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TATOUAGE Maori-Tattoo Teil 2 unserer Geschichtsreihe

Grand Tattoo vom Internet-Blog zum Stildiktator

Buena Vista Tattoo-Club gekonnter Stilbruch

KAT VON D. Die Tattoo-Ikone im Interview

D - 10 Euro CH - 13 Euro F - 10 Euro


28 INHALTSVERZEICHNIS

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Stories

Editorial Begrüßung und Vorstellung der Themen durch den .... 3

Gestatten. Die Würzburgerv Buena Vista Tattoo-Club stellen ihr Studio vor 10

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Bilder ihrer Tätowierungen und Zeichnungen

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History Das wusste niemand: „Zur Popularisierung und Verbreitung der Tattoos führten in erster Linie religiöse, gesellschaftliche oder gar politische Gründe“ 22 Teil 2 der Maori - Geschichte

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Bilder der Maori

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Entwicklung der Tätowierung

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Der Kommunikationsdesign-Student Mats Kubiak aus Düsseldorf portraitiert am Oberkörper tätowierte Menschen 42 Der Tätowierer Rouslain Toumaniantz ist bekannt dafür, 56 Sterne in das Gesicht einer Kundin tätowiert zu haben. 3 Jahre später berichtet er von diesem Vorfall und was wirklich passiert ist. 48 Allgemeine Erfahrungen mit Tätowierungen: Motiv-Idee 58 Ängste 60 Farbwahl 62 Studiowahl 64 allgemeine Leserbriefe 66 Lisa und Günther waren früher gute Freunde, bis ein unglücklicher Zufall sie für immer trennen sollte. Wenn da nicht das Tattoo gewesen wäre, das alle änderte. 68 Der Tätowierer Rouslain Toumaniantz ist bekannt dafür, 56 Sterne in das Gesicht einer Kundin tätowiert zu haben. 3 Jahre später berichtet er von diesem Vorfall und was wirklich passiert ist. 74


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Interview In dieser Ausgabe freuen wir uns besonders, die Tattoo-Künstlerin Kat Von D interviewen zu dürfen. Die 29-Jährige erzählt von ihrem Studio in West-Hollywood und wie sie zu diesem Beruf und dem Fame kam. 80

Gallerie Der Tattoo-Internet-Blog Grand Tattoo zeigt uns die Tattoo-Styles des Sommers. Dieser Blog hat über Jahre hinweg die schönsten Tattoo-Motive aus aller Welt gesammelt. 90


Realistic

Trash „

Polka

Sie sind Geschichtenerzähler, Künstler. Auf welche Art sie sich ausdrücken - ob mit der Tätowiernadel auf Körpern, mit Instrumenten und Stimme oder mit Acrylfarbe auf Leinwand - spielt für Volker Merschky (45) und Simone Pfaff (37) dabei eine untergeordnete Rolle. Es sind Themen wie Vergänglichkeit, Leben und Tod, die sie interessieren.


Gestatten.

„Es ist immer der gleiche Ansatz, nur eine andere Umsetzung und dabei meistens sehr emotional.“

Manchmal düster und ein wenig verstörend

Über ihren Stil berichten seit drei, vier Jahren

umgesetzt, aber vor allem melancholisch.

die entsprechenden Fachmagazine weltweit

Auch wenn sich das Paar lieber als Künstler

von Deutschland über Spanien, England bis

im übergeordneten Sinne sieht, haben sie sich

hin zu Russland und Japan.

doch in den vergangenen Jahren vor allem durch das Tätowieren einen Namen gemacht.

TATOUAGE - 11


"Wir sind einfach ruhelos. Aber das ist ja auch das, was einen antreibt."

