SISSY siebzehn — Homosexual’s Film Quarterly

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Ausgabe siebzehn · März bis Mai 2013 · kostenlos

s Mauerwerk: Versunkener Stummfilmpianist  s Verkappte Künstlerin: Barbiepuppen zur Verwaltung  s Geblähte Zeit: Zum Sterben ein hart gekochtes Ei  s Kinderwunschklinik: „Du“ als Druckmittel  s Mythos Casablanca: Altern ist so Bäh!  s Vage Porno-Definition: Abhängen in Unterhose  s Beatfähiges Alter: Schreiben ohne Führerschein  s Fortbildung: Arschverkäufer, Aschenbach, armer Wurm  s Familienbetrieb: Tanz im Paillettenfummel  s Wochenschauaufnahmen: Groteske Diva  s Landung in Washington: Fast wie eine Puffmutter  s Kampf an der Moralfront: „Emphatisches Vermögen von Kindern“  s Flashback: Neues aus Nahost  s Wohltemperiert: Identitätskonzept auf dem Prüfstein


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vorspann

Sissy siebzehn Eine „Umarmung der Wirklichkeit“ machte Ben Walters in seinem vielbeachteten Guardian-Artikel „New-Wave Queer Cinema: Gay Experience in all its Complexity“ (Oktober 2012) in einigen neuen queeren Kinofilmen aus. Andrew Haighs Weekend, Ira Sachs’ Keep The Lights On und die Filme von Travis Mathews hätten sich von den „großen Themen“ und dem metaphorischen Erzählen nichtheterosexueller Erfahrungen verabschiedet und wären sozusagen im genauen Blick auf die queere Normalität gelandet. Auch in den deutschen Medien wurde der Versuch aufgegriffen, eine erste Charakterisierung der neuen „Welle“ vorzunehmen – Daniel Sander auf Spiegel Online freute sich mit, dass schwule Geschichten endlich außerhalb des „Ghettos“ erzählt werden, wohingegen Carsten Moll in seiner Filmgazette-Kritik von Keep The Lights On diese Filme als weißes, schwules Mittelschichts-Phänomen abtat, aus dem windige Geschäftsleute flugs schon wieder ein MarktLabel machen. NEW WAVE QUEER CINEMA? Was soll das schon wieder sein? Ein Kino, das lockerer, leichter, sinnlicher, unproblematischer nichtheterosexuelle Geschichten erzählt als die Coming-Out-Dramen („Wann sagt sie, dass sie es ist?“) oder romantische Komödien („Ist er es auch?“) der letzten zwanzig Jahre? Oder gibt es nur die Sehnsucht danach, seitdem die großen Kämpfe um Anerkennung und angemessene Repräsentanz halbwegs durchgestanden sind? Angesichts von Travis Mathews’ erstem Spiefilm I Want Your Love (Seite 10) und David Lamberts Cannes-Erfolg Jenseits der Mauern Travis Mathews bei den Dreharbeiten zu „I Want Your Love“ (Seite 6) kann das in der SISSY mal wieder diskutiert werden. Wo dagegen bleibt der Mainstream-Film mit nichtheterosexuellem Konflikt, zumal der deutsche, seit Sommersturm (der war 2004!)? Fragt SISSY und wird ihrerseits in diesem Heft bei Freier Fall fündig (Seite 12). Und wo beschäftigt sich das Queer Cinema mit Milieus außerhalb der schwulen weißen Mittelschicht? Da gibt es z.B. gerade eine Mehrzahl an Filmen zu sehen, die im Israel-PalästinaKonflikt angesiedelt sind. Und außerdem – auch das noch! – gab’s mal wieder Berlinale, auf der u.a. zwei deutsche Frauen in einem Dokumentarspielfilm (!) miteinander ein Kind zeugen wollten. So viel Queerfilmstoff war selten.

edition salzgeber

titel: Cine Qua non

Her damit!

Titelbild: Charles Laughton in „Sturm über Washington“ von Otto Preminger (Seite 36)

Wenn Sie SISSY kostenlos abonnieren möchten: E-Mail an abo@sissymag.de 3


mein dvd -regal

Vaginal Davis, Kßnstlerin, Kuratorin und Gastgeberin der monatlichen Reihe „Rising Stars, Falling Stars

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– We must have Music!“ des Arsenal Instituts für Film und Videokunst, Berlin

Richard Gersch

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»In der Liebe wird man zur Kinofigur« von Ch r ist oph M e y r i ng

s „Ich weiß nicht, ob mein Film pessimistisch oder optimistisch ist“, sagt der belgische Drehbuchautor und Regisseur David Lambert, ein eher ruhiger und unaufgeregter 39-Jähriger, im Interview am Rande des Filmfests Hamburg 2012, in dessen Programm sein erster abendfüllender Spielfilm Jenseits der Mauern (Hors les murs, 2012) zu sehen war. Ihre viel beachtete Uraufführung erlebte die belgisch-kanadisch-französische Koproduktion bereits einige Monate zuvor im Rahmen der „Semaine de la Critique“, einer Nebensektion der Internationalen Filmfestspiele von Cannes, in der ausschließlich Debütfilme gezeigt werden und in der Vergangenheit schon solche Regiegrößen wie Bernardo Bertolucci, Ken Loach, Wong Kar Wai, François Ozon und Alejandro Gonzalez Iñarritu mit ihren Erstlingen vertreten waren: kein schlechtes Omen und für Lambert ein Grund, sich zumindest hinsichtlich seiner Karriereaussichten für den Optimismus zu entscheiden. Auch deshalb, weil sein Film von einigen Beobachtern an der Côte d’Azur in eine Reihe mit Andrew Haighs Weekend (2011, SISSY zwölf) und Ira Sachs’ Keep The Lights On (2012, SISSY fünfzehn) gestellt wurde und somit zu einem Vorreiter der vom britischen „Guardian“ ausgerufenen „New Wave Queer Cinema“ geadelt wurde, „die“, so formuliert Spiegel Online, „klassische Coming-Out-Geschichten als mittlerweile auserzählt annimmt und sich unaufgeregt mit der schwulen Gegenwart beschäftigt“. „Ja“, bestätigt Lambert, „Jenseits der Mauern wurde schon in Cannes mit diesen Filmen verglichen, obwohl ich beide zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen hatte. Insofern stellt der Film sich nicht von sich aus in diese Reihe, aber ich sehe auch die Ähnlichkeiten und glaube auch, dass hier etwas Neues entsteht. Schwulsein ist hier nicht mehr das Thema, es geht nicht darum, Identität zu erzählen − aber es ist notwendiger Bestandteil dessen, was erzählt wird, es gehört unbedingt zur Geschichte dazu. Das ist eine neue Entwicklung in der Form und in den Inhalten, wie wir ‚unsere Geschichten‘ erzählen.“ Die Geschichte, die Jenseits der Mauern erzählt, ist eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern, „die zwar − wie jede Liebesgeschichte − ihre Eigenheiten hat, einen eigenen Ton, eine eigene Art der Kommunikation etc., und die sicher auch deswegen eigen ist, weil sie sich zwischen zwei Männern ereignet, die sich jedoch so ähnlich genauso gut zwischen zwei Frauen oder zwischen einer Frau und einem Mann abspielen könnte“: Eines Abends nimmt der Barkeeper Ilir einen jungen Mann, der sich fast bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hat, kurzerhand mit in seine Wohnung und lässt ihn in seinem Bett übernachten. Paulo, so dessen Name, verschwindet am 6

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Eine Begegnung mit Filmemacher David Lambert, ein Gespräch über sein formal klassisches, aber in vielen Momenten in improvisatorische Leichtigkeit abhebendes Liebesdrama „Jenseits der Mauern“.


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nächsten Tag zwar gleich nach dem Frühstück, doch die beiden treffen sich danach noch häufiger wieder und beginnen, sich ineinander zu verlieben. Als Paolos Freundin davon Wind bekommt, muss er ihre Wohnung sofort verlassen und steht wenig später mit Sack und Pack vor Ilirs Wohnungstür. Ilir ist davon zunächst wenig begeistert, nimmt den Obdachlosen aber dennoch auf: Eine Romanze nimmt ihren Lauf, zärtlich, leidenschaftlich und verspielt. An dem Tag, an dem die beiden beschließen, für immer zusammen zu bleiben, verlässt Ilir die Stadt für ein paar Tage wegen eines Jobs. Rätselhafter Weise kehrt er nicht wieder zurück. Es dauert lange, bis Paulo den Grund dafür erfährt – und das nächste Wiedersehen findet im Besucherraum eines Gefängnisses statt. Der Kampf um die Beziehung scheint aussichtslos. Als Ilir entlassen wird, trifft er einen deutlich veränderten Paulo wieder, der nun mit einem anderen Mann zusammenlebt. Dennoch verbringen sie eine letzte Nacht zusammen in einem Hotelzimmer, die zeigen muss, was von ihren Gefühlen für einander noch übrig ist. Lambert präsentiert diesen Plot in einer klassischen Drei-AktStruktur: Verlieben, Trennung und kurzes Wiedersehen. „Diese sehr klare und schlichte Struktur habe ich gewählt, weil ich mich als Autor immer noch am Anfang fühle, außerdem erschien sie mir ganz einfach sehr geeignet zu sein, um genau das zu erzählen, was ich erzählen wollte. Eine Kritikerin hat Jenseits der Mauern deshalb mit Jacques Demys Musicalfilm Die Regenschirme von Cherbourg (Les parapluies de Cherbourg, 1964) verglichen, mit Catherine Deneuve und Nino 8

Castelnuovo in den Hauptrollen – den ich auch noch in einer anderen Hinsicht sehr beeindruckend finde, weil er nämlich den Algerienkrieg, über den zu sprechen in Frankreich immer noch ein großes Tabu darstellt, umso eindringlicher betont, je mehr er ihn in den Hintergrund drängt. Etwas Ähnliches habe ich mit der grausamen Realität des Gefängnisses, die Ilir erleiden muss, versucht, auch sie wird in Jenseits der Mauern nur angedeutet, aber nie direkt gezeigt.“ Zu der Gefängnisthematik hat Lambert sogar einen persönlichen Bezug, denn einen seiner Freunde konnte er zeitweilig nur sehr selten sehen, da dieser gerade eine längere Haftstrafe verbüßte. „Zu dieser Zeit“, erinnert sich der Regisseur, „habe ich mich sehr darüber geärgert, wie diese Besuchssituationen gewöhnlich im Kino dargestellt werden, nämlich als glückliche Wiedersehensszenen, bei denen unglaublich viel ausgetauscht wird. In Wirklichkeit ist das ganz anders, man kann sich in diesen Situationen eben nicht wirklich ausdrücken, es gibt viele Momente des Schweigens, viele Missverständnisse. In meinem Film sollte sich dies unbedingt widerspiegeln. Auch die Tatsachen, dass ein solcher Besuch nur 30 Minuten dauert, und dass man vorher, weil die Haftanstalt vom eigenen Wohnort mitunter sehr weit entfernt liegt, oft stundenlang mit dem Auto, dem Bus oder der Bahn unterwegs ist, sollten sichtbar und spürbar werden.“ Obwohl die Handlung filmsprachlich sehr komplex konzipiert ist, da spätere Szenen auf frühere inhaltlich und formal bezogen werden, ihnen also quasi zu antworten scheinen, Symbole und Metaphern dabei ständig variiert werden, wirken die Dialoge oft sehr spontan


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und improvisiert. Das liegt sicherlich am Können der beiden wirklich brillant agierenden Hauptdarsteller Matila Malliarakis (Paulo) und Guillaume Gouix (Ilir), die übrigens zunächst beide für die Rolle Paulos gecastet wurden, andererseits aber auch an der Art und Weise, wie Lambert mit ihnen gearbeitet hat: „Ich habe ihnen gesagt, dass die Dialoge nicht von Shakespeare sind. Sie konnten verändert, angepasst, ergänzt oder ignoriert werden. Ich verstehe mein Team nicht als eine Gruppe von Ausführenden, sie sollen kreativ sein, sich einbringen. Nur in bestimmten Szenen, wo ich etwas ganz Bestimmtes einfangen wollte, war alles festgelegt: die Momente im Besucherraum des Gefängnisses zum Beispiel.“ Festgelegt auf einen bestimmten Typus scheinen zunächst auch die beiden Hauptfiguren zu sein: Während Ilir eher die selbstsichere, sehr virile Rolle eines Beschützers und großen Bruders spielt, wirkt Paulo sehr kindlich, verloren und anlehnungsbedürftig. Doch im Verlauf der Geschichte werden die Positionen immer wieder vertauscht, Dominanz verwandelt sich in Unterlegenheit, Schwäche in Stärke. „Diese Dynamiken deutlich herauszuarbeiten“, erklärt Lambert, „war mir sehr wichtig, denn sie gehören einfach zu Liebesbeziehungen dazu, sie liegen in der Natur der Sache: Mal begehrt der eine Partner den anderen mehr, woraus letzterem eine gewisse Überlegenheit erwächst, mal ist es umgekehrt.“ Diese Entwicklungen und Umschwünge zeigen sich bei beiden Figuren am Ende des Films am deutlichsten, wenn Ilir durch seinen Gefängnisaufenthalt mitgenommen und gezeichnet erscheint und Paulo sich die fast schon kühl und überheblich wirkende Attitüde eines Dandys zugelegt hat. Diese Attitüde spiegelt sich auch in seinem neuen Kleidungsstil wider, der, das gibt Lambert lachend zu, „an dieser Stelle ein wenig dick aufgetragen ist.“ Trotz des Realismus des Schauspiels und der Dialoge und trotz des dramatischen und bisweilen auch vor dem Melodramatischen nicht zurückschreckenden Verlaufs der Liebesgeschichte kommen im Film immer wieder auch Witz und Ironie zum Zuge, „weil ich es mag“, so Lambert, „Genres und verschiedene Stimmungen zu mixen. Wenn es mir selbst zu dramatisch oder melodramatisch wird, dann muss ich einen Witz oder ein melodramatisches Element einbauen, um dem etwas entgegenzusetzen und es dadurch zu relativieren bzw. eine Distanz dazu zu schaffen. Ich mag Filme, die einen innerhalb von zwei oder drei Minuten sowohl zum Weinen als auch zum Lachen bringen können, denn ich glaube, so ist das Leben, das macht die Magie des Lebens aus. Im günstigsten Fall haben auch die Darsteller ein Gefühl dafür, wann ein komischer Moment nötig ist, um die allgemeine Dramatik etwas aufzulockern.“ Frédérique Jaeger (critic.de) schrieb nach der Vorführung des Films beim Festival von Karlovy Vary: „Manchmal geht es einem mit Filmen wie mit Menschen: Wenn sie den einen richtigen Satz sagen, die eine Szene präsentieren und dabei ihre Haltung en passant offenbaren, dann schmelzen wir dahin. Jenseits der Mauern ist so ein Fall.“ Und der Film präsentiert nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe von Szenen, deren visuelle Originalität und Poesie einem nachhaltig im Gedächtnis bleiben und die schlagartig einen bestimmten Charakterzug oder eine bestimmte Gefühlslage erhellen. „Eine wichtige Szene in der Phase des Verliebens“, auf die der Regisseur selbst hinweist, „findet in einem Kino statt: Ilir betrachtet den in einen Film versunkenen Stummfilmpianisten Paulo, dessen Gesicht genau wie sein eigenes allein durch das Flackerlicht auf der Leinwand aus dem Dunkel des Kinosaals herauspräpariert wird und der so für ihn quasi zum Teil eines Films wird. Das ist mir sehr wichtig: zu zeigen, dass das Leben, die Beziehungen, Identitäten immer auch Fiktionen brauchen. Man macht sich für andere und für sich zu einer Kinofigur, man tritt ins Licht und aus dem Licht heraus, man will eine Figur werden, man probiert Kostüme aus, so wie Paulo im letzten Drittel. Auf der anderen Seite versucht der Film ja auch, die Beziehung, die Geschichte zu reflektieren. Beim ersten Kuss gibt es einen Zoom auf die Lippen der beiden, beim letzten einen Zoom von beiden weg. Das klang im Buch furchtbar konstruiert, und mein Kameramann hat aufgestöhnt und die Augen verdreht, als er das gelesen hat, aber tatsächlich funktioniert das im Film sehr gut, weil man sich in diesem Moment buchstäblich ein Bild davon macht, was sich in der Beziehung der beiden verändert.“ Die Mauern, von denen der Titel des Films spricht, tauchen darin materiell wir immateriell in vielfältiger Form immer wieder auf, als reale Gefängnismauern, als soziale und psychologische Barrieren, als Hindernisse der Beziehung. Sie bilden somit eine Art Leitmotiv. Ob es denn nun eine Möglichkeit gibt, hinter die Mauern des anderen zu gelangen, zum Beispiel durch die Liebe? „Gute Frage. Ich glaube, jeder von uns hat mit diesen Mauern zu tun, mit den eigenen und mit denen, die die anderen um sich gezogen haben oder die um sie gezogen wurden. Liebe ist sicher immer der Versuch, diese Mauern zu überwinden − oder deren Existenz zumindest vergessen zu machen, was vielleicht nur eine gewisse Zeit lang funktioniert. Vielleicht schaffen es manche aber auch, die Mauern nicht zu leugnen und trotzdem irgendwie mit ihnen klarzukommen. Ich weiß wirklich nicht, ob ich in dieser Hinsicht optimistisch oder pessimistisch sein soll, und daher weiß ich tatsächlich auch nicht, ob mein Film pessimistisch oder optimistisch ist.“ s

Jenseits der Mauern von David Lambert BE/CA/FR 2012, 98 Minuten, französische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im März, www.Gay-Filmnacht.de Kinostart: 28. März 2013

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kino I Want Your Love von Travis Mathews US 2012, 71 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im April, www.Gay-Filmnacht.de

Das Zeigen ist politisch. Das Nicht-Zeigen auch. Von En r ico I ppol it o

Ja, in diesem Film gibt es echten Sex zu sehen, eine Pornofirma hat ihn produziert. Doch im Kern ist „I Want Your Love“ eine ganz kleine, alltägliche Geschichte über ein Wochenende und eine Party, in der sich Männer von ihren Freunden verabschieden, neue Männer kennen lernen oder ihre Beziehungen neu gestalten. Die großen Fragen, die dabei nebenher behandelt werden, grundieren diese Begegnungen, ohne sie zu erdrücken. Travis Mathews’ erster Spielfilm steht für ein neues, sinnliches, lässiges queeres Kino.

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s Alles begann mit dem Kurzfilm I Want Your Love. Ein Film über zwei Männer, die Wein trinken, über das Leben philosophieren und am Ende miteinander schlafen. Sanft, zärtlich und mit einer gewissen Unsicherheit. Die Kamera hält drauf, zeigt erigierte Penisse, haarige Ärsche und einen Samenerguss. Kaum ein anderer Regisseur benutzt explizite Sexszenen wie Travis Mathews. Für ihn entsteht dadurch ein ungeheures Potential für die Story- und Plot-Entwicklung und gleichzeitig tragen die Szenen auch zur Definition eines Charakter bei. Mathews legte zwei Jahre nach dem Kurz- seinen Langfilm mit dem gleichen Namen nach. Die Hauptfigur Jesse (Jesse Metzger), ein Künstler, hat jahrelang in San Francisco gelebt und dort ein sehr lässiges Leben geführt. I Want Your Love, der Spielfilm, beginnt mit Jesses letztem Wochenende in der Stadt, bevor er wieder in den mittleren Westen zu seinem Vater zieht. Er muss sich von allen verabschieden: seinen Mitbewohnern, seinen Freunden und von seinem Ex. Das sorgt für einige emotionale Verwirrungen. Leicht, intim und nah beschreibt Mathews diesen Abschied. Der amerikanische Filmemacher beherrscht perfekt die Inszenierung einer zunächst banal wirkenden Geschichte. Der 37-jährige Travis Mathews scheint vor allem Filme über sein Umfeld zu drehen, über Menschen, die er kennt. Er selbst lebt in San Francisco. 2009 erschien seine Internet-Doku-Reihe In Their Room über schwule Männer, ihr Schlafzimmer und ihr Sexleben. Die Folgen San Francisco und Berlin wurden auf Filmfestivals rauf und runter gespielt, mittlerweile ist auch die Episode London fertig. Mathews gewann den Preis für den „Besten erotischen Film“, Good Vibrations. 2010 veröffentlichte die Pornofirma NakedSword seinen ersten Kurzfilm I Want Your Love. Travis Mathews ist „eine neue Stimme, die dem Queer Cinema eine dringend benötigte Injektion emotionaler Intimität verpasst“, ist Shortbus-Regisseur John Cameron Mitchell überzeugt. Intimität. Immer wieder werden die Filme von Mathews mit diesem Begriff beschrieben. Doch seine Filme bieten mehr. Mathews’ Darstellung ist vieles, aber niemals entschuldigend. Sexuelle Orientierungen interessieren ihn nur marginal. Er verliert sich nicht in Repräsentationsfragen und vor allem nicht in Dramen, die um das Thema der schwulen Identität kreisen. Für ihn ist das reine Erzählen einer Liebesgeschichte schon politisch genug. „Verpflichtet zu sein, eine historische Geschichte über Aktivismus, Aids oder Coming-Out zu machen, ist sehr defensiv“, meint Mathews. Er entscheidet sich bewusst gegen diesen Weg und zeigt hingegen die alltäglichen Hürden, die diese Männer mit sich selbst, mit One-Night-Stands und in Beziehungen haben. Alltägliche Probleme also, mit denen sich jede_r Zuschauer_in identifizieren kann. Und hier spielt auch wieder die Intimität eine Rolle. Denn genau durch diese Nähe schafft Mathews das hohe Identifikationspotenzial. Seine Figuren sind nie platt, sondern dreidimensional. Sie dürfen Fehler machen, sie dürfen widersprüchlich sein und auch mal seltsam. Wenn Ben, Jesses Ex-Freund, auf der Abschiedsparty mit Brontez vögelt, ist das erst mal irritierend. Gleiches gilt für Jesse selbst, der anstatt auf seiner Abschiedsparty beim Nachbarn Keith in Unterhose abhängt. Als dieser unerwartet nach Hause kommt und die zwei sich näher kommen, bricht Jesse den Sex ab. Es sind diese Widersprüche, dieses Negieren eines romantischen Moments, die I Want Your Love dynamisch gestalten. Mit der Debatte um den Identifikationswert kommt auch die Diskussion um Authentizität. Mathews spielt damit bewusst. Seine Darsteller haben den gleichen Vornamen wie die Figuren, die sie spielen. Mathews will keine Welt kreieren, in die die/der Zuschauer_in flüchten kann. Er will Filme drehen, die bewegen, mit Figuren, die verständlich rezipiert werden können. Es geht ihm nicht um Eskapismus, sondern halt um das „Authentische“.

