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Editorial

7/22 EDITORIAL

PETRA REGER Zwischen Lohnentwicklung und »Überakademisierung«

»Morgen Nachmittag hätte ich noch was frei« wirkt im Handwerk mittlerweile wie eine utopisch anmutende Floskel aus längst vergangenen Zeiten. Wer professionell bauen oder ausbauen lässt, muss mittlerweile nicht nur viel Geld, sondern auch eine Menge Geduld aufbringen. In dieser von Krisen gebeutelten Zeit sind die Gründe dafür schnell gefunden. Sie zeigen gleichzeitig aber auch auf, dass der UkraineKrieg oder die CoronaKrise längst nicht die einzigen Problemfaktoren sind, mit denen sich die deutsche Bauwirtschaft dringend auseinanderzusetzen hat.

ie Auftragsbücher platzen aus allen Nähten. Und trotzdem schweben der Fachkräftemangel und aufgrund von Materialknappheit hintangestellte Bauprojekte wie eine dunkle Wolke über dem deutschen Bau-Himmel. Damit einher geht, dass das Bauen nie teurer war: Stark gestiegene Material- und Logistikpreise sowie generelle Probleme in den Lieferketten stellen so manches Bauvorhaben auf das Abstellgleis. Eine Entspannung der Lage ist angesichts der vielfältigen Covid-19-Auswirkungen und des Ukraine-Krieges nicht in Sicht. Wer bei den Verbänden der Bauindustrie, den Bauunternehmern sowie der Bundesregierung jedoch zwischen den Zeilen Zu viele jungeMenschen liest, erkennt, dass ein Ende der haben den Weg krisenbedingten Preissteigerungen oder die Beseitigung von Lieferengin die Hochschulen und pässen allein nicht ausreichen, um

Universitäten gesucht. das »Problem mit dem Bauen« hierzulande in den Griff zu bekommen. Denn sobald sich das Baumaterial wieder stapelt und die Preise erschwinglich sind, wird es kaum noch Handwerkernachwuchs geben, der freudig den Hammer schwingt. Als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) erklärte Hans Peter Wollseifer kürzlich, dass gerade eine Bildungswende in den Fokus zu rücken sei, um überhaupt die Voraussetzungen für die Zukunft zu schaffen. »Wenn wir nicht dafür sorgen, dass berufliche Ausbildung einen höheren Stellenwert bekommt und mehr junge Menschen einen Handwerksberuf ergreifen, wird sich die Lage in den kommenden Jahren verschlimmern.« Laut Wollseifer fehlt dem deutschen Handwerk mindestens eine Viertelmillion an Fachkräften. »Wir brauchen wieder das Bewusstsein, dass berufspraktische Arbeit etwas wert ist, und zwar genauso viel wie akademische Arbeit. Diese Wertschätzung fordere ich ein – ansonsten kommen wir in unserem Land nicht voran.«

Was die Situation zusätzlich verschlimmert, ist, dass laut ZDH eine »Überakademisierung« stattgefunden hat. Zu viele junge Menschen haben den Weg in die Hochschulen und Universitäten gesucht – wohlwissend, dass ihnen im Büro viele Rückenschmerzen erspart bleiben und weit mehr Gehalt winkt. Um das Ungleichgewicht abzuschaffen, braucht es allerdings politische Schützenhilfe. »Viele der Bildungszentren sind zu modernisieren und müssen weiterentwickelt werden«, so Hans Peter Wollseifer.

In der Pflicht stehen auch Bauunternehmen, Händler und Hersteller: Sie sind die Zugpferde der Branche und müssen sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren, um den Nachwuchs dauerhaft an die Bauwirtschaft zu binden. Als Platzhirsch im Baumaschinensektor zeigt zum Beispiel Liebherr, dass das mitunter durch Kontinuität gelingt: Trotz anhaltender Krisen verzeichnete der Baumaschinenhersteller im vergangenen Jahr satte Gewinne. Unter der Rubrik »ImBlickpunkt« rückt die Redaktion neben den Liebherr-Geschäftsergebnissen die wichtigsten Neuentwicklungen aus dem Kransegment, wie den erstmals vorgestellten Mobilkran LTC 1050-3.1E mit elektrischem Antrieb oder den als »Game-Changer« umschriebenen Raupenkran LR 1250-1.0, in den Mittelpunkt.

Sollten Sie zu unseren Themen in dieser Aus gabe Anregungen haben oder Wünsche, schreiben Sie uns unter baumagazin@sbm-verlag.de. Wir freuen uns über jede Zuschrift. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine unterhaltsame Lektüre.

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