R

ealistic Trash Polka haben Mersch-

ky und Pfaff das getauft, was sie unverwechselbar macht und nichts mit dem zu tun hat, was man gemeinhin mit Tätowierungen assoziiert: fotorealistische Motive, gepaart oder verfremdet mit grafischen Elementen, dazu Schrift. Farblich setzen sie das vor allem mit Schwarz und Rot um. Die beiden haben versucht, etwas Neues zu kreieren, und das ist ihnen gelungen. „Ihre Tattoos sprengen den Rahmen, sie gehen neue Wege“, sagt Dirk-Boris Rödel, Chefredakteur des TätowierMagazins. Und Miki Vialetto, Organisator der TattooMesse in London, stimmt ihm zu: „Volko und Simone sind sehr interessant. Ob sie ganz oben ankommen, hängt letztlich natürlich vor allem vom Publikum ab. Sie haben aber nicht nur etwas Neues erfunden, sie wissen technisch auch verdammt gut, was sie machen. Ihre Arbeit ist immer kraftvoll und für die Ewigkeit gemacht. Ich denke, sie sind auf dem richtigen Weg.“

Wie alles begann... Zurück ins Jahr 1972 in Wildflecken (Landkreis Bad Kissingen), einem damaligen Stützpunkt der US-Armee. Volker war sieben Jahre alt, als ein Panzer direkt in den Garten seines Elternhauses fuhr, weil etwas mit der Lenkung nicht stimmte. „Die Amerikaner waren dann den ganzen Tag bei uns und einer von ihnen hatte Tätowierungen. Er war für mich der Held - so fing im Prinzip alles an“, erzählt Merschky, der seine ersten TätowierVersuche mit 16 Jahren startete. Doch nach der Fachoberschule Kunst/Gestaltung studierte er erst einmal Innenarchitektur und hatte nebenbei ein eigenes TattooStudio, bevor er sich vollkommen seiner eigenen Kunst widmete. Simone machte es ähnlich, arbeitete nach derselben Fachober-

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schule eine Zeit lang als Werbegrafikerin. Zum Tätowieren kam sie durch Volker, den sie bereits seit 20 Jahren kennt.

„Wir sind übrigens total lebensbejahend.“ Ihr Studio in Würzburg liegt heute nahe der Innenstadt an einer auf den ersten Blick unscheinbaren, ruhigen Straßenecke. Die zwei tätowieren dort mittlerweile nur noch ihren eigenen Stil - da gibt es keine Kompromisse. Wer aber andere Motive möchte, ist dennoch nicht fehl am Platz, er muss nur zu zwei anderen Tätowierern im Laden gehen. In den kleinen Empfangsbereich des Studios mit zwei Sofas, ihren eigenen Bildern und Pokalen von Tattoo-Messen dringt an diesem Tag entspannte Musik, die so ganz gegensätzlich zum bedrohlich klingenden Surren der Tätowiernadel wirkt. Neben Gitarre, Bass und Schlagzeug kann man Akkordeon, Hammond Orgel und Mandoline heraushören. Melancholisch und akustisch klingt es, passend zum November, zur dunkel-kalten Winterzeit, bei der man sich am liebsten im Warmen in eine Ecke kuschelt. „Wir haben extra bis Herbst gewartet, da die CD nicht gerade vor sommerlicher Frische sprudelt“, sagt Merschky lachend, denn im Hintergrund läuft gerade „birth“, das Debüt von Dobbs Dead. Und dahinter verbergen sich die zwei aus Würzburg. Im Laden läuft das Album jedoch nur, wenn jemand danach fragt. Genau wie ihrem Tattoo-Stil haben sie auch ihrer Musik einen ungewöhnlichen Namen gegeben: „post mortem folk for anti heroes“. Auf der Konzertbühne haben sie ihr Debüt noch nicht gegeben, aber das soll sich mög-

lichst bald ändern. Die Musik spielt nicht nur neben, sondern auch bei ihren Tattoos eine Rolle - ganz offensichtlich jedenfalls im Namen „Realistic Trash Polka“. „Das ganze fügt sich wie Noten am Ende zu einem Gesamtwerk“, erklärt Merschky, warum eine Musikrichtung Teil ihres kreativen Stil-Namens ist.