Und noch ein Label haftet dem amerikanischen Filmemacher an. Er habe den „Indie-Porno“ erfunden, heißt es. Das ist natürlich Schwachsinn, schon allein weil Mathews’ Filme keine Pornos sind – noch nicht mal annähernd. Die Definition der Pornografie ist vage, mittlerweile gar fast unformulierbar und vor allem eins: subjektiv. Wenn aber Pornografie das reine Ziel hat, den meistens männlichen Zuschauer zum Orgasmus zu bringen, gilt I Want Your Love nicht als Porno. Denn Travis Mathews arbeitet genau gegen die gängigen Konventionen des klassischen pornografischen Films; seine Werke erzählen eine Geschichte und arbeiten nicht auf den Höhepunkt hin, auch wenn sie roh und explizit sind. Seine Sexszenen sind oft verstörend, nicht im Sinne eines Affronts, sondern weil sie gerade so ungewöhnlich intim, so nah und so authentisch sind. Wenn die Männer Sex haben, sagt das etwas über sie, ihren Charakter, ihre Welt aus. Wie das Paar, das sich für einen Dreier entscheidet, dabei unsicher und zugleich leicht hysterisch ist. Oder wie Jesse, der sich nicht ficken lassen kann und bei einem One-NightStand nicht kommt. Oder halt sein Ex, der auf Jesses Abschiedsparty mit einem Freund von Jesse schläft – und beide sich regelrecht diese Freiheit erkämpfen. Mathews’ Blick ist niemals der eines Voyeurs – im Gegenteil. Der Close-Up auf Schwänze und Körperöffnungen lässt ihn kalt. Es geht ihm nicht darum, sein Publikum zu erregen. Und auch der Money Shot, der zwingende Höhepunkt eines jeden Pornos und auch des Mannes, interessiert ihn nicht. Er wählt einen eher spielerischen Zugang. Mathews lässt seine Figuren während des Sex mal eine Pause einlegen, in der sie miteinander reden, was trinken, ganz aufhören oder danach weiter ficken. Sexualität ist divers, das scheint uns Mathews ständig vor Augen zu halten. Es gibt nicht nur eine Art, miteinander zu schlafen, sondern viele verschiedene. Mal zärtlich, mal lieblos, mal rau, mal hart, mal alles zusammen. Der Filmemacher durchleuchtet das ganze Spektrum – und das mit einer Unaufdringlichkeit, die einmalig ist. Gleichzeitig beweist Travis Mathews in seinem Film I Want Your Love auch ein Gespür für Vielfältigkeit außerhalb des sexuellen Konstrukts. Seine Figuren können nicht unterschiedlicher sein, was Race, Körper und Machtstrukturen angeht. Er hebt diese Mechanismen auf. Jede Körperform ist willkommen, Menschen mit verschiedener Herkunft treffen aufeinander. Und so wenig, wie er sexuelle Identität thematisiert, spricht er von Körperschemata oder Herkunft – und ist doch genau mit diesem Verschweigen politisch. Mathews verschweigt nicht aus Angst, sondern eher aus fast schon utopistischen Gründen. Er kreiert eine Welt in seinen Filmen, in welcher Probleme der sexuellen Identität, des eigenen Körpers und der eigenen Herkunft keine Rolle spielen oder längst schon verarbeitet sind. Mathews muss sich nicht an Klischees abarbeiten, nicht den moralischen Zeigefinger erheben und auch nicht auf Missstände aufmerksam machen. Gerade mit seiner intimen Darstellungsweise hebelt er das alles aus, es geht ihm um die kleinen und doch großen Problem des Alltags. Schwul, lesbisch, bisexuell, dick, dünn, schwarz, weiß – das alles spielt keine Rolle, sondern es geht um etwas Universelleres: um Liebe, um Zuneigung, um eine ungewisse Zukunft und eben nicht darum, wer oder was ich bin. Mit dieser Haltung, mit diesem Film gilt Travis Mathews zu Recht als einer der Wegbereiter einer neuen Welle des queeren Kinos, ohne sich an Genredefinitionen abzuarbeiten. Seine Filme haben schon längst eine Ebene erreicht, auf der Fragen nach Identitätszuschreibungen keinen Sinn mehr ergeben. Auf der aber auch sexuelle Identität nicht problembehaftet sein muss oder nicht mehr ist. Auf der seine Figuren schon längst über diese Themen hinaus sind. Auf der seine Charaktere ein Potential haben und sich nicht durch Herkunfts- und Orientierungszuschreibungen definieren lassen. Und genau das ist queer, das ist radikal, das ist anders. Auf eine leise Art. s 11


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Provinzbullen

(oder: Dahinter, daneben und drauf) von Pau l Sch u l z

„Freier Fall“, der gerade auf der Berlinale die „Perspektive“ eröffnete und im Mai in die Gay-Filmnacht und auch sonst ins Kino kommt, ist der beste deutsche queere Film seit „Sommersturm“. Unser Autor macht sich Gedanken darüber, warum es nicht mehr davon gibt.

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s Große Momente der Filmgeschichte: Nathan Lane als Michelle Pfeiffers Nachbar in Frankie and Johnny, Rupert Everett als Julia Roberts bester, genervter Freund auf einer Hochzeit, Matthew Broderick in Das Kuckucksei, Niels Bormann in Mondlkalb, Beautiful Thing. Die, in denen ich mich selbst auf der Leinwand entdecke. Das ist meistens irgendwo hinter, wenn ich Glück habe neben und, in ganz seltenen Fällen, auf dem Hauptdarsteller. Auch deswegen gehe ich ins Kino, immer noch. Seit 30 Jahren. Die ersten 12 davon, bis Coming out, sah ich überhaupt niemanden, der wie ich war. Es gab schon Homosexuelle: bei Visconti oder Pasolini oder John Schlesinger, aber die hatten mit meinem jungen, schwulen Leben in der ostdeutschen Provinz ungefähr so viel zu tun wie Robert Preston in Victor/Victoria: nüscht. Trotzdem war ich dankbar für ihre Existenz. Harvey Fierstein hat diesen Effekt in The Celluloid Closet mal so zusammengefasst: „I like the sissy. Is it used in negative ways? Yeah, but … I’d rather have negative than nothing.“

Ich gewöhnte mich daran, dass man als Homosexueller im Film im Wesentlichen drei Möglichkeiten hatte: Arschverkäufer, Aschenbach oder armer Wurm. Dann kam das New Queer Cinema und eröffnete neue Möglichkeiten: Arschverkäufer, Aidskranker oder Araki. Ich war hingerissen. Bis ich nach einigen Jahren merkte, dass mir was fehlte: ich. Da war ich genervt. Und bin es noch. Kleinlich, oder? Welches Recht habe ich schließlich, von dem großen leuchtenden Viereck vor mir zu erwarten, gerade mich abzubilden? Jedes. Weil, immer wenn ich mich sehe, und das ist so gut wie nie, durchfährt mich ein unendliches Gefühl der Erleichterung: Es gibt mich. Im Licht, da oben. Und alle können es sehen. Dieses Gefühl ist nicht besonders. Jede Minderheit (Frauen, Farbige, Fette) kennt es, musste und muss sich einen Umgang damit erarbeiten, hat damit zu kämpfen. Frauen sind nicht nur Huren oder Heilige, sondern eben auch Marge Gunderson, Farbige nicht nur Beverly Hills Cops oder Sklaven, sondern auch Precious, Fette nicht nur Annie 13


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Wilkes sondern auch Melissa McCarthy in Mike & Molly. Normalität ist inzwischen fast normal. Für Homos ist der Anspruch nur relativ neu: Sie sind immer noch vor allem Stricher, Feingeister oder Comic Relief. Bei jeder Diskussion über Homosexualität im Kino, bei der ich verlange, so was wie gewöhnliche Homosexuelle sehen zu wollen, schlagen mir von queerer Seite Variationen zweier alter Denkmuster entgegen, die noch mehr nerven als die alten Bilder, und ungefähr so klingen: „Sei froh, dass es uns im Kino überhaupt gibt“, oder: „Sei froh, dass die nicht wissen, wie langweilig wir wirklich sind.“ Was das Heteronormierteste ist, was man so sagen kann, weil es sich eben an angenommenen heterosexuellen Sehgewohnheiten orientiert und das Außergewöhnliche liefern will, um zu gefallen. In den letzten Jahren kommt der „James-Franco-Effekt“ hinzu: Heterosexuelle Filmemacher, die die Belastbarkeit ihrer eigenen Toleranzgrenzen testen, indem sie sexuell explizite Homofilme drehen, in denen sie schwule Sexualität nicht zeigen, sondern ausstellen, danach auf Filmfestivals mit ihrem minimalen Erkenntnisgewinn protzen und von mir Dankbarkeit für die durch sie hergestellte Sichtbarkeit meiner Leute oder ein Lob für ihren „queeren“ Wagemut erwarten. Sorry James, not gonna happen. So richtig schwierig wird es aber erst, wenn ich immer mal wieder mitbekomme, wie filmmächtige Queerlinge selbst mit Filmen umgehen, die einen eher durchschnittlichen schwulen Lebensentwurf anbieten: Wieland Speck sagte in einem Interview vor der diesjährigen Berlinale, so was wie Freier Fall, ein wunderbarer, deutscher Film über zwei schwule Polizisten, könne jetzt überall laufen und bräuchte eine Einladung zum Panorama deswegen nicht. Echt? Wo sind denn die offensichtlich im Dutzend vorhandenen und überall gespielten Filme über schwules Leben in Deutschland? Hab ich was verpasst? Gab es seit Sommersturm, der immerhin neun Jahre auf dem schmalen Buckel hat, auch nur einen einzigen schwulen Mainstreamerfolg im deutschen Kino? Den Teddy hat mit W Imie … 2013 ein poetisches Meisterwerk über einen polnischen Priester gewonnen, das mit meiner eigenen Lebensrealität und der der allermeisten schwulen Kinozuschauer ungefähr so viel zu tun haben dürfte wie jeder Film über einen schwulen Priester: nüscht. Haben wir es wirklich so satt oder haben wir einfach nur solche Angst davor, das, was wir in der breiten Masse sind, im Kino zu sehen? Böse Frage, ich weiß. Deutsche Produzenten und Redakteure könnten jetzt antworten, dass schwule Durchschnittlichkeit doch niemand sehen will oder, dass die echt durch ist. Und tun das oft. Ich halte mal die Zuschauerzahlen von Brokeback Mountain, Aimee und Jaguar und The Kids Are All Right und die Kritiken für Weekend dagegen. Vielleicht muss man 14

nur angstfrei eine queere Geschichte erzählen, vor deren Allgemeingültigkeit man nicht davonrennt, sondern die man voraussetzt, und hat dann Erfolg? Diesen Versuch unternimmt der eben schon erwähnte Freier Fall. Und bekommt etwas hin, was ich eben seit Sommersturm nicht im deutschen Homo-Kino gesehen habe: Er traut sich an die ganz großen Brocken und jongliert publikumswirksam mit ihnen. Das sieht so aus: Hanno Koffler spielt Marc, einen Polizisten, der mit seiner schwangeren Freundin Bettina (Katharina Schüttler) gerade ins Haus neben seinen Eltern gezogen ist, irgendwo in der deutschen Provinz. Er lernt bei einer Fortbildung den Kollegen Kay (Max Riemelt) kennen. Der kifft und fährt einen dicken Jeep und kann schneller laufen als Marc. Beim gemeinsamen Training passiert ein erster, zufälliger Kuss, dann nichts. Marc fährt nach Hause, schläft mit Bettina, lässt sich von seiner spießigen Mutter (Maren Kroymann) bekochen, geht zum Dienst. In der zweiten Runde der Fortbildung trifft er Kay wieder, der ihn während eines gemeinsamen Waldlaufs nochmal küsst und mehr macht, woraufhin Marc ihm wegrennt. Wieder geht es nach Hause. Und es passiert nichts, außer, dass Marc grübelt. Bis Kay sich in seinen Zug versetzen lässt. Und etwas anfängt, von dem man weiß, dass es kein gutes Ende nehmen kann. Obwohl Freier Fall so was wie ein Happy-End hat, wenn auch kein herkömmliches.

Und im Mauerwerk die Haustüren: massiv, Plastik, wie ein luftdichter Deckel für all die Lügen und Geheimnisse, die hinter ihnen lauern Drehbuchautor Karsten Dahlem war Tom Tykwers Regieassistent bei Drei, es ist sein erstes Drehbuch. Regisseur Stephan Lacant hat noch nie vorher einen Langfilm gedreht. Beides merkt man nicht. Die Szenen und Bilder sitzen, die Handlung nimmt in eleganten Bahnen ihren Lauf, 100 Minuten sind schnell um, weil hier drei Schauspieler (Koffler, Riemelt, Schütler) auf der Höhe ihrer Kunst zu sehen sind, die darin besteht, dass man die Kunst nicht sieht, sondern echte Menschen. Ein Regisseur weiß, was er zeigen, und ein Autor, was er erzählen will. Ein Freund und ich sitzen atemlos im GroßstadtKino und gruseln uns vor den Insignien unserer Herkunft: einstöckige Einfamilienhäuser mit einem Stück Rasen dahinter, davor mit Wicken umrankte Carports. Und im Mauerwerk die Haustü-


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ren: massiv, Plastik, wie ein luftdichter Deckel für all die Lügen und Geheimnisse, die hinter ihnen lauern. Von denen es im Laufe des Films immer mehr gibt, bis Bettina mit Kind geht und Marc begreift, wer er ist und was das heißt. Dazwischen gibt es die eindringlichsten Sexszenen zwischen zwei Männern, die mir im deutschen Kino je begegnet sind. Weder Koffler noch Riemelt scheuen sich davor, ihre Körper zu blanken, schauspielerischen Instrumenten zu machen, an denen voyeuristische Augen schlicht abrutschen, weil sie viel mehr als nur Nacktheit erzählen. Glück ist schwierig und gelingt nur in Momenten, wenn man sich nicht sehr darum bemüht. Nichts davon drängt sich einem auf, weder Dahlem noch Lacant verraten ihre Figuren ans Publikum und das Ensemble weiß, dass alle gebraucht werden, um die Geschichte zu erzählen. Selbst Kroymann, die ihre Rolle als homophobe Mutter als offensichtliche Karikatur hätte anlegen können, spielt auch nur eine Frau, der ihr Lebensentwurf entgleitet und die nicht weiß, was werden soll. Niemand ist das Arschloch, aber alle sind im Arsch. Klischees werden gezeigt, aber schnell umschifft oder als solche ausgestellt. Es darf gelacht und geflennt und mitgelitten werden. Kino eben. Für den Kopf und den Bauch und den Schritt. Freier Fall ist ein Film, der das ganz Außergewöhnliche in komplett gewöhnlichen Existenzen findet, die Momente, an denen sich Leben drehen. Und der dann in der Lage ist, einfach zu beobachten, wie sich Menschen in solchen Situationen verhalten. Hanno Koffler ist kein Neuling, was schwule Rollen anbelangt. Vielleicht deswegen gelingt ihm mit Marc die vollständigste vielleicht schwule Figur seit langer Zeit. Es ist einfach nur eine große Freude, was er hier macht und wie er das tut. Freier Fall ist sein Film, auch wenn es vielleicht Riemelt sein wird, der mehr Aufmerksamkeit bekommt, weil er das bekanntere Gesicht ist. Die beiden Schauspieler sind seit Jahren befreundet, was dazu beigetragen haben dürfte, dass ihre gemeinsamen Szenen eine leichte, ganz und gar realistische Intimität haben. Was die heißt, bleibt dankenswerter Weise offen. Man kann Freier Fall als Coming-Out-Drama sehen, macht den Film damit aber vielleicht kleiner, als er ist. Der erste der vorschlägt, Marc könnte schwul sein, ist weit in der zweiten Stunde des Films Kay, während eines Wutanfalls, um den Geliebten zu einer Entscheidung zu zwingen, die dieser verweigert. Als wenig später Bettina wissen will, ob Marc schwul ist, verneint der das und bekommt ein halb gefluchtes „Was bist du dann?“ zur Antwort. Eine Frage, die er sich selbst in den verbleibenden Filmminuten beantwortet, aber nicht notwendiger Weise dem Zuschauer.

Der Film nimmt nicht vor der komplexen Gefühlslage reiß aus, die hier erzählt wird, sondern lässt seinem Publikum Raum, um sich selbst einen Reim auf das Gesehene zu machen. Ich erzähle das sofort jedem, der es hören will. Das Resultat: Noch während der Berlinale streite ich mich mit einer Freundin, die den Film noch nicht gesehen hat, per FacebookChat darüber, ob sie reingehen soll oder nicht. „Zwei Bullen in der deutschen Provinz, und einer hilft dem anderem aus dem Schrank. Na Hilfe! Wie oft soll ich das denn noch sehen? Das ist doch garantiert wieder so Kram für’s geneigte Heteropublikum ohne jeden queeren Ansatz und die fassen sich nicht an. Stimmt’s?“ „Wirklich nicht. Guck ihn doch einfach.“ „Ich will das überhaupt nicht sehen. Bewegungskino! Aber kannst du mir Karten für den Franco besorgen?“ Ich sitze mit knirschenden Zähnen im Büro. „Nein, kann ich nicht.“ „Wieso denn nicht?“ „Da hätten wir also einen Film, der eine Annäherung an deutsche, schwule Realität versucht, mit tollem Buch, großartigen Schauspielern, feiner Regie, realistischen Sexszenen und einer Reihe spannender Fragen an seine Figuren und sein Publikum. Und einen heterosexuellen Hollywoodstar, der Schwule beim Blasen filmt, sich dabei von Travis Mathews helfen lassen muss und zwischendurch mit seinem Hauptdarsteller darüber diskutiert, wie freaky schwuler Sex doch ist, aber dass man bestimmt ein besserer Mensch wird, wenn man es aushält, sich das anzusehen. Während er das dann tut, macht er ein Gesicht, als ob er einer Augen-Operation beiwohnt.“ „Klingt doch aufregend.“ „Wir brechen die Diskussion an dieser Stelle ab.“ Es ist so: Es mag auch 2013 noch merkwürdig sein, queere Figuren im Kino zu sehen, die noch mehr zu tun haben, als queer zu sein, weil sie in einer Welt leben, die großen Teilen Deutschlands aufs Haar gleicht. Aber vielleicht, und das ist meine Vermutung, wartet das Publikum auf genau solche Figuren, weil es die Bodenhaftung braucht, die sie vermitteln, um sich den komplexen Fragen zu stellen, die queeres Leben heute bereit hält. Freier Fall unterbreitet genau dieses Angebot. Es nicht anzunehmen, wäre dämlich. s Freier Fall von Stephan Lacant DE 2013, 100 Minuten, deutsche OF Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im Mai, www.Gay-Filmnacht.de Kinostart: 23. Mai 2013 www.freierfall-film.de

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Bei Anruf Sex von M a i k e Sch u ltz

In „A Perfect Ending“ zeigt Nicole Conn einmal mehr das sexuelle Erwachen einer reifen Frau. Am 29. März läuft die Liebesgeschichte mit einem Callgirl in der L-Filmnacht.

s Um es gleich vorwegzunehmen: A Perfect Ending ist kein Film über Sexarbeit. Oder besser gesagt über Frauen, die gegen Geld mit Frauen schlafen. Ein hoch interessantes Tabuthema, das sich auch auf der soeben zu Ende gegangenen Berlinale großer Beliebtheit erfreute: Concussion heißt der dort gezeigte Film über eine lesbische Ehefrau und Mutter, die nach einer Gehirnerschütterung beginnt, sich für andere Frauen zu prostituieren. Doch weder in Stacie Passons Regiedebüt Concussion (bei der Teddy-Verleihung gewann sie damit den Special Jury Award) noch in A Perfect Ending, dem neuen Film von Nicole Conn, geht es darum, diese Tätigkeit moralisch zu hinterfragen. Sie inszenieren keine Milieu­studie oder die in einem solchen Beziehungsgeflecht angelegten Konflikte, wie es etwa Steven Soderbergh in Girlfriend Experience tut. Vielmehr erzählt Conn jene Geschichte, die sie in all ihren Filmen erzählt: Von der Reise einer Frau zu ihrer sexuellen Identität. Conns Arbeiten Claire of the Moon (1992) und Elena Undone (2010) gehören zu den Klassikern im DVD-Regal lesbischer Haushalte. Es sind Selbstfindungstrips, die durch das Zusammenspiel 16

bildschöner Hauptfiguren, genüsslich ausgekosteter Klischees und einer unangestrengten Balance zwischen Drama, Komödie und sexy Romanze funktionieren. Ihr Spannungsfeld ziehen sie aus dem Mythos des ersten Mals: Reife, zuvor hetero-orientierte Frauen erleben ihr sexuelles Erwachen in einer gleichgeschlechtlichen Begegnung. In Claire of the Moon war es die männerliebende Satirikerin, die das Appartement bei einer Tagung mit einer völlig gegensätzlichen Sexualtherapeutin teilt und – nach endlosen philosophischen Debatten – deren Anziehung erliegt; in Elena Undone verfiel die Gattin eines homophoben Pfarrers einer lesbischen Schriftstellerin (und lieferte mit dreieinhalb Minuten den längsten Kuss der Filmgeschichte). Dabei geht die Initiative stets von den Unerfahrenen aus: Nicht bloß neugierig, sondern lebens- und liebeshungrig wagen sie den Ausbruch aus einem gewohnheits- und fremdbestimmten Dasein. Mit der Darstellung dieser Routine beginnt auch A Perfect Ending. Wir sehen Rebecca (Barbara Niven), reiche Unternehmergattin und Charity Lady, wie sie ihrem Ehemann die Krawatte bindet und die


