Sportmagazin 11.2012 | part Roman Rohrmoser

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Foto: Glen Claydon

Die Filme von Warren Miller gelten als das Maß aller Dinge, wenn’s um Action im Pulverschnee geht: „Flow State“ heißt der jüngste Streifen – und der Österreicher Roman Rohrmoser hat den Sprung in die spektakuläre Produktion geschafft … as haben Ramsau im Zillertal und das japanische Hokkaido gemeinsam? Grundsätzlich nicht viel. Beide Orte sind aber durchaus entscheidende Stationen im Leben des ­Roman Rohrmoser. In Ramsau fühlt er sich seit seiner Geburt vor 27 Jahren zuhause. Und auf Hokkaido erlebte er den bisherigen Gipfel seiner Karriere als international anerkannter Freerider. Es sind eiskalte Winterstürme, die aus Sibirien kommend über das Meer fegen und auf die Vulkane der Insel Hokkaido im Norden Japans treffen. Hier fallen innerhalb weniger Stunden unfassbare Mengen Powder vom Himmel, mit einem Wasseranteil von nur acht Prozent angeblich der feinste Schnee der Welt. „Die Berge sind gar nicht hoch, gerade einmal 1400 Meter, aber da haut’s so fett runter, dass es kaum zu glauben ist“, schwärmt Roman, der sich sonst zumeist im heimischen Mayrhofen austobt. „Wir hatten über Nacht fast einen Meter Neuschnee, fantastische Bedingungen für unser Shooting in Japan.“ Und genau das Richtige für die neueste Produktion der legendären „Warren Miller Entertainment“, die seit den 1950er-Jahren mit wegweisenden Skifilmen ein Millionen­ publikum erreicht und geprägt hat. In diesen Filmen sind natürlich US-Amerikaner wie Colby West oder Jonny Moseley die Stars. Aber immer wieder mischen sich auch Europäer und andere „Exoten“ in die erlesene Auswahl der weltbesten Freerider. In der neuesten Produktion „Flow State“ hat Roman Rohrmoser (wie auch Snowboarder Mitch Tölderer; siehe S. 34) endlich seinen großen Auftritt.

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Flow State Die jüngste Produktion der „Warren Miller Entertainment“ wurde unter Beteiligung einiger der derzeit weltbesten Freerider auf ihren Skiern und Snowboards in Alaska, Colorado, Utah, ­Japan, Norwegen, der Schweiz und Österreich gedreht. „Flow State“ wird im Dezember warst schon weg!‘“ In diesem Fall muss 2012 in mehreren Städten in Österreich wohlüberlegt sein, ob es zu einer Wieder­ auf Großbildleinwand gezeigt. Die holung kommt. Und manchmal sind auch Profis Termine: 4.12./Innsbruck, 5.12./ wie Roman in der Tat nicht bereit, ein riskantes MaWien, 6.12./Graz, 7.12./Salznöver ein zweites Mal durchzuführen. burg. Mehr Infos unter: Spätestens im Angesicht solcher Entscheidungen artet www.warren-miller.de der grenzenlose Spaß im Pulverschnee in einen Knochenjob aus. Und auch sonst gibt’s jede Menge beruflichen Stress: Filmpremieren, Termine mit Sponsoren, dazu steht reichlich Fitness in Form von Biken oder Klettern auf dem Programm.

Fotos: Glen Claydon

Local Tatsuya Tayagaki führte Roman zu den Topspots seiner Heimat: „Japan hat vergangenes Jahr eine schreckliche Katastrophe erlebt. Aber die Liebe zu unserer Kultur und dem tiefen Powder ist stärker als jedes Desaster.“