Nicht für jedermann Wer sich von ihm oder Simone Pfaff tätowieren lassen möchte, muss sich selbst ein wenig zurücknehmen. „Wir brauchen total offene Kunden, die uns relativ frei Hand lassen“, erzählen sie, geben aber auch zu, dass sich so manch einer vor den Kopfgestoßen fühlt. Denn die beiden tätowieren nur das, was sie wollen und was sie selbst entwerfen - eigentlich genau so, wie ein Künstler das eben macht. Der Kunde hat nicht viel zu sagen, er muss sich auf die zwei einlassen. Der Ablauf ist meist ähnlich: Ein Besucher kommt in den Laden, erzählt von seiner thematischen Idee und hat manchmal ein Textfragment dabei. Merschky und Pfaff setzen sich daraufhin an den PC, erarbeiten zwei bis drei Entwürfe und später hat der Kunde die Wahl. „Wenn jemand im Vorfeld etwas ausschließt, halten wir uns natürlich daran, aber das Motiv machen wir und daran kann eigentlich auch nichts geändert werden“, erklären sie das Prozedere. „Wenn du nur das machst, was die Leute wollen, hätten wir nie etwas Neues entwickeln können“, sagt Merschky. Manche Elemente, die sie heute in den Tattoos verwenden, haben sie vor Jahren mit dem Pinsel gemalt - auch mal auf den Körper des anderen.


Gestatten.


TA MOKO Die traditionelle

MAORI Tattoo Kunst

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D

ie Kunst des Moko besteht in der

Maori Kultur seit über 1000 Jahren, vorausgegangen aus der Kunstform der Holzschnitzerei, wobei symbolische Muster aus den Holzarbeiten auf die Haut übertragen wurden. Die erste Dokumentation über ein Moko fand 1769 statt, als in Tahiti der damalige britische Seefahrer und Entdecker Captain James Cook das Ritual einer Tätowierung erlebte und dabei seine Beobachtungen und Untersuchungen dieses ungewöhnlichen Körperschmucks erfasste. Es ist eine Art Tribal Form, eine sehr spirituelle Erfahrung und mehr noch, die Maori sehen Moko als ihre kulturelle Identität und halten diese Kunstform mit der Wiederbelebung und Förderung dieser Technik lebendig. Die Bedeutung des Moko ist durch das kulturelle Erbe der Maori einzigartig und

tabu für Personen, die nicht einem der Stämme angehören. Das Moko hat für jeden Stamm seine eigene Identitätszeichnung und enthält Informationen in Form von Tribal- Muster für jeden Träger. Diese Muster erzählen die Genealogie (whakapapa) des Trägers, die Geschichte seiner Familie, seines Stammes und weist auf den Stand in der sozi-

alen Ebene hin.

Änderungen am Moko wurden vorgenommen, um z.B. eine Berechtigung zur Heirat oder die derzeitige Position in der Stammes- Familie (whanau) zu kennzeichnen. Die Männer erhielten im Allgemeinen das Moko auf ihren Gesichtern, dem Gesäß (raperape) und in verschiedenen Stämmen auch die Oberschenkel (puhoro), dessen Symbolik für Beweglichkeit oder Geschwindigkeit steht. Die Frauen waren nicht so umfangreich wie die Männer tätowiert.

»Das weibliche Moko (wahine Moko) verzierte die Lippen, meist in einem dunkelblau, das Kinn und gelegentlich auch die Nasenlöcher deren Bedeutung für den ersten Atemzug eines Neugeborenen steht.« 30 - TATOUAGE


Maori

Ein Moko zu erhalten war ein wichtiger Meilenstein zwischen Kindheit und Erwachsensein, und wurde von vielen Riten und Ritualen begleitet. Sobald man sich für ein Moko entschieden hatte, begann die Vorbereitung mit einem Fasten und verbrachte dann den Tag zuvor im Kreis seiner Familie und Freunde. Der Tätowierungsprozess wurde in der Regel entweder im Stammesland (marae) durchgeführt oder zu Hause bei der Familie, um deren Unterstützung durch

das Singen von Gebeten (karakia)

zu erfahren. Die schmerzhafte Tätowierung selbst wurde meist in einer Sitzung durchgeführt, wobei die Person gelegentlich in eine Art Schockzustand kam, doch Aufgrund ihrer spirituellen Erfahrung kann dies auch als Teil des Rituals wahrgenommen werden.

»Alle hochrangigen Maori waren tätowiert und jene ohne Tattoos wurden als Personen ohne sozialen Status angesehen.«

Anehana, with full facial moko, circa 1900. Photographer unidentified.

