«Kann ich vielleicht meine Tür einen Spalt offen lassen, nur ein wenig?» fragt die Protagonistin im Theaterstück FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA, mit dem das Schauspielhaus Zürich in die neue Saison startet. Die Türen öffnen, um die Welt hereinzulassen, aber auch, um sich seinen Mitmenschen zu zeigen und Einblick zu gewähren in die eigenen Geheimnisse Wir nehmen uns Frau Yamamoto zum Vorbild. Das neue Schauspielhaus Magazin, dessen erste Ausgabe Sie gerade in den Händen halten, soll ebenfalls ein Türöffner sein. Schauen Sie herein, blättern Sie durch und gehen Sie auf Entdeckungstour! Vielleicht waren Sie noch nie im Theater, vielleicht auch nur seit einer Weile nicht mehr. Vielleicht zählen Sie aber auch zu den Stammgäst*innen im Pfauen oder im Schiffbau und wissen: Die kommende Theatersaison wird eine ganz besondere. Für ein einziges Jahr gestaltet ein neue s künstlerisches Team das Programm am Schauspielhaus. Ein Jahr, das wir als Festival voll unvergesslicher Theaterkunst, vieler Nicht-Verpassen-Momente und mit unzähligen Begegnungen mit Ihnen und Euch verbringen möchten. Denn Theater ist gemeinsames Erleben, Theater ist Augenblickskunst und Theater bewegt.
Unsere Türen stehen weit offen –kommen Sie herein! Wir freuen uns auf Sie.
Ihr Ulrich Khuon (Intendant 2024 / 25) und das gesamte Schauspielhaus-Team
ZÜRICH AG, Rämistrasse 34, 8001 Zürich; INTENDANZ ULRICH KHUON; REDAKTION / TEXTE LUISA MÄNNEL, ZORA SCHAAD (zos), VICTOR SCHLOTHAUER; WEITERE TEXTE DAVID HEILIGERS, TOBI MÜLLER; BILDER COMET PHOTO AG (ZÜRICH) ALEXANDER PAUL ENGLERT, PHILIP FROWEIN, HEINZ HOLZMANN, BINTA KOPP, GIAN PAUL LOZZA, ANNE MORGENSTERN, RAFFINERIE, NILS SCHWARZ, LUNA ZSCHARNT; ILLUSTRATION RAFFINERIE; GESTALTUNG & KONZEPT RAFFINERIE; DRUCK MULTICOLOR PRINT AG, Auflage 60 000 Ex., PerlenValue: FSC C020637; REDAKTIONSSCHLUSS 11. JULI 2024 (Änderungen vorbehalten); ERSCHEINUNGSTERMIN 31. AUGUST 2024.
COVER «Tiefe Freude kommt zu Besuch» (Dea Loher, FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA)
Den Åtem der Welt herein lassen
PORTRÄT
Ein neues Stück von Dea Loher eröffnet die Spielzeit: FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA. Über eine lange Arbeitsbeziehung und eine einzigartige Autorin.
VON TOBI MÜLLER
In der vorletzten Szene von FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA spielt eine Kneipe eine Rolle, ein niederschwelliger Ort des Zusammenkommens. Der Hauptschauplatz davor ist ein Wohnhaus, in dem, wie in jeder Grossstadt, die Vereinzelten auftreten, zum Beispiel ein männliches Paar und ihr Neffe. Und die über 70-jährige, einsame, aber nicht zwingend traurige Frau Yamamoto, die das solistische Prinzip des Hauses durch ihre Präsenz und ihre biografischen Erzählungen in Frage stellt. Die Kneipe am Schluss zeichnet zumindest die Umrisse einer Utopie (die nicht allen passt).
Innerhalb des Werkes von Dea Loher überrascht diese Möglichkeit der Vereinzelungs-Überwindung. Lohers Texte handeln sonst mal tragisch, mal komisch davon, dass die Menschen auseinanderfliegen wie Dinge im Wind, oder wie die Erinnerungen an die Geschichte und an die Kindheit. Nichts bleibt, wie es ist. Aber in diesem Theaterstück, ihrem ersten seit acht Jahren, kommt vielleicht am Ende wieder etwas zusammen. Was ganz sicher wieder zusammenfindet: die lange Arbeitsbeziehung zwischen Dea Loher und Ulrich Khuon, der das Schauspielhaus ab August ein Jahr lang leiten wird. Es waren die grossen Fragen, die den Intendanten Khuon und die Stückeschreiberin Loher früh miteinander verbanden. Schuld, Gewalt, Einsamkeit – in der Familie, im Krieg, in den Städten. Die Leichtigkeit, der Humor, die Komödie kamen später dazu. Sie: in einem bayerischen Försterhaus aufgewachsen, in Brasilien umhergereist, bei Heiner Müller in Berlin szenisches Schreiben studiert. Er: in Konstanz gross geworden, in Freiburg Theologie studiert, bevor er Theaterleiter wurde – vom Bodensee über Hannover und Hamburg bis Berlin. Sie und Er, das könnte der Titel eines Theaterstückes von Botho Strauss sein.
Wenn Dea Loher von Ulrich Khuon erzählt, klingt es tatsächlich fast wie erfunden. Sie traf ihn Anfang der Neunziger, als sie erst zwei Stücke geschrieben hatte. Loher war 28 Jahre alt und «Uli fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, das nächste Stück für das Staatsschauspiel Hannover zu schreiben. Die zweite Zusammenarbeit sollte dann bereits für die grosse Bühne sein!» Damals gab es noch kaum Festivals für Theaterstücke und noch keine «Autor*innen-Förderungswelle, in der alle Häuser wie wild Aufträge an junge Dramatiker*innen verteilten.» Es war (und ist) nicht selbstverständlich, was Loher über Khuon bemerkt: «Und er liest. Er liest sehr viel.» Man könne mit ihm deshalb lange über die literarische Qualität von Stücken reden, so Loher.
In der ersten Hälfte von Lohers Werk dominiert ein dunkler Ton. Im Erstling OLGAS RAUM (1992) geht es um eine Kommunistin im Nationalsozialismus, Inzest ist das Thema im viel gespielten Stück TÄTOWIERUNG Und in FREMDES HAUS holt das gewaltige Ende Jugoslawiens auch das Selbstverständnis der Exilierten ein. Schuld oder UNSCHULD, wie ein späteres Stück von Loher heisst, sind bei ihr wechselnde Gestalten der gleichen Figuren.
Dass die Unterscheidung schwerfällt, gehört zum Kern der Gattung der Tragödie, auch wenn bei Loher keine Götter mitmischen und auch kein weltliches Gesetz.
