schau Magazin Heft 6 2015

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schaubrauch Als Chuang Shu-Chen vor genau 25 Jahren zum ersten Mal ihre Schwester in Österreich besuchte, wollte sie sich beruflich und privat neu orientieren. Nicht vorauszusehen war, dass aus der ausgebildeten Kosmetikerin die mehrfach ausgezeichnete TofuKönigin des Burgenlandes werden würde.

Das kleine Soja-Haus TEXT VON JUDITH JANDRINITSCH, FOTOS: PETRA RAUTENSTRAUCH

EIN CHINA-RESTAURANT IN KNITTELFELD war der erste Arbeitsplatz der aus Taiwan stammenden Chuang Shu-Chen in Österreich. Es war das Restaurant ihrer Schwester, das diese damals mit ihrem Mann betrieb. Ihre Schwester erkannte das kommunikative Talent von Chuang und teilte sie gleich dazu ein, die SojabohnenKeimlinge zu bewerben, die im Restaurant selbst gezogen wurden. Das brachte eine Partnerschaft mit dem damals noch existierenden Konsum hervor, denn Sojasprossen waren in den 1980er Jahren noch eine exotische Sensation und hierzulande käuflich nicht zu erwerben. Als die Konsum-Genossenschaft in Konkurs ging, fiel ein wichtiges finanzielles Standbein von Chuang plötzlich weg. Auch privat änderte sich einiges. Sie lernte einen Österreicher kennen, heiratete ihn und zog mit ihm ins südliche Burgenland. Von Taiwan ins Burgenland

„Ich hätte gerne wieder als Kosmetikerin gearbeitet, aber da hätte ich eine Ausbildung von zwei Jahren nachmachen müssen, damit meine Ausbildung aus Taiwan anerkannt wird“, erzählt Chuang und schüttelt heute noch den Kopf darüber. Das Schicksal wollte es anders. Chuang half bei einem Schulprojekt der landwirtschaftlichen Fachschule Güssing mit, bei dem es darum ging, asiatisches Gemüse an68 schau

zubauen. Zwar hatte sie selbst nicht viel Erfahrung darin, doch siehe da, das Gemüse gedieh prächtig. Chuang war auf den Geschmack gekommen. Biologischer Gemüse- und Kräuteranbau wurde zu ihrer neuen Leidenschaft. Sie besuchte verschiedene landwirtschaftliche Kurse, und ließ sich zur Kräuterpädagogin sowie zur Bio- und Seminarbäuerin ausbilden. Das Aha-Erlebnis hatte sie bei einer Radtour: Sie sah neben sich im Acker eine Frucht wachsen, die ihr seltsam vertraut vorkam: Sojabohnen! Die kannte sie doch aus ihrer alten Heimat Taiwan. Und plötzlich wusste sie, was sie wollte: selbst Tofu herstellen. Vom Viehfutter zum GourmetProdukt

Den ersten Einblick in die TofuHerstellung bekam sie von der Schwiegermutter einer Freundin in Ungarn. Um alle Feinheiten der aufwändigen Tofu-Erzeugung zu lernen, reiste sie nach Taiwan. Dabei wäre ihre Idee beinahe daran gescheitert, dass sie zu Beginn ihrer Produktionstätigkeit fast keine Sojabohnen bekommen hätte. Als sie im Lagerhaus endlich fündig wurde, holte sie die Verkäuferin auf den ­Boden der Realität zurück. „Nein, kaufen können Sie die Sojabohnen nicht, das ist Viehfutter und wird nach Deutschland verkauft“, gibt Chuang die Worte der Verkäuferin wieder. Heute bezieht sie ihre TofuAusgangsbasis von einem Bio-Bau-

ern, der Sojabohnen unweit von Rotenturm anbaut. Chuang belässt ihren Tofu natur, räuchert ihn oder legt ihn in Sonnenblumenöl ein, und das ganz bewusst, weil es in Österreich nun mal Sonnenblumenöl und kein Olivenöl gibt. Pflanzen für die Ewigkeit

Das nächste landwirtschaftliche Experiment von Chuang war der Versuch, essbare Taglilien auf einem eigenen Stück Acker zu kultivieren. Die ersten Exemplare brachte Chuang im Koffer von Taiwan mit ins Burgenland. Sie brauchte mehrere Versuche und viele Taglilienpflanzen, bevor sie die Blütenknospen ernten und zu „Essig-Lilien“ verarbeiten konnte. Zur Erntezeit von Anfang Juni bis Mitte August muss Chuang in aller Herrgottsfrühe aufs Feld. Dann setzt sie auch ihren mittlerweile berühmten Ernte-Hut auf, ihr Markenzeichen. Mit leuchtenden Augen wendet sie sich jetzt ihren Goji-Beeren zu, die in den letzten sechs Jahren ihre Sorgenkinder waren. Erst heuer sind die langen, rankenden Triebe des Strauches voll von roten kleinen Beeren. Der heiße Sommer hat den Pflanzen sehr gut getan. Chuang freut sich, dass ihre Geduld über den Wunsch gesiegt hat, die Sträucher einfach auszureißen und den Goji-Beeren-Anbau zu vergessen. Endlich kann sie die Beeren zu Chutney verarbeiten oder ebenfalls in Essig einlegen – probiert hat sie das auf jeden Fall schon.

Jedes Blatt ist kostbar

Zwischen den Goji-Sträuchern streckt eine unscheinbare grüne Pflanze ihre Blätter aus dem Boden, die würzig-scharf schmecken. Das ist Jiaogulan, die Pflanze der Unsterblichkeit. Sie ist so wie die Goji-Beeren aus der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht wegzudenken. Chuang verwendet Jiaogulan gemeinsam mit den getrockneten Blättern des Goji-Strauches für ihre speziellen Teemischungen. Groß ausposaunen will die Kräuterpädagogin die vielen positiven Eigenschaften von Jiaogulan nicht. Doch das ist auch nicht nötig. Denn eigentlich ist die vor Energie sprühende, begeisterungsfähige und sehr dynamische Chuang das beste Beispiel für die Wirksamkeit ihrer Früchte und Kräuter. ///

info

Shu-Chens Sojahaus Die essbaren Taglilien, Goji-Beeren, in Sonnenblumenöl eingelegter Tofu, Tofu natur oder geräucherter Tofu sind direkt in Shu-Chens ­Sojahaus, Meierhof 11, 7501 Rotenturm an der Pinka zu beziehen, bzw. in ausgewählten Bauernund Bioläden. Infos unter 03352 / 321  02 oder shuchensojahaus@gmx.net.

heft 6|2015


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