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Stories

Tattooed

2k11 TATOUAGE - 43



Stories

von dem Fotografen Mats Kubiak. Fr端hjahr 2011 http://www.matskubiak.de http://www.designmadeingermany.de/2011/10380/

TATOUAGE - 45


F

reilebende Gummibärchen gibt es

nicht. Man kauft sie in Packungen an der Kinokasse. Dieser Kauf ist der Beginn einer fast erotischen und sehr ambivalenten Beziehung Gummibärchen-Mensch. Zuerst genießt man. Dieser Genuß umfaßt alle Sinne. Man wühlt in den Gummibärchen, man fühlt sie. Gummibärchen haben eine Konsistenz wie weichgekochter Radiergummi. Die Tastempfindung geht auch ins Sexuelle. Das bedeutet nicht unbedingt, daß das Verhältnis zum Gummibärchen ein geschlechtliches wäre, denn prinzipiell sind diese geschlechtsneutral. Nun sind Gummibärchen weder wabbelig noch zäh; sie stehen genau an der Grenze.

MATS KUBIAK kömmliche Gummibärchen: allein wie es neonhaft vom Leinwandleuchten illuminiert, aber ganz ohne die Kühle der Rameröhren! Die nächste prickelnde Unternehmung ist das Kauen des Gummibärchens. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Man könnte zubeißen, läßt aber die Spannung noch steigen. Man quetscht das nasse Gummibärchen zwischen Zunge und Gaumen und glibscht es durch den Mund. Nach einer Zeit beiße ich zu, oft bei nervigen Filmszenen. Es ist eine animalische Lust dabei. Was das schmecken angeht. wirken Gummibärchen in ihrer massiven Fruchtigkeit sehr dominierend. Zigaretten auf Gummibärchen schmecken nicht gut. Anführen sollte man auch noch: manche mögen die Grünen am liebsten, manche die Gelben. Ich mag am liebsten die Roten. Sie glühen richtig rot, und ihr Himbeergeschmack fährt wie Napalm über die Geschmacksknospen.

Sein Studium in Düsseldorf Auch das macht sie spannend. Gummibärchen sind auf eine aufreizende Art weich. Und da sie weich sind, kann man sie auch ziehen. Ich mache das sehr gerne. Ich sitze im dunklen Kino und ziehe meine Gummibärchen in die Länge, ganz ganz langsam. Man will sie nicht kaputtmachen, und dann siegt doch die Neugier, wieviel Zug so ein Bärchen aushält. (Vorstellbar sind u.a. Gummibärchen-Expander für Kinder und Genesende). Forscherdrang und gleichzeitig das Böse im Menschen erreichen den Climax, wenn sich die Mitte des gezerrten Bärchens von Millionen Mikrorissen weiß färbt und gleich darauf das zweigeteilte Stück auf die Finger zurückschnappt. Man hat ein Gefühl der Macht über das hilflose, nette Gummibärchen. Und wie man damit umgeht: Mensch erkenne dich selbst! Jetzt ist es so, daß Gummibärchen ja nicht gleich Gummibärchen ist. Ich bevorzuge das klassische Gummibärchen, künstlich gefärbt und aromatisiert. Mag sein, daß es eine Sentimentalität ist. Jedenfalls halte ich nichts von neuartigen Alternativ-Gummibärchen ohne Farbstoff (»Mütter, mit viel Vitamin C«), und auch unter den konventi-

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Mats und die Liebe Mats Kubiak selbst vor der Linse

onellen tummeln sich schwarze Schafe: die schwarzen Lakritz-Bärchen. Wenn ich mit Xao im Kino bin, red ich ihm so lange ein, daß das die besten sind, bis er sie alle ißt. Sie schmecken scheußlich und fühlen sich scheußlich an. Dagegen das schöne, her-

Eine meiner Lieblingsphantasien, wo es um Gummibärchen geht, ist der Gummibär. Ich will einen riesigen Gummibären. Jeder wahre Gummibärchen-Gourmet wird mich verstehen. Ebenfall phantasieanregend können sie eingesetzt werden zum Aufbau verschiedener »Orgiengruppen- Modelle« oder als »Demonstrationsobjekt für wirbellose Tiere«. Abgesehen vom diabolischen Lustgewinn müßte man die Bärchen gar