Sie schreibt also weder antike Tragödien noch bürgerliche und noch nicht einmal naturalistische. Es sind manchmal schroffe Szenenbögen, in denen Spalten klaffen. Stationendramen, wie oft geschrieben wurde. Aber es gibt zwei Merkmale bei Loher, die in der zeitgenössischen Dramatik oft fehlen. Zum einen rahmen oft Orte das Geschehen und halten es räumlich im Zaum. Zum anderen schreibt sie ausgefeilte Dialoge, selten Monologe und nie Textflächen. Dea Loher will (post-)moderne Menschen zum Sprechen bringen, aber auf den alten Konfliktkomplex der Schuld nicht verzichten.
Mit DIEBE gelang ihr im Herbst 2010 ein weiterer Hit. Ulrich Khuon leitete gerade mal ein Jahr lang das Deutsche Theater in Berlin, die Kritik und auch Teile des Publikums hatten es ihm schwer gemacht, dem erfolgsverwöhnten Intendanten, der von Hamburg in die deutsche Hauptstadt kam. Die DIEBE-Inszenierung von Regisseur und Bühnenbildner Andreas Kriegenburg ging durch die Decke und blieb ewig im Repertoire. Es war auch die letzte Aufführung der vierzehnjährigen Berliner Ära von Ulrich Khuon, die im Juni 2023 endete. FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA erinnert manchmal an DIEBE, als würde das ältere Stück durch die Seiten des neuen sanft hindurchschimmern.
«Ich bin nicht wie Sie, wir sind verschieden»: Solche Sätze kehrten in DIEBE wieder, das lose Figurenarsenal begegnete sich in der Abgrenzung. Aber die einzelnen Geschichten liefen einander über den Weg. Vierzehn Jahre später gibt es in YAMAMOTO noch weniger Berührungen, als wäre die Vereinzelung weiter fortgeschritten. Am stärksten dagegen wehrt sich die alte Frau im Titel, und zwar, indem sie ihre Haustür immer einen Spalt offenstehen lässt, oder, Frau Loher? Ihre Antwort:
«Die Vereinsamung der Figuren ist seit DIEBE noch weiter fortgeschritten, ja. Abgrenzung ist noch wichtiger geworden, gleichzeitig lässt sich das trotzdem bestehende Bedürfnis nach Beziehungen, Freundschaft, Liebe immer
Autorin und Dramatikerin Dea Loher
weniger einlösen. Die Scheu vor Konflikten ist grösser geworden und noch grösser die Hemmung und Angst davor, sich eine Verantwortung aufzubürden oder überhaupt noch irgendeine Initiative zu ergreifen, geschweige eine Verpflichtung zu übernehmen.»
Nun kommt die Autorin in Fahrt und führt fast alle Figuren des Stückes auf, um auf deren Kontaktangst mit der Wirklichkeit hinzuweisen:
«Erik, der nicht mal die alte Nachbarin einladen will aus Sorge, sie womöglich nicht mehr loszuwerden.
Ein Mann, der lieber Liebesgedichte an eine fiktive Frau schreibt, als mal mit einer auszugehen.
Die Frau am Fenster, der es von ihrer Freundin auf kuriose Weise ausgeredet wird, wenn sie sich um ihren verwahrlosten Nachbarn kümmern will.
Der Mann, der sich lieber aushalten lässt, als eine Freundin auf Augenhöhe zu finden.
Die Frau, die ihre kranke Mutter vorschiebt, um nicht mit ihrem Freund zusammenziehen zu müssen …»
Frau Yamamoto dagegen: lässt die Tür offen. Damit Durchzug entsteht, der Atem der Welt hereinkommt – die Stimmen der anderen, der Freude, aber auch die Kunde von den Katastrophen.
Der Weg von DIEBE zu YAMAMOTO ist nur eine Spur der Zeit. Vieles ist total anders. Zwei grosse Unterschiede: Früher hatte Andreas Kriegenburg alle grossen Stücke inszeniert, in Zürich heisst die Regisseurin nun Jette Steckel, eine erfahrene und bildstarke Künstlerin; und FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA wird am gleichen Tag wie in Zürich vom Engeki Ensemble in Tokio uraufgeführt.
Ist das nun, kulturell gefragt, ein japanisches Stück in der Deutschschweiz, oder ein deutschsprachiges in Japan? Vielleicht trifft beides zu, Loher kann es nicht eindeutig beantworten. Interkulturelle Begegnungen handeln auch vom Nichtwissen, von der Fähigkeit, das Unbekannte zuzulassen und nicht gleich mit Projektionen aufzufüllen. Lohers Beziehung zum japanischen Theater geht nicht ganz so weit zurück wie jene zu Ulrich Khuon. Aber auch da fällt ihre Sehnsucht nach Kontinuität auf. Vor 15 Jahren hatte Toshiki Okada TÄTOWIERUNG in Tokio inszeniert (Okada arbeitet heute regelmässig an deutschen Häusern). Loher erinnert sich: «Etwas später kam der Regisseur vom Engeki Ensemble, Yoshinori Koke, nach Berlin und wollte mich treffen. Als erstes schenkte er mir eine sehr grosse Flasche slowenischen
Birnenschnaps; das fand ich ziemlich lustig.» Ob das bei der Verständigung half? Jedenfalls konnte Koke kein Englisch, und Loher kein Japanisch. YAMAMOTO ist Lohers Stück zum 70. Jubiläum des Engeki Ensembles, und viele Stücke von ihr wurden von unterschiedlichen Gruppen in Japan umgesetzt.
Liegt das interkulturelle Potential ihrer auch im Ausland gespielten Stücke an der reduzierten Sprache, die in den Lücken viel Platz lässt – für das diverse Publikum, für die Fantasie der Regisseur*innen? Andreas Kriegenburg hat jeweils mächtige Zeichen und Bühnen geschaffen, als wollte er Dämme bauen für Lohers fliessende Szenen. Jette Steckel inszeniert anders, ihre Ästhetik ist noch räumlicher, immersiver. Steckel und Loher arbeiteten schon einmal zusammen, aber eine «grosse Uraufführung» war noch nicht dabei. Vielleicht der Anfang einer weiteren Langzeitarbeitsbeziehung?
Die letzte Frage ist nicht zu verkneifen: Warum acht Jahre kein Stück fürs Theater? Lohers Antwort wirkt japanisch cool, oder eher herkunftsbayerisch direkt, oder doch schon wie Berliner Patzigkeit, die kurz zwinkert im Auge? Jedenfalls antwortet sie: «Ich hatte alles gesagt, was ich sagen wollte.»
FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA VON DEA LOHER REGIE JETTE STECKEL MIT ALICIA AUMÜLLER, JUDITH HOFMANN, MIRCO KREIBICH, DANIEL LOMMATZSCH, MATTHIAS NEUKIRCH, SEBASTIAN RUDOLPH, CHARLOTTE SCHWAB, NIKOLA WEISSE, THOMAS WODIANKA UNTERSTÜTZT VOM FÖRDER
CIRCLE DES SCHAUSPIELHAUSES URAUFFÜHRUNG 12. SEPTEMBER 2024, PFAUEN
DEA LOHER zählt zu den wichtigsten Autor*innen der Gegenwart. «Vermutlich wird sich die Theaterwelt irgendwann darauf einigen, das Werk Dea Lohers schlicht ‹loheresk› zu nennen, und damit den ultimativen Begriff gefunden haben für die ausserordentliche Intelligenz, die Sprachmacht und emotionale Intensität der Stücke dieser Schriftstellerin.» (Uwe Wittstock). Ihr neues Theaterstück wird parallel in Tokio und Zürich uraufgeführt.
JETTE STECKEL geboren in Berlin, studierte Theaterregie in Hamburg und Moskau. Bereits ihre frühen Regiearbeiten wurden mit Preisen ausgezeichnet und zu Festivals eingeladen. 2007 wurde sie von der Zeitschrift «Theater heute» zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt. 2024 zählte ihre Inszenierung DIE VATERLOSEN mit der Einladung zum Berliner Theatertreffen zu den zehn bemerkenswertesten Inszenierungen im deutschsprachigen Raum. Jette Steckel ist Hausregisseurin am Thalia Theater Hamburg und arbeitet u. a. am Burgtheater Wien, dem Deutschen Theater Berlin, dem Schauspiel Köln, den Münchner Kammerspielen und der Oper. Mit FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA stellt sie sich erstmals dem Zürcher Publikum vor.
Bild:
Anne
Morgenstern
Die Regisseurin Jette Steckel inszeniert FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA mit grossem Ensemble. Auf der Bühne im Pfauen spielen (v. l. n. r.): Daniel Lommatzsch, Charlotte Schwab, Nikola Weisse (als Frau Yamamoto), Alicia Aumüller, Matthias Neukirch, Mirco Kreibich, Thomas Wodianka und Judith Hofmann. Nicht im Bild sind Sebastian Rudolph sowie die vier Darsteller*innen der Kinder und Jugendlichen. Die Band THE NOTWIST schreibt die Musik für die Inszenierung.
Ausserirdisch liebe, einfach
Ein irrwitziges Trio: Sophie Rois, Kotbong Yang und Trystan Pütter
Bilder: Luna
Zscharnt
Ein Raumschiff, Sahnetörtchen und Flirts in Sci-FiTrashtalk – hierhin beamt uns René Pollesch! Seine Theaterabende lebten vom Witz und der klugen Schärfe seiner Texte, von popkulturellem Style und oft viel GuteLaune-Musik. Eigentlich sollte sich Zürich auf eine neue Arbeit von ihm freuen, doch im Februar ist der Autor, Regisseur und einer der bedeutendsten Theatermacher der Gegenwart unerwartet in Berlin gestorben. Das Schauspielhaus zeigt nun LIEBE, EINFACH AUSSERIRDISCH in Zürich, uraufgeführt 2022 am Deutschen Theater Berlin und hochkarätig besetzt mit Sophie Rois, Trystan Pütter und Kotbong Yang.
«Das witzig-geistreiche Trio infernal will uns mit auf einen grandiosen Ausflug hinaus in den Weltraum nehmen – und lässt uns dabei trotzdem lachend im Theatersessel bleiben. Und klatschen vor Glück.» Frankfurter Allgemeine Zeitung
Lieber René
Eigentlich solltest du jetzt in Zürich sein, ich sollte mich in deine Proben stehlen und dir zuschauen, wie du gemeinsam mit dem Team Szenen entwickelst und verwirfst, ein Stück, das ein Premierendatum hatte, aber noch keinen Titel. Diese Arbeitsweise, die mich bei anderen nervös gemacht hätte und in grösster Nähe zum Ensemble entsteht, war typisch für dich. Ein Markenzeichen, genauso wie deine Jeanskluft, dein sanfter, wacher Geist und deine alles umfassende Höflichkeit. Deine Themen hat dir stets die Gesellschaft in ihrer Gereiztheit und Gespaltenheit, ihrer Selbstbezogenheit und gleichzeitigen Verzagtheit angeboten. Die Liebe und der Alltag, Kapitalismuskritik, Schönheitswahn oder Poststrukturalismus – du hast einzigartigen Witz mit Theorie verwoben, Klamauk mit Melancholie, Philosophie mit Unterhaltung, sodass einen schwindeln konnte. Und trotzdem war ein Pollesch-Abend reinste Sauerstofftherapie.
Wenige Tage vor deinem unerwarteten Tod im Februar habe ich dich bei deiner grossartigen Premiere JA NICHTS IST OK in der Berliner Volksbühne erlebt. Und an deinem Todestag – nichtsahnend, natürlich – die Belegschaft am Schauspielhaus Zürich voller Freude darüber informiert, dass du in der jetzt anbrechenden Spielzeit bei uns inszenieren wirst. Das wird nicht geschehen. Auch heute, ein halbes Jahr später, ist nichts ok. Ich bin noch immer fassungslos und sehr traurig. Man weiss, und ignoriert es dennoch, wie schnell alles vorbei sein kann.
Vielleicht vergeht aber nicht alles? Erinnerungen an Arbeiten in Hamburg und am Deutschen Theater Berlin verbinden uns genauso wie dein Sinn für das Gemeinsame, das Überbrückende – jetzt und für alle Zeiten. Und es ist bestimmt kein Zufall, dass deine Arbeit, die nun statt einem neuen Stück in Zürich gezeigt wird, LIEBE, EINFACH AUSSERIRDISCH heisst. Die Liebe, die Zuneigung, die deine gesamte Arbeit und das Verhältnis zu allen Kolleg*innen prägte: sie bleibt. Auch wenn sie nicht mehr von dieser Welt ist.
Wir machen weiter und denken an dich. Dein Uli
Ulrich Khuon Intendant des Schauspielhaus Zürich
1 Love Potion Number 9 THE CLOVERS
4 Radar Love GOLDEN EARRING
Teenage Kicks THE UNDERTONES
Blitzkrieg Bop RAMONES
Got My Feet on the Ground THE KINKS
Supersonic Rocket Ship THE KINKS
Armandab21.11.imKinoRiffraff
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Kontakt und Anmeldung unter freunde@schauspielhaus.ch
«Ein anspruchsvoller Film, der mit klugem Gespür für Tempo und Musikalität die Leinwand zum Klingen bringt.»
