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| Interview

| Harry Smorenberg

Expertengespräch Harry Smorenberg

Der Marketingexperte Harry Smorenberg befasst sich schwerpunkt­ mässig mit der strategischen Positionierung und Vermarktung von Finanzdienstleistungen. Zuvor war er bei Banque Paribas und ABN AMRO sowie in der Geschäftsführung zweier führender internationaler Strategieberatungen tätig. Smorenberg ist massgeblich an innovativen Entwicklungen im Zahlungsverkehr für Privat- und Geschäftskunden beteiligt. Daneben hat er die Entwicklung von Lösungen im Bereich der Finanzplanung, internationalen Altersvorsorge und „sozialen Innovation“ begleitet. Seine besondere Kompetenz liegt in der Förderung visionärer und strategischer Ansätze in Institutionen und der Identifizierung und Umsetzung kundenorientierter Lösungen.

Wie hat sich der Sustainability InvestingMarkt in den vergangenen zehn Jahren aus Ihrer Sicht entwickelt? Sustainability Investing (SI) hat sich in den vergangenen zehn Jahren recht langsam entwickelt. Erst in den letzten zwei bis drei Jahren hat das Thema Fahrt aufgenommen. Anfangs hatten es die Fürsprecher von SI schwerer. Sie standen vor der Aufgabe, den Markt zuerst von den Vorteilen von SI überzeugen zu müssen. Ohne einheitliche Wettbewerbsbedingungen und im harten Konkurrenzkampf war das eine echte Herausforderung. Es hat also eigentlich als „alternative Positionierung“ angefangen und war durch das Bekenntnis zu verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln bestimmt. Seitdem hat das Thema auch unter klassischen Anlegern deutlich an Prominenz gewonnen. Inzwischen ist es fast gängige Praxis, bei Anlageentscheidungen und in Bezug auf die Geschäftspraktiken von Unternehmen die Nachhaltigkeit zu adressieren. PGGM, die führende niederländische Pensionskasse mit Wurzeln im Gesundheits- und Sozial­wesen, verzichtet auf Investitionen in der Tabak­ industrie. PMT und PME, die nieder­­ländischen Pensionskassen für die Metall- und Elektro­ industrie, haben ihre Walmart-Beteiligungen

nach Beanstandungen der Arbeitsbedingungen aufgegeben. Rabobank, die weltweit führende Bank für die Lebensmittel- und Landwirtschaft, finanziert keine Unternehmen, die an der Gewinnung von Schiefergas beteiligt sind. Sie vergibt auch keine Darlehen an Landwirte, die ihr Land an Schiefergasproduzenten verpachten. Diese Investoren begreifen, dass ökologische und soziale Faktoren entscheidend für die finanzielle Entwicklung sein können. Hier zeigt sich eine klare Verlagerung vom kurzfristigen zum langfristigen Denken. Ein aus meiner Sicht entscheidender Schritt war die Entscheidung grosser Vermögensverwalter wie Allianz Global Investors, den Risiken des Klimawandels in ihren Portfolios stärker Rechnung zu tragen. In der Branche gibt es ganz unterschiedliche Definitionen von ESG. Was verstehen Sie unter ESG-Integration? Wie lässt sich ein allgemeineres Verständnis fördern? ESG deckt ein sehr breites Spektrum vieler und oft verwandter Fragestellungen ab. Das ist schwer zu vermitteln, denn Anleger, Marktteilnehmer und die Gesellschaft als Ganzes haben ein unterschiedliches Verständnis der Bedeutung von ESG und der Prioritäten, die gesetzt werden müssen. Die Gesellschaft selbst wandelt sich, und neue Erfahrungen und Erkenntnisse führen zu neuen gesellschaftlichen


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