Stories Stories

Zeichnung aus seinem Studium

“Tattooed 2k11” ist eine tolle Fotoserie von Mats Kubiak für welche er Portraits von Leuten geschossen hat, die Tattoos auf ihren Oberkörpern tragen. Minimalistisch und simpel und auf eine gewisse Art und Weise fast schon “edel”.

nicht zerreißen. Sie sind ja durchscheinend. Zu behaupten, daß sich im Gummibärchen das Wesen aller Dinge offenbart, finde ich keinesfalls als gewagt. Wer schon einmal über einem roten Gummibärchen meditiert hat, weiß von diesen Einsichten. Wenn ich das Kino verlasse oder die Packung einfach leergegessen ist, habe ich meist ein Gefühl, als hätte mir einer in den Magen getreten.

„Ich hätte selber nie gedacht, dass meine Fotos andere Menschen beeindrucken könnten.“ Hier schläft die gesteigerte Intensität als deren Ursache den Gummibärchen durchaus der Charakter einer Droge zuerkannt werden kann – ins Negative um, in den Überdruß. In dichter und geraffter Form spiegelt sich im Verhältnis zum Gummibärchen eine menschliche Love-Affair wider. Nie wieder Gummibärchen, denke ich jedesmal. In der Zwischenzeit lächle ich dann über den Absolutheitsanspruch den diese Momente erheben. Schon zu Hause beunruhigen mich wieder Gerüchte über einen Marktvorstoß der Japaner mit Gummireis oder Gummischweinen. Und wieder und wieder geht es mir durch den Kopf.

Auch das macht sie spannend. Gummibärchen sind auf eine aufreizende Art weich. Und da sie weich sind, kann man sie auch ziehen. Ich mache das sehr gerne. Ich sitze im dunklen Kino und ziehe meine Gummibärchen in die Länge, ganz ganz langsam. Man will sie nicht kaputtmachen, und dann siegt doch die Neugier, wieviel Zug so ein Bärchen aushält. (Vorstellbar sind u.a. Gummibärchen-Expander für Kinder und Genesende).

Zukunftspläne Forscherdrang und gleichzeitig das Böse im Menschen erreichen den Climax, wenn sich die Mitte des gezerrten Bärchens von Millionen Mikrorissen weiß färbt und gleich darauf das zweigeteilte Stück auf die Finger zurückschnappt. Man hat ein Gefühl der Macht über das hilflose, nette Gummibärchen. Und wie man damit umgeht: Mensch erkenne dich selbst! Jetzt ist es so, daß Gummibärchen ja nicht gleich Gummibärchen ist. Ich bevorzuge das klassische Gummibärchen, künstlich gefärbt und aromatisiert. Mag sein, daß es eine Sentimentalität ist. Jedenfalls halte ich nichts von neuartigen Alternativ-Gummibärchen ohne Farbstoff (»Mütter, mit viel Vitamin C«), und auch unter den konventionellen tummeln sich schwarze Schafe: die schwarzen Lakritz-Bärchen. Wenn ich mit Xao im Kino bin, red ich ihm so lange ein.

Eine meiner Lieblingsphantasien, wo es um Gummibärchen geht, ist der Gummibär. Ich will einen riesigen Gummibären. Jeder wahre Gummibärchen-Gourmet wird mich verstehen. Ebenfall phantasieanregend können sie eingesetzt werden zum Aufbau verschiedener »Orgiengruppen- Modelle« oder als »Demonstrationsobjekt für wirbellose Tiere«. Abgesehen vom diabolischen Lustgewinn müßte man die Bärchen gar nicht zerreißen. Sie sind ja durchscheinend. Zu behaupten, daß sich im Gummibärchen das Wesen aller Dinge offenbart, finde ich keinesfalls als gewagt. Wer schon einmal über einem roten Gummibärchen meditiert hat, weiß von diesen Einsichten. Wenn ich das Kino verlasse oder die Packung einfach leergegessen ist, habe ich meist ein Gefühl, als hätte mir einer in den Magen getreten.

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„Manche Menschen


Interview

finden mich

abstossend“ Die Frau sticht nicht nur ins Auge: Kat von D wurde mit ihrer TV-Show „L.A. Ink“ zum Star der amerikanischen Tattoo-Szene. Im tatouAGE-Interview erzählt sie von ihrer Liebe zu Beethoven, ihrem Image als Sexsymbol und von der schwierigsten Kundin: ihrer Mutter.


