Human Resources Manager

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TITEL Variantenreich: FLEXIBILITÄT ist neben der strategischen Ausrichtung das Zauberwort im Rahmen der zukünftigen Personalarbeit. Dazu gehören die Entwicklung von verschiedenen ARBEITSZEITMODELLEN sowie eine flexible Personaleinsatzplanung, die verstärkt auf ZEITARBEIT setzt.

ma Gartner, die sich Gedanken zur zukünftigen Arbeitswelt gemacht hat. Maßgebliche Ideen werden demnach weniger aus internen Meetings heraus entstehen, sondern durch eine Gruppe an Menschen, die sich der Kontrolle der Organisation entziehen. Mit einzelnen Personen kann ein Unternehmen ebenfalls ein Netzwerk eingehen. Die Zahl der Selbstständigen ist in Deutschland seit 1991 fast kontinuierlich gestiegen. 2008 waren von den 38,7 Millionen Erwerbstätigen 4,1 Millionen Selbstständige, was eine Zunahme von 36,4 Prozent im Vergleich zu 1991 bedeutet. Ein Trend zur Selbstständigkeit ist also sichtbar. Für manche Beschäftigten mag sie ein Übel sein, bedeutet sie doch enorme Unsicherheiten, für viele gut ausgebildete junge Menschen, vor allem aus dem Kreativbereich, ist sie allerdings kein Schrecken mehr, bietet sie doch enorme Freiheiten, die sie nicht mehr missen wollen. Und die Spezialisierung von Wissen wird den Trend noch verstärken, der für Unternehmen und Selbstständige mehr Flexibilität bedeutet. „Freie Projektarbeiter werden sich für bestimmte Aufgaben im Unternehmen als Alternative zur Festanstellung durchsetzen“, schreibt Tim Cole in seinem Buch „Unternehmen 2020 – das Internet war erst der Anfang“. Eine ähnliche Vision hat wohl ebenfalls Tim Ringo, Head of IBM Human Capital Management. Dem Magazin Personnel Today offenbarte er im April, dass man die Zahl von 399.000 Angestellten bis 2017 auf 100.000 reduzieren könnte. Die Menschen könnten nach dem Modell des Crowdsourcing als Auftragnehmer arbeiten und würden von IBM projektbezogen ausgeliehen. „Es gäbe keine Gebäudekosten, keine Renten und keine Kosten für die Gesundheitsvorsorge, was enorme Einsparungen bedeutet“, so Ringo. „Ich denke, Crowdsourcing ist wirklich sehr bedeutend, dabei haben sie eine Kernbelegschaft, aber die überwiegende Mehrheit ist an Subunternehmer ausgelagert.“ Nichtsdestotrotz müsste auch hier das Management Zeit investieren in die Pflege der Beziehungen und Netzwerke und es müsste das Risiko eingehen, Know-how auszulagern. Dennoch: „Organisationen und Wissensarbeiter treffen sich in Projekten statt in lebenslangen Arbeitsverhältnissen. Arbeitsplatzsicherheit wird durch Arbeitsmarktfähigkeit ersetzt“, schreiben die Autoren des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen. „Bildungs- und Wissensunterschiede nehmen zu, auch wenn das Internet die Möglichkeit zum Ausgleich schafft.“ Selbstständig zu sein, heißt nicht unbedingt allein zu sein. Die Wissensarbeiter sind zum Teil gut vernetzt, nicht nur durch das Internet mit seinen Sozialen Plattformen wie Xing oder Facebook, sondern zum Teil auch ganz konkret, face-to-face. Das Betahaus in Berlin-Kreuzberg könnte beispielsweise für die zukünftige Arbeitswelt stehen, ein ganz gewöhnlich aussehenden Bürohaus. Dort arbeiten heute 120 Kreative, die meisten Ende 20, Anfang 30. Es sind vor allem Selbstständige und Projektarbeiter – nicht selten aus dem IT-Bereich – die dort einen Schreibtisch haben und das (notgedrungen) selbstbestimmte Leben als „digitale Boheme“ leben. Man unterstützt sich gegenseitig, tauscht sich aus, gibt Tipps und teilt neben dem Büro ein ähnliches Lebensgefühl.

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4. Social Media überall Die entscheidende Kompetenz in Netzwerken ist die Empathiefähigkeit. Die werden Firmen noch mehr auch gegenüber den Kunden haben müssen, die sich verstärkt im Internet und in den sozialen Netzwerken tummeln. „Empathie wird zur Schlüsselkompetenz“, sagte Peter Kruse, Honorarprofessor für Allgemeine und Organisationspsychologie an der Universität Bremen, auf dem ersten Personalmanagementkongress im Juli. „Wir brauchen eine extreme Wahrnehmung, was in den Netzen passiert.“ Man hat Kruse schon vorgeworfen, dass er schlicht Banalitäten kompliziert erklärt – und doch: Er beschreibt ein Phänomen, das eine rasante Entwicklung nimmt und unser Leben noch weiter verändern wird. Es ist der Machtzuwachs des Nachfragers zuungunsten des Anbieters durch das Web 2.0. Kruse spricht von einer Völkerwanderung im InformationszeitS E P T E M B E R / O K T O B E R

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alter. Ein soziales Netzwerk wie Facebook habe mittlerweile mehr als 500 Millionen Nutzer – über alle Altersgrenzen hinweg. Und, so die These des Professors, solche Netzwerke werden an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen. Viele Arbeitnehmer sehen das ähnlich. Ihrer Meinung nach werden Facebook und Co. für den beruflichen Erfolg immer wichtiger. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage unter tausend Erwerbstätigen zwischen 25 und 65 Jahren. Davon messen ungefähr drei Viertel Internetseiten wie Twitter oder Studi-VZ einen hohen Stellenwert bei, wenn es darum geht, wie erfolgreich sie im Beruf sind. Ein Jahr zuvor sagten das erst zwei Drittel.

Eine Welle der Empörung bekam der Konzern Nestlé im Frühling zu spüren. In den Social Media protestierten viele gegen die Verwendung von Palmöl für die Schokoriegel-Produktion.

Außerhalb der Arbeitswelt beobachtet Kruse eine Motivationsänderung hinsichtlich des Internet-Nutzungsverhaltens der User. Seien früher Informationsbeschaffung und später Kreativität die primären Handlungsmotive der User gewesen, trete vermehrt der Anspruch die Welt zu verändern in den Fokus. „Die Menschen nutzen die Netzwerke inzwischen immer gezielter für ihren persönlichen und politischen Willen zur Beteiligung“, so Peter Kruse. Und oft bedarf es nur eines kleinen Impulses, um eine Welle im Internet auszulösen. Der Professor nennt es die Tendenz zur Selbstaufschaukelung durch Resonanzbildung, die umso größer wird, je höher die Dichte und die spontane Aktivität in den Netzwerken sind. Manchmal ist es eine Welle der Empörung, die ein Unternehmen da zu spüren bekommt. Und dann beginnt der Kampf um die Reputation. Die digitalen Netzwerke werden für noch mehr Transparenz in den Unternehmen sorgen. Die Firmen müssen mit den Usern in den Netzweken in Dialog treten. Es gilt, sie ernst zu nehmen. Dem Management von Reputation kommt hier eine entscheidende Bedeutung zu – auch wenn es um den Ruf als Arbeitgeber geht. HR muss hier seinen Beitrag leisten. Dies geht nur über eine authentische Kommunikation – auf Augenhöhe. Jan C. Weilbacher

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