TÄNZER FÜRS LEBEN
12. SEPTEMBER
Ein Film von MARGHERITA VICARIO
Ein Film von Stéphane Carrel
mit Steven McRae Solotänzer am Royal Ballet in London Preisträger Prix de Lausanne 2003
LENK UND LEAR
17. trifft auf 21. Jahrhundert: Regisseurin Anne Lenk reagiert auf Zitate von König Lear aus Shakespeares gleichnamigem Stück.
LEAR: Wer sind Sie? Sie sehen aus wie meine Tochter, reden nur völlig anders. LENK: Danke, ich nehme beides mal als Kompliment. Ja, ich bin eine Tochter. Aber ich bin auch eine Mutter, und vieles andere. Wir sind alle vieles. Und wenn man Glück hat, stehen die Aufgaben und die Rollen, die wir im Leben einnehmen, in ungefährem Gleichgewicht. Abgewiesen von den eigenen Kindern, vertrieben aus meinen Burgen, Hab ich nirgendwo mehr hinzugehen. Ich bin ein Mann, an dem wurde Mehr gesündigt, als dass er gesündigt hat. Und warum? Sagten sie nicht, Ich sei ein guter Herrscher gewesen?
Ja, man kann ein guter Herrscher sein und trotzdem nicht gut genug. Wenn man sein Leben mit Arbeit verbringt und am Ende die Familie verloren hat, wird die Arbeit nicht am Sterbebett sitzen und uns die Hand halten. Ich glaube, dass Sie, König, den König die Hauptrolle haben spielen lassen und den Vater eine Nebenrolle. Und jetzt wundern Sie sich, dass Ihre Töchter erwachsen sind, dass sie weit über den väterlichen Kopf hinausgewachsen sind. Da haben Sie mindestens einen Schritt verpasst. Hören Sie Ihren Töchtern jetzt gut zu, seien Sie auch mal demütig! Ich glaube, dass wir von unseren Kindern lernen sollten. Gerade wenn sie uns nicht gleichen und uns vielleicht fremd vorkommen. Ich tu euch den Gefallen und betrauere mich als armen, alten Mann, In die Jahre, ja, in die Jahrtausende gekommen Und doppelt unendlich geschlagen. Was wollt ihr noch?
Ja, was wollen wir noch? Verständnis, Erkenntnis, Unterstützung? Wäre das nicht schön, wenn es über Selbstmitleid hinausginge in so einem Konflikt, wenn es Einsicht, Dialog, Aufeinanderzugehen gäbe?
Wer braucht denn noch Augen, um zu erkennen, Wie es zugeht auf der Welt? Mit den Fingern zähl lieber nach, Wie viele Menschen es noch gibt, die sich die Welt aus ihren eigenen Fehlern erklären und nicht immer nur aus denen der anderen.
Das finde ich eine ganz weise Aussage. Wer erklärt sich die Welt oder die Miseren aus den eigenen Fehlern heraus? In der Politik ist das heutzutage fast unmöglich. Es ist ja eher Usus zu sehen, was die anderen falsch machen und das dann gross aufzuziehen, anstatt selbst zu handeln oder Alternativen zu entwickeln. Interessant, wo Sie, Herr Lear, Ihr Denken hinentwickeln, in Ihrer Not; also dass Sie so über Ihren Tellerrand zu gucken imstande sind. Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir die Bühne des Lebens betreten müssen mit all den anderen Idioten. Sie sind ein Poet, König Lear! Und sehr unzeitgemäss damit. Solche Politiker kenne ich kaum. Dabei wäre es eine sicherlich menschenfreundlichere Politik, gäbe es mehr Sinn für die Schönheit der Sprache und für das Verbindende in ihr. Gleiches Recht für alle Menschen aller Klassen, Farben und Geschlechter – Das sind hehre Ziele, die ich teile!
Aber die haben Sie, glaube ich, nicht ganz verstanden. Ich habe das Gefühl, Sie sind sich Ihrer Privilegien nicht bewusst, also dass Sie vieles dem Zufall Ihrer Geburt in die «richtigen» Kreise auf dem «richtigen» Kontinent verdanken. Sie sehen sich ja als Gönner, der seine Töchter beschenkt mit einem Erbe, das Sie allerdings selbst geschenkt bekommen haben. Gleiches Recht für alle bedeutet jedoch auch, dass allen alles zusteht. Dass es eben keiner Dankbarkeit bedarf und Sie eben keine Liebe dafür bekommen, wenn Sie verteilen, was Ihnen eigentlich gar nicht gehört.
Ich hab den Machtwechsel doch selbst eingeleitet!
Die Zeit ist reif, und ich will loslassen können.
Toll formuliert: ich möchte können. Immerhin, der Wille ist da.
ANNE LENK zählt zu den derzeit erfolgreichsten Regisseur*innen im deutschsprachigen Raum. In den letzten Jahren schaffte sie es wie keine Zweite, einen neuen Blick auf alte Werke zu ermöglichen durch überraschende Besetzungen, feine Akzentverschiebungen und hochpräzises Ensemblespiel. Sie inszenierte u. a. regelmässig am Burgtheater Wien, Residenztheater München, Schauspiel Hannover, Thalia Theater Hamburg, Staatstheater Nürnberg sowie am Deutschen Theater
Berlin, wo sie mit ihren Arbeiten zweimal zum Theatertreffen eingeladen wurde und den Friedrich-Luft-Preis erhielt. Mit KÖNIG LEAR, in einer neuen Übersetzung und Bearbeitung von Thomas Melle, stellt sie sich erstmals dem Zürcher Publikum vor.
WILLIAM SHAKESPEARE (1564 – 1616) war ein englischer Dichter, Theaterunternehmer und Schauspieler, dessen Dramen zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur gehören.
KÖNIG LEAR VON WILLIAM SHAKESPEARE ÜBERSETZT UND NEU BEARBEITET VON THOMAS MELLE REGIE ANNE LENK MIT HANNA EICHEL, JOHANN JÜRGENS, SASHA MELROCH, NANCY MENSAH-OFFEI, MICHAEL NEUENSCHWANDER, KARIN PFAMMATTER, LEA SOPHIE SALFELD, LENA SCHWARZ, STEVEN SOWAH PREMIERE 19. OKTOBER 2024, PFAUEN
SCHAUSPIELHAUSZÜRICH
PFAUEN 20.00 | Preis M | Mittwochs-Abo | FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA VON
| SCHIFFBAUFEST 2024 SCHAUSPIELHAUS ZÜRICH, JAZZCLUB MOODS UND LASALLE RESTAURANT LADEN EIN! Konzerte, Lesungen, öffentliche Probe DIE VERWANDLUNG, Kostümanproben, Kinderprogramm, Führungen, Blicke hinter die Kulissen und in die Theaterwerkstätten, OFFENE BÜHNE, Workshops, Partys und vieles mehr! Details zum Programm: schiffbaufest.ch SA 7
15.00 | Preis M |
FRAU YAMAMOTO
DA VON DEA LOHER REGIE JETTE STECKEL Im Anschluss an die Vorstellung Nachgespräch mit dem Ensemble und der Autorin Dea Loher
Büld und Torsten Kindermann. Im Anschluss Barbetrieb im Foyer.