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Papiere hinterher trägt. Diese Aufnahmen schneidet Conn gegen Szenen aus dem Alltag von Paris (Jessica Clark): Als Domina führt sie Kunden am Halsband umher. Sie ist ein Callgirl, doch eines macht spätestens die zärtlich-schrullige Darstellung ihrer Zuhälterin (eine operierte All-American-Blondine im pinken Salon, die Aufträge ihrer Escort-Damen mit Hilfe optisch passender Barbiepuppen verwaltet) deutlich: Sie macht den Job freiwillig und gern. Ein Mix aus Langeweile, sexueller Frustration und der Überredungskunst eines befreundeten Lesbenpaares treibt Rebecca in die Arme der jungen Paris, die spontan für eine verhinderte Kollegin einspringt. Es braucht freilich einige Fluchten aus dem Hotelzimmer, bis sich die Luxus-Hausfrau auf das neue Abenteuer einlassen kann, das sie alsbald süchtig zurücklässt und die eigentliche Geschäftsbeziehung verdrängt. Eine Menge Probleme treiben die beiden außerhalb des Bettes um und wohl auch in dieses hinein. Rebecca ist zwanghafte Perfektionistin („Vergiss nicht das Atmen“, sagen ihre Kinder) und vernachlässigt darüber doch ihre Tochter; Paris indes trauert um eine verlorene Liebe und leidet unter Schuldgefühlen, die sie in düsteren Skizzen auf Papier bannt. Verstärkt wird der Fokus auf die verkappte Künstlerin durch immer wieder kehrende Traumsequenzen, in denen sich Paris in einer Art White Cube räkelt, und die Conn ebenso eifrig einsetzt wie Nahaufnahmen unwichtiger Details, etwa das Ornamentmuster einer Blumenvase. Leider bringt weder das eine noch das andere Stilmittel einem die Figuren näher, was vor allem daran liegt, dass Jessica Clarks schauspielerisches Talent sich auf einen Gesichtsausdruck beschränkt. Fans der HBO-Serie True Blood werden das britische, offen lesbische Model als attraktive Vampirgöttin Lilith aus der fünften Staffel wiedererkennen. Allerdings bestand ihre Rolle dort darin, schweigend, nackt und blutverschmiert andere Vampire zu betören. Immerhin, letzteres gelingt ihr auch in A Perfect Ending, wenn auch nicht durch ihren Sprechpart. Die Handschrift der Regisseurin ist dabei nicht nur thematisch unverkennbar. Was in A Perfect Ending der White Cube als Kunstgriff darstellt, bildete schon in Elena Undone die Konstante eines Liebesgurus, der Paare als lebende Beweise für Seelenverwandtschaft interviewt. In beiden Filmen fällt ein fast identisch formulierter Satz: „Verwechsle nie körperliche Leidenschaft mit emotionaler Nähe“, warnen sich die Protagonistinnen gegenseitig. Und doch bleibt es nie beim rein sexuellen Experiment, bringt dieses doch die ersehnte Erfüllung. „Mein ganzes Leben habe ich darauf gewartet“, sagt Rebecca am Ende. So wie Elena Undone sich mit dem Ausruf „I’m done with it!“ (Ich bin fertig damit) befreite, spielt auch Conns aktueller Filmtitel mit mehreren Bedeutungsebenen. Das „Happy Ending“, wie man es von Massagen mit Orgasmus-Finale kennt, spielt dabei ebenso hinein wie der Wunsch nach dem glücklichen Abschluss eines Lebens. Ein Erlebnis, das sich für kein Geld der Welt erkaufen lässt. s

A Perfect Ending von Nicole Conn US 2012, 106 Minuten, englische OF mit deutschen UT Pro-FUn Media, www.pro-fun.de Im Kino in der L-Filmnacht im März, www.L-Filmnacht.de

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kino „Lipstikka“ von Jonathan Sagall

Auf der Flucht von M a lt e G öbe l

Edition Salzgeber

Gleich drei Filme mit palästinensich-israelischem Hintergrund kommen in den nächsten Monaten in die Kinos: Das Drama „Lipstikka“ erzählt die Geschichte zweier Frauen, die einst gemeinsam aus Palästina flüchteten und sich nun wiedertreffen. „Out in The Dark“ handelt von einem palästinensisch-israelischen schwulen Liebespaar und der Dokumentarfilm „Invisible Men“ begleitet drei schwule Araber/ Palästinenser auf dem Weg ins Exil.

s „Es hätte auch alles ganz anders kommen können“, ist der erste Satz in Lipstikka. Aus dem Off erzählt Lara, dass ihr Ehemann fremdgeht. Dass Lara dabei ganz andere Probleme hat, wird schnell klar – aber nicht, welche. Memory Fools ist der Untertitel von Lipstikka (was übrigens finnisch für Liebstöckel ist, sich aber auf einen wiederholt auftauchenden Lippenstift bezieht): Erinnerung ist trügerisch. Erinnerung an ihre Freundin und Geliebte Inam, mit der Lara in Ramallah (Palästina) aufwuchs, dann in London zusammenlebte und Sprachkurse besuchte, die dann aus ihrem Leben verschwand. Und auf einmal wieder auftaucht, in Laras neuer Lebensrealität mit Kind und Ehemann im gesichtslosen Londoner Vorort. Inam steht eines Morgens einfach vor Laras Tür, „Was willst Du hier?“, fragt Lara, lässt sie aber herein in die helle Wohnung, in ihre fast schon sterile Idylle. In Flashbacks erzählt der Film von der gemeinsamen Vergangenheit, doch die Rückblicke auf die erste Zeit in London und die Jugend in Palästina verstärken die Unklarheit. Wer liebte jetzt wen? Wie eng waren die Frauen? Was trieb sie auseinander? Die Ebenen verschwimmen. Zeigen die Rückblicke eine absolute Wahrheit oder eine gefühlte, konstruierte, zurechtgelogene? Die Erinnerung ist trügerisch, und so wird das Psycho-Drama fast zu einem Thriller. Vor dreizehn Jahren büxten Inam und Lara als Teenager aus, um in Israel in den neuesten Mel-Gibson-Film zu gehen – trotz elterlichen Verbots und Ausgangssperre. Auf dem Rückweg griffen zwei Soldaten sie auf. Ein Flirtversuch endet in einer Vergewaltigung, so zumindest eine der angebotenen Deutungen. Lipstikka lief unter dem Titel Odem vor zwei Jahren auf der Berlinale und wurde in der Kritik als tiefgründig und filmisch ambitioniert gewürdigt. Einen Skandal hatte der Film schon hinter sich: Regisseur Jonathan Sagall hatte die Geschichte eigentlich vor ShoahHintergrund erzählen wollen, mit den beiden Frauen als Überlebenden des Holocaust – basierend auf der Geschichte seiner Mutter. Der Regisseur machte aus den Jüdinnen aber Palästinenserinnen – und sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, die israelische Besatzung der Palästinensergebiete mit dem Holocaust gleichzusetzen. Er wollte aber politisch sein: „Für uns ist der Nahost-Konflikt Alltag. Als Israeli wollte ich die menschliche Seite unserer direkten Nachbarn beleuchten. Und am besten ging das durch zwei junge Mädchen, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben.“ Erst der politische Konflikt macht aus der Boy-meets-Girl-Situation nach dem Kino-Besuch ein Trauma. Ähnlich Out in the Dark: Eine klassische Boy-meets-BoyGeschichte wird zum Drama. In einem Club in Tel Aviv kommen der Psychologie-Student Nimr aus Ramallah und der Rechtsanwalt Roy ins Gespräch, sie treffen sich wieder – und verlieben sich. Doch dann erpresst der Mossad Nimr: Wenn er seine Einreisegenehmigung für Israel behalten will, soll er seinen Bruder ausspionieren, der aktiv in 19


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„Invisible Men“ von Yariv Mozer

einer militanten Palästinenser-Organisation ist. Nimr lehnt ab und kann Roy nicht mehr treffen. Dann wird Nimr in Ramallah geoutet und muss vor seinem Bruder flüchten. Er schlägt sich nach Tel Aviv durch und zieht bei Roy ein. Doch dann verhaftet die israelische Armee Nimrs Bruder und sucht nun auch Nimr … Die Geschichte von Israel als sicherem Ort für schwule Palästinenser wurde schon oft erzählt und hat es mit The Bubble von Eytan Fox schon vor Jahren ins Mainstream-Kino geschafft. Out in the Dark erzählt die gleiche Geschichte ohne große Schnörkel, fast erwartbar. Um so erstaunlicher, dass der Film trotzdem berührt und gefangen nimmt. Vielleicht liegt das auch an den Bildern. Wo Lipstikka hell und kühl war, scheint Out in the Dark in warmen Farbtönen, man ist bei Partys oder im Wohnzimmer von Ramallah direkt dabei. Und die Figuren haben Ambivalenzen: Nimr verschweigt Roy die Sache mit seinem Bruder, Roy fürchtet um seine Stellung als Anwalt, die er erstmal nicht für Nimr aufs Spiel setzen möchte. Nachfühlbar auch in Deutschland ist die Frage des Andersseins als Schwuler – wenn auch Nimr als schwuler Palästinenser in Tel Aviv doppelt Minderheit ist. Oder nicht? „Als ich anfing in Tel Aviv auszugehen, dachte ich, die anderen Leute würden mich nur schwer akzeptieren“, erzählt Nimr an einer Stelle. „Aber dann habe ich herausgefunden, dass das Schwulen egal ist.“ Roy antwortet lakonisch: „Ein Schwanz ist halt ein Schwanz.“ Er meint das positiv, in der Schwulenszene sind alle gleich. Aber andersrum gilt: Wenn es nur um Schwänze geht, ist es egal, dass Nimr in Tel Aviv Hilfe braucht. Er 20

hat im Film keine anderen Freunde, die ihm helfen. Nimrs Tragödie müsste eigentlich die Solidarität anderer Schwuler hervorrufen. Tut sie aber nicht. Irrt Nimr also? Ist der Gegensatz zwischen Palästinensern und Israelis stärker als schwule Solidarität? Eine Antwort darauf gibt der Dokumentarfilm The Invisible Men. Er begleitet drei schwule Palästinenser bzw. israelische Araber, die weder in Palästina noch in Israel bleiben können und in Europa Asyl beantragen. Hier ist klar: Ein schwules Leben in Palästina, ein palästinensisches schwules Leben in Israel ist nicht möglich. „Jede Woche flüchten Dutzende von schwulen Palästinensern nach Israel, wo sie sich wieder verstecken müssen, nicht als Homosexuelle, sondern als Palästinenser. Aus Sicherheitsgründen ist es weiterhin israelische Politik, sie sofort wieder in die Besetzten Gebiete abzuschieben, wo der sichere Tod auf sie wartet“, beginnt der Film, während im Hintergrund schnelle Fußtritte und ein Keuchen zu hören sind – hier ist jemand auf der Flucht. Es ist Louie, der seit zehn Jahren in Tel Aviv lebt, ab und zu von der Polizei aufgegriffen und in den besetzten Gebieten wieder ausgesetzt wird, um dann irgendwie wieder nach Tel Aviv zurück zu kommen. Louie hat Freunde, die ihn abholen, die es in Out in the Dark nicht gibt. Und Louie will eigentlich nicht fort, er kann sich ein Leben woanders nicht vorstellen. Obwohl er Narben im Gesicht hat, weil sein Vater ihn mit einem Messer angriff, als er sich outete. Und obwohl er einen Davidstern als Tarnung um den Hals tragen muss. Der Film begleitet Louie zu Hilfsorganisationen, die ihm ein Schreiben ausstellen, falls die Polizei ihn wieder aufgreift, mit der


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„Out In The Dark“ von Michael Mayer

Information, dass er mit dem Tode bedroht wird, mit Nummern von Anwälten. Doch mehr können sie nicht tun: Es gibt kein Asyl in Israel für schwule Palästinenser. Und anders als in Deutschland können sie sich auch nicht durch Heirat eine Aufenthaltsgenehmigung verschaffen: Es gibt in Israel keine Zivilehe. Ähnlich wie Louie geht es auch Abdu und Faris. Sie sind auf der Flucht, weil ihre Eltern sie herausgeworfen haben und sie in Israel nicht willkommen sind. The Invisible Men zeigt das Schicksal der drei Männer eindrücklich, auch anders als in Out in The Dark. Dort verstecken sich Palästinenser auf einem Dach, haben es sich freundlich hergerichtet mit Möbeln und gespannten Tüchern. Als Louie auf der Flucht ist, schläft er auf einer dreckigen Matratze neben einem Haufen Sperrmüll, Fliegen krabbeln über seine Beine. Insofern gehören die beiden Filme zusammen: So ist die Romanze, und so ist es wirklich. Als sich am Ende Louie, Abdel und Faris in einem Bergdorf in Europa treffen, atmet man auf. Gleichzeitig ist das auch nicht das ganze Bild, sondern sei nur ein Teil des israelischen „Pinkwashing“, wie Aktivist_innen vor Ort bemängeln. Je stärker palästinensische Schwule als verfolgt dargestellt werden, desto besser steht Israel da. Dabei sei auch die Situation in Palästina komplex, große Städte wie Ramallah oder Nablus seien toleranter. Dem könnte man entgegnen, dass Israel in keinem der Filme wirklich gut wegkommt. Um die Kritik aufzunehmen, müsste ein nächster Film mal die Situation von Schwulen und Lesben betrachten, die in Palästina leben können – falls es sie gibt. s

Lipstikka von Jonathan Sagall US/IL 2011, 90 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Out in The Dark von Michael Mayer IL/US 2012, 96 Minuten, deutsche SF / OmU Pro-Fun Media, www.pro-fun.de

Invisible Men von Yariv Mozer IL/NL 2012, 69 Minuten, arabisch-englisch-hebräische OF mit deutschen UT GM-Films, www.gmfilms.de

Im Kino in der L-Filmnacht im April, www.L-Filmnacht.de

Im Kino ab 9. Mai 2013

Im Kino ab 26. März 2013

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Edition Salzgeber

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Go for Gold von Ta n i a W it t e

Zwei Frauen beschließen, gemeinsam ein Kind zu zeugen. Einen „dokumentarischen Spielfilm“ nennt Anne Zohra Berrached ihre aus dokumentarischen und inszenierten Elementen kunstvoll verzahnte Nahaufnahme eines lesbischen Paares, das an einer rechtlichen Unklarheit und am inneren und äußeren Druck verzweifelt, den ihr einfacher und naheliegender Wunsch auslöst. Auf der Berlinale wurde „Zwei Mütter“ mit dem Preis der Perspektive Deutsches Kino, „Dialogue en perspective“, ausgezeichnet.

Zwei Mütter von Anne Zohra Berrached DE 2013, 75 Minuten, deutsche OF Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der L-Filmnacht im Mai, www.L-Filmnacht.de Kinostart: Ende Mai 2013 www.zweimuetter.de

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s Ein Paar beim Sex. Echt und nah und glaubwürdig. Könnte so oder so ähnlich hier oder da stattfinden. Und dann, währenddessen, die Frage: Was wäre, wenn aus dieser Liebe ein Kind entstehen würde? Namenssuche und die unvermeidliche Zigarette danach. Auch das könnte, so oder so ähnlich, gerade nebenan stattfinden. Dass die Geliebten zwei Frauen sind, nimmt der Situation die Schwerelosigkeit. Aber doch: Wir leben in Deutschland, 2013, was spricht dagegen, diese Liebe mit einem Kind zu besiegeln? Nichts, finden Katja (Sabine Wolf) und Isabella (Karina Plachetka) und beschließen, den Traum wahr werden zu lassen. In ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm Zwei Mütter folgen Regisseurin Anne Zohra Berrached und ihr Team den beiden Frauen auf dem Weg zur Wunscherfüllung. Die Handlung ist frei erfunden, basiert aber auf Fakten – so wahr, wie sie nur sein können. Isas Telefonmarathon mit Ärzten, Beratungszentren und Kinderwunschkliniken ist beklemmend real und ihr schwant, dass der Kinderwunsch zu einem alltagsfüllenden Projekt werden könnte. Als ihre Partnerin Katja einen Arzt findet, der die Befruchtung vornehmen würde, stellt sich heraus, dass eine Enddreißigerin ohne Ausbildung und mit Minijob und die Filialleiterin einer Videothek sich schon wegen ihrer Einkommensverhältnisse keine Chancen ausrechnen dürfen. Der Anwalt, den sie auf Wunsch des Arztes im Vorfeld aufsuchen müssen, erklärt ihnen nämlich unmissverständlich, dass sie ein Einkommen von mindestens 3.500 Euro pro Partnerin nachweisen müssen, um von seinem Mandanten inseminiert zu werden. „Aber ich fühle mich ungerecht behandelt!“, sagt Isa. „Dafür bin ich der falsche Ansprechpartner“, erwidert der Anwalt, der sich selbst spielt und ja irgendwie auch nichts dafür kann. Weil es vor dem Gesetz eben so ist, dass der Mensch, der den Samen in die Frau bringt, der Vater ist. Also, theoretisch. Es sei denn, die Frau ist mit einem Mann verheiratet, dann ist der Ehemann der Vater. Immer, und egal, wie nachdrücklich und einvernehmlich beide Ehepartner widersprechen mögen. Aus diesem Grund tun sich die Kliniken so schwer damit, Frauenpaare zu befruchten. Denn, auch das rein theoretisch, das werdende Kind und die werdenden Mütter könnten den Arzt auf Unterhalt verklagen. So sieht es aus. Folglich gibt es eine künstliche Befruchtung nur für heterosexuelle, verheiratete Paare oder Lesben, die es sich leisten können. Pech für Isa und Katja. Und weiter. Gerade mal eine Handvoll Ärzte gibt es in Deutschland, die Frauenpaare befruchten – einer davon erklärt sich bereit, Isa zu inseminieren. Ein Happy End zeichnet sich ab. Doch viele Monate und ebenso viele Befruchtungen später ist das Konto geplündert, eine Schwangerschaft aber noch immer nicht in Sicht. Immerhin hatte dieser Arzt die beiden vorgewarnt: In 70 bis 80 Prozent der Fälle verläuft eine Insemination erfolglos. Auch bei heterosexuellen Paaren besteht bei Sex am perfekten Tag lediglich eine 25- bis 27-prozentige Chance auf eine erfolgreiche Befruchtung. Wo Katjas Kräfte schwinden und sie ans Aufgeben denkt, sucht Isa verbissen weiter nach neuen, kostengünstigen Möglichkeiten. Im Internet trifft sie auf jemanden, der Inseminationssets für den lesbischen Hausgebrauch verkauft. Und wieder: Hoffnung. In einem Privathaus erklärt ein fremder, heterosexueller Mann den beiden Frauen, wie sie sich das Sperma einzuführen haben, damit alles seinen Lauf nimmt, und gibt zudem Ratschläge, auf welcher Internetseite sich Spender finden lassen. Eine Szene, wie sie in dieser Skurrilität nur das Leben schreiben kann – und nicht zufällig spielt sich auch dieser Protagonist selbst. Und wieder findet Katja, wann immer sie nach Hause kommt, ihre Frau vor dem Computer kauernd, wo sie Vor- und Nachteile jedes einzelnen Spenders abwägt. Isas fast neurotischer Eifer schleicht sich in die Beziehung der beiden. Dennoch geht Katja den Weg weiter mit

– aus Liebe und obgleich sich ihr Zweifel aufdrängen. Zweifel ob des Geldes, Zweifel auch ob ihrer eigenen Rolle in dem Familienmodell. „Du bist die Mutter, und dann kommt noch ein zweiter dazu, das ist der Vater, und was bin ich denn dann?“, wird sie Isa wenig später fragen. Eine Antwort bleibt aus, weil der nächste Spender schon auf Begutachtung wartet. Sie treffen die Männer im Sushiladen und im Fastfoodrestaurant und begegnen den Abgründen, die hinter den Anzeigen lauern. Sperma gegen Sex ist die Offensichtlichste. Angesichts der Realität rückt Isa Stück für Stück von den gemeinsam festgesetzten Regeln ab – dass sie das Angebot, mit einem Spender zu schlafen, überhaupt ernsthaft erwägt, zeigt nicht nur ihre Verzweiflung, sondern auch eine Rücksichtslosigkeit, die Katja überrascht. Für Isa wird der Kinderwunsch zur Obsession, zum einzig möglichen Fokus, zum Egotrip, dem zu opfern sie alles bereit ist. Auch ihre Partnerschaft. Aus dem gemeinsamen Wunsch wird eine Stolperfalle für die Beziehung. Der letzte Spender, den sie treffen, nennt sich „Go for Gold“ und hat nach eigener Aussage in drei Jahren 20 Kinder gezeugt. Isa setzt sich ein weiteres Mal über die getroffenen Abmachungen hinweg und sichert ihm zu, das Kind sehen zu dürfen. Katja spritzt Isa das Sperma. Was folgt, ist eine Szene eindringlicher Traurigkeit: Isa will unbedingt einen Orgasmus, weil das die Fruchtbarkeit steigert und Katja, überfordert und gedemütigt, zieht sich zurück. Während Isa beseelt masturbiert, steht Katja in der Küche und raucht.

Und so sind die Gefühle des Liebespaares und die Veränderungen in ihrer Beziehung das eigentlich Spannende an dem Film Berrached verwebt Realität und Fiktion zu einem dokumentarischen Spielfilm – sie nimmt Gesetzeslage, Statistiken und Prognosen, vermischt sie mit Wunschbildern und lässt ihre Protagonistinnen mehr als einmal an der Wirklichkeit scheitern. Das Drehbuch fußt auf Gesprächen mit und Erfahrungsberichten von lesbischen Paaren und das macht die Geschichte in weiten Teilen so schmerzhaft real. Zwei Mütter balanciert auf der Grenze zwischen den Genres – die Farben, die Kameraarbeit, die Protagonist_innen, die sich teils selbst spielen, teils Schauspieler_innen sind, die Art der Dialogführung – alles, wirklich alles atmet Dokumentationscharakter. Das ist sicherlich nicht nur gewollt, sondern vor allem dem Budget geschuldet; ihr Ziel erreicht Berrached dadurch erst recht. Der Film öffnet den Blick, ohne den Zeigefinger allzu großräumig zu schwenken. Ohne ein Übermaß an Klischees zu bemühen entsteht eine feine Nähe zu den beiden Protagonistinnen, die von Sabine Wolf und Karina Plachetka pur und überzeugend dargestellt werden. Und so sind denn auch die Gefühle des Liebespaares und die Veränderungen in ihrer Beziehung das eigentlich Spannende an dem Film. Der leidvolle Weg, auf dem das „Wir“ sich wieder in „Du“ und „Ich“ aufspaltet und das „Du“ sogar zum Druckmittel wird … Es ist kein Zufall, dass Isa sich immer wieder verspricht: „Ich will“, sagt sie dann und korrigiert sich rasch: „Ich meine wir. Wir wollen!“ Und erinnert ihre Frau mit dem Totschlagargument: „Du wolltest das doch auch.“ Am Ende bleibt Entfremdung, Einsamkeit, Stille. Zwei Mütter ist ein Film, der Menschen(paaren), die sich vergeblich ein Kind wünschen, schmerzlich vertraut vorkommen wird. Bestenfalls verblassen Diskussionen darüber, was „natürlich“ bedeutet und was „normal“ und die Zuschauenden kommen zu dem Schluss, dass Liebe und der Wunsch, sie weiterzugeben, diese Kategorien nicht braucht. Das schafft Raum für die andere Ebene: die Geschichte von unkontrollierbarem Sehnen, von Liebe und dem Verlust der Zweisamkeit – gefangen in einem Film, in dem der Anfang über das Ende stolpert. s 23


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Aufgeladen mit Zeit Edition Salzgeber / Victor Arnolds

von Gu n t h e r Ge lt i nge r

Drei Männer aus drei Generationen treffen in Nanouk Leopolds bewegend stillstehender Adaption des Romans „Oben ist es still“ von Gerband Bakker in einem Hof in der niederländischen Provinz aufeinander. Der gleichnamige Spielfilm mit dem überraschend im Dezember verstorbenen Jeroen Willems in einer seiner letzten großen Rollen war auf der diesjährigen Berlinale zu sehen und startet Ende Mai / Anfang Juni deutschlandweit in den Kinos.

