradition im hotel SteFANie setzte sich fort: 1908 bis 1921 war sein Saal Schauplatz des ensembles „Jüdische Bühne“, der „keimzelle des jiddischen Theaters in Wien“.34

im hauseigenen Saal verbanden sich kunst und kulinarik zu einer Gesamtkomposition: Während die Akteurinnen auf der Bühne ihr Schauspiel darboten, genossen die Gäste an ihren tischen auch die Gaumenfreuden des hotel SteFANie.

Titelblatt des Programmes des jüdisch geprägten Theater-Ensembles, um 190035

Das Original ist in einer Glas-Vitrine im Foyer des hotel SteFANie zu bestaunen.

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Im Jahr 2015 fand zugunsten eines Projektes von Dr. Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums der Stadt Wien (2 .v. r.), eine Benefizveranstaltung im hotel SteFANie statt.

internationale, religiöse sowie kulturelle Vielfalt und toleranz entsprechen seit jeher dem Verständnis von Gastlichkeit in den Schick hotels. im hotel SteFANie fühlt man sich der tradition des 2. Bezirkes verpflichtet und freut sich, sehr oft jüdische Gäste begrüßen zu dürfen. Seit vielen Jahren werden u. a. durch die Zusammenarbeit mit dem „Jewish Welcome Service Vienna“ im hotel SteFANie Wiener Jüdinnen und Juden willkommen geheißen, die nach

der Vertreibung durch die Nationalsozialisten auf einladung der Gemeinde Wien erstmals wieder in ihre ehemalige heimatstadt kommen.

rücksicht auf die Besonderheiten der religionen zu nehmen ist im hotel SteFANie eine Selbstverständlichkeit. Auf Wunsch und nach Vorbestellung kann koscheres Frühstück bereitgestellt werden. Der große Festsaal bietet raum und Gelegenheit für Veranstaltungen aller Art.

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Die Geschichte des Hotel Stefanie Wien by Daniela Hirschl - Issuu