REDEN ÜBER SOZIALE
Zu Gast: Madeleine Herzog und Yuvviki Dioh, Moderation: Tobi Müller
| DIE VERWANDLUNG NACH FRANZ KAFKA REGIE
NACH FRANZ KAFKA REGIE LEONIE BÖHM
EINFACH AUSSERIRDISCH VON RENÉ POLLESCH REGIE RENÉ POLLESCH INSZENIERUNG DES DEUTSCHEN THEATERS BERLIN Im Anschluss Nachgespräch mit dem Ensemble
SCHIFFBAU-BOX 19.30 | Preis BD Schiffbau-Abo | DIE VERWANDLUNG NACH FRANZ KAFKA REGIE LEONIE BÖHM im Anschluss Nachgespräch mit Kafka-Experte Prof. Dr. Andreas Kilcher (ETH Zürich)
DREI FRAGEN ZU
DIE VERWANDLUNG
Wie war deine erste Begegnung mit Franz Kafka?
Handelt es sich bei dem «Ungeziefer» in Kafkas Text um eine Metapher?
Wie verhängnisvoll ist die Verwandlung in ein Ungeziefer – und wie viel Hoffnung beinhaltet sie?
Die drei Fragen zur VERWANDLUNG beantwortet die Schauspielerin EVA LÖBAU aus dem Ensemble der Produktion mit ihren Skizzen.
DIE VERWANDLUNG
NACH FRANZ KAFKA REGIE LEONIE BÖHM MIT VINCENT BASSE, EVA LÖBAU, LUKAS VÖGLER PREMIERE 13. SEPTEMBER 2024, SCHIFFBAU-BOX
FRANZ KAFKA (1883 –1924) war ein Prager Schriftsteller. Er gilt weithin als einer der bedeutendsten Autoren der literarischen Moderne.
LEONIE BÖHM ist Regisseurin, Performerin und Bildende Künstlerin. 1982 in Stuttgart geboren, studierte sie zunächst Bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel, später Schauspielregie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Ihre Inszenierungen NATHAN DER WEISE (Thalia Theater) und YUNG FAUST (Münchner Kammerspiele) wurden 2017 und 2019 zum Festival Radikal jung in München eingeladen. Mit MEDEA* (Schauspielhaus Zürich) wurde sie 2021 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Als Hausregisseurin prägte Leonie Böhm das Schauspielhaus Zürich von 2019 – 2024. In Kafkas 100. Todesjahr inszeniert sie hier einen seiner berühmtesten Texte: DIE VERWANDLUNG.
Als «hysterische» Patientin und Geliebte von C. G. Jung im Burghölzli ging sie in die Geschichte ein. Dass sie als Psychoanalytikerin Pionierarbeit geleistet hat, ist wenig bekannt. Eine virtuelle Inszenierung ermöglicht dem Publikum die Begegnung mit Sabina Spielrein.
«Das muss man sich mal vorstellen: Sabina Spielreins
Dissertation an der Uni Zürich war die erste, die ins Jahrbuch der Psychoanalyse aufgenommen wurde. Noch im selben Jahr, 1911, wurde sie Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung – als einzige Frau unter älteren Männern. Sabina forschte unter anderem am Institut Jean-Jacques Rousseau in Genf, war die Lehranalytikerin von Jean Piaget, publizierte, referierte auf Fachkongressen und wurde Leiterin der Kinderpsychologie an der Universität Moskau. Damals hatte sie einen Namen. Aber der wurde ausgelöscht.» Wenn Alexandra Althoff liebevoll von
«Sabina» spricht, denkt man, sie rede über eine Freundin, der Unrecht widerfahren ist und der sie endlich zur verdienten Anerkennung verhelfen möchte. Ganz falsch ist das nicht.
Es sei typisch für eine Frauenkarriere und ein Frauenschicksal dieser Zeit, dass Sabina Spielreins Name in Vergessenheit geraten ist. Um ihr nahezukommen, hat das auf virtuelle Inszenierungen spezialisierte Künstler*innenkollektiv RAUM+ZEIT, das Alexandra Althoff 2009 zusammen mit Bernhard Mikeska und Lothar Kittstein gegründet hat, «möglichst viel gelesen und gesehen, was
Sabina Spielrein (1885 –1942) hat in Zürich Medizin studiert und war eine Pionierin der Kinderpsychologie und -analyse.
VON ZORA SCHAAD
Das Umfeld, die Gesprächstherapien und die Trennung von den Eltern tun der jungen Frau gut: Sie wird ernst genommen und in ihrem wissenschaftlichen Eifer bestärkt. Mit der Zeit unterstützt Sabina Spielrein Jung bei Untersuchungen von Patient*innen und hilft ihm bei seiner Habilitation. Bald fasst Sabina Spielrein genug Selbstvertrauen, um ihren Wunsch, Ärztin zu werden, vorzubringen. Mit Bleulers Unterstützung schreibt sie sich im Frühling 1905 an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich ein, bleibt aber zunächst im Burghölzli.
Dort verliert der verheiratete Jung bald jede therapeutische Distanz und beginnt eine Liebesbeziehung mit seiner Patientin. Sabina Spielrein ist sein «psychoanalytischer Schulfall». Er macht sich einen Namen, schreibt über sie und übernimmt ihre Ideen, ohne das transparent zu machen. Sabina Spielrein notiert über ihre Beziehung: «Überhaupt brachte mir meine Liebe fast lauter Schmerz, es waren nur einzelne Augenblicke, da ich an seiner Brust ruhte, in welchen ich alles vergessen konnte.» Sie wendet sich schliesslich hilfesuchend an Siegmund Freud, der jedoch nur Jung Glauben schenkt. Dieser verleugnet zunächst seine Affäre und unterstellt Sabina Spielrein Rachegelüste, voller Angst vor Freuds väterlichem Zorn. Doch auch als Sabina Spielrein Freud die Liebesbriefe ihres Arztes zum Beweis schickt, bleibt Freud gelassen. Er kenne die Gegenübertragung aus eigener Erfahrung: «Ich war einige Male nahe daran und hatte a narrow escape», schreibt er verständnisvoll an Jung. Mit der VR-Inszenierung Doktor Spielrein möchte RAUM+ZEIT Sabina Spielrein aus dem Schatten ihrer Kollegen holen und ins Zentrum stellen. Es solle aber keine Nacherzählung ihrer Biografie geben, sondern ein Versuch, sich gegenüber den Übervätern zu behaupten, es von und über Sabina Spielrein gibt: Spielfilme, Biographien, Artikel, ihre Tagebücher und ihrer Korrespondenz». Auch die psychiatrische Klinik Burghölzli, wo Sabina Spielrein zuerst Patientin und später Ärztin war, haben die Theaterleute besichtigt. «Wir liefen über dieselben Holzböden wie sie, sprachen mit Paul Hoff, einem Experten für Psychiatriegeschichte, und eine junge Patientin brachte ihre Perspektive in unser Gespräch ein. Das war eindrücklich.»