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Edition Salzgeber / Victor Arnolds

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s Schilf und Gras, so weit das Auge reicht. Ein paar Schafe, Gräben mit dunklem Wasser, ein Deich. Dort ein Horizont, unbedeutend, weil die Landschaft dahinter vermutlich genauso leer ist wie die davor. Helmers Blick schweift, ohne zu suchen. Er ist ein großer Mann in der Mitte des Lebens, das seinem Gesicht markante Züge verliehen und ihm das dichte schwarze Haar nicht genommen hat. Trotz seines kräftigen Körpers bricht er auf der steilen Treppe fast zusammen, als er den kranken Vater hinaufschleppt, über die Schultern gelegt wie ein totes Stück Vieh. Er schafft ihn zum Sterben nach oben, in das Stockwerk, wo Helmer zuvor selbst gewohnt hat. Die alte, stehengebliebene Standuhr kommt mit. Die Geräusche des Umzugs im Haus, das Rumpeln und Renovieren, dominieren die ersten Filmminuten und erzählen all das, was Vater und Sohn, die sich noch nie viel zu sagen hatten, nicht miteinander ausmachen: den Überdruss, die Langeweile, die Angst vor dem Tod, der gleichzeitig, als durch den Zimmertausch endlich Bewegung in das Haus kommt, zum Weg wird, eine Perspektive – Tapetenwechsel. Und doch bleibt es merkwürdig still auf diesen Bildern, es ist die Stille des Wartens, der geblähten Zeit. Helmer räumt auf. Doch wie er energisch alte Erinnerungsstücke und blühende Zimmerpflanzen auf den Misthaufen wirft, wirkt sein Trotz hilflos, verzweifelt; dieses Haus lässt sich nicht mehr modernisieren, die alten Geister wohnen tief im Gemäuer. Ein Ölgemälde mit Schafen, alte Fotos an der Wand des Zimmers, wo einst der Bruder wohnte, das vergilbte Bild einer Schöpfmühle, die für die beiden Brüder einmal eine Bedeutung gehabt haben muss, all die Gegenstände, die einst zu nahestehenden Menschen gehörten und diese noch immer verkörpern, heute sind sie seelenlos, Avatare aus einer versunkenen Welt, ohne Geschichte, die sie erzählen könnten, weil sie nur noch Vergangenheit sind, kondensiert zu Staub und Stille. Zu Beginn seines gleichnamigen Romans beschreibt Gerbrand Bakker diesen Blick, der sich im Erinnern aus dem Jetzt rückwärts richtet und dabei, gespiegelt von einem Ding oder Menschen, der uferlosen Gegenwart eine Richtung verleiht, Grenze oder Horizont; es ist das Gesetz des biographischen Erzählens. In der Romanszene 26

steht Helmer vor dem Wohnhaus, als an einem Sommertag zwei Jungen mit entblößtem Oberkörper in einem Kanu auf einem der Kanäle vorbeifahren, die, gespeist vom Ijsselmeer, das Waterland durchziehen. Sie betrachten den Hof, der „zeitlos“ sei, sagt der eine, „der könnte von heute sein, aber genauso gut von 1967 oder 1930.“ Die Esel, die auf der Koppel stehen, nennt der andere „altmodisch“. Dabei sieht er Helmer vorm Haus, „einen Bauern schon recht fortgeschrittenen Alters in einem verschossenen blauen Overall (…), der an der Seitenmauer eines Bauernhofs stand, im Schatten, und dort nichts zu tun hatte, außer zu beobachten, reglos, mit angehaltenem Atem“, so beschreibt der Ich-Erzähler, was der rotblonde Junge wahrnimmt; es ist der von den Augen des anderen zurückgeworfene und so erst mit Leben gefüllte Blick Helmers auf sich selbst, die unüberbrückbare Kluft zwischen dem Damals und dem Heute, zwischen dem Jungen und dem Alten, zwischen Begehren und Erstarren, Bewegung und Stillstand. Die Jugendlichen ziehen mit sonnenverbrannten Schultern weiter, Helmer, immer noch an der Mauer, bleibt zurück. „Der Rest des Nachmittags“, heißt es im Roman, „war unwirklich und leer.“

Die Natur geht verschwenderisch mit dem Leben um, doch sie geizt mit dem Glück Dieser gebrochene und gespiegelte Blick auf die Hauptfigur ist das einzige, was die niederländische Regisseurin Nanouk Leopold direkt aus Bakkers Roman übernimmt, in dem die Vergangenheitserzählung mehr als die Hälfte der Geschichte beansprucht. Ihrer Biographien fast gewaltsam entrissen und in ein ewiges Jetzt gesperrt, wo nur die Gegenstände lose Eckpunkte eines früheren Lebens markieren, bewältigen die Protagonisten im Film ihren Arbeitsalltag auf dem Bauernhof, ihre schwerfälligen Bewegungen stemmen sich gegen die Zeitlast, die sie zu erdrücken scheint; auch Ada, die Nachbarin, hat sich längst dem Trott ergeben, und ihre Kinder tragen nicht wirklich eine Hoffnung: Wie sie ganz im Hier und Jetzt spielen, die Esel strei-


Edition Salzgeber / Victor Arnolds

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cheln oder ungeduldig auf die Geburt der Lämmer warten, wissen sie noch nicht, was auch ihnen später einmal bevorsteht. Aber Helmer weiß es. Das Lamm wird tot geboren, er wirft es zu den anderen Kadavern unter das Blech; die Natur geht verschwenderisch mit dem Leben um, doch sie geizt mit dem Glück. Als Helmer den Vater wäscht und neu ankleidet, breitet der seine mageren weißen Arme aus, hängt für einen Moment im Bild wie ein Kreuz. Ich will sterben, sagt er, und Helmer: Jetzt, wo du so schön sauber bist? Im Baum vor dem Fenster sitzt seit einigen Tagen eine Nebelkrähe, das Gefieder des Todesvogels, der auf den Vater wartet, ist mehr weiß als schwarz. Dann liegt Helmer auf seinem Bett in seinem neuen Zimmer, untätig, wie selbst zum Sterben bereit. Die Kamera wandert an ihm herab zum Unterleib, die Körpermitte vital, lebenshungrig, eingezwängt zwischen Sehnsucht und Verweigerung; nach dem Duschen stellt er sich nackt vor den Spiegel. Während er onaniert, ist sein Blick starr geradeaus gerichtet. Bloß nicht nach unten schauen, nicht sehen, was da pulst und sich aufbäumt. Der Milchfahrer aber, auch schon jenseits der Lebenshälfte, mit grauem Bart und Bauch, hat es an Helmer gesehen, obwohl der sich stets in den Stall verdrückt, wenn der andere die tägliche Milchration in seinen Tanklaster pumpt. Er habe ihn die letzten Male vermisst, sagt er zu Helmer, als er ihm schließlich doch noch in der Milchkammer begegnet. Die Sympathiebekundung, seine fragenden, einladenden Blicke fallen ins Leere; er habe mit seinem kranken Vater zu tun, weist Helmer ihn zurück und ist dabei so unglücklich über diese Abfuhr, so wütend auf sich selbst. Im Smalltalk, der Liebesgeständnis sein will und es nicht kann und darf, erzählt der Milchfahrer vom unerwarteten Tod seines Kollegen Arie, der kurz vor der Rente an einem Herzanfall starb, und auf der Beerdigung, wo alle Bauern der Gegend zusammenkommen, versucht die Nachbarin Ada vergeblich, das Gespräch zwischen den beiden in Gang zu bringen; auch sie hat längst gesehen, was Helmer so grimmig zu verdrängen versucht. Seine fehlgegangene Sehnsucht bekommt dann der Vater zu spüren: Die Griffe, die ihn im Bett aufsetzen, gleichen hilflosen Liebko-

sungen, irgendwann irrgelaufen und zu Ruppigkeit und Grobheit verzerrt drängen sie hin zum Vater und fliehen gleichzeitig vor seinem ausgemergelten, dem Tode geweihten Körper, dem Piss im Bett, der schlaffen, an den Armen und Beinen entzündeten Haut. In diesen fast zärtlichen Einstellungen, nahen Kamerablicken, die den Alten, weil der Sohn es nicht kann, fast zu streicheln scheinen, gewinnt der überkommene Vaterleib eine eigentümliche Anmut, auch etwas Trotziges, Rebellisches; da ist ein im Leben zu kurz gekommener Mann im Körper eines Greises, der jetzt gehalten, geliebt, vielleicht sogar noch einmal begehrt werden will. Schon in ihrem letzten Film Brownian Movements setzt Nanouk Leopold die Körper der Entstellten auf eine ästhetische, den Ekel entmachtende Art in Szene: die Großnasigen, Fettleibigen und Ganzkörperbehaarten, die sich die junge Ärztin, gespielt von Sandra Hüller, als Liebhaber aussucht, obwohl oder gerade weil der Mann, mit dem sie eine glückliche Ehe führt, so schön ist, dass sein Anblick fast schmerzt. Später wird Helmer, zusammengekrümmt auf dem Boden wie ein Kind, eine hervorgetretene Ader an der Totenhand des Vaters streicheln, eine scheue, staunende, in ihrer Unschuld noch gänzlich offene Berührung, ähnlich wie auch Sandra Hüller in Brownian Movements staunend über ihre eigene unerklärliche Begierde in die Kamera lächelt, während sich der monströse Leib ihres übergewichtigen Liebhabers auf ihren zarten, hellen Körper senkt. Schmerzhaft, ja fast unerträglich zart und hell auch das Gesicht des Knechts Henk, den Helmer sich eines Tages als Arbeitskraft auf den Hof holt. Bei Bakker trägt er die zentrale Geschichte, er ist die Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Leben und Tod. Leopold aber drängt ihn in den Hofalltag wie einst Pasolini in Teorema den geheimnisvollen Gast in die bürgerliche Familie, wo er alle verführt, vom Vater bis zur Dienstmagd, allein um des Verführens willen, die Geliebten aber wirft er zurück auf ihre nackte Existenz, ihre Sehnsüchte und Ängste. Henk ist schön und jung, unerhört jung, zu jung, um schon eine Vergangenheit zu haben. Er ist das geballte Leben, das kommen muss, die Veränderung, ohne die der Vater nicht sterben und Helmer nicht zu fühlen beginnen kann. 27


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Er taucht auf ohne Herkunft und Geschichte, doch aufgeladen mit Zeit, wie die Dinge im Haus, wie das Bild der Schöpfmühle, unter dem er fortan schläft, im hergerichteten Zimmer von Helmers verstorbenem Bruder. Henk setzt das stehen gebliebene Pendel der Uhr wieder in Bewegung, und Helmer kann es nicht verhindern, dass der Junge ihn rührt. Wie er im Bad an Henks Sachen schnüffelt, seinem Haargel, dem After-Shave, und dabei brummende Laute von sich gibt, verächtliche oder wohlige, hat Helmer plötzlich selbst etwas von einem Vater, der sich über die jugendliche Naivität seines Sohnes lustig macht, und auch etwas von der Geziertheit eines verschmähten Liebhabers. Jetzt ist da plötzlich Henk mit seinen jungen, anpackenden Händen auf der einen, der immer magerer werdende, zusehends verschwindende Körper des Vaters auf der anderen Seite. Ein Blick Helmers, vom Fenster aus zum Hof, wo Henk arbeitet, und zurück zum Bett, in dem der Vater liegt, verbindet die beiden und hält sie gleichzeitig voneinander fern, eifersüchtig und misstrauisch. Henk verkörpert das Begehren, das zurückgewiesen werden muss, weil er keine andere Aufgabe hat, als für Helmer das neue Leben zu sein, der Luftzug in der Glut eines fast erloschenen Feuers. Ein kräftiger Junge, sagt der Milchfahrer lächelnd, für den der Knecht ebenso Katalysator ist; an ihm, durch ihn erkennt er, dass Helmer noch oder jetzt wieder in Schwingung ist, angestoßen durch Henks Kraft. Das nächste Lamm wird lebend geboren. Auf den Kacheln der Abfüllkammer bleiben Milchreste zurück. Helmer und der Fahrer kommen sich bei den alltäglichen Verrichtungen an der Melkmaschine körperlich näher, ohne dass tatsächlich Nähe entsteht. Doch sie spüren beide, dass etwas ins Rollen gekommen und nicht mehr aufzuhalten ist. Lange saugt das Kalb am Finger des Knechts, während Helmer im Hintergrund zuschaut, vielleicht die erotischste Szene dieses Films, in dem die Männer mit ihren Körpern so hilflos umgehen, während sie ihr Vieh routiniert-zärtlich anfassen, als wären Kuh, Schaf und Esel alte, ein wenig lästig gewordene Geliebte. Dann verkündet der Milchfahrer plötzlich, dass er die Gegend verlässt. Die erste körperliche Berührung zwischen Helmer und ihm ist der Handschlag zum Abschied. Im Stall legt Helmer sich ins Stroh und presst sich das Lämmchen an die Brust. Henk aber, der nachts plötzlich zu ihm ins Bett steigt, weist er zurück, um den Jungen, der sich weinend abwendet, dann doch noch in die Arme zu schließen, während Henk ihm übers Gesicht streichelt, vorsichtig, zaghaft, als könnte der starke Körper des Mannes, wenn er ihn zu fest, zu fordernd berührt, in seinen jugendlichen Händen zerbrechen, so, wie die Zeit in der Redewendung zwischen den Fingern zerrinnt. Von diesen Händen erzählt Helmer dem todkranken Vater, dessen eigene Hände, so der Sohn, nur zum Schlagen nützlich waren. Die Nebelkrähe erschießt Henk nicht, obwohl er das Gewehr auf sie richtet. Stattdessen verlässt er den Hof, so unangekündigt wie er gekommen ist. Was er jetzt machen wolle, fragt Helmer ihn noch. Mal sehen, erwidert Henk; glücklich werden vielleicht – doch das sagt nur sein Blick, bevor er davonradelt. Vierzehn Lämmer auf zehn Mutterschafe hat dieser Frühling gebracht. Der Vater brachte es auf zwei Söhne; der eine, den er mehr liebte, wie beide, Vater und Sohn, wissen, ertrank, der andere übernahm gezwungenerma28

ßen den Hof, den er leidenschaftslos führt. Keine Enkel, keine Zukunft; eine schlechte Ausbeute für ein so langes Leben, insgesamt. Zum Sterben wenigstens soll Helmer ihm noch ein hart gekochtes Ei bringen. Der Vater hat Hunger. In der nächsten Szene ist das Wohnzimmer ungewöhnlich hell, man hat das Gefühl, in einem anderen Haus zu sein, eine Einstellung wie nach einem Zeitsprung. Oben ist es jetzt still. Man kann in Nanouk Leopolds Romanadaption den Geschichtenreichtum der literarischen Vorlage vermissen, die ineinander verschränkten Schichtungen von Vergangenheit und Gegenwart, die zentrale Erzählung um Helmers geliebten Zwillingsbruder, dem Henk, der junge Knecht, so sehr gleicht und dessen Namen er sogar trägt. Man kann es für unglaubwürdig halten, dass in diesem gottverlassenen, nur von Bauern besiedelten Landstrich alle Männer, die auftreten, schwul sind, und daran scheitern, die gestörte Vater-Sohn-Beziehung als psychologische Folie für das verhinderte Coming-Out eines in die Jahre gekommenen Mannes sehen zu wollen. Man kann den Film unterm Mikroskop der detail- und personenreichen Romanhandlung betrachten und wird sich im weitwinkligen Panorama der Bilder verloren fühlen. Kein Roman und kein am romanhaften Erzählen orientiertes Drehbuch führt hier die Figuren, sondern die Zufälle eines Schicksals, aus dem Nirgendwo irgendwohin. Der Milchfahrer ist zurückgekommen, zur Beerdigung des Vaters. Hat Helmer ihn doch noch angerufen? Er trägt Wunden im Gesicht, die ihm wehtun. Woher stammen sie? Das Leben selbst hat sie geschlagen, könnte die Antwort sein, die der Film nicht mehr gibt. Es kennt alle Fragen und kontert unerbittlich. Jeroen Willems, der so kraftvolle, so lebendige Darsteller des Helmer, starb wenige Wochen nach Abschluss der Dreharbeiten an einem Herzanfall. Er wurde nur fünfzig Jahre alt, acht Jahre jünger als im Film Arie, der Kollege des Milchfahrers, von dem wir nichts kennen als seinen Namen und die Umstände seines Todes, ein schmaler, verschwindend kleiner Ausschnitt eines menschlichen Daseins wie ein zitternder Schilfhalm in der weiten, leeren, horizontschweren Landschaft der Zeit. s

Gunther Geltingers langerwarteter zweiter Roman „Moor“ erscheint, wie schon die Taschenbuchausgabe seines ersten, „Mensch Engel“, bei Suhrkamp (September 2013). Sämtliche Romane von Gerbrand Bakker sind in deutscher Übersetzung ebenfalls bei Suhrkamp erschienen, darunter natürlich auch „Oben ist es still“.

Oben ist es still von Nanouk Leopold NL/DE 2013, 93 Minuten, deutsche SF, niederländische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino im Mai/Juni 2013


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Let’s talk about age, baby von Bi ru Dav i d Bi n de r

neue Visionen

Als Ort mit einer klassischen Infrastruktur zur operativen Geschlechtsangleichung war Casablanca lange Zeit ein Mythos. Der Dokumentarfilm „I Am a Woman Now“ befragt fünf Transfrauen, was sie dort und damit erlebt haben.

s Das Leben ist schön! Um diese alltägliche Ungeheuerlichkeit aus Angst vor ihrem Entschwinden prophylaktisch auszubalancieren, schrieb ich den ersten Absatz zum Dokumentarfilm von Michiel van Erp, die, wie ich beim ersten Lesen des Filmtitels in mir aufschreien hörte, i-di-otischer-wei-se I Am a Woman Now heißt. Die erste Einleitung ist gemein, ein bisschen amüsiert. Sie geht so, die erste Einleitung: Ein Dokumentarfilmtitel wie I Am a Woman Now scheint vortrefflich gewählt, changierend zwischen der Absurdität, die eigene geschlechtliche Identität zu verzeitlichen („now“), und dem Glück derer, die sie sich als Zeit, die ihre, erkämpften. Das „jetzt“ zieht eine scheinbare Grenze zwischen aller Zeit zuvor, als Mädchen, als Kind, zum Beispiel. Weiß mensch, dass es in I Am a Woman Now um die Lebensgeschichte von fünf Transfrauen geht, die eine vor Jahrzehnten unternommene Reise zu einem mittlerweile verstorbenen Genitalchirurgen aus Casa­ blanca verbindet, dann kräuseln sich die Fußnägel in der gedanklichen Verlängerung von „pussy = woman“. Einige Trans* dürften an dieser Stelle vermeintlicher Kausalität müde lächeln bis zynisch auflachen. Einige supermegalo-natürliche Frauen wie Männer

und alle anderen Geschlechter hoffentlich ebenso. Allen denen, die bei dieser Gleichung heftig mit dem Kopf nicken, kann nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit sowieso nicht geholfen werden. Dream on! Das Einzige, was den Verfasser jetzt noch retten kann, ist ein zweites Sichten des Films selbst. Jedenfalls nicht das Sichten solcher Paradoxa in Filmkritiken wie der in „Variety“ verbrochenen, die I Am a Woman Now einerseits transrespektlos und glänzend in Ignoranz beschreiben („Michiel van Erp’s affecting look at five European men [?] who were reborn as women“), während es ihrem Autor andererseits nicht gelang, das Alleinstellungsmerkmal dieses Dokumentarfilms zu verpassen. Und dieses Alleinstellungsmerkmal, es ist schmutzig. Und eklig. Und transhumanoid, genannt: Altern. Let’s talk about age, baby! Irgendwie ist das fies, weil, come on, niemand denkt ernsthaft daran, jemals alt zu SEIN. Altern, ja, on a distant foggy future shore some day, perhaps, possibly, maybe. Rather NOT. Denn: Altern ist so Bäh! April Ashley, eine der fünf Portraitierten, drückt das mit sehr viel mehr noblesse aus, das Ergebnis scheint dasselbe (Bäh!), sich zu verunsichtbaren, der zentrale Inhalt. Das Medium, der alternde

Körper, ist dabei die Botschaft. Nicht mehr sichtbar zu werden, ist jedoch nicht die Botschaft, sondern das, was darin hinein gelesen wird (von wem? mit welcher Funktion?) und das, womit sich die meisten Menschen abfinden (und so begonnen haben, zu altern). April Ashley beschreibt das Unsichtbarwerden bei einem Glas, ich wünsche es ihr, Champagner, und wird flugs auf meine Who’sAtBiru’sWishpartyFORSURE-Liste 1 geschrieben, und müsste ich sie selbst die Tür hineintragen. Mhm. Oder besser: alle fünf, Jean Lessenich, Corinne van Tongerloo, Marie-Pierre Pruvot, April Ashley und Colette Berends! Und, was machen alternde Frauen in I Am a Woman Now so? Zum Beispiel im See herumschwimmen. Cool. Oder eine windige Bootstour mit einer Freundin. Oder spazieren mit dem Hund im Park. Mhm. Dr. Burou, Trans* und geschlechtsangleichende Operationen habe ich vergessen. Was für schöne Frauen! Wenn, dann beim Altern mit so viel Style, Charme und Power, bitte. Bleibt nur zu hoffen, dass die weniger selbstbewussten Statements generationenbedingt abgegeben wurden. Und die offene Ansprache eines nach wie vor Trans* diskriminierenden Arbeitsmarktes und einer Trans* diskriminierenden Lebenswelt zu merklichen positiven Veränderungen auf ebensolchen führt. Die vor nicht allzu langer Zeit in britischen Medien geführte Debatte (siehe hierzu Patrick Barkhams „Guardian“-Artikel „Voices from the trans community: ‚There will always be prejudice‘“) lässt keine Zweifel offen, dass eine ach so zeitgemäße „Toleranz“ im Sinne von Duldung, nicht von Respekt und Inklusion, die Tagesordnung darstellt, mit der Trans* sich heutzutage glücklich schätzen dürfen. Hach ja, die lieben „richtigen“ Frauen und Männer, die liebe „richtige“ Demokratie. s

I Am A Woman Now von Michiel van Erp NL 2011, 80 Minuten, dänisch-englisch-französisch-deutsche OF mit deutschen UT Neue Visionen FIlmverleih, www.neuevisionen.de Im Kino ab 18. April 2013

1  Ich bilde mir ein, einer der wenigen Männer zu sein, der mühelos innerhalb von Sekunden mindestens acht Ladies aufzählen kann, die ihn maßgeblich positiv, quasi vorbildlich, beeinflusst haben und ergo bei der Party ihre Tanzbeine schwängen, könnte mensch sich seine Gäste für eine Party aussuchen, gleich aus welcher Ecke dieses Planeten. Nur bei Gentlemen, das ist schwieriger … Ich bin jetzt bei rund zehn auf der Liste angekommen, die Hürde ist hoch, sie sollten doch bitte, so wie alle Eingeladenen, nach Möglichkeit noch leben. Ich denke seit über einem Jahr darüber nach. Mageres Ergebnis? Damit abfinden? Niemals! La vie est belle.