Vom Chillertal ins Herz der US-Elite vorzustoßen war keineswegs einfach. Über seinen Sponsor K2 wurden erste Kontakte nach Nordamerika geknüpft, er wurde als Fahrer vorgeschlagen, nach zwei Jahren fand man schließlich eine Einigung und die Zeit für ein Shooting in Japan: Willkommen bei „Warren Miller Entertainment“! Und nun? Sind sie so viel besser, die Amerikaner? Oder ist es die perfektionierte Selbstvermarktung, die unsere Freunde aus den USA und Kanada zur Speerspitze (bzw. Skispitze) der internationalen Freeride-Bewegung macht? „Grundsätzlich kochen die Jungs dort drüben auch nur mit Wasser“, sagt Roman. „Aber sie haben ganz andere Budgets. Und es macht eben einen Unterschied, ob man dir für drei Wochen in Alaska einen Helikopter zur Verfügung stellt oder ob du drei Tage lang auf eigene Faust im Zillertal unterwegs bist.“ Dennoch gibt es auch österreichische Produktionen, die auf der anderen Seite des Teiches respektiert werden, so wie die Innsbrucker Filmteams ­„Junkies on a Budget“ und „Legs of Steel“, die bereits auf dem „International Freeski Film Festival“ in Montreal mit dem „iF3 Award“ ausgezeichnet wurden. Zelebriert wird der Hang zur Freiheit in metertiefem Powder. Aber auch wenn die Action auf den ersten Blick vollkommen locker und fluffig daherkommt, handelt es sich bei Filmproduktio­ nen wie „Flow State“ um Leistungssport am absoluten Limit. Roman beschreibt die typische ­Szene so: „Über Funk bekommst du dein Kommando: 3, 2, 1 – drop! Die Nervosität lässt nach, plötzlich bist du in einer Art Schwebezustand. Du bist total fokussiert, alles geschieht wie in Zeitlupe. Es gibt nur noch den Berg und dich. Wenn du dann unten ankommst und alles wie

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g­ eplant geklappt hat, schießt dir das Adrenalin in den Körper und du spürst die reine Freude.“ Es liegt übrigens in der Natur der Sache, dass die Shootings für solche Filme auch aus einem anderen Grund besonders aufregend sind, schließlich können die meisten Aufnahmen nicht so lange wiederholt werden, bis der Filmer wunschlos glücklich ist, wie das beim Drehen manch einer Vorabendserie der Fall sein mag. Ist ein Hang mit einer Spur versehen, dann war’s das mit der Unberührtheit. Zudem gibt es Aktionen, die durchaus als „waghalsig“ zu bezeichnen sind und von einem Fahrer deshalb nur ungern wiederholt werden. „Vor einer Einstellung wird exakt besprochen, wo man fährt, wo man springt und wo man landet“, erklärt Roman. „Aber es kommt auch vor, dass die Aufnahmen unscharf sind. Oder die Filmrolle zu Ende ist. Oder der Kameramann verdutzt schaut und sagt: ‚Verdammt, du

Seine Ruhe findet Roman Rohrmoser im heimischen Zillertal, wo der zum Meister der Mechatronik und Fertigungstechnik ausgebildete Ramsauer als Jagdaufseher tätig ist: „Es tut gut, einfach einmal innezuhalten. Beim Jagen genieße ich die stillen Momente und die Tatsache, dass ich einmal nicht von lauter Touristen umgeben bin.“ Überhaupt, das Getümmel auf den heimischen Bergen hat für Roman schon ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Noch dazu, seitdem die Industrie den Trend des Freeridings unermüdlich vorwärtspusht. Einerseits sei das natürlich gut, meint Roman, „weil viele Ski gekauft werden und mehr Budget für uns Fahrer vorhanden ist“. Aber andererseits steigt ­damit auch das Verkehrsaufkommen abseits der klassischen Pisten, dort, wo die Pioniere jahrelang unter sich sein konnten. Da kommt es Roman wahrlich gelegen, wenn seine Sponsoren ihn nach Japan, Alaska oder sonst wohin ­schicken. Im Sommer wollten sie auch schon für die nächste Produktion der „Warren Miller Entertainment“ tätig werden und in den chilenischen Anden drehen. Aber der Schnee blieb aus, der Dreh fiel ins Wasser. Deshalb wird nun daheim in den Alpen gefilmt, auch hier gibt es spektakuläre Spots. Roman Rohrmoser kann also endlich wieder seine geliebte Hausmannskost genießen, wenn alle Szenen filmreif im Kasten sind. Und das ist auch gut so! Denn Hokkaido-Kürbis macht auf die Dauer einfach nicht satt. ✪

Neben Roman Rohrmoser stellt auch ­A lpin-Superstar Ted Ligety (rechts oben) in „Flow State“ sein fahrerisches Können und seinen Mut unter Beweis.


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