Tatsächlich lässt sich Sabina Spielreins Geschichte vom Burghhölzli aus, diesem schlossartig angelegten Klinikbau auf einem Hügel am Zürcher Stadtrand, gut ausrollen. 1904 tritt die damals 18-Jährige in die «Irrenheilanstalt» ein, nachdem sie in einem noblen Hotel randaliert hatte. Die Diagnosen: Hysterie, Verdacht auf Paranoia und Suizidgefährdung. «Viele stigmatisierte Krankheiten wurden ihr seitdem von Biografen zugeschrieben, auch Schizophrenie und Borderlinestörung», weiss Alexandra Althoff. «Neuere Biografien wie diejenige von Sabine Richebächer gehen hingegen davon aus, dass Sabina die Einweisung selbst provozierte, um von ihren Eltern loszukommen und Hilfe zu suchen.»
Denn die Erziehung in der wohlhabenden und gebildeten jüdisch-russischen Familie ist streng: Die fünf Kinder müssen neben Jiddisch und Russisch auch Deutsch, Französisch und Englisch lernen und dürfen sich an einzelnen Wochentagen nur in einer bestimmten Fremdsprache unterhalten. Wer aufmuckt, wird vom Vater auf den nackten Hintern geschlagen. «Immer scheint es mir, dass Papa kommt und ich fahre zusammen», schreibt Sabina Spielrein in ihr Tagebuch. Als die kleine Schwester Emilia mit sechs Jahren an Typhus stirbt, bleibt für Spielreins tiefe Trauer wenig Platz. Das Verhalten der 16-Jährigen wird immer auffälliger.
Im Burghölzli geht es Sabina Spielrein rasch besser. Der Direktor Eugen Bleuler ist der «neuartigen Redekur» Sigmund Freuds gegenüber aufgeschlossen und beauftragt seinen jungen Assistenzarzt Carl Gustav Jung, die Behandlung der neuen Patientin zu übernehmen.
In den virtuellen Welten können die Zuschauer*innen selbst die Perspektive bestimmen.
so Alexandra Althoff. «Lange Zeit wurde Sabina als Verführerin, Hysterikerin und Zwietracht-Säherin zwischen Jung und Freud angesehen, später als Opfer einer missbräuchlichen Arzt-Patientin-Beziehung.» Dass sie 30 Jahre lang erfolgreich als Psychoanalytikerin und Ärztin gearbeitet und geforscht hat, rücke erst durch die Forschungen von Autorinnen wie Sabine Rickebächer in den Fokus. Während der Vorstellungen werden die Zuschauer*innen einzeln durch die Installation geführt. Sie betreten nacheinander mehrere Räume, virtuelle wie reale. In den
Die mehrfach ausgezeichnete deutsche Schauspielerin Julia Jentsch wird gemeinsam mit Tabita Johannes und Maximilian Reichert aus dem Ensemble des Schauspielhauses in der VR-Inszenierung zu erleben sein.
Bilder: Nils Schwarz / Heinz Holzmann
realen Räumen treffen sie auf Schauspieler*innen (Julia Jentsch, Tabita Johannes, Maximilian Reichert), während sie in den virtuellen über eine VR-Brille in voraufgezeichnete Situationen eintauchen. Dennoch sind die Erfahrungen auch dort individuell: «Es sind 360-Grad-Aufnahmen, die Zuschauer*innen können sich in alle Richtungen bewegen. Die unterschiedlichen Blickrichtungen und Interaktionen machen das Erlebte einzigartig», so Alexandra Althoff. In den Arbeiten von RAUM+ZEIT verwischen die Grenzen zwischen realer Situation und Fiktion, zwischen Betrachtenden und Darstellenden. Das Ensemble spricht die Zuschauer*innen in der Eins-zu-Eins-Situation direkt an. «Man kommt Sabina Spielrein, aber auch Jung und Freud sehr nahe.»
Institutsleiterin an der Moskauer Universität. Sie ist die bestausgebildete Analytikerin im Land, hält Vorlesungen und Weiterbildungen. Aus Beobachtungen ihrer Kinder Irma Renata und Eva gewinnt sie empirisches Material von grossem Wert. Doch der Aufschwung der Psychoanalyse in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg hält in Russland nicht lange an. 1933 wird sie von Stalin verboten und Sabina Spielrein muss die Familie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes als Schulärztin über Wasser halten. Im Sommer 1942 erlangt die deutsche Wehrmacht die Kontrolle über die Stadt Rostow. Zusammen mit ihren Töchtern und allen anderen jüdischen Einwohner*innen wird Sabina Spielrein aus der Stadt getrieben und fünf Kilometer entfernt vom SS-Sonderkommando 10a erschossen. Holocaust-Opfer, Missbrauchsbetroffene, Psychiatriepatientin: Spielreins Biografie ist voller traumatischer Geschehnisse und potentieller Trigger. «Das ist uns absolut bewusst», sagt Alexandra Althoff. «Wer sich nicht wohlfühlt, kann die Inszenierung jederzeit verlassen.» Das sei allerdings bei all den Arbeiten, die das Kollektiv seit seiner Gründung gestaltet hat, kaum je vorgekommen. «Wir erfahren, dass unsere Theaterabende das Publikum bewegen und begeistern.» Oft bräuchten die Besucher*innen nach der Vorstellung zuerst Zeit für sich, gingen an die frische Luft. «Danach kommen die meisten zurück ins Foyer, schreiben in unser Gästebuch und suchen den Kontakt mit anderen Zuschauer*innen.» Auf diese Gespräche hofft Alexandra Althoff auch am Schauspielhaus Zürich. «Sabina ist eine bedeutende Persönlichkeit. Sie hat es verdient, in die Aufmerksamkeit dieser Stadt zurückzukehren.»