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Wohltemperierte Anordnung von A n dr é W en dl e r

Wenig Außergewöhnliches sah unser Reporter im queeren Programm der diesjährigen Berlinale, so fern es nicht in der Form der Filme schon angelegt war. Eine Vorschau auf (vielleicht) kommende Attraktionen.

s Es gehört wohl zum queeren Kino dazu, dass es sich regelmäßig und absichtlich zwischen alle Stühle setzt. Die schönsten Beispiele der diesjährigen Berlinale zeigten einmal mehr, wie die Hybriden, die dabei entstehen, formal und inhaltlich zentrale queere Fragen ausbuchstabieren können. Zwei Mütter (siehe Seite 22) von Anne Zohra Berrached ist eine Hybride aus Spiel- und Dokumentarfilm über ein lesbisches Pärchen, das alle Schwierigkeiten durchleben muss, die sich bei einem Kinderwunsch einstellen. Die Regisseurin hat das Drehbuch aus eigenen Recherchen und Gesprächen mit betroffenen Paaren entwickelt. Im Film werden die beiden Frauen Katja und Isabelle von zwei Schauspielerinnen dargestellt. Die meisten Personen, auf die sie treffen, spielen aber sich selbst: eine Apothekerin, ein Arzt, der künstliche Befruchtungen vornimmt, ein Anwalt, mögliche Samenspender usw. Oft geht es dabei um die tausend Formen kleinlicher täglicher Diskriminierung, die mich nicht gewundert, aber doch traurig gemacht haben. Irgendwann bekommt der Film aber noch einen anderen Ton. Während nämlich für eine der beiden Frauen der Kinderwunsch über allem anderen steht, kommen der anderen Zweifel. Sie merkt, dass ihre Konzeption einer lesbischen Beziehung herausgefordert wird, wenn sich ihre Konfiguration ändert: Ein Samenspender, der womöglich das Kind sehen will, das Kind selber verändern alles. So wie der Film keine „ordentliche“ Dokumentation und auch kein „richtiger“ Spielfilm ist, so bohrt die Frage, was lesbisches Zusammenleben ist und wann es zu einer heteronormativen Familie geworden sein könnte. Und ob das überhaupt ein Problem ist oder sein muss. Das alles erzählt der Film jedenfalls nicht nur über seine Geschichte, sondern vor allem über seine eigene Experimentalanordnung. Ein ganz anderes, aber mindestens ebenso gelungenes Beispiel ist Will You Still Love Me Tomorrow. Der Regisseur Arvin Chen ist ein 30

Kind taiwanesischer Eltern und in den USA geboren und aufgewachsen. Seit einigen Jahren lebt und arbeitet er in Taiwan. In seinem Film, den man vielleicht am ehesten als Romantic Comedy bezeichnen könnte, geht es die ganze Zeit um alle (un)möglichen Mischbeziehungen. Ein schwuler Mann heiratet, bekommt ein Kind und verliebt sich irgendwann wieder in einen Mann. Ein anderer Schwuler ist mit einer Lesbe verheiratet. Diverse Heterosexuelle haben Eheprobleme, die dann von einer schwulen Clique in einer Schwulenbar gelöst werden sollen. Das Ganze wird von einer wunderbaren Wärme zusammengehalten. Egal nämlich, wer hier wen begehrt, liebt oder mag: Der Film zeichnet alle diese komplexen und komplizierten Fälle mit einer wirklich zu Herzen gehenden Menschenfreundlichkeit nach. Die Liebe von Eheleuten, Freunden, Eltern und Kindern, Großeltern, Kollegen, besten Freunden, ja selbst die Verbindung zum liebsten Seifenopernstar werden alle mit dem gleichen Respekt vor menschlichen Beziehungen behandelt. Filmisch könnte man das alles kaum in schrilleren Farben zeichnen. Da fliegen die Menschen vor Liebesglück durch die Straße, ein Augenoptiker wird irgendwie zu einer Art Mary Poppins. Aus einer Karaoke-Bar wird eine große Showbühne und die Parapluies de Cherbourg haben einen Wiederauftritt, vor dem sich keiner verstecken muss. Ich vermute, dass kein europäischer Regisseur das so hinbekommen hätte, weil Slapstickhumor dieser Art hierzulande gerade nicht hoch im Kurs steht. Der Film holt mich aber über seinen Soundtrack oder seine Filmzitate immer wieder ab und bittet mich mit der selben Freundlichkeit in seine Welt, die irgendwo zwischen Asien, Amerika und Europa liegt, mit der er alle seine Protagonist_innen behandelt. Offensichtlich – und das wäre für mich das Queere daran – entsteht in der Begegnung dieser unterschiedlichen (Film)kulturen etwas Wundervolles, das überrascht, ohne zu verschrecken.


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„Zwei Mütter“ von Anne Zohra Berrached

Eine andere Gruppe von Filmen versucht nicht so sehr im inhaltlichen und formalen Experiment unsere bekannten Identitätskonzepte herauszufordern, sondern fragt nach ihrer Herkunft und Geschichte. Dem filmischen Zwang zur Konkretion folgend, geht das immer über die Beschreibung von Einzelgeschichten, so wie etwa in Fifi az khoshhali zooze mikeshad, einem Dokumentarfilm von Mitra Farahani über den iranischen Künstler Bahman Mohassess, der seine große Zeit noch während der Schahregierung erlebte. Mohassess, von dem viele glaubten, er sei gar nicht mehr am Leben, wird von der Regisseurin in Rom gefunden, und der Film gibt ihm viel Zeit, über sich und seine Kunst im Iran zu sprechen, seine Werke zu kommentieren und einfach seine Lebensweisheiten zum Besten zu geben, von denen er mehr als genug zu teilen hat. Irgendwann stecken zwischen all den Gedichten, die er rezitiert und seinen ungezählten Anekdoten auch einige Überlegungen dazu, was es für ihn heißt, schwul zu sein. Homoehe? Der reinste Teufel für ihn. „Wissen Sie, was das beste an der Homosexualität früher war? Dass sie verboten war!“ Tuntige Männer? Bloß nicht! Mohassess hat immer Wert darauf gelegt, dass seine Jungs verlobt waren. Abgesehen davon, dass das alles unglaublich skurril ist, frage ich mich während des Films, ob es nicht einen notwendigen Zusammenhang gibt zwischen seiner fast unüberschaubaren Kunstproduktion, dieser grenzenlosen Kreativität und seinen teilweise etwas abseitigen Identitätsvorstellungen. Kann man so eine Kunst nur dann schaffen, wenn man seinen Begehrenshaushalt jenseits der landläufigen Konzepte eingerichtet hat? Eine ähnliche Konstellation, wenn auch mit anderem Ausgang, gibt es im Gewinnerfilm des Teddy-Awards für den besten Dokumentarfilm. Bambi von Sébastien Lifshitz ist das selbsterzählte Porträt der 1935 in Algerien als Jean-Pierre geborenen Marie-Pierre Pruvot, die sich irgendwann entschloss, kein Junge mehr sein zu wollen. Ihr

Weg führte sie in Pariser Kabarett Carrousel, wo sie jahrelang ein gefeierter Revuestar war. Später studierte sie und fand ihren Weg als gewöhnliche Lehrerin in der französischen Provinz, nicht jedoch ohne die Angst, als Protagonistin ihrer früheren Karriere entdeckt zu werden. Was für Mohassess Lebensprogramm ist, wird für Pruvot nur ein dankbarer Umweg, der sie an den Ort führt, an dem sie sich wohl fühlt. Der persönliche Nachdruck, mit dem diese Lebensgeschichten erzählt werden und der es für mich leicht macht, meine eigenen Identitätskonzepte mit ihnen auf den Prüfstein zu legen, fehlt vielleicht an einer Stelle, an der er unbedingt notwendig gewesen wäre. Im zweiten Jahr in Folge lief dieses Jahr ein Dokumentarfilm über queeres Leben in der DDR. Schon die Sprachfassung des Titels zeigt die gegenwärtigen Interessenlagen an diesem Thema an. Out in Ost-Berlin – Lesben und Schwule in der DDR hat zwar viele interessante Geschichten und Personen zu erzählen, nimmt aber keine_n von ihnen ernst genug, um sie aus ihrer Slideshow-Ästhetik und ihrer historisch recht einfachen Dramaturgie herauszuheben. Abgesehen davon, dass er zum Teil die gleichen Personen wie der letztjährige Unter Männern von Ringo Roesener und Markus Stein vor die Kamera bringt, bleibt das dort entworfene Infotainment-Panorama für mich folgenlos. Das bedauere ich um so mehr, als ich selbst ein Kind dieses Staates bin und mir ein Leben als einer ihrer schwulen Bürger vielleicht nur knapp entgangen ist. Gerade Filme, die immer auch als ein Stück von uns für uns gemacht werden, müssen ihren Blick ein wenig weiter schweifen lassen als auf die unmittelbaren Verwertungsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund ist die Berlinale 2013 weder besonders außergewöhnlich, noch besonders ernüchternd gewesen. Ob man diese sanfte Wohltemperiertheit wiederum als Problem begreift oder nicht, sei allen selbst überlassen. s 31


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verque(E)re Zensur in Deutschland von A n dr e a s H ei m a n n

Kunst und wie ein Staat mit ihr umgeht kann immer als Gradmesser der Freiheit dienen. Man denke etwa an das Beispiel des Filmemachers Jafar Panahi, der gegenwärtig Inhaftierung und Berufsverbot durch den iranischen Staat erleidet. Hierzulande alles undenkbar und kein Thema. Doch wie steht es um die Freiheit der Kunst in Deutschland? Ist Deutschland wirklich frei von staatlicher Zensur – und wann beginnt sie? Ein Debattenbeitrag zur Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)

s Als im Jahr 1919 Anders als die Andern §175 von Richard Oswald in die Kinos kam, gab es in Deutschland eine flüchtig währende Periode ohne Zensur. Der Rat der Volksbeauftragten hatte kurz nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs beschlossen: „Eine Zensur findet nicht statt. Die Theaterzensur wird aufgehoben.“ Doch schon der Zusatz auf die Instanz des Theaters, verstanden als kulturellen Primat, sah wohl kaum die aufsteigende Macht der neuen Lichtspielhäuser voraus. Die durch Oswald und andere (Hygiene-)Filme entfachte gesellschaftliche Debatte führte schließlich zu den 1920 erlassenen Reichslichtspielgesetzen. Und schon elf Jahre später brannten Bücher und die Zensur und Moralsadismen, maßgeblich um den Paragraphen 175, verschärften sich. Anstelle von Filmen wie Metropolis, Nosferatu oder Das Cabinett des Dr. Caligari herrschte von nun an das Schreckenskabinett des Dr. Goebbels, mitverantwortlich für Hetz- und Propagandafilme der Diktatur. Unrühmliches Beispiel und Synonym für die Verhurung des Mediums Films unter den Nazis wurde Jud Süß. Deshalb klingt es absurd, dass dessen Regisseur Veit Harlan, von allen gegen ihn erhobenen Anklagepunkten freigesprochen, 1957 mit Anders als du und ich § 175, einen der ersten bundesrepublikanischen Filme mit einer queeren Handlung vorlegte und zumindest im Titel eine Annäherung an Oswalds Tradition suchte. Harlans vielleicht redlicher Ansatz wirkt aber aus heutiger Sicht schlicht homophob, dass Zitat auf Oswald regressiv. Sein Film, der Schwule als heilbare Opfer präsentiert und in einem Abwasch auch noch die bildenden Künste und moderne Musik als entartet deklassiert, bekam keine Freigabe. Doch der seit 1948 von den westlichen Siegermächten gegründete, in Wiesbaden sesshaften FSK stießen nicht die faschistoiden Tendenzen auf, sondern der zu positive und ausgestellte Umgang mit Homosexuellen. Nach mehreren Veränderungen an Schnitt, Text und Bild konnte eine ab-18-Einstufung erreicht werden. Zunächst mögen diese Beispiele wie aus längst vergangenen Tagen wirken. Alles passé und überwunden. Antiquiert liest sich auch die damalige Ablehnung der ersten Schnittfassung von Anders als du und ich § 175: „Alle Bevölkerungskreise, die noch ein Gefühl für Sitte und Recht haben (und dies ist der weitaus überwiegende Teil des Volkes), werden in ihren Empfindungen aufs schwerste getroffen …“ 32

Umso mehr mag es schockieren, dass folgender Abschnitt aus dem Jahre 2011 stammt und den Film Romeos … anders als du denkst! von Sabine Bernardi auf ein FSK 16 bewertet: „Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider, die Kinder auf Grund keiner oder zu geringer Erfahrung nicht erkennen können.“ Die verzerrte Welt von queeren Menschen, die nicht der Realität der im Durchschnitt 50-jährigen FSK-Mitglieder abbildet, begehrte jedoch auf. Es ist dem Druck des LSVD, der Presse und Bernardis öffentlichem Aufbegehren zu verdanken, dass ihr Film einer Neuprüfung unterzogen wurde und die fragwürdige FSK 16 in eine FSK 12 umgewandelt wurde. Doch was war geschehen? Voreilig von homophoben Tendenzen zu sprechen wäre töricht. Die deutsche Schere schnitt bekanntlich auch schon in Filme von Hitchcock. Auch „Disneys Lustiges Taschenbuch“ und das „Sailor Moon Magazin“ waren vom deutschen Zensus nicht gefeit, dessen Regeln seit 1951 unverändert sind. Um aber den neokonservativen Umgang mit Bernardis Film zu verstehen, muss man sich das Jahr 2010 vergegenwärtigen. Eine neue Debatte, maßgeblich um die Differenzierung zwischen einer FSK 12 zu einer FSK 16 gestrickt, wurde dort durch die Sittenwächter der FAS und FAZ entfacht und 2011 erneut aufgenommen. Mit markigen Überschriften wie „Das FSK-12-Siegel ist jugendgefährdend“, oder „Diese Filme gefährden ihre Kinder“, hatte die FAS 100 „zufällig“ gewählte FSK-12-Werke neu geprüft und kam zu dem Ergebnis, dass fast 50% aller geprüften Filme eigentlich viel eher eine FSK 16 erhalten müssten. (Auffällig an der Zufälligkeit der ausgewählten Filme ist, dass nur fünf der 46 beanstandeten Filme vor 2000 produziert wurden, es sich nahezu nur um Hollywoodproduktionen handelte und dass kein Film als zu streng bewertet empfunden wurde.) Die Zensorenkompetenz vertraute die FAS übrigens nicht dem Feuilleton an, sondern dem Politikressort. Von solchen Feinheiten unbeeindruckt entblödeten sich mehrere Politiker – meist aus dem konservativen Lager – nicht, die Arbeit der FSK zu kritisieren. Erika Steinbach, Mitglied des CDU-Bundesvorstands und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags, sah gar schon das Abendland untergehen: „Leider muss man feststellen, dass nicht nur in diesen Filmen, sondern in


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unserer Gesellschaft insgesamt natürliches Schamgefühl, aber auch Gewaltlosigkeit im Miteinander der Menschen und in der Fürsorge für Kinder immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden sind.“ Aufgabe der FSK ist es aber auch gar nicht, das natürliche Schamgefühl zu bewahren oder gar zu einer gewaltfreieren Gesellschaft beizutragen. Leider wurde auch nicht nachgefragt, welche Filme Frau Steinbach hier meinte. Schindlers Liste etwa, dessen Wertung mit einer FSK 12 die FAZ als ebenso falsch ansah wie die für Capote. In ihren Begründung merkten sie zu Letzterem an, dass der Inhalt „das Leben eines homosexuellen Künstlers mit all seinen Stilisierungen, Schwierigkeiten und Nöten zeigt, die sowohl das kritische als auch das emphatische Vermögen von Kindern überschreiten.“ Jene Sequenz, in der Capote sein Anderssein mit den Empfindungen eines pubertierenden Mädchens vergleicht und dadurch ein Gefühl der Empathie evoziert wird, scheint den selbsternannten Zensoren der FAS entgangen zu sein. Der Streit um die FSK, angefacht durch Drohworte etwa seitens der bayerischen Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) („Sollte es tatsächlich so sein, dass zu lax geprüft wird, tut sich die FSK selbst keinen Gefallen“), gipfelte im Auftritt der Bundesfamilienministerin Schröder (CDU). In ihren eigenen Wahlkreis Wiesbaden wiederkehrend, beeinflusste die von der FAZ gesteuerte Diskussion ihren Besuch bei der FSK. In der Folge schickte die FSK ihre Mitglieder vermehrt in Weiterbildungskurse, die das Thema „FSK 12 oder 16?“ erneut aufnahmen. Und wenn man auch nicht gleich homophobe Tendenzen innerhalb der FSK konstatieren möchte, so muss doch erwähnt werden, dass es mehr als bedenklich ist, dass im Sog einer solchen künstlichen, nicht künstlerischen, Moraldebatte Romeos wie ein Bauernopfer wirkt. Christina Schröder hat hier zumindest moralisch eine Verantwortung zu tragen und sich selbst zu fragen, wie sie, die promovierte Politikwissenschaftlerin, als Expertin für Film auftreten kann. Dass die FSK politisch unabhängig arbeiten soll und mit Schröders Besuch eine Demarkationslinie der Demokratie überschritten wurde, steht ungeklärt im Raum. Schröders Kampf an der Moralfront trieb indes auch in jüngster Zeit seltsame Blüten. (So löste sie unlängst eine Debatte um „bedenkliche“ Wörter in Skandalbüchern wie „Die kleine Hexe“, „Jim Knopf“ und „Pippi Langstrumpf“ aus.) Der Umgang mit Romeos zeigt indes eine spezielle Rezeptionsgeschichte für Filme in der BRD. Es ist eine Vorgehensweise der Aussparungen, der Retuschen und des scheinbar nicht Vorhandenen. Zu diesen Beispielen der „freiwilligen“ Selbstkontrolle (FSK) kommen die der staatlichen Kontrollinstanzen, wie die dem Familienministerium unterstellte Bundesprüfstelle jugendgefährdender Medien (BPjM). Denn alleinig die BPjM kann Medien indizieren und beschlagnahmen lassen. Besonders beklagenswert sind aber die durch eine Indizierung entstehenden Folgen auf dem sogenannten freien Markt. Im Handel tauchen immer wieder Produkte auf, die den vermeintlichen gesuchten Film enthalten. Raimis indizierter Film Tanz der Teufel etwa, ist in einer FSK-16-Version erhältlich und dabei um doch nennbare 14 Minuten zerstückelt. Eine Neuprüfung des Originals 2012 hatte eine Neuindizierung zur Folge, was den Film für nun insgesamt 50 Jahre auf den Index verbannen wird. Doch die Indizierung trifft nicht nur Horrorklassiker. Unter den indizierten Filmen findet sich z.B. auch Die 120 Tage von Sodom. Schon in der damaligen Debatte um Pasolinis Werk warf die FAZ der FSK Untätigkeit vor. Der seinerzeit 78-jährige Leiter der FSK, Ernst Krüger, der erst 1986 mit 88 Jahren seinen Posten aufgab, ließ sich im Zuge der Kontroverse zu der sehr bedenklichen Aussage bringen, dass diejenige Zensur oder Prüfeinrichtung am besten sei, „die und deren Einwirkung man nicht bemerkt.“ Doch seitdem ist die Machtauswirkung der Moralsadisten für Filmfreunde immer sichtbarer geworden. Die Vorsitzende der BPjM, Elke Monssen-Engberding, seit über 20 Jahren im Amt, konnte 2008

die neuen, gesetzlich vorgeschriebenen FSK-Kennungen auf DVDs zum Schutz von Jugendlichen erreichen. Die jahrelange Diskussion über eine Ampelregelung von Lebensmitteln ist in der Filmwelt längst Realität. Der so belehrte Bürger wird aber nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass es sich bei dem angebotenen Produkt oft nicht um das vermeintlich beworbene handelt. Eine Praxis, die sich auch im deutschen Fernsehen widerspiegelt und vor der nicht einmal mehr Sender wie Arte mit staatlichem Bildungsauftrag zurückweichen. Doch FSK-16-Filme sind gesetzlich erst ab 22.00 Uhr, FSK-18-Filme ab 00.00 Uhr erlaubt. Werden sie früher gesendet, handelt es sich um Neuschnitte der Sender. Somit ist die nachfolgende Sendung für Zuschauer unter 16 Jahren zwar nicht geeignet, es handelt sich aber eh um eine Kunstruine – ohne Abspann, mit Werbeblöcken und dem Einblenden von Bauchbinden und Seitenrandgeblinke. Ein Umgang mit Filmen, der in Deutschland dem Medium sukzessive seinen Kunstcharakter abspricht. Undenkbar wäre etwa das seitliche Abschneiden an einem Gemälde Picassos, weil es jugendgefährdend sein könnte. Aber Ausstellungen oder Bücher tragen ja auch kein FSKSiegel. Ähnliche „Aufklärungsabsichten“ sind sonst nur bei Zigaretten üblich. Anscheinend wird, so der zu ziehende Rückschluss, eine visuelle Gefährdung Jugendlicher, die von Videospielen und Filmen ausgeht, höher eingeschätzt, was sich auch in den Indizierungsanträgen und Indizierungen selbst widerspiegelt, die dadurch aber nicht an Richtigkeit gewinnt. Filme bilden mit doppelt so vielen Indizierungen gegenüber Tonträgern in den veröffentlichten Listen der BPjM die größte Gruppe. Zwar wurden in den letzten Jahren, rein statistisch betrachtet, weniger Filme als in den Jahren davor indiziert, alte Indizierungen aber bleiben bestehen. Eine Neuprüfung ist erst nach 25 Jahren möglich (Ausnahmen darf nur die BPjM selbst bestimmen). Sowohl Indizierung als auch ungekennzeichnete Neuschnitte müssen als Zensur verstanden werden. Nicht nur die Indizierung, sondern vielmehr eine generell schleichende Zensurpolitik sind das Bedenkliche der heutigen deutschen Kulturlandschaft. Die Demokratie zeichnet sich gegenüber Systemen wie dem Iran oder China eben durch Dissens aus, dessen Impulsgeber die Kunst sein kann. Kinder und Jugendliche sollten dabei sicherlich vor einigen Medien geschützt werden, sie sollten aber nicht in Volte dazu missbraucht werden, eine Kultur der Zensuren zu rechtfertigen. Ein unaufgeregter Umgang mit Kunst und ein Umdenken im Kunstverständnis wären aber nichts Revolutionäres, sondern nur die Erfüllung von Artikel 5, Absatz 1, des Grundgesetztes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ s

Was ist die FSK?