Kat Von D, eigentlich Katherine von Drachenberg; geboren am 8. März 1982 in Monterrey, Mexiko, ist eine US-amerikanische Tattookünstlerin, Fernsehseriendarstellerin und Autorin. Sie wurde international bekannt durch ihre Mitwirkung in den Reality-Fernsehserien Miami Ink und LA Ink.

Kat von D ist die Abkürzung für Katherine von Drachenberg... Ja, meine Großmutter väterlicherseits ist Deutsche. Irgendwo in Süddeutschland gibt es sogar eine Burg dieses Namens, die - soweit ich weiß - noch in Familienbesitz ist! Auf Ihrer Myspace-Webseite findet sich Beethoven neben Death-Metal-Bands und Dolly Parton. Wie passt das zusammen? Meine deutsche Oma Klara war Konzertpianistin und brachte mir klassisches Klavier bei, als ich sieben war. Ich besitze drei Flügel und habe - wie sie eine Vorliebe für Beethoven, weil der ein so hoffnungsloser Romantiker war! Und Dolly Parton? Nun, als meine Mutter in die USA kam, sprach sie kein Wort Englisch. Also kaufte mein Dad ihr Platten: Johnny Cash, Elton John - und eben Dolly Parton. Die hörten wir von morgens bis abends, damit meine Mutter so Englisch lernen konnte. Ich mag Dolly, weil sie extrem ist - große Brüste, große Frisur, großes Make-up. Aber dabei total selbstironisch!

Ihre Reality-Show, die jetzt auch in Deutschland zu sehen ist, läuft bereits seit August mit Riesenerfolg in den USA. Wollen Sie eine Lanze für Frauen im Tattoo-Metier brechen? Nicht direkt. Aber das Fernsehen ist ja eher von Leuten mit Sex-Appeal als von solchen mit Talent fasziniert. Eigentlich mache ich das also, weil sie sonst eine Frau angeheuert hätten, die nicht gut im Tätowieren ist, und die ann mich repräsentiert hätte. Nein, danke.

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Wann haben Sie mit dem Tätowieren angefangen? Mit 14. Ich hing damals mit Punkrock-Kids rum. Einer davon tätowierte uns andere bei sich zu Hause. Eines Tages sagte er: Hey, du kannst doch so gut zeichnen, willst du mir nicht ein Tattoo machen? Okay, sagte ich. Seither ist wohl kein Tag vergangen, an dem ich nicht tätowiert hätte. Was fasziniert Sie daran so? Ich habe immer schon gemalt und gezeichnet. Und beim Tätowieren entsteht eine Verbindung zwischen dir und einem Klienten. Immerhin wählt dich jemand aus, um einen sehr einschneidenden Eingriff vorzunehmen. Die Leute tragen das ja für den Rest ihres Lebens. Wer kommt zu Ihnen? Wir haben alles: von dem Mädchen, das gerade 18 geworden ist, bis hin zur 80-jährigen Oma. Die Leute kommen, und jeder hat dann eine Geschichte zu erzählen. Die wollen ein Zeichen auf ihrem Körper, das sie an eben diese Geschichte erinnert. Sie selbst tragen Tattoos am ganzen Körper. Haben Sie schon mal eines bereut? Ich habe ein paar ziemlich schlechte aus der Zeit, als ich noch nicht volljährig war und die Profis mich deswegen alle wegschickten. Aber jedes dieser Tattoos ist eine Art Meilenstein meiner Biografie. Mich nervt allerdings, den Namen meines Ex-Mannes auf dem Körper zu tragen. Der Schriftzug „Oliver“ an Ihrem Hals? Ja. Wenn mich Alex auf den küsst, winde ich mich geradezu, weil mein Ex immer noch da ist Ich werde ihn mir weglasern lassen.


