Nr 23 1954-1955

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Abb. 4: Anton Seelos, Rotationstechnik

Es lag daher auf der Hand, daß die nächste Entwicklung versuchen mußte, diese Fahrtverlangsamung zu vermeiden und das Abdrehen der Ski als Schwungeinleitung ohne Widerstandskraft und Bremswirkung zu erreichen. Die Lösung wurde in der Ausnützung der in der Korpermuskulatur und in der Körpermasse verfügbaren Drehkräfte gefunden. Es entstand die bekannte Rotationstechnik. So einfach die Idee auch war, die Verwirklichung stellte eine Reihe von Problemen. Ein erstes lag in der Übertragung der Körperdrehkräfte auf die Ski. Knie und Fußgelenke mußten in geeigneter Weise ohne starre Versteifung die Drehkräfte aus dem Körperschwerpunkt (Hüfte) auf die Ski übertragen. ,,Skifahren ist Kniefahren" war der populäre Ausdruck dieses Grundsatzes. Hauptproblem war die Tatsache, daß die Körperdrehkräfte bedeutend weniger wirksam waren als die bisher angewendeten Widerstandskräfte. Um die Wirksamkeit dieser schwächern Kräfte zu erleichtern, mußten Druckwiderstand der Laufflächen und seitlicher Schneewiderstand der Ski durch eine Entlastung herabgesetzt werden. Dabei standen nach physikalischen Grundgesetzen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Die Anwendung dieser verschiedenen Möglichkeiten bilden die Kriterien der verschiedenen Techniken. Allen Lösungen gemeinsam war die Ausnützung der Vorlage und die damit erzielte Entlastung der Skienden mit gleichzeitiger Verschiebung des Hauptgewichtes auf die Vorderenden bzw. Skischaufeln, welche damit als Drehpunkt dienen konnten. Die Entlastung durch Vorlage genügte bei größerem Schneewiderstand oder geringerem Tempo jedoch nicht. Eine zusätzliche Entlastungsmethode mußte zur Anwendung gelangen. Als Besonderheit ist dabei zu unterstreichen, daß nach den zur Anwendung gelangenden physikalischen Grundsätzen ein sehr enger Zusammenhang besteht zwischen der Art und Weise der Entlastung und der Rotation. Nachfolgend seien in zeitlicher Reihenfolge die wichtigsten Lösungen kurz beschrieben. Die Entlastung durch Hochgehen des Körpers (tief, hoch mit gleichzeitiger Körperdrehung in Richtung des Schwunges) wurde durch den österreichischen Weltmeister Anton Seelos zu einer erstmals vollendeten Technik entwickelt. Je nach Fahrtgeschwindigkeit bzw. Schneewiderstand konnte die Entlastung durch Hochgehen des Körpers dosiert werden. Die von Seelos entwickelte Technik ist bis heute die Grundlage der wichtigsten Skischulen geblieben. Auf ihr sind die tkchnique francaise, die schweizerische Einheitstechnik und die moderne österreichische Fahrweise aufgebaut (vgl. Abbildung 4). Ungefähr gleichzeitig mit der Rotationstechnik von Seelos entwickelte sich eine Technik der Gegenschraube oder Gegenrotation, welche auf dem Grundsatz beruhte, daß eine Drehbewegung des Oberkörpers und der Körpermasse bei völliger Entlastung, d. h. Gewicht auf der Unterlage


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