Zum Weiterlesen

Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, kurz FSK, hat ihren Sitz in Wiesbaden und wurde 1948 gegründet. Nach dem Vorbild des US-amerikanischen Production Codes sollte sie, politisch unabhängig, behördlichem Eingreifen und staatlicher Reglementierung vorbeugen. Als Prüfungsorgan der westlichen Besatzungsgebiete wurde zudem der Jugendschutz als Bestandteil der Prüfungsziele erklärt. Ab 1949 übernahm die FSK die Aufgabe der Filmprüfung in der BRD. Die Einteilung in die bis heute gültigen Alterskategorien 6, 12 und 18 Jahre erfolgte 1957 und wurde 1985 um die Kategorie ab 0 Jahre erweitert. Träger der FSK ist die Filmwirtschaft (SPIO). 250 ehrenamtliche Prüfer arbeiten in den FSK-Gremien, 46% davon sind Frauen, das Durchschnittsalter der Prüfer beträgt 50 Jahre. Jährlich werden in Wiesbaden ca. 400 Medien geprüft.

1. Roland Seim und Josef Spiegel (Hrsg.): Der kommentierte Bildband zu „Ab 18“. „Zensiert, Diskutiert, Unterschlagen. Zensur in der deutschen Kulturgeschichte“ 2. Julia Köhne, Ralph Kuschke und Arno Meteling (Hrsg.): „Splatter Movies. Essays zum modernen Horrorfilm“ 3. Johanne Noltenius: „Die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und das Zensurverbot des Grundgesetz“ 4. Roland Seim: „Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen. Eine medien- und rechtssoziologische Untersuchung zensorischer Einflussnahmen auf bundesdeutsche Populärkultur“ 5. Stephan Buchloh: „Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas“

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Laufen lassen von Ja n K ü n em u n d

„On The Road“ von Walter Salles, die für viele enttäuschende Verfilmung eines unverfilmbaren Buchs, ist nun auf DVD erschienen. Ein kleines Plädoyer für einen schönen Film.

On The Road – Unterwegs von Walter Salles BR/FR/UK/US 2012, 134 Minuten, deutsche SF, englische OmU Auf DVD bei Concorde Home Entertainment, www.concorde-home.de

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s Als ich kürzlich mal unterwegs (!) war, saßen zwei Jungs im beatfähigen Alter neben mir im Flugzeug, die offensichtlich eng befreundet waren, aber nicht miteinander sprachen. Beide lasen in ihrer eigenen Ausgabe von „On The Road“ und beide waren damit ungefähr gleich weit gekommen. Das Schöne an diesem Bild war weniger der Beweis für die Kontinuität alters-und geschlechtsspezifischer Lektüren (ich z.B. habe das nie gelesen), sondern eher das Bild einer Nebeneinanderher-Bewegung im gleichen Stoff. On-The-Road-dem-Film ist große Ungerechtigkeit widerfahren. Mir ist auch klar warum, obwohl ich keine empirischen Beweise habe: Männer, die zwischen 30 und 70 sind und in einen Film gehen, der ihre Pubertätsekstasen in Bilder fassen soll, haben, nicht nur, was das Kino angeht, etwas nicht verstanden. Auch die Idee, man müsse doch darstellen können, was die Kerouacs, Ginsburgs und Cassadys 1947 damals auf die Straße getrieben habe, scheint mir eher dem Bedürfnis von Englischlehrern zu entsprechen als dem von Kinogängern. Allerdings steht Verleger Jörg Sundermeiers in der Taz geäußerte Kritik am Film, dieser würde über die Dinge „reden, ohne sie zeigen zu können“, als Einforderung spezifisch visueller Qualitäten eines Films, schwer und unbewegt im Raum. Der Film ist aber nicht eine Erzählung über junge Männer (und eine junge Frau), die sich aus den Fesseln


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concorde filmverleih

einer engen und normierten, stillstehenden Gesellschaft herausbewegen, sondern ein Film über junge Männer, die aus dem Traum davon und aus der Beobachtung einiger Weniger, die das tatsächlich versuchen, Literatur machen. Frei nach Hubert Fichte: über das Leben, das nur dazu da ist, um eine Form der Darstellung zu erlangen. Und so wird auch dem Film von Walter Salles alles zum Stoff, was erst in seinem Medium etwas hergibt: jugendliche Babyfaces, aus denen tiefe (Hedlund) und heisere (Riley) Stimmen sprechen, rote Trucks vor staubigen Bergen, glitzernde Eidechsen in Bäumen, und immer wieder Asphalt, hektisch abgefilmt, als könne man auf ihm einfach nicht stillstehen. Sam Paradise, die Verwandlung von Kerouac in Literatur, wird deshalb von diesem Film etwas gemein behandelt, denn er war, soweit man weiß, schon etwas mehr als der Eckensteher und Abstauber, der seinem Freund Cassidy hinterstiefelte und das an Leben, Frauen, Wörtern und Ideen aufsammelte, was dieser für ihn übrig ließ. Mehr als der literarische Ausbeuter, der den wilden Outlaw für seinen Roman benutzte, ihn aber als Freund verriet. Doch Salles, seinem Drehbuchautor Jose Rivera und seinem grandiosen Kameramann Eric Gautier, ging es eben darum, in Sam Paradise das Kontruktionsprinzip ihres Films zu verankern: Nichts ist, bevor es nicht zur Kunst wird. Und deshalb wird die Welt von 1947 im Buch zur Kette

freier sprachlicher Assoziationen und die wiederum im Film zum Bilderfluss. Ein Film, dem alles zum Stoff geworden ist, nimmt Anhalter mit: einen Twilight-Star, der Proust liest, Sam aus Tron: Legacy, der Texte von Slim Gaillard rappt, und Aragorn, ohne Unterhose, im Orgon-Akkumulator. Unglaublich schöne Menschen, Gesichter, Körper. Landschaften, Autos. Die Straßenbilder zittern, die Tonspur knistert, Detailaufnahmen und große Gesten nehmen sich einen sinnlichen Entwurf vor, für den sich der Ausbruch lohnt, zumindest ins Kino. Die beiden Mitreisenden lasen beim Einstieg in Bilbao, beim Umsteigen in Frankfurt und noch in der U7 in Berlin-Neukölln im Kerouac-Buch. Wahrscheinlich fanden sie die Frauenfeindlichkeit und Homophobie des Textes (beides gibt der Film – als Material – sehr genau wieder) ziemlich altmodisch. Aber wie man sich aus den heutigen Fesseln löst, geschlechtsidentitätsspezifischen zum Beispiel, und daraus keinen akademischen Diskurs, sondern Kunst macht, sollen die nächsten Kerouacs schreiben. Oder die nächsten Eric Gautiers zeigen. Im wahren Leben hatte Kerouac noch nicht mal einen Führerschein, lese ich gerade. s 35


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Ein höllischer Spuk von F r itz G ö t t l e r

In seinen Filmen das zu zeigen, was man damals in Hollywoodfilmen eigentlich nicht zeigte, war immer eine Spezialität des Regisseurs Otto Preminger. In „Advise and Consent“ (dt. „Sturm über Washington“), seinem großen Senatsdrama aus dem Jahr 1962, gibt es zum Beispiel eine Szene, die in einer New Yorker Gay Bar spielt. Und damit macht sich Hollywood zum ersten Mal überhaupt ein Bild von der Schwulenszene. Nun ist er auf DVD herausgekommen, in einer Dreierbox, zusammen mit zwei Premingers der Fünfziger, „Saint Joan“ und „The Moon Is Blue“

s Wann werden wir in Washington sein, fragt der junge Mann, gegen Mitternacht, sagt der ältere auf dem Sitz neben ihm – Senator Brigham Anderson aus Utah und der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie haben sich zufällig getroffen, auf dem nächtlichen Flug von New York nach Washington. Eine Linienmaschine, es ist 1962, damals verkehrten auch hohe Politiker so. Otto Premingers Advise and Consent ist einer der großen Filme der Sechziger, ein elegisches Melodram aus dem amerikanischen Senat. Und: Ein Phantomfilm. Die ihn rühmen, beziehen sich dafür bevorzugt auf seine ‚films noirs‘ aus den Vierzigern, Laura, Whirlpool, Where the Sidewalk Ends, Angel Face, aber seine Filme aus den Fünfzigern und Sechzigern sind weit schwärzer als diese, The Man With the Golden Arm, Carmen Jones, Anatomy of a Murder. Advise and Consent hat einen Möchtergernpolitiker, der vor einem Senatsausschuss lügt zu seiner kommunistischen Vergangenheit, einen US-Präsidenten, der diesen Mann dennoch durch den Ausschuss gebracht sehen will. Und einen Senator, der eine schwule Vergangenheit hat und sich mit dem Rasiermesser die Kehle durchschneidet. Man hat Preminger immer wieder des Sensationalismus bezichtigt, François Truffaut hat gegen derartige Vorwürfe Premingers Risiko-Konzept erläutert – das dem der Rennfahrer von Le Mans gleiche: „Er bietet uns ein Schauspiel, dessen Geheimnis er bewahrt, ein Schauspiel, das nur ihn betrifft … Wenn er vor Skandalen nicht zurückschreckt, so nur, um seine Reinheit besser zu bewahren.“ Es wird Regen geben, sagt der Vizepräsident nach der Ankunft in Washington zu Brig, ich kann Sie nach Hause bringen. Der Senator lehnt dankend ab. Lew Ayres ist der Vizepräsident, Don Murray, der tumbe Cowboy aus Bus Stop, der junge Senator. Ob er ihm helfen könne, hat der Vizepräsident ihn gefragt, ob er sich aussprechen wolle. Er sieht, der Junge ist unter starkem Druck, er war in New York, um sich mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren. Nun hat er eine Entscheidung getroffen. Why are you going it alone, meint der Vizepräsident, that’s what I don’t understand. Washington, eine unheimliche, eine Phantomstadt. Ruhelose Menschen sind nachts unterwegs, intrigierend, drohend, erpressend. 36

In den Monumenten der Stadt sind die Phantome der Vergangenheit präsent, der Geschichte, der amerikanischen Tradition. Preminger hat an Originalschauplätzen gedreht, auf den Straßen der Stadt, in den Büros, das Capitol, das Washington Monument, das Sheraton. Die Ausstattung hat er aus Museen und von reichen Familien zusammengeborgt, Teppiche, Möbel, Artefakte. Gene Tierney wandelte durch die abendlichen Partys, als Gastgeberin, wie seinerzeit durch die drei films noirs, die sie mit Preminger machte. Der Präsident hat einen Kandidaten für das Amt des Außenministers benannt, Robert Leffingwell, gespielt von Henry Fonda. Der Senat soll diesem Kandidaten empfehlend zustimmen, advise and consent, und prüft ihn in einem Unterausschuss. Brigham Anderson ist der Vorsitzende des Ausschusses. Der alte Senior Senator von South Carolina, Charles Laughton, will den neuen Mann verhindern, Leffingwell spricht mit einer fremden Stimme – er vertritt den neuen Realismus in der Politik, gegen die Unbedingtheit der Prinzipien, will durchaus mit den Russen verhandeln. Der Kennedy-Sound, Amerikas Stimme für die Zeit nach dem Kalten Krieg. Ein Zeuge wird vorgeladen, er kennt Leffingwell von früher, spricht von Beziehungen zu einer kommunistischen Zelle, Leffingwell leugnet, er will einen Freund von damals, heute ebenfalls ein angesehener Politiker, nicht verraten. Er bittet den Präsidenten, seine Nominierung zurückzunehmen. Der Präsident weigert sich, er glaubt an Leffingwell, die Lüge nimmt er in Kauf. Die beste Politik, zeigt der Film, ist immer noch ein schmutziges Geschäft. Politik verlangt mehr als große menschliche Qualitäten, sagt Preminger, sie verlangt eine Kombination von Idealismus und Zynismus, und jene, die eine dieser Qualitäten besitzen ohne die andere, werden versagen. Idealismus und Zynismus vereint, so hat es auch Steven Spielberg dargestellt in seinem Film Lincoln, der den großen Präsidenten als Trickser zeigt. Und die Redeschlachten der Abgeordneten mit all ihren Fetzereien, Grobheiten, Beleidigungen, die Verletzungen. Was Preminger, anders als Spielberg, nicht braucht, ist das Pathos, die Inszenierung ist bei ihm ganz lakonisch und gelassen. Die


cine qua non

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Senatoren haben Sinn für elegante Ironie. Brig Anderson, der Ausschussvorsitzende, erfährt von Leffingwells Lüge, er will, dass die Nominierung zurückgenommen wird. We have to make the best of our mistakes, sagt der Präsident zu ihm, das muss Brig böse in den Ohren klingen. Plötzlich wird er erpresst, von einer radikalen Gruppe im Senat, die mit allen Mitteln Leffingwell durchsetzen will. In der Militärzeit, auf Hawaii, hatte Brig einen jungen Mann geliebt, Ray. Zurück in den USA hat er die Beziehung abgebrochen, hat geheiratet, ein Kind, die Politik, die Tradition. Er trägt den Vornamen eines der großen Mormonenführer. Ray meldet sich aus der Vergangenheit, droht, will Geld. Brig fliegt nach New York, will ihn aufsuchen. Der Club 602, die Schwulenbar. Für ein, zwei Minuten verändert sich der Rhythmus des Films, wird nervös, fiebrig. Eine geschlossene Gesellschaft, zwischen Aggressivität und Anpassung. Scharf konturiert, also an der Kippe zur Karikatur – aber hat es das nicht auch bei Todd Haynes gegeben, in Far From Heaven? Kein Hollywoodianer hätte sich die Gelegenheit entgehen lassen, ein wenig höllischen Spuk nach Brueghel oder Bosch zu malen. Brig schreckt zurück, von oben sieht er in den großen dunklen Raum, dicht aneinander die Männer. Zwei Scheinwerfer schieben sich durch den Saal, die Männer sind durchaus bürgerlich, Leinenjackets oder T-Shirts, mit nicht ungezwungener Lässigkeit. Die Haare ein wenig länger als gewöhnlich, die Hemdkrägen ein wenig weiter ausschwingend, die Schatten unter den Augen ein wenig dunkler, die Augen selbst ein wenig stumpfer. Hinter der Theke ein mephistophelischer Barkeeper, kommen Sie rein, ruft er, als er Brig sieht, bleiben Sie nicht stehen. Aus dem Plattenautomaten Frank Sinatra, Let me hear a voice, a secret voice. A loser’s song. Das Fremde, das Andere, Preminger zeigt es mit neugieriger Unbefangenheit. Das Allerletzte, was ihn interessiert, ist Normalität. Wie bei Shakespeare sind uns die Leute aus dem Volk, die Narren auch, lieber als die Höflinge und ihre Royals. Vor dem Intermezzo in der Bar hatte Brig eine verrückte Begegnung mit dem unförmigen Larry Tucker, der tuntig durch sein Apartment schlappt, wie eine

Puffmutter fast, dem verunsicherten Brig Tee einschenkt, sich ein paar Scheine auf den Tisch legen lässt, den Tip mit dem Club 602 gibt, Ray und du, ihr könnt ja dann herkommen, ihr habt ja bezahlt. Ein Jahr später wird der boshafte naive Larry Tucker Peter Breck heftig malträtieren in Sam Fullers Melodram aus einer anderen geschlossenen Gesellschaft, dem Irrenhaus: Shock Corridor. Was Brig zerstört, schrieb Mark Shivas, im Septemberheft von „Movie“ 1962, ist, dass er sich als Richter über einen anderen setzen muss und selbst einen dunklen Punkt in seiner Vergangenheit hat. Und dass er in sich, bei der Wiederbegegnung mit der anderen Welt, die alten Impulse wieder spürt. Ein anderes Leben, eine andere Freiheit. Zu groß für Brig, er wird, nach Washington zurückgekehrt, Selbstmord begehen. Brig stürzt aus dem Club auf die Straße, Ray läuft ihm nach, in weißem T-Shirt. Es ist wie ein ganzes verlorenes, verdrängtes Leben in ein paar kurzen Einstellungen, lass dir erklären, ich brauchte Geld, du hast nicht auf meine Anrufe reagiert. Taxi, ruft Brig, heftig winkend. Er steigt in das Taxi, Ray will ihn fassen, durchs Fenster greift Brig nach Rays Kopf, schiebt ihn weg, als der Wagen anfährt, und Ray fällt in die Pfütze im Rinnstein. Nach seinem Tod sieht man Brigs Frau den Abschiedsbrief an Ray lesen, den die Erpresser ihr zugeschickt haben. What happened between us in Hawaii could not have happened but for the war and the exhaustion and the loneliness. s

Sturm über Washington Als Teil der Kollektion „Otto Preminger – Meisterwerke“ deutsche SF, englische OmU Auf DVD bei Cine Qua Non, www.cinequanon.de

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edition Salzgeber

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My Girl Götz von Ol i v e r Se ch t i ng

Im Zuge der deutschen Komödienwelle kam Mitte der 1990er Jahre auch Hermine Huntgeburths „Das Trio“ in die deutschen Kinos, dessen Schwulenrollenbilder allerdings nichts mit den Klischees der vorab bewegten Männer zu tun haben. Ihr Besetzungs-Clou, ausgerechnet den „Lieblings-Macho der Deutschen“ (Berliner Zeitung) Götz George in den Fummel des schwulen Kleinganoven Zobel zu stecken, ohne diese Figur auch nur einem Hauch von Lächerlichkeit auszusetzen, ist erinnerungs- und wiedersehenswürdig. „Das Trio“ erscheint im März erneut auf DVD.

s Ein wunderschönes Beispiel für eine kurzfristige Flucht aus dem Alltag ist eine Szene in dem Wohnmobil. Nach dem Liebesspiel lässt sich Karl (Christian Redl), der in die Jahre gekommen ist und ein Toupet trägt, zunächst widerwillig auf Zobels (Götz George) Bitte darauf ein, sich in sein altes glamouröses Glitzerkleid zu zwängen. Kaum steckt er aber im blauen Paillettenfummel drin, fängt er an, hingebungsvoll und lasziv zu dem Schnulzen-Klassiker „My Girl“ zu performen, während Zobel entspannt auf dem Bett liegt und ihm genüsslich dabei zuschaut. Für ein paar Momente wirkt es so, als wären die beiden an einem anderen Ort, in einer anderen Welt, in der alles etwas leichter und unbeschwerter ist. Doch kaum ist der Song zu Ende, fällt Karl wieder ein, dass er eigentlich zu dick für sein Kleid geworden ist („Du bist nicht fett, du bist stark!“, Zobel), und schlägt seine Stirn kummervoll in tiefe müde Falten. Zobel und Karl sind wieder das alte schwule Paar im klapprigen Wohnmobil. Sie stehen, gemeinsam mit Zobels Tochter Lizzi (Jeanette Hain), im Zentrum des 38

Films, als Kleinkriminelle, die sich buchstäblich durch die Gegend tricksen und stehlen. In ihrem charmant heruntergekommenen Wohnmobil tourt das eingespielte Trio durch ein Verlierermilieu aus Schaustellern, Preisboxern und Gaunern, im Volksgedränge und unter einfachen Menschen immer auf der Suche nach der nächsten, wenigstens halb gefüllten Geldbörse. Zobel, von George auf seine unnachahmliche Art durch den Film genuschelt, wirkt auf den ersten Blick wie ein herrischer raubeiniger Kerl, aber auf den zweiten erkennt man einen brüchigen, verletzbaren Mann, dessen Charme immer wieder in seiner Liebe zu Karl deutlich, durch den gemeinsamen, tristen Alltag aber regelmäßig eingeholt wird. Als der junge Taschendieb Rudolf (Felix Eitner) plötzlich in das Leben der drei stolpert, erweckt dieser nicht nur das Interesse von Lizzi, sondern auch das ihres Vaters. Der unerwartete Tod von Karl stößt den verzweifelten Zobel in die Arme von Rudolf, der sich parallel in eine Affäre mit Lizzi begibt. Als das heimliche Doppelspiel des schnell über-

forderten Rudolf auffliegt, kommt es zum Eklat zwischen Vater und Tochter und die eingespielt kumpelhafte Beziehung droht zu entzweien. Klassische Themen also: Schuld und Eifersucht, Liebe und Verlust. Götz George wurde einem breiten Publikum durch seine TV-Rolle als grober, großmäuliger Tatort-Kommissar Schimanski bekannt und avancierte durch diese Rollenprägung zum deutschen Parade-Darsteller für Machos und zu einer heterosexuellen Männer-Ikone einer ganzen Generation. In Hermine Huntgeburths Film bricht er, wie schon zuvor in Romuald Karmakers Der Totmacher (1995), mit dem George als erstzunehmender Charakterschauspieler wiederentdeckt wurde, mit diesem Bild und zeichnet mit seiner einfühlsamen Darstellung einen markanten und brüchigen schwulen Mann. George spielt Zobels Widersprüche aus: die cholerischen und verletzenden Ausfälle, die immer dann kommen, wenn ihm Situationen entgleiten, die dahinter aber einen Liebenden sichtbar machen, der versucht, seinen engen Kreis mit undiplomatischen Mitteln zusammenzuhalten und zu schützen. Es ist dann auch die Liebe, die ihn immer wieder dazu zwingt, in letzter Konsequenz nicht an seinen Vorstellungen festzuhalten. Gespiegelt wird Zobels Ambivalenz innerhalb des bemerkenswerten Spektrums des Films durch Jeannette Hains tomboyhafte Lizzi und Felix Eitners in seinem Begehren undurchschaubaren Rudolf – beide Charaktere lassen sich schwer in Schubladen stecken und wollen zudem gar nicht in das Bild eines Milieus passen, das von klaren Geschlechterstereotypen beherrscht scheint. Im zeitlichen Kontext der späten 90er Jahre überrascht der Film vor allem dadurch, dass er nicht an dem starren Bild von Homo- und Heterosexualität festhält, sondern einen vielfältigeren Ansatz vermittelt, der am Ende in einer besonderen Familienzusammenführung gipfelt. Der Film war rückblickend mit seiner queeren Themenbesetzung seiner Zeit voraus und passt mit der DVD-Veröffentlichung umso mehr in den heutigen Zeitgeist: als queeres Familienroadmovie, das abseits der Szene unterwegs ist, und als Film über Menschen am Rand der Gesellschaft, der für ein großes Publikum gemacht ist. s