Eine VR-Inszenierung zu realisieren ist anspruchsvoll. Das gesamte Team muss den Raum verlassen, damit eine spezielle Kamera mit ringartig angeordneten Linsen 360-Grad-Aufnahmen einer Szene machen kann. Das funktioniert ähnlich wie bei einem Panoramabild mit dem Handy, nur mit dem Unterschied, dass die einzelnen Sequenzen nicht nacheinander, sondern gleichzeitig gefilmt werden und dass es sich um 360-Grad-Bewegtbild handelt. Die sich überlappenden Blickfelder werden danach mit einer speziellen Software gestitcht, also zu einer nahtlosen Rundumaufnahme zusammengefügt. «Da muss sehr präzise gearbeitet werden», erzählt Alexandra Althoff. «Technisch ist das enorm aufwändig.» Dass es überhaupt möglich ist, dem Publikum ein derartiges Erlebnis zu ermöglichen, sei nur dank der Zusammenarbeit mit dem kunstaffinen Unternehmen Heimspiel möglich, mit dem RAUM+ZEIT schon mehrere Projekte realisiert hat, erklärt sie. Zurück zu Sabina Spielrein. Sie heiratet für ihr Umfeld überraschend den Arzt Pawel Scheftel, bringt zwei Töchter zur Welt, lebt mal in Wien, mal in Berlin und im sowjetischen Russland. Aus finanzieller Not arbeitet sie als Ärztin in einem Blindenheim, dann als Wissenschaftlerin mit Fachbereich Kinderanalyse, später als
GRÜNDUNGSMITGLIEDER RAUM+ZEIT
ALEXANDRA ALTHOFF arbeitet seit 2003 als Dramaturgin. Von 2019 bis 2022 war sie Stellvertretende Künstlerische Direktorin am Burgtheater. 2023 wurde sie zum Senior Artist am Max Reinhardt Seminar ernannt.
LOTHAR KITTSTEIN geboren 1970 in Trier, ist promovierter Historiker und arbeitete zunächst als Headhunter und Dramaturg. Seit 2007 ist er freier Theaterautor.
BERNHARD MIKESKA geboren in München, promovierte in Hamburg in Theoretischer Physik über komplexe Systeme und wechselte dann zum Theater. Seit 2000 arbeitet er als freischaffender Regisseur und Produzent.
LITERATUR
Richebächer, Sabine: Sabina Spielrein. «Eine fast grausame Liebe zur Wissenschaft». Biographie. Zürich 2005 (Dörlemann Verlag)
Spielrein, Sabina: Nimm meine Seele. Tagebücher und Schriften (Hrsg. Hensch, Traute). Berlin 2006 (Edition Freitag)
Die psychiatrische Klinik Burghölzli auf einer Luftbildaufnahme von 1966.
AUF DER BÜHNE
BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER
VON MAX FRISCH
REGIE NICOLAS STEMANN
MIT PATRYCIA ZIÓLKOWSKA, NIELS BORMANN, KAY KYSELA; SOWIE DANIEL LOMMATZSCH, SEBASTIAN RUDOLPH, ANINA STEINER, ANN-KATHRIN STENGEL, HANNAH WEISS; LIVE MUSIK THOMAS KÜRSTNER, SEBASTIAN VOGEL
BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER, die Inszenierung von Nicolas Stemann, ist auch in der neuen Theatersaison wieder im Pfauen zu sehen. Im September läuft der Abend drei Mal: am 17., 22. und 30. September, dann ist übrigens «Theatermontag» und alle Tickets gibt es zum halben Preis.
MAX FRISCH (1911–1991) war Schriftsteller und Architekt. Er zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts und gilt als meistgelesener Schriftsteller der Schweiz.
Bild: Philip Frowein
HERR ODER FRAU HARKE MACHT THEATER
Auf der Bühne stehen, in der Intendanzloge heimlich Popcorn essen, in der Maske die Haare schneiden oder über den Beamer englische Übertitel für das Publikum einspielen: Jascha Harke (17 ) macht am Schauspielhaus Zürich die unterschiedlichsten Dinge. «Ich bin einfach gern in diesem Kuchen», stellt die angehende Fachperson Betreuung klar. Lange war Jaschas Platz als Inhaber*in eines Jugendabos im Publikum, seit dem Auftritt in Suna Gürlers Produktion «jetzt, jetzt, jetzt» ist er manchmal auch auf oder hinter der Bühne.
Noch vor der Dernière entschied sich Jascha, bei einem der vier Jugendclubs einzusteigen, die Suna Gürler am Schauspielhaus gegründet hatte.
Mit dem Intendanzwechsel am Schauspielhaus zur Saison 2024 / 25 übernimmt die Theaterpädagogin Zora Maag die künstlerische Leitung der Jugendclubs. Spielbegeisterte junge Menschen wie Jascha können sich dabei wöchentlich in theatralen Ausdrucksformen ausprobieren und ihre unter professioneller künstlerischer Leitung erarbeiteten Stücke nach einem halben Jahr Probearbeit auf der Schauspielhaus-Bühne zeigen. Der Probenprozess sei ein bisschen wie ein Klassenlager, erzählt Jascha:
«Man freut und nervt sich über die gleichen Dinge, erlebt andere euphorisch, nervös, übermüdet – das schweisst zusammen.»
Jascha, die*der sich als nonbinär identifiziert («verwende einfach irgendwelche Pronomen, kommt mir nicht darauf an»), hat am Schauspielhaus neue Freund*innen gefunden: «Hier ecke ich nicht an, muss mich nicht erklären, werde einfach akzeptiert. Theater ist für mich ein Safe Space, aber nicht ein abgeschotteter, sondern einer mit grossem Bezug zum Aussen.» Also next step Schauspielschule? Jascha lacht. «Ich bin schon eine Rampensau, bin ja auch in der Politik aktiv. Aber Schauspieler*in werden? I don’t know. Zuerst mache ich mal meine Lehre im Hort fertig.
Danach hänge ich vielleicht noch ein Studium an.» Soziale Arbeit, Theaterpädagogik oder Regie interessieren «Herr oder Frau Harke», wie Jascha bei der Arbeit von den Kindern genannt wird. «Regisseur*innen müssen eine Vision vor Augen und das bigger picture im Kopf haben, das gefällt mir. Böxli-Denken war noch nie meins.» ZOS
MACH MIT! Bist du zwischen 14 und 24 Jahre alt und hast Lust, Theater zu spielen? Werde Teil der Jugendclubs am Schauspielhaus Zürich! Ab November 2024 wird geprobt, im Mai 2025 zeigt jeder Club sein Stück in drei öffentlichen Vorstellungen.
