V.i.S.d.P Jahrbuch 2006

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Frank Schirrmacher V.i.S.d.P. Medienjahrbuch 2006 Seite 61

nicht gedruckt worden sind. Das war der Inbegriff von Bedeutsamkeit und Arroganz. DPA war exklusives Wissen. Wir haben ja vergessen, dass wir uns früher an Telefonzellen anstellen mussten. Ich bin heute permanent auf dem Laufenden durch FAZ.NET, SPIEGEL ONLINE natürlich und GOOGLE NEWS. V.i.S.d.P.: Wie wichtig sind SMS? Schirrmacher: Absolut wichtig. Ich habe sogar Leute per SMS abgeworben. Die ganze Sonntagszeitung – alle per SMS. Ich habe aber ein neues Handy, das ich nicht bedienen kann. Es fantasiert ständig Wörter dazu, die ich nicht geschrieben habe. Die Leute halten mich für verrückt. Die letzte SMS, die ich schrieb, sollte heißen, irgendetwas sei zu Ende, und es kam heraus „Mein Tag ist zu Ende“. Ich geriet in Selbstmordverdacht.

Aust und Mathias Döpfner ein Meinungskartell bilden und die deutsche Öffentlichkeit lenken? Schirrmacher: Ach, wenn es so einfach wäre… Stefan Aust, den ich sehr mag, und Mathias Döpfner, den ich seit meiner Jugend kenne, und ich selbst haben uns zu dritt in meinem gesamten bisherigen Leben erst viermal getroffen. Davon zweimal im „Borchardt“ – deswegen heißt es wohl Borchardt-Kartell. Dreimal ging es um die Rechtschreibreform, und einmal ging es um einen Geburtstag. Das meinen Sie dann wohl mit „weitverbreitet“. V.i.S.d.P.: Woher stammt diese Angstfantasie? Schirrmacher: Von Gerhard Schröder. In der letzten Phase seiner Amtszeit hat er behauptet, Aust, Döpfner und Schirrmacher wollten seine Regierung stürzen – eine fast ehrenvolle Unter-

« Was ich sehr mag, ist diese Sendung mit den beiden Polizisten, „Toto und Harry“. Die sind so autoritär. Der eine vor allem, der alle Probleme lösen kann. Man fühlt sich zurückversetzt in seine Kindheit » Frank Schirrmacher stellung. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. V.i.S.d.P.: Gucken Sie Fernsehen? „Tatort“ zum Beispiel? Schirrmacher: „Tatort“ habe ich seit Jahren nicht mehr geguckt. Ich fand „Mein neuer Freund“ mit Christian Ulmen unglaublich witzig. Davon habe ich auch die DVD. „Versteckte Kamera“ gucke ich gerne. Was ich sehr mag, ist diese Sendung mit den beiden Polizisten... bekommen, worauf ich sehr stolz bin, weil es mehr war als nur irgendeine verrückte Idee. Das ist übrigens das nächste große Thema: Die Vermischung des Genprojekts mit Google – daran arbeiten die auch schon. V.i.S.d.P.: Wie hat sich Ihr persönlicher Medienkonsum in den letzten Jahren verändert? Schirrmacher: Als ich bei der FAZ anfing, kam ich abends nach Hause und konnte als Student meiner Mutter sagen, welche Nachrichten * Venter plant, Millionen von Genen in Verbindung mit biologischen und anderen naturwissenschaftlichen Daten zu bringen – und dazu die immense Rechenkapazität von Google zu nutzen: „Mit anderen Worten, wir nähern uns vielleicht einer Zeit, in der man seine eigenen Gene googeln wird.“ (David Vise, Mark Malseed, Die Google Story, Murmann Verlag)

V.i.S.d.P.: „Toto und Harry“? Schirrmacher: Genau. Die sind so autoritär. Man fühlt sich zurückversetzt in seine Kindheit. Der eine vor allem, der alle Probleme lösen kann. Das sind alles soziopsychologische Phänomene, wie sie Leute wie mich erreichen, die sich am Abend eines langen Tages in eine andere Welt führen. Das ist wie ein Wiegenlied.

V.i.S.d.P.: Haben Sie Anfang des Jahres versucht, sich Vogelgrippeimpfstoff zu beschaffen? Schirrmacher: Ich versuche so etwas nicht, sondern ich ziehe es durch. Es gehört doch zu einem guten Journalisten, dass er vorher weiß, was passiert. Darum habe ich mir rechtzeitig Tamiflu besorgt und auch so gelagert, dass es wirkt, nämlich im Kühlschrank. Aber die Dosis wird sicherlich nicht reichen. Ich habe dann aber so vielen Leuten davon erzählt, dass im Ernstfall für mich gar nichts übrig bliebe.

V.i.S.d.P.: Und wann moderieren Sie Ihre eigene Fernsehsendung? Schirrmacher: Das überlasse ich anderen.

V.i.S.d.P.: Haben Sie also geahnt, dass dieses Thema so groß werden würde? Schirrmacher: Na ja, als ich erfuhr, dass einer der Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema befassen, ein Landhaus in der Uckermark mit Lebensmitteln vollgestopft hat, habe ich gedacht: Ein bisschen Tamiflu für unmittelbare Angehörige kann nicht schaden.

V.i.S.d.P.: Was sagen Sie zu der weit verbreiteten These, Sie würden gemeinsam mit Stefan

V.i.S.d.P.: Die WM sollte wegen der Vogelgrippe sogar abgeblasen werden. Und dann war


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