Das Trio von Hermine Huntgeburth DE 1997, 97 Minuten, deutsche OF Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de


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Der Moment Schriftsteller sehen Filme: Martin Arz

Kaum einer kennt die Geheimnisse, Abgründe und Irrwege der Stadt München so gut wie der Künstler, Autor und Verleger Martin Arz. Seine vor Lokalkolorit berstenden Kriminalromane, vor allem die bislang vier Fälle um den schwulen Kriminalrat Max Pfeffer, profitieren davon genauso wie seine „Reiseführer für Münchner“ und sein Sammelsurium „Absolut München“. Naheliegend, dass Arz auch als Reiseführer arbeitet und „MünchenSafaris“ anbietet. Für die SISSY verlässt er die Wahlheimat und begibt sich auf einen Ausflug ins selbstironische, aber nicht weniger mörderische Hollywood.

s Es ist der Auftritt aller Auftritte: Die größte Diva aller Zeiten steht geschminkt und in großer Robe oben an der Treppe. Es soll ihr fulminantes Comeback werden. Die Kamera läuft, alle Nebenpersonen sind ehrfurchtsvoll erstarrt. Es gibt nur noch sie! „Ich bin soweit für die Großaufnahme“, sagt sie. Jeder Schritt die Treppe hinab eine große Pose. Doch das, worauf der Zuschauer gemeinsam mit der Diva Norma Desmond den ganzen Film über hingefiebert hat, findet nicht statt. Die Kamera fängt keine Großaufnahme von Normas grotesk verzerrtem Gesicht ein – das Bild löst sich allmählich auf. Regisseur Billy Wilder setzt mit diesem Schluss seinem Film Sunset Boulevard ein 40

würdiges Ende. Denn der ganze Film ist ein Film im Film und das Ende erinnert daran, dass es eben nur ein Zelluloidstreifen ist, der durch den Projektor läuft. Und der große Auftritt ist gar keiner: Der Regisseur, der „Action“ ruft, ist nur ihr Butler. Die Kamera macht Wochenschauaufnahmen. Die Nebenfiguren sind nicht ehrfurchtsvoll, sondern peinlich berührt erstarrte Reporter und Polizisten – denn die wahnsinnumnebelte Diva schreitet ihrer Verhaftung entgegen. Wilders Sunset Boulevard aus dem Jahr 1950 war ebenso Erfolg wie Skandal. Vor allem die mächtigen Filmbosse tobten über Wilder, diesen Nestbeschmutzer. Nie zuvor hatte jemand es gewagt, mit Hollywood filmisch so böse abzurechnen, nie zuvor wurde der Markt der schönen Lügen so demaskiert. Der Film ist gespickt mit Zitaten, große Stars spielen sich selbst, Szenen aus Stummfilmklassikern werden in die Handlung eingebaut. Und dann beginnt diese Ohrfeige auch noch mit einem Toten im Pool, der aus dem Jenseits seine Geschichte erzählt. Hyperskandal! So darf man doch einen Film nicht beginnen. Doch, man darf. Die Geschichte ist relativ einfach: Der Tote im Pool ist Joe. Warum er tot ist, wird in der Rückblende erzählt. Der junge, erfolglose Schriftsteller Joe landet auf der Flucht vor Gläubigern in der Villa des einstigen Stummfilmstars Norma Desmond (gespielt vom einstigen Stummfilmstar Gloria Swanson). Norma lebt in dem Wahn, weiterhin umjubelt zu sein. Ihr Faktotum, der einst große Stummfilmregisseur Max von Meyerling (gespielt vom einst großen Stummfilmregisseur Erich von Stroheim) schreibt dazu extra fingierte Fanpost. Norma schaut ständig ihre alten Filme (zu sehen ist die junge Swanson in Queen Kelly unter der Regie Erich von Stroheims). In ihrer BridgeRunde treffen sich Stummfilmstars, die den Sprung zum Tonfilm nicht geschafft haben – darunter Buster Keaton. Norma macht Joe

mit Geld und Geschenken zu ihrem Toy-Boy und verlangt von ihm, neben Sex, ihr ein Drehbuch für ein grandioses Comeback zu schreiben. Joe lässt sich kaufen, obwohl er ein anderes Mädel liebt. Letztendlich aber kann Joe Normas Wahn nicht mehr ertragen, entschließt sich, Schluss zu machen und besiegelt so sein Schicksal. Norma lebt nur noch in ihrer Scheinwelt. „Einen Star verlässt man niemals“, sagt sie, „das ist es, was einen zum Star macht!“ Und sie erschießt Joe. Zeit für den ganz großen Auftritt – Hauptsache, das Make-up sitzt … Inzwischen tausendfach kopiert, besonders gerne in der Travestie. Ursprünglich sollte Sunset Boulevard eine Burleske mit Mae West in der Hauptrolle werden. Doch weil das Skript immer ernster wurde, suchte man nach einer anderen Ex-Diva, Mary Pickford und Pola Negri sagten ab. Schließlich unterschrieb Gloria Swanson. Immer wieder hieß es, sie würde sich selbst spielen, was Unfug ist. Die Swanson war auch nach Ende des Stummfilms gut im Geschäft, arbeitete fürs Fernsehen, als ihr die Norma Desmond angeboten wurde. Der Film wurde ihr Leinwandcomeback; und für den damals unbekannten, aber verteufelt gut aussehenden William Holden alias Joe der Start einer großen Karriere. Die Rolle des Joe sollte ursprünglich Montgomery Clift spielen, damals ein Megastar. Doch der sprang ab, weil er seinen Fans nicht zumuten wollte, eine Affäre mit einer mehr als doppelt so alten Frau vorzuspielen. s www.martin-arz.de www.muenchen-safari.de

Sunset Boulevard von Billy Wilder US 1950, 110 Minuten, deutsche SF + OmU Auf DVD bei Paramount Home, www.paramount.de

Das geschenkte Mädchen von Martin Arz Roman, 256 Seiten, Hirschkäfer 2011

Pechwinkel von Martin Arz Roman, 224 Seiten, Hirschkäfer 2011, www.hirschkaefer-verlag.de

Reine Nervensache von Martin Arz Roman, 295 Seiten, Hirschkäfer 2010


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Neu auf DVD von Se ba st i a n M a r k t (SM), Ja n K ü n em u n d (J K) u n d Pau l Sch u lz (PS)

STURM ÜBER WASHINGTON US 1962, Regie: Otto Preminger, DVD-Box „Otto Preminger Meisterwerke“ bei Cine Qua Non

„Brig schreckt zurück, von oben sieht er in den großen dunklen Raum, dicht aneinander die Männer. Zwei Scheinwerfer schieben sich durch den Saal, die Männer sind durchaus bürgerlich, Leinenjackets oder T-Shirts, mit nicht ungezwungener Lässigkeit. Die Haare ein wenig länger als gewöhnlich, die Hemdkrägen ein wenig weiter ausschwingend, die Schatten unter den Augen ein wenig dunkler, die Augen selbst ein wenig stumpfer. Hinter der Theke ein mephistophelischer Barkeeper, kommen Sie rein, ruft er, als er Brig sieht, bleiben Sie nicht stehen.“ (Seite 34)

Ulrike Ottinger – Die Nomadin vom See DE 2012, Regie: Brigitte Kramer, Edition Salzgeber

Ulrike Ottingers im Laufe von bislang drei Jahrzehnten entstandene Filme bilden einen großen Solitär in der Landschaft des deutschen Kinos. Brigitte Kramer, so wie die Regisseurin in Konstanz aufgewachsen und zeitweilige Mitarbeiterin, hat ein Portrait über die Filmemacherin gestaltet, das sich nicht in Kanonisierung versucht, sondern einige Tangenten an Werk und Person legt: Beobachtungen und Gespräche mit der Künstlerin, Erinnerungen von Freund_innen, Mitarbeiter_innen und Wegbegleiter_innen und nicht zuletzt vielsagend ausgewählte Szenen ihrer Filme. Kramer versucht dabei weder das Werk aus der Person zu erklären, noch umgekehrt die Person im Werk aufzulösen. Ein verregnetes Geburtstagsessen mit Freunden im Freien; Ottinger beim Auspacken und Deuten von Geschenken, die sie von japanischen Protagonist_innen aus Unter Schnee erhalten hat; Ottinger beim Arrangement ihrer großen Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt: Die schönsten und eindringlichsten Bilder, die das Portrait selbst entwirft, vermitteln eine spezifische Haltung, oder vielleicht einen Ethos im Umgang mit Menschen, Dingen und Bildern, der auch in

Ottingers künstlerischem Werk greifbar wird. Eine Haltung, die sich nicht allein damit begnügt, die Welt in ihrem Gegebensein zu verzeichnen, sondern sich zum gestaltenden Dokumentieren einer Fantasie erweitert. Dass der Film die Fantasien von vielen Leuten, die etwas Anderes wollten, beflügelt habe, sagt sie einmal über den Erfolg ihres dritten Kinofilms Madame X – Eine absolute Herrscherin. Dieses Andere zu kartographieren und zu situieren, hätte ein Anliegen dieses Dokumentarfilms sein können. Dass er es nicht abschließend tut, und er deshalb auf die Kenntnis von Ottingers Arbeiten setzt, ist gleichzeitig seine große Stärke, als Einladung zum Eintauchen in einen Kosmos, der die Sehgewohnheiten aller, die sich darauf einlassen, nicht unverändert lassen wird. sm

Man for a day DE 2012, Regie: Katarina Peters, Edition Salzgeber

„Was klingt wie Selbsterfahrung mit esoterischem gegenseitigen Oberarmstreicheln, ist – aufgrund des Themas – eher das Gegenteil: Bei einem ‚Drag King‘-Workshop von Diane Torr geht es um Gender-Bewusstwerden durch handfestes Erleben. ‚Gender is gestures‘, sagt die US-amerikanische Performancekünstlerin, die 1948 geboren wurde, in den 70ern nach New York ging und seit 1989 Gender-Bender-Workshops anbietet. Die Filmemacherin Katarina Peters hat einen der einwöchigen Workshops in Berlin begleitet, hat die Kamera auf sämtliche Teilnehmerinnen des Experiments gerichtet und ihre unterschiedlichen Agenden gefilmt. (…) Dass Peters die Denkanregungen, die Torr mit ihren Workshops gibt, in Szene setzt, ohne albern, plakativ oder flach zu werden – denn die angesprochenen, überspitzten Verhaltensweisen müssen all das manchmal sein – ist das Verdienst ihres Dokumentarfilms. Zudem kommt sie ohne zuviel Psychologisierungen aus, ohne so augenzwinkernde wie ärgerliche Frauen-Venus-, Männer-Mars-Schubladen. In Torrs Fall kann das Aufzeigen von Unterschieden zwischen männ­ lichen und weiblichen Verhaltensweisen zu besserem Verständnis führen. Sogar, wenn der Kerl, der da gerade vor einem wichtigtuerisch auf den Zehenspitzen wippt, ein totales Arschloch ist.“ (Jenni Zylka in SISSY 14)

MEINE FREIHEIT, DEINE FREIHEIT DE 2011, Regie: Diana Näcke, Edition Salzgeber

Vier Jahre lang hat Diana Näcke den schwierigen Weg zweier gefangener Frauen in die Freiheit mit der Kamera verfolgt. Immer wieder war sie alleine in der „JVA für Frauen“ in Berlin Lichtenberg und hat für Meine Freiheit, deine Freiheit so intime Bilder aus einem Frauenknast gedreht wie kaum jemand zuvor. Zwangsläufig ist ihr Film auch ein philosophischer Exkurs zum Thema Freiheit an sich geworden. „Ich hatte keine Ahnung von Ton und keine Ahnung von Kamera, geschweige denn von Szenen-Auflösung. Ich musste einfach drehen. Und ich wusste, dass viel passieren wird. Kübra hat mich manchmal nachts angerufen und gesagt: ‚Jetzt!‘ Und dann musste ich eben los, egal wann und egal wie. Da kannst Du nicht noch einen Tonmann oder eine Kamerafrau anrufen. Und es gab eben kein Geld. Und wenn man realistisch ist, wer gibt einem Debüt-Filmemacher ohne Filmschulhintergrund Geld? Alle Entscheidungen waren aus heutiger Sicht richtig. Das gedrehte Material hat dann überzeugt, vor allem die Kraft der beiden Protagonistinnen und wahrscheinlich auch meine Dokwütigkeit!“ (Diana Näcke in SISSY 14)

LIFE IN STILLS IL/DE 2011, Regie: Tamar Tal, good!movies

In den Jahrzehnten nach seiner Einwanderung 1936 schuf der Fotograf Rudi Weissenstein ein Werk, das zu den umfangreichsten bildlichen Dokumentationen der Geschichte des israelischen Staates zählt. Ikonischen Status halten seine Fotografien der Unabhängigkeitserklärung, aber die Blicke, die Weissenstein auf eine sich entwickelnde Gesellschaft warf, erstreckten sich ebenso auf alltägliche Szenen, Portraits, das sich ständig wandelnde Gesicht von Stadt und Land im Aufbau. Den archivalische Niederschlag dieser Arbeit beherbergt das Pri-Or Photohouse in Tel Aviv, das Weissensteins Frau Miriam seit seinem Tod allein weiterführt. In den letzten Jah41


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ren erhielt sie dabei Unterstützung von ihrem Enkel Ben Peter. Tamar Tals Film, der in erster Linie ein Portrait der Beziehung dieser beiden Menschen ist, setzt ein, als der Fotoladen vom drohenden Abriss des Hauses gefährdet ist. Der generationelle Abstand zweier konträrer Temperamente, des sanften, offene Enkels und der schroffen, wenn auch nicht unherzlichen Großmutter, macht sich dabei auch in unterschiedlichen Ideen über die beste Pflege des fotografischen Erbes bemerkbar, während Miriam widerwillig damit ringt, sich mit den Realitäten ihres Alters – sie ist in ihren Neunzigern – auseinanderzusetzen und Ben Peter, der dabei ist, mit seinem Lebensgefährten Ofir zusammenzuziehen, sich bemüht, neben der Arbeit im Laden und der Pflege seiner Oma noch Raum für sich zu bewahren. Über all das wirft zu alledem immer wieder eine private Tragödie ihre Schatten: Miriam Weissensteins Tochter, Ben-Peters Mutter, wurde von nach 30 Jahren Ehe von ihrem Mann ermordet, der sich danach selbst das Leben nahm. Tal montiert diese Ebenen und die dazugehörigen Bilderwelten: die dokumentarischen Beobachtung der Gegenwart von Miriam und Ben Peter, alte Super-8-Familienfilme und Weissensteins Archiv der Landesgeschichte in sachter Kollision zu einem zärtlichen Portrait einer innigen Amour fou in stürmischen Gewässern und einer von reichlich sarkastischem Humor empor gehaltenen Lebensfreude. sm

Vito US 2012, Regie: Jeffrey Schwarz, Pro-Fun Media

Mit Vito setzt Regisseur Jeffrey Schwarz seine Dokumentations-Reihe über außergewöhnliche Protagonisten der queeren Geschichte fort. Und liefert ein Standardwerk ab. Nichts an der Montage von O-Tönen, Zeitzeugeninterviews und eigenen Beobachtungen ist neu oder originell, dafür wird für nicht-heterosexuelle Filmfans kaum ein Leben so spannend sein wie das von Vito Russo. Schließlich ist der Autor von The Celluloid Closet der Vater der queeren Filmwissenschaften und hat Homos beigebracht, sich selbst in Filmen auch unter dicken Schichten von Heteronormativität wiederzufinden. Zwanzig Jahre lang, bis in seinem letzten Lebensjahrzehnt der Kampf gegen Aids wichtiger wurde, schon, weil er sich vielleicht selbst das Leben retten wollte. Was man hier lernen kann: Fröhlichkeit an politischer Arbeit, dass ein intellektueller Geist ohne eine Utopie vielleicht nichts weiter ist als eine große Vergeudung, dass der Stolz auf die eigene Person und das eigene Tun als Vorbild für andere vielleicht fast so wichtig sind wie das Tun selbst. Das haben viele, viele andere Queerlinge von 42

Vito Russo gelernt und Schwarz bietet hier Gelegenheit, diesen Gedanken wieder zu entdecken. Man sollte das tun. ps

Yossi IL 2012, Regie: Eytan Fox, Pro-Fun Media

Zehn Jahre nach der sensationell erfolgreichen Soldatenromanze Yossi & Jagger erzählt Regisseur Eytan Fox mit seinem Darsteller Ohad Knoller Yossis Geschichte weiter – als Einsamkeits- und Verpanzerungsstudie. „Etwas hängt ihm an. Eine unerledigte Liebe, auch nach dem Tod des Geliebten noch. Das plakative sexy Grün des Soldatenoveralls ist nur fadenscheinig ersetzt worden durch den grünen Ärztekittel und das bis obenhin zugeknöpfte grüne Ausgeh-Hemd. Für das OnlineDate hängt er ein Foto von früher an, nicht, um zu täuschen, sondern weil er sich nur als Yossi von damals erträgt. Schließlich lüftet Fox das Geheimnis in einem Aktivitätsschub Yossis: Er besucht die zufällig als Patientin in sein Leben getretene Mutter von Jagger – zu Hause, das auch mal Jaggers Zuhause war, noch gibt es ein unangetastetes Jugendzimmer, mit Gitarre, Lavalampe, einem Modellpanzer und ganz vielen Musik-CDs. Dort, vor den Eltern, outet sich Yossi und outet Yossi den Sohn der beiden Ahnungslosen, die vor ihm sitzen und ihm Kekse anbieten. ‚Er wollte, dass Sie das wissen.‘ Aber eigentlich muss er aussprechen, was ihn lähmt, seit zehn Jahren: dass er damals erst gar nicht, dann zu spät ‚Ich liebe dich‘ sagte und nicht weiß, ob der sterbende Freund es noch gehört hat. Das ist nicht das Problem der Eltern – es ist das Problem des Gefühlsamputierten und Herzkranken, und es war schon vorher da, bevor er Jagger kennen lernte und wieder verlor. 45 Minuten staut der Film bis hierher Yossis Selbsthass auf. Und entlädt es in einem Bild von Palmen, Meer und Wüste – einem Poster in Jaggers Jugendzimmer, das der Vater ihm öffnet.“ (JK in SISSY 16)

Skinny US 2012, Regie: Patrick-Ian Polk, Pro-Fun Media

Skinny ist eine interessante afro-amerikanische Variation eines altbekannten schwulen Themas: Sex and the City. Eine Gruppe von Freunden versucht, während eines Wochenendes in New York so viel Freude und Geschlechtskontakte wie irgend möglich zu haben und unterhält sich dabei, in auf Windschnittigkeit getrimmten, hochgradig

ironischen Dialogen, über nichts als Liebe, Sex und Oberflächlichkeiten. Wer nur auf der Suche nach Wahrhaftigkeit und einem Sinn im Leben ist, der sich auf etwas anderes als Konsum jeder Art reduziert, kann sich das hier sparen. Alle anderen machen sich vielleicht einfach eine Flasche Prosecco auf und kichern fröhlich mit, während auf dem Flachbildschirm mehr oder weniger nackte Jungs durch allerlei Absurditäten purzeln und dabei keine andere Botschaft haben als ihre eigene Schönheit und die Freude daran. Regisseur und Drehbuchautor Patrick-Ian Polk stellt hier filmisch nichts Neues auf die Beine und schreckt nicht mal davor zurück, seinen Film mit Wilson Cruz und Darryl Stephens zu garnieren, hat daran aber, genau wie das willige Publikum, einen Heidenspaß. ps

GAYBY US 2012, Regie: Jonathan Lisecki, Pro-Fun Media

Die Konjunktur der Romantic Comedy währt ungebrochen und eine Tendenz dazu, auch und gerade im Herzen der Industrie an den Parametern der Genrekonventionen zu schrauben, ist seit einiger Zeit unübersehbar und bescherte uns Konstellationen wie die von gescheitert bleibenden Paaren zu Bromances zu unerlöst bleibenden Problemheldinnen, die gegen eine ganze Batterie von Regeln dessen verstoßen, was einem Mainstream-Publikum an weiblicher Hauptfigur angeblich zumutbar ist. Jonathan Liseckis Langfilmdebut Gayby lotet nun die Genregrenzen in queerer Hinsicht aus, mit Figuren, die eindeutig einem Independent-Kosmos entstiegen sind, wobei das GenreTerritorium andererseits nie aufgegeben wird. Das Setup bilden als dann Jenn, Yoga Lehrerin im Lebensabschnitts-Niemandsland, und ihr bester, schwuler Freund seit Collegetagen: Matt, der von Jenn in eine Kinderaufzuchtszweckgemeinschaft rekrutiert wird. Das solchermaßen anvisierte Gayby, dessen Zeugung zudem noch au naturelle vonstatten gehen soll, droht dann freilich mit den durchaus vorhanden zentrifugalen romantischen und sexuellen Aspirationen der beiden Hauptfiguren zu kollidieren. Sein beträchtliches komödiantisches Potential bezieht der Film dabei daraus, ein Figuren­ensemble gegen eine dramaturgische Kon­stellationen in Stellung zu bringen, wobei die Naturelle dieser Figuren mit den Konventionen einer Dramturgie unvereinbar sind, die Held_innen stets dazu anhält, einen Prozess der persönlichen Reifung zu durchlaufen. Regisseur Lisecki gibt in einem Nebenrollenauftritt Matts Arbeitskollegen und Buddy Nelson. Dieser ‚feminine bear‘ mit Inseminations­ expertise ist komödiantischer Kulminations-