Informationen und Anmeldung hier:
DU WEISST, DU BIST IM THEATER, WENN …
… du für eineinhalb Stunden nicht aufs Handy schaust.
… du freiwillig Drama suchst.
… es keine Rolle spielt, ob du Abendkleid oder Jogginghose trägst.
… das Auswickeln deines Ricola gefühlte 20 Minuten dauert.
… du es schaffst, dich in 20 Minuten vor dem WC und dann an der Bar anzustellen und in den verbleibenden fünf Minuten dein Getränk zu leeren.
... wenn es dich beflügelt, zusammen mit 500 Unbekannten denselben Moment zu erleben.
… es dich nicht stört, dass dein Gegenüber einen 20-minütigen Monolog hält.
… du vor einer Premiere im Foyer Leute siehst, die sich gegenseitig über die Schulter spucken.
… dich jemand fragt «gibt’s ne Pause?».
… du mit vielen anderen Menschen gemeinsam schweigst, ohne dass es peinlich wird.
… du eigentlich nichts verstehst, aber es trotzdem absolut geil findest.
Illustration und Bild: Raffinerie
(NO) DRAMA DRINK
PHILIPP STEVENS
ist in der Spielzeit 24 / 25 Regieassistent am Schauspielhaus Zürich. Seine Fähigkeit, Drinks zu mixen, hat er bei einem Aufenthalt in London perfektioniert, wo er die European Bartender School absolvierte – als Weiterbildung für einen Job in der Gastronomie. Schon als Teilnehmer des Theaterjahrs 23 / 24 kreierte Philly regelmässig zu den Inszenierungen am Schauspielhaus passende Premierendrinks. Sein Festival-Drink zum Spielzeitstart 24 / 25 ist eine «Berlin-Zürich-Fusion, die zusammen was Schönes macht»; ein abgewandelter Gin Tonic, für den Philly den Berlin Dry Gin von Berliner Brandstifter und die Zürcher Urban Lemonade mit Yuzu-Geschmack verwendet.
REZEPT
Für den Lavendel-Pfeffer-Sirup (einkochen):
100 g Wasser
100 g Zucker
15 g Pfeffer
5 g Lavendel
Noch ’n bisschen schärfer? –Paar Tropfen Tabasco
Für das Gurkenwasser (pürieren):
200 g Gurke
100 g Wasser
Zutaten nacheinander in ein Glas geben: 6 cl Gin
2,5 cl Lavendel-Pfeffer Sirup
2 cl Gurkenwasser
Eiswürfel – drei müssen oben rausgucken
Auffüllen mit Urban Yuzu Lemonade
WILLKOMMEN IN ZÜRICH
«Ich kam mit dem Zug an, von wo, weiss ich grad nicht mehr. Der riesige Bahnhof und rundherum diese Strassenbahnen, Coronatest, Busse, Autos, Menschen, Kioske, Cafes, Tauben und dann einfach dieses Wasser und Berge!»
Die österreichische Schauspielerin Nancy Mensah-Offei, die für diese Spielzeit aus dem Theater St. Gallen nach Zürich kommt, kann sich noch gut an ihren ersten Eindruck der Stadt erinnern. Der zweite Ensemble-Neuling, der in Zürich aufgewachsene Elias Arens, bezeichnet sich als
WÜRDI VOLL
Geniesse die Kantine mit Pepino und Trudi!
Freundlichkeit mag jede*r!
Umrunde den See zu Fuss – und fang’ gleich damit an.
VON GOTTFRIED
Sehr zu empfehlen: Die RicolaBonbons an den Eingängen zum Publikumsraum stehen auch dem Ensemble zur Verfügung. In die Bibliothek des Tierspitals Zürich darf man Hunde mitnehmen. Der Besuch bei den Dinos im Naturhistorischen Museum der Uni Zürich ist gratis.
VON KARIN
«Rückkehrer mit Heimkehrer-Sentiment». Bevor er nach ein paar Jahren am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Hannover wieder Fuss auf Zürcher Bühnen setzt, wird er das tun, was er bei jedem Heimaturlaub macht: «Zuerst meine Eltern herzen. Und dann einen Cervelat beim vorderen Sternen essen.» Die beiden langjährigen Ensemblespieler*innen Karin Pfammatter und Gottfried Breitfuss begrüssen die Neuankömmlinge mit einigen Tipps und Tricks.
WÜRDI
NÖD
Rede nicht über die hohen Preise –denk an die Qualität der Dinge. Pass auf beim Fahrradfahren – die Gleise sind tückisch. Vor allem, wenn sie angeheitert sind. Vergiss nicht, auf Wochenmärkte zu gehen: Ich empfehle Helvetiaplatz und Oerlikon.
Vorsicht! Neuerdings darf man nicht mehr mit dem Auto durch die Langstrasse fahren, sonst wird man gebüsst.
Lebensgefahr! Die Trams haben in der Stadt immer Vortritt.
Achtung! Der Verkauf der Tessiner Palme wird bald verboten.
VON KARIN
Bilder: Gian Paul Lozza
BLEIB EINFACH NOCH EIN BISSCHEN BEI MIR
HABEN SIE EINE IDEE, AUS WELCHEM STÜCK DIESES ZITAT STAMMEN KÖNNTE? TIPPEN SIE RICHTIG UND GEWINNEN SIE 2 TICKETS FÜR EIN STÜCK IHRER WAHL! (AUSGENOMMEN SIND PREMIEREN, FREMD- UND SONDERVERANSTALTUNGEN.) REICHEN SIE IHRE ANTWORT BIS ZUM 15. SEPTEMBER PER E-MAIL EIN UNTER KOMMUNIKATION@SCHAUSPIELHAUS.CH UNTER ALLEN EINSENDUNGEN WIRD DER*DIE GEWINNER*IN AUSGELOST. VIEL GLÜCK!
TURBO START
ZUM SAISONSTART ERHALTEN SIE MIT DEM CODE TURBOSTART BEIM KAUF VON 2 TICKETS FÜR 2 UNTERSCHIEDLICHE VORSTELLUNGEN 20 % RABATT. AUSGENOMMEN SIND PREMIEREN, FREMD- UND SONDERVERANSTALTUNGEN. DER CODE KANN BIS 30. SEPTEMBER IM WEBSHOP ODER AN DER THEATERKASSE EINGELÖST WERDEN. (NICHT KUMULIERBAR MIT ANDEREN VERGÜNSTIGUNGEN.)
ALICIA AUMÜLLER, TABITA JOHANNES, GOTTFRIED BREITFUSS, SASHA MELROCH, SEBASTIAN RUDOLPH, VINCENT BASSE