Interview

„Das ist merkwürdig. Ich sehe mich nicht als Sexsymbol. Ich glaube aber, dass hier mit einem Klischee gebrochen wird. Es gab vorher keine stark tätowierten, prominenten Frauen.“

Ist das nicht ein Grundproblem mit Tattoos, dass Lover und Lieblingsbands Laufe des Lebens wechseln? Klar. Was man mit 14 klasse findet, findet man hoffentlich nicht mehr scharf, wenn man...15 ist! Trotzdem mag ich meine alten Tattoos, auch die schlechten. Schwieriger sind die, die ich mit Leuten assoziiere, mit denen ich nicht mehr klarkomme. Haben Sie ein Lieblingstattoo? Ich mag die Sterne in meinem Gesicht sehr. Ich bin ein großer Mötley-Crüe-Fan, und „Starry Eyes“ von ihrer ersten Platte ist mein Lieblingslied. Ich habe mit einem Stern angefangen und immer neue dazugefügt. Ich mag sie auch, weil es mir wichtig ist, als Frau stark tätowiert zu sein und mich trotzdem weiblich zu fühlen. Sie haben das Image eines HardcoreSexkittens. Mögen Sie das? Das ist merkwürdig. Ich sehe mich nicht als Sexsymbol. Ich glaube aber, dass hier mit einem Klischee gebrochen wird. Es gab vorher keine stark tätowierten, prominenten Frauen. Und ich glaube, dass es manche Leute immer noch erschreckt. Manche Typen finden mich eklig.

Ihre Eltern sind einst als christliche Missionare durch Lateinamerika gezogen. Wie haben sie auf Ihren Job reagiert? Es hat zehn Jahre gebraucht, um ihnen klar zu machen, dass ich nicht nur eine Phase durchmache. Besonders mein Vater hoffte, dass ich da rauswachsen und meine Schulbildung abschließen würde. Ich habe ihm gesagt: Nein, Dad! Das ist ein Lebensstil! Das war mit ein Grund, warum ich mir mein Gesicht tätowiert habe. Ich wollte damit vor mir und der Welt sagen: Das bin ich, so werde ich bleiben. Hat die Sendung die Haltung Ihrer Eltern verändert? Oh, ja. Inzwischen sind meine Eltern glücklich mit dem, was ich tue. Und das hat sicher mit meiner Show zu tun. Meine Eltern dachten früher bei Tattoos an Drogen und Knast. Aber jetzt sehen sie, dass sich alle möglichen Leute tätowieren lassen, und dass jeder einen sehr persönlichen Grund dafür hat. Nach der ersten Episode rief mich mein Vater an und sagte: Kathy, ich hatte ja keine Ahnung, was du wirklich tust. Wer war Ihr bisher schwierigster Kunde? Meine Mutter. Sie wollte ein Tattoo aus einer Lotusblüte und einem Schmetterling auf ihrem unteren Rücken – eine sehr sinnliche Stelle. Und wer will seine Mutter schon mit Sexiness assoziieren? Auf der anderen Seite war ich hin und weg, dass sie überhaupt ein Tattoo haben wollte. Und dann auch noch von mir!

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Hi everyone. Grand Tattoo is about the new tattoo lifestyle. But we don‘t limit ourselves to just tattoos but everything thats beautiful and somehow matches this great way of living, art, love, life...


Kategorie Gallerie

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Bambi lässt grüßen. Das kleine Reh wurde 2009 in London gestochen. Die Besitzerin wollte eine Erinnerung an ihre Kindheitstage.

„Wir sind tätowierte Menschen, die ihre Tattoos im Internet präsentieren.“

Die amerikanische Profi-Skaterin ließ sich ihr erstes Tattoo mit 14 von einem guten Freund stechen. Seitdem schmücken rund 30 Motive ihren ganzen Körper.

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Gallerie

Die schwedische Punk-Rock-Band Refused einigten sich bei ihrem Band-Tattoo auf das Logo und das Gründungsjahr 1983.

Das Paar Roland und Pia ließen sich Partner-Tattoos der anderen Art und Weise stechen. Statt dem gleichen Motiv wählten sie die gleiche Stelle aus.

Der Tätowierer Rolf aus Hiddesdorf bei Bremen ließ sich 2009 sein Halstattoo stechen. Er bereut es immer noch nicht. Am Strand findet er reichlich Inspiration.


Hallo,

ich bins, Lothar!


Kategorie Gallerie

„Manche Frauen reduzieren mich nur auf meinen Körper. Bevor ich mein erstes Tattoo bekam, war ich ein Außenseiter.“

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