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punkt wie Bruchstelle eines Kinos, dessen Motto „Own Your Cliches“ sein könnte. Dennoch, und gerade deswegen: The Kid will be allright. sm

NATE & MARGARET US 2012, Regie: Nathan Adloff, Edition Salzgeber

Die Witze, die Margaret erzählt, sind Witze, die einen Schmerz verdecken oder, genauer, solche, die, indem sie erzählt werden, den Erzähler besser damit leben lassen. Von Margarets Geschichte erfahren wir nur in Ahnungen, von ihrer Gegenwart erfahren wir mehr: In einem Apartmenthaus in Chicago lebt sie Tür an Tür mit Nate. Es ist eine unwahrscheinliche Freundschaft, die die beiden verbindet: die sarkastische Margret, Anfang fünfzig und Bedienung in einem Coffee-Shop, und der schüchterne Nate, neunzehn, schwul und angehender Filmemacher. Aus der weltvergessenen Selbstgenügsamkeit wird ihre Freundschaft gerissen, als Nate eine Beziehung mit dem extrovertierten James beginnt, und Margarets Wünsche nach einer Karriere als Stand-UpKomikerin in Erfüllung zu gehen scheinen. Adloff inszeniert darin eine toll gespielte (Roseanne-Regular Natalie West und Newcomer Tyler Ross), an der eigenen Achse gespiegelte Coming-Of-Age-Geschichte. Margaret, einsam, aber nach außen gewandt, im Versuch, einem nicht eben glücklich verlaufenen Leben späten Sinn und Würde zu verleihen, Nate, Everybody’s Darling, aber zurückhaltend, im Versuch herauszufinden, was er vom Leben erwarten darf. Zwei Figuren, deren Verbundensein in dem Maß, in dem sie dabei sind, sich selbst zu entwerfen, einer neuen

Begründung bedarf. Das Außen, gezielt auf weniger-dimensionale Nebenfiguren reduziert, gibt dafür die Begrenzung einer Welt, die auf Rechtfertigung drängt. Der Witz von Nate & Margaret, dessen Anklänge an Harold and Maude deutlich sind, von dem er sich aber auch emanzipiert, erschöpft sich nicht in der Dopplung von Margarets (auto-)aggressiven Stand-Up-Scherzen, sondern findet zu seinem eigenen, zwischen Lakonie und Drama changierenden Witz. Ein kleiner Film, der es nicht nötig hat, Ahnungen größerer Ambitionen zu insinuieren, weil er den Raum, den er sich schafft, ganz ausfüllt. sm

Liebesrauschen FR/CH 2012, Regie: Cyrill Legan, Pascal Latil, Adrienne Bovet u.a., Pro-Fun Media

Sur le Départ heißt der wichtigste Grund, sich diese Sammlung guter französischer Kurzfilme anzuschaffen. Michael Dacheux’ mehrfach ausgezeichnetes Debüt erzählt in etwas weniger als einer Stunde eine Geschichte über Provinz und Paris, erste Liebe und den nächsten Schritt, Homos und Heteros. Seine Protagonisten haben keine Namen, sondern werden nur über die Instrumente beschrieben, die sie spielen: Klavier und Klarinette. Und während es das Klavier nach Paris zieht, wo „die Dämmerung ein Tor zu tausend Möglichkeiten“ ist, bleibt die Klarinette dort, wo die beiden aufgewachsen sind. Über Jahre lernen die beiden, was sie trennt, aber auch verbindet, und wo wer welche Melodie spielen muss, um er selbst zu werden oder zu bleiben. Ein hinreißendes Gefühlskaleidoskop, das von zwei jugendlichen Darstellern mehr als ad-

äquat umgesetzt wird. Sacht und leise, sehr intensiv, aber nie kitschig. Ergänzt durch drei weitere kleine Filme, in denen es genauso liebesversessen zugeht, die ihren Schwerpunkt aber fleischlicher anlegen, ist Liebesrauschen der perfekte Ersatz für einen Kurztrip ins Französische. Sehr gut. ps

ON THE ROAD US/BR/FR/UK 2012, Regie: Walter Salles, Concorde Video

„Ein Film, dem alles zum Stoff geworden ist, nimmt Anhalter mit: einen Twilight-Star, der Proust liest, Sam aus Tron: Legacy, der Texte von Slim Gaillard rappt, und Aragorn, ohne Unterhose, im Orgon-Akkumulator. Unglaublich schöne Menschen, Gesichter, Körper. Landschaften, Autos. Die Straßenbilder zittern, die Tonspur knistert, Detailaufnahmen und große Gesten nehmen sich einen sinnlichen Entwurf vor, für den sich der Ausbruch lohnt, zumindest ins Kino.“ (Seite 37)

ELLIOT LIEBT DICH US 2012, Regie: Terracino, Pro-Fun Media

Elliot liebt dich ist deswegen eine so unbändige Freude von einem Film, weil Regisseur und Drehbuchautor Terracino seine Indie-Fabel über die Suche nach der großen Liebe, bei der einem die eigene Kindheit immer im Weg steht, mit großartigen Schauspielern besetzt hat und die sich die Seele aus dem Leib spielen. Nicht dumm, erotisch, witzig, sehr an-

A PERFECT ENDING · LIPSTIKKA · ZWEI MÜTTER · JENSEITS DER MAUERN · I WANT YOUR LOVE · FREIER FALL WIR SEHEN UNS IM KINO: AACHEN, AUGSBURG, BERLIN, BREMEN, DARMSTADT, DRESDEN, FRANKFURT, FREIBURG, HALLE, HAMBURG, HANAU, HANNOVER, KARLSRUHE, KIEL, MAGDEBURG, MANNHEIM, MARBURG, MÜNCHEN, MÜNSTER, NÜRNBERG, OLDENBURG, POTSDAM, REGENSBURG, STUTTGART

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rührend, mit einer Almodóvar-Mutter (Elena Goode) vom Allerfeinstem als geliebtem Hassobjekt – es ist kein Wunder, dass sich das Publikum auf Festivals rund um den Globus auf den Film als Favoriten einigen konnte. Und auch filmisch wird hier von Animationen über Flashbacks und eine hochintelligente Montage alles geboten, das Spaß macht, ohne einen Film zu überfrachten. Wie Terracino es schafft, die Perspektiven seines 21-jährigen Clubkids in New York mit der des verträumten neunjährigen Mamasöhnchens zu verschränken, das der einmal war, sollte man sich unbedingt ansehen und vielleicht auch anderen zeigen. ps

LOST IN PARADISE VN 2011, Regie: Vu Ngoc Dang, Pro-Fun Media

In seinem Bemühen, schwule Männer als sympathische Protagonisten darzustellen, ertränkt Vu Ngoc Dang sein JungerMann-kommt-nach-HoChi-Min-Stadt-und-erlebt-jedes-vorstellbareschwule-Klischee-in-unter-anderthalb-Stunden-Werk fast in Kitsch. Aber nur fast. Lost in Paradise will alles gleichzeitig sein: Stricherballade, Komödie, Erotikstreifen, Aufklärungsfilm für Heterosexuelle, Kulturstudie, weiß dabei nicht, in welche Richtung er zuerst kippen soll und bleibt deswegen einfach aufrecht stehen. Er ist der erste Film seiner Art aus Vietnam und bekommt einen dicken Goodwill-Bonus. Und wenn man ihn als Studie darüber guckt, wo Filmemacher in anderen Ländern inzwischen beim Thema Homofilm gelandet sind, kann man hiermit amüsante 103 Minuten haben. ps

El sexo de los ángeles – The Sex of Angels ES 2012, Regie: Xavier Villaverde, Pro-Fun Media

A (Bruno, Student, zielorientiert) liebt B (Carla, Studentin aus gut situiertem Haus und Fotografin für ein selbstverwaltetes UniMagazin), und die beiden leben etwas, das man im Kontext ihres studentisch-bohemistischen Milieus wohl eine erwachsene Beziehung nennen könnte. Auftritt C (Rai, Street-Breakdancer, aus marginalisiertem Milieu, Freigeist). A verfällt C nach Zufallsbekanntschaft, sehr zum Leidwesen von B, die sich wiederum nach anfänglichem Schock aus Trotz Cs Reizen aussetzt, wobei auch aus diesem Spiel schnell Ernst wird. Rai, der proletarische Breakdancer und KarateLehrer, ist in dieser nicht ganz neuen Menage à trois ganz Körper, der mit der Kraft der Sehn44

süchte, die er weckt, die domestizierte Beziehung des studentischen Paares aus den Fugen geraten lässt. Versuche, das im neuen Verlangen verlorene Gleichgewicht in allerlei Reglementierungen wieder herzustellen, scheitern und zünden die Idee, ob nicht die neue Unordnung der Geschlechter in Richtung eines größeren gemeinsamen Glücks zu sortieren wäre. Villaverdes kräftig-bunte Bilderwelt scheint aus einigen Erasmus-Arthouse-Hits der letzten Jahre vertraut, gerade dort, wo er aber in ein unbestimmtes Offene hinaustreten will, muss der Film sich allzuoft mit den Selbsterklärungen seiner Charaktere bescheiden, als dass es ihm gelänge, dieses Offene Bild werden zu lassen. Und ein Film, der dezidiert vom Anliegen beseelt ist, einem Begehren Raum zu schaffen, das die eingefahrenen Klischees heteronormativen Zweierbeziehungsglücks aufsprengt, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er dafür einen ästhetischen Weg wählt, der penibel darauf bedacht ist, männlich-heterosexuelle SchauwertErwartungen nicht zu enttäuschen. sm

MY WEEK WITH MARILYN US/UK 2011, Regie: Simon Curtis, Ascot Elite

WHO KILLED MARILYN?

gleich ein paar Farbfilter mehr einzieht zwischen heutiger Kinomagie und historischer Verführungskraft. Marilyn taucht hier als Leiche einer Wiedergängerin auf, eines Provinz-Models für Weichkäse, deren Spiel mit doppelten Identitäten erst posthum von einem erfolglosen, mausgrauen Krimischriftsteller entdeckt wird. Immer mehr Parallelen tun sich auf zwischen Candice, dem Star des Niemandslands der französisch-schweizerischen Grenzregion, und dem, was man über den großen Hollywoodstar weiß, dessen Weg Candice dann doch nicht bis zum Ende gehen will. Im weißen Ödland ist der Hobbykriminalist ihr auf der vereisten Spur, umworben von Pen­ sionswirtinnen und muskulösen Nachwuchspolizisten, wird dabei immer mehr zu ihr, d.h. zu Marilyn, mit der er sich ins sonnige Hollywood träumt, „California Dreaming on such a Winter’s Day“. Eifrig hat das Drehbuch hier die Referenzen aufgetürmt, den Kartoffelsack, JFK, Happy Birthday und die Fotoshootings des Milton Greene – und trotzdem ein Höchstmaß an Reibung zur französischen Jetztzeit-Kleinstadt herausgeschlagen, die aus dem Porträt einer Ungreifbaren ein skurriles Vergnügen macht. jk

FR 2011, Regie: Gérald Hustache-Mathieu, Koch Media

MAGIC MIKE Ein platinblondes Gespenst wird gejagt in den beiden Marilyn-Filmen, die gerade zu ihrem 50. Todestag erschienen sind. Verspielte Annäherungen an eine Gestalt aus Projektorlicht, mit schreibstubenfixiertem Interesse am Zusammenhang von Mensch und Rolle, Identität und Maske am Beispiel der Kino-Verführerin schlechthin. Den etwas gediegeneren Versuch unternimmt Simon Curtis mit seiner Erzählung von den Dreharbeiten zu Der Prinz und die Tänzerin, bei der Marilyns Actors-Studio-Hysterie auf klassisch britisches Theaterschauspiel stößt, vor den Augen eines Verführten, Verbündeten, Geliebten und Enttäuschten: Eddie Redmayne spielt den ‚dritten Regieassistenten‘, der hier seine aufregende Woche mit Marilyn erlebt und sie – das ist die eigentliche Männerphantasie dahinter – im privatesten Moment erlebt und im biblischen Sinn erkennt. Würde nicht Michelle Williams’ Verkörperung noch eine weitere Geschichte erzählen über Rätsel und Mimikry, man könnte den Film auf den blondgefärbten Versuch reduzieren, an das gute, alte, folgenlose Hollywoodspiel anzuschließen. Ganz anders, doch nicht weniger verspielt, die französische Marilyn-Huldigung, die

US 2012, Regie: Steven Soderbergh, Concorde Video

Das große Vorbild für Magic Mike war, so haben Regisseur Steven Soderbergh und Mastermind und Hauptdarsteller Channing Tatum immer wieder betont, Saturday Night Fever. Der ja kein wirklich guter Film ist, wenn man mal ehrlich ist und 30 Jahre Kult und die BeeGees abzieht. Vielleicht bleibt deswegen auch von der ungeraden Mischung aus sexualfeindlichem Sozialdrama und lustvoller Stripper-Posse, die Magic Mike ist, wenig übrig, wenn man die Aufregung um fünf nackte Hollywoodstars und die beste PR-Strategie des Jahres 2012 weg lässt. Aufregend wird es erst, wenn man die Stellen überspringt, in denen Cody Horn wie ein moralinsaures Stück Holz herumläuft und Soderbergh versucht, die Männerärsche im Film als Begründung für irgendwas zu benutzen, und sich nur die 50 Minuten des Films anguckt, in denen Matthew McConaughey als eitle, aber alternde Drecksau die beste Vorstellung seiner bisherigen Karriere abliefert und Channing Tatum, ohne ein Wort zu sagen, zugibt, dass er ein mittelmäßig begabtes, aber relativ gutaussehendes Menschenkind ist, das anderen mit seinem Körper gern Freude macht. Denn dann entwickelt man plötzlich eine unbändige Vorfreude darauf, was Magic Mike 2 in zwei Jahren werden könnte, wenn er sich traut: Showgirls mit Jungs. ps


profil

Nogger dir einen! von H a r a l d Bl au l l

privat / Rentadesigner

„Linkes und Schönes“ so war das Motto des Anderen Buchladens, als er im Oktober 1977 in Mannheim eröffnet wurde. Er war damals wie heute nicht nur ein Buchladen, sondern eine Anlaufstelle und Kommunikations-Plattform. Schöne, nicht-heterosexuellen Filme auf DVD gibt es hier natürlich auch längst. Ein kleines Ladenporträt, vom Chef persönlich

s „Was ist denn an eurem Buchladen so anders?“ Das ist eine Frage, die mir immer mal wieder gestellt wird. Dass er anders ist, erkennen dann die FragestellerInnen sehr schnell, wenn sie sich das Angebot ansehen. Ein großes Angebot von Büchern über die Nazi-Zeit findet man zum Beispiel sonst nicht so in den Mannheimer Buchhandlungen. Ziemlich undogmatisch für einen Linken Buchladen. Auch, dass man sich von Anfang an an Schwule und Lesben wandte, war vielen Nicht-Eingeweihten ziemlich suspekt. Und sowas in der „Provinz“ … Gründer Tommy Herrwerth hatte es nicht gerade einfach. So kümmerte sich in den Anfangszeiten nicht nur der Verfassungsschutz um den Laden, nein, auch die Firma Langnese beschwerte sich über die Verwendung ihres Werbespruchs „Nogger dir einen“ in Zusammenhang mit einem Foto, das einen nackten Mann darstellte. Nebenbei nahm sich der damalige Eigentümer, der heute noch den Buchladen sehr prägt, Zeit, um seinem Hobby zu frönen und drei Bücher zu schreiben, die sich um den Deutschen Schlager drehten. Als ich ihn 1999 übernommen habe, gehörte der Andere Buchladen schon zu den „alt eingesessen“ Geschäften

in Mannheim, aber seine Zielgruppe ist dieselbe geblieben. Der Buchladen bietet alles, was die „LSBTTIQ“Gemeinde so begehrt, nicht nur Bücher, sondern auch eine große Auswahl an Regenbogenartikeln und DVDs, wobei sich gerade im DVD-Bereich, der einen immer größeren Stellenwert einnimmt, doch Einiges getan hat. Der Buchladen bringt sich aktiv in das Leben der Community mit ein. Hier trifft sich schon seit Jahren die Schwul-Lesbische Initiative Mannheim (SchLIMM) und er ist auch Sitz des CSD Rhein-Neckar; gemeinsam wollen wir eine Verbesserung unserer Lebenssituation erreichen. Für mich geht es dabei auch darum, etwas zurückzugeben: als Schwuler, der auch in der Szene sein Geld verdient. Viele KundenInnen danken es auch dadurch, dass sie ihre Bücher nicht im Internet, sondern bei mir im Anderen Buchladen kaufen, auch Fachliteratur, die sich nicht im Buchladen-Sortiment befindet. Dies ist auch ein Ausdruck der gelebten LSBTTIQ-Familie! Gerade kleine Buchläden mit eigenem Profil sind Kleinode in den Innenstädten, die immer mehr von eintönigen Filialisten geprägt werden. s 45


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Aachen  Apollo Pontstr. 141, 0241/9008484 aalen  Kino am Kocher Schleifbrückenstr. 15, 07361/5559994 Aschaffenburg  Casino filmtheater Ohmbachsgasse 1, 06021/4510772  Bad Füssing  Filmgalerie Sonnenstr. 4, 08531/980555  bamberg  lichtspiel Untere Königstr. 34, 0951/26785  Berlin  acud Veteranenstr. 21, 030/44359498 · arsenal Potsdamer Str. 2, 030/26955100 · Kino International Karl-Marx-Allee 33, 030/24756011 · Xenon Kino Kolonnenstr. 5–6, 030/78001530 · Cinemaxx Potsdamer Platz Potsdamer Str. 5, 01805/24636299 · eiszeit Zeughofstr. 20, 030/6116016 · FSK am Oranienplatz Segitzdamm 2, 030/6142464 · Tilsiter Lichtspiele Richard-Sorge-Str. 25a, 030/4268129 ·   Zukunft Laskerstr. 5, 0176/57861079  bochum  Endstation Kino im Bhf. Langendreer Wallbaumweg 108, 0234/6871620  braunschweig  C1 Cinema Lange Str. 60  Bremen  city 46 Birkenstr. 1, 0421/44963582  dortmund  schauburg Brückstr. 66, 0231/9565606 · sweetsixteen Immermannstr. 29, 0231/9106623  Dresden  Kid – Kino im Dach Schandauer Str. 64, 0351/3107373 · Thalia Görlitzer Str. 6, 0351/6524703  Erlangen  Manhattan Güterhallenstr. 4, 09131/22223 Esslingen  Kommunales Kino Maille 4–9, 0711/31059510  Frankfurt/Main  Lesbisch-schwules Kulturhaus Klingerstr. 6, 069/293045 · Mal Seh’n Adlerflychtstr. 6, 069/5970845 · Orfeos Erben Hamburger Allee 45, 069/70769100 Freiburg  Kommunales Kino Urachstr. 40, 0761/709033 · Harmonie Grünwälderstr. 16–18, 0761/3866510  Göttingen  Kino Lumière Geismar Landstr. 19, 0551/484523  Halle  Lux kino am zoo Seebener Str. 172, 0345/5238631 · Zazie Kleine Ulrichstr. 22, 0345/7792805  Hamburg  Metropolis Kino Kleine Theaterstr. 10, 040/342353 · B-Movie Brigittenstr. 5, 040/4305867 · 3001 Schanzenstr. 75–77, 040/437679  Hannover  kino im künstlerhaus Sophienstr. 2, 0511/16845522 · Kino im Sprengel K.-M.-Kilian-Weg 2, 0511/703814  karlsruhe Kinemathek Karlsruhe Kino im Prinz-Max-Palais Karlstr. 10, 0721/25041 · Schauburg Marienstr. 16, 0721/3500018   Kiel  Die Pumpe – Kommunales Kino Haßstr. 22, 0431/2007650 · Traum Kino Grasweg 48, 0431/544450  Köln filmpalette Lübecker Str. 15, 0221/122112  Konstanz  Zebra Kino Joseph-Belli-Weg 5, 07531/60162  Leipzig  Passage Kino Hainstr. 19 a, 0341/2173865 · Schaubühne LindenKarl-Heine-Str., 0341/4846211  magdeburg  Studiokino fels Moritzplatz 1, 0391/2564925   Mannheim  Cinema Quadrat Collinistr. 5, 0621/1223454 · Cinemaxx N7 17, 01805/625466  Marburg  Cineplex Biegenstr. 1a, 06421/17300  München  Neues Arena Filmtheater Hans-Sachs-Str. 7, 089/2603265 · City Kino Sonnenstr. 12, 089/591983 · CinemaxX Isartorplatz 8, 01805/24636299  Münster  Cinema Filmtheater Warendorfer Str. 45–47, 0251/30300  Nürnberg  Kommkino Königstr. 93, 0911/2448889  Offenburg  forum Hauptstr. 111, 0781/4350  Oldenburg  Cine K Bahnhofstr. 11, 0441/2489646  Potsdam  Thalia Arthouse Rudolf-Breitscheid-Str. 50, 0331/7437020  Regensburg Wintergarten Andreasstr. 28, 0941/2980963  Saarbrücken  kino achteinhalb Nauwieser Str. 19, 0681/3908880 · Kino im Filmhaus Mainzer Str. 8, 0681/372570  Schweinfurt  KuK – Kino und Kneipe Ignaz-Schön-Str. 32, 09721/82358  Stuttgart  Cinemaxx an der Liederhalle Robert-Bosch-Platz 1, 01805/24636299  Trier  Broadway Filmtheater Paulinstr. 18, 0651/96657200  Weiterstadt  Kommunales Kino Carl-Ulrich-Str. 9–11 / Bürgerzentrum, 06150/12185

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Art Director

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SISSY erscheint alle drei Monate, jeweils für den Zeitraum Dezember/ Januar/Februar – März/April/Mai – Juni/Juli/August – September/ Oktober/November. Auflage: 20.000 Exemplare (Druckauflage).

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Auch das noch …

Am Rande der Berlinale: Solidarität für Pola Kinski.

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ISSN 1868-4009